So, hier jetzt das Protokoll:
Protokoll zur Berufungsverhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München
am 20.02.2018, Sitzungssaal 3Az. 7 BV 17.770 - „Befreiung wegen Wohngeld / Härtefall“Die Verhandlung fand vor der 7. Kammer statt, die aus drei Richtern bestand.
Anwesend waren die Klägerin und ihr Anwalt
1, zudem die Angestellte der Landesanwaltschaft Bayern, die auch für das Schreiben vom Juni verantwortlich ist;
2 der BR schaffte es nicht, einen Vertreter zu schicken.
Das Publikum bestand aus etwa 20 Zuhörern.
Beginn: 10:30 Uhr
Erster Eindruck: Die Richter wirkten recht entspannt, die Angestellte der Landesanwaltschaft Bayern ist gut bekannt mit den Richtern.
Gericht: Zunächst wurde festgehalten, welche Beteiligten erschienen waren (der BR nicht). Danach wurde ein Schriftsatz des BR ausgeteilt, der einen Abweisungsantrag enthielt.
Es wurde festgestellt, dass alle Beteiligten darauf verzichteten, den Akteninhalt verlesen zu lassen.
Das Gericht fasste darauf kurz zusammen, dass die Klägerin die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2014 begehre. In ihrem Fall sei sie aufgrund eines Zweitstudiums nicht mehr BAföG -berechtigt gewesen, auch hätte sie aufgrund ihres Studiums keine Sozialhilfe bekommen, sie hätte Wohngeld in Höhe von 28 € bekommen und auch etwas Unterstützung von den Eltern.
3Weiter stellte das Gericht fest, dass die Klage in der ersten Instanz vom VG Ansbach abgewiesen worden sei, mit der Begründung, die Klägerin erfülle den Tatbestand nach § 4 Abs. 1 RBStV nicht, der Wohngeldbezug führe nicht zu einer Befreiung. Sie stelle auch keinen besonderen Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV dar; außerdem sei nicht zu beanstanden, dass nur das Erststudium von Gesetzgeber als unterstützungswürdig angesehen werde.
4Die Berufung würde von der Klägerseite damit begründet, dass ein besonderer Härtefall vorliege, da die Klägerin mit anderen Studenten im Erststudium und „sozial“ Bedürftigen vergleichbar sei.
Das Gericht verwies darauf, dass das BVerwG schon entschieden worden sei und es sich dieser/n Entscheidung/en anschließe. Das BVerwG habe die Verfassungsmäßigkeit bestätigt, und die Münchner Verwaltungsgerichtsbarkeit schließe sich dem in ständiger Rechtsprechung an. Da gebe es ja keine Zweifel, deswegen würden ab jetzt nur noch über die Besonderheiten des Einzelfalls gesprochen, aber nicht über die grundlegende Frage der Verfassungsmäßigkeit.
5 Dann wandte sich der vorsitzende Richter an die Klägerin und fragte nach ihrem BAföG-Anspruch während des fraglichen Zeitraums. Ob denn ein abgeschlossenes Studium vorliege.
Klägerin: Die Klägerin antwortete, sie hätte ihr Erststudium in Chemie abgeschlossen, dann aber auf ein anderes Studienfach gewechselt.
Gericht: Erkundigte sich nach persönlichen Gründen für Studienwechsel.
Klägerin: Wiederholte die Aussage, die sie schon bei der mdl. Verhandlung vor dem VG Ansbach diesbezüglich gemacht hatte. Ihre Großmutter sei an Lungenkrebs gestorben, nachdem sie ihr Leben lang in einem Chemieunternehmen gearbeitet habe, weshalb es naheliegend sei, darin die Ursache zu sehen. Dies habe sie derart mitgenommen, dass sie den Entschluss gefasst habe, auf ein anderes Fach zu wechseln.
Gericht: Fragte, ob sie sich nun im Masterstudium befinde. Dies bejahte die Klägerin. Daraufhin fragte das Gericht nach, ob sie nun wieder BAföG beziehen würde. Auch dies wurde bejaht.
Das Gericht gab eine Kurzfassung des bisher Gesagten zu Protokoll.
Dann ging das Gericht auf die rechtlichen Aspekte ein: Laut Klägerin würde der Befreiungstatbestand erfüllt. Jedoch