< zurück zur Übersicht der ProtokolleProtokoll zur 3. Verhandlung vor dem VG Ansbach, Donnerstag den 2. Februar 2017Az.: AN 6 K 15.00629 (?) - „Verfassungswidrigkeit des RBStV“Die Verhandlung fand vor der 6. Kammer statt, die auch vollständig besetzt war.
Ein Vertreter des BR war anwesend. Das Publikum bestand aus 6 Leuten.
Verhandlungsbeginn: ca. 13:00 Uhr.
Wie schon bei den beiden vorangehenden Verhandlungen wurde auf die Wiedergabe des Akteninhaltes verzichtet.
KLÄGER: Der Kläger erkundigt sich, warum es so lange gedauert hätte, bis zu seinem Fall eine mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Er wäre darüber informiert, dass andere Kläger, deren Klagen nach seiner eingereicht worden wären, teilweise schon ihre Urteile erhalten hätten.
GERICHT: Das Gericht informierte den Kläger, dass es andere und auch wichtigere Verfahren zu bearbeiten gehabt hätte (z.B. Asylverfahren).
KLÄGER: Der Kläger beklagt, dass er keinen Grundlagenbescheid erhalten hätte, weshalb der Festsetzungsbescheid nichtig sei. Zur Verdeutlichung zitiert er aus dem Beschluss des
LG Tübingen vom 9. September 2015 (Az. 5 T 162/15), Rn. 33:
Die Bundesregierung erläutert dies (VMBl 1957 S. 630) anschaulich: „Dem Schuldner ist zunächst ein Leistungsbescheid zu erteilen, in dem er zur Leistung aufgefordert wird. In dem Leistungsbescheid ist dem Schuldner bekanntzugeben, welche Leistung er schuldet. … Der Leistungsbescheid ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen.“
Danach nahm er den Faden aus der ersten Verhandlung (bzgl. der Verwaltungsautonomie der Landesrundfunkanstalten) auf und fragte, warum der RBStV als bundesweit geltender Staatsvertrag in jedem Land unterschiedlich ausgelegt werden könne/dürfe.
(Die Aussage wird zu Protokoll gegeben.)
Der Kläger gibt weiterhin zu Bedenken, dass es sich beim Festsetzungsbescheid um die erste Maßnahme im Vollstreckungsverfahren handle und das, bevor überhaupt ein Grundlagenbescheid ergangen sei.
GERICHT: Gibt zu Protokoll, der Kläger würde sich diskriminiert fühlen, weil ihm der Grundlagenbescheid vorenthalten worden sei.
KLÄGER: Der Kläger verweist darauf, dass Single-Haushalte bei der neuen Regelung zum Rundfunkbeitrag deutlich schlechter gestellt wären, was gegen
Art. 3 GG verstoßen würde. Laut Statistik seien ein Drittel der Haushalte in Deutschland Single-Haushalte. Dies würde etwa einem Fünftel der Bevölkerung entsprechen. Daraus folge, dass beim Rundfunkbeitrag als Wohnungsabgabe offenkundig falsch typisiert worden sei, denn Single-Haushalte seien durch den Rundfunkbeitrag erheblich höher belastet als Mehrpersonen-Haushalte.
Diese Ungleichbehandlung werde durch das
Urteil des BVerwG vom 18.3.2016 (Az. 6 C 6.15), Rn. 43 bestätigt:
Wie unter 1. dargelegt, stellt der Wohnungsbezug Personen, die eine Wohnung zusammen mit anderen dem Grunde nach Beitragspflichtigen innehaben, besser als alleinwohnende Personen. Da mehrere Inhaber einer Wohnung als Gesamtschuldner haften, können sie die Beitragszahlungen nach ihren Vorstellungen unter sich aufteilen. Übernimmt einer von ihnen die Zahlungen in voller Höhe, haben die anderen den Vorteil der Rundfunkempfangsmöglichkeit unentgeltlich. Es gilt die Faustregel, dass die Beitragsbelastung pro Person umso niedriger ist, je mehr beitragspflichtige Inhaber eine Wohnung hat.
Der Kläger gibt zudem an, dass seines Wissens nach 48 Klagen beim BVerfG anhängig seien und er sich sicher sei, dass das BVerfG gegen den Rundfunkbeitrag entscheiden werde. [Anm. 1]
(Die Aussage wurde zu Protokoll gegeben.)
Der Kläger verweist darauf, dass der Rundfunk-Beitrag verfassungswidrig sei, da er gerade nicht als Beitrag zu klassifizieren sei. Die Definition des Beitrags ergebe sich aus dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Beim Rundfunk handle es sich um elektromagnetische Schwingungen, für deren Übersetzung in Ton und Bild es jedoch Empfangsgeräte bräuchte. Eine Wohnung sei jedoch kein Empfangsgerät und damit nicht per se als Anknüpfungspunkt für den Rundfunkbeitrag geeignet.
Dies könne man auch am Beispiel von Strom erkennen: Auch Strom sei, wie elektromagnetische Schwingungen, eine physikalische Erscheinung. Dennoch könne ein Stromanbieter keine pauschalen Strom-Beiträge erheben, obwohl der Strom durch Einspeisung in das öffentliche Netz theoretisch jedem zur Verfügung stände und damit von der Allgemeinheit genutzt werden könne (Nutzungs-Möglichkeit). Strom würde bei den Nutzern verbrauchsabhängig und damit „gerecht“ abgerechnet und nicht bloß auf eine reine Vermutung hin. (Vgl. Argumentation von RA Thorsten Bölck z.B. in seinem
Vortrag am 3.10.2016 in Karlsruhe (bes. S. 6 f. und S. 8 f.).)
(Die Aussage wurde zu Protokoll gegeben.)
Da der Rundfunkbeitrag geräteunabhängig erhoben würde, läge eine unzulässige Typisierung vor. Nichtnutzer würden nicht ausreichend bedacht. Je nachdem, welche Statistik man sich ansehe, lasse sich ein unterschiedlich großer Anteil an Nichtnutzern erkennen, es gäbe also regionale Unterschiede. Aufgrund dieser regionalen Unterschiede sei eine Typisierung, dass über 90 % der Bevölkerung Rundfunknutzer seien, nicht zulässig. Der vom BVerfG geforderte Realitätsbezug sei damit nicht mehr verwirklicht.
Zur Verdeutlichung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu den Kriterien eines Beitrags verwies der Kläger auf das
Urteil des BVerfG vom 25. Juni 2014 (Az. 1 BvR 668/10 und 2104/10), wonach der Gesetzgeber zwar innerhalb bestimmter Grenzen typisieren dürfe, dabei aber darauf zu achten habe, dass „die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen“ (Rn. 50). Eine korrekte Typisierung erfordere jedoch einen sachgerechten Anknüpfungspunkt (Rn. 54):
Allerdings darf sich aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit. Damit bleibt Raum für eine Ausgestaltung der Beitragsverpflichtung durch den Gesetz- oder Satzungsgeber. Der danach eröffnete Spielraum ist erst dann überschritten, wenn kein konkreter Bezug zwischen dem gesetzlich definierten Vorteil und den Abgabepflichtigen mehr erkennbar ist (vgl. Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S. 88).
Da sich die Beitragspflichtigen nicht mehr von der Allgemeinheit unterscheiden ließen, liege kein individuell zurechenbarer Sondervorteil mehr vor, da es, aufgrund der Abkehr vom Gerätebezug, eben keinen sachgerechten Anknüpfungspunkt für den Rundfunkbeitrag mehr gebe. [Anm. 2]
Anschließend gab der Kläger zu bedenken, dass er sich in seiner Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG dadurch verletzt sehe, dass er eben kein Rundfunkteilnehmer sei, weshalb er keine Gegenleistung für seinen Rundfunkbeitrag erhalte, und darüber hinaus auch durch den Rundfunkbeitrag in der freien Wahl von ihm bevorzugter Informationsquellen beschränkt worden sei. Durch den Rundfunkbeitrag würde für ihn sein Medienbudget überschritten und er könnte sich keine anderen, kostenpflichtigen Quellen mehr leisten. Diese Einschränkung wurde ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht
Urteil des BVerwG vom 18.3.2016 (Az. 6 C 6.15), Rn. 50 bestätigt:
10. Die Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungsinhaber nach §§ 2 ff. RBStV verstößt nicht gegen das Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ungehindert zu unterrichten (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Da nahezu jeder Beitragspflichtige über eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verfügt, zielt die Rundfunkbeitragspflicht weder darauf ab noch ist sie wegen der Höhe des Beitrags objektiv geeignet, Interessenten von Informationen des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks fernzuhalten. Soweit sie sich als Beschränkung des Zugangs zu anderen Informationsquellen auswirkt, ist dies hinzunehmen, um den unmittelbar durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 6 C 12.09 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 58 Rn. 39 ff.). Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert die Finanzierung des Rundfunkauftrags; dem dient die Rundfunkbeitragspflicht (vgl. unter 4.).
[Anm. 3.]
Da er sich darüber im Klaren sei, dass dem Grundrecht des Bürgers auf freie Wahl der Informationsquellen bzw. freien Zugang zur Information der angebliche Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenstehe, wüsste er gern, ob einem Satz des GG Vorrang vor einen anderen eingeräumt werden könne. Aus dem
Beschluss des BVerfG vom 15. Januar 1958 (Az. 1 BvR 400/51) ergebe sich klar, dass die Grundrechte zuallererst als Schutz des Bürgers vor staatlichen Eingriffen zu werten seien: 1. Leitsatz: „Die Grundrechte sind in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat;“
(Die Aussage wurde zu Protokoll gegeben.)
BR: (Da das Gericht beschlossen hatte, Klagebegründung und Stellungnahme in zwei separate Blöcke zu trennen, kam nun der BR-Vertreter nach den Ausführungen des Klägers zu Wort.) Der BR-Vertreter verwies darauf, dass der Rundfunkbeitrag per Gesetz geschuldet sei und ein Grundlagenbescheid darum unnötig sei. [Anm. 4]
Zur weiteren Ausführung verwies er lapidar auf ein Urteil des VGH Baden-Württembergs (vmtl.
Urteil vom 4. November 2016 (Az. 2 S 548/16) und die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2016. (Gericht und Kläger haben nun die einmalige Gelegenheit diese Stichworte für oder gegen den Beklagten auszulegen.)
Außerdem verwies er – richtig – darauf, dass der Bayerische Rundfunk Selbsttitulierungsrecht habe. [Anm. 5]
Außerdem bestätigte er, die vorherige Aussage des Klägers, dass das BVerwG in seinen Urteilen vom März 2016 die Typisierung von Single-Haushalten im Vergleich zu Mehrpersonen-Haushalten für verfassungsgemäß halte.
Der Rundfunkbeitrag sei keine Steuer, auch dies ergebe sich aus der bisherigen Rechtsprechung, wieder besonders aus den Urteilen des BVerwG vom März 2016.
Der Anknüpfungspunkt sei ausreichend (wieder BVerwG März 2016).
Es läge im Übrigen keine unzulässige Typisierung vor, wie aus dem BVerfG-Urteil zu „Straßenausbaubeiträgen“ (Anm.: der Vertreter meinte offensichtlich das vom Kläger vorher schon zitierte
Urteil des BVerfG vom 25. Juni 2014 (Az. 1 BvR 668/10 und 2104/10)), das begründen würde, das in Bezug auf die Rundfunkbeiträge anzuwenden sei. [Anm. 6]
Außerdem verwies er auf die
12. Rundfunkentscheidung des BVerfG vom 2. Mai 2007 (Az. 1 BvR 2270/05, 809, 830/06), die die „dienende Funktion der Landesrundfunkanstalten“ unterstreiche (
Rn. 115), die wiederum das aktuelle Finanzierungsmodell rechtfertigen würde.
(Beobachtung: Der Vertreter des BR argumentierte hauptsächlich in Stichworten, allerdings ohne Substanz. Gleichzeitig sprach er zunehmend schneller, fahriger und aggressiver. Woran das wohl lag?)
KLÄGER: Der Kläger fragte abschließend, wie viele Klagen bzgl. des aktuellen Beitragsmodells schon beim VG Ansbach eingegangen seien.
GERICHT: Das Gericht gab an, dass es natürlich keine genauen Zahlen wüsste und darum nur grob schätzen könnte. Es gehe aber von mehr als 50 Klagen aus.
Formale Aufnahme der Anträge:
KLÄGER: Der Kläger beantragte, die Klage zuzulassen.
GERICHT: Weist den Kläger darauf hin, dass die Anträge auslegungsfähig seien und darum in etwa ins Protokoll aufgenommen werden könnten.
KLÄGER: Der Kläger stellte einen Verpflichtungsantrag, nach dem der BR verpflichtet werden solle, die streitgegenständlichen Festsetzungsbescheide und den zugehörigen Widerspruchsbescheid zurückzunehmen.
Außerdem stellte er den Antrag, die Klage ruhend zu stellen, bis das BVerfG über die anhängigen Klagen bzgl. der Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrags entschieden hätte.
BR: Der Vertreter des BR wird auffallend hektisch und lehnt den Antrag (der nur mit Zustimmung des BR angenommen werden kann) sofort ab. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des BVerfG überhaupt nicht wichtig, es gelte nur, was das Bayerische Verfassungsgericht zu sagen habe, immerhin sei der Rundfunk ja Ländersache.
KLÄGER: Stellt Antrag auf Aussetzung des Verfahrens.
Kurze Unterbrechung, da sich das Gericht zur Beratung über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurückzieht.
GERICHT: Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Zur Begründung weist der vorsitzende Richter darauf hin, dass das Gericht nach
Art. 100 GG das Verfahren aussetzen würde, hielte es das strittige Gesetz für verfassungswidrig.
Beschluss, dass das Urteil zugestellt werden würde.
Verhandlungsende: ca. 14 Uhr.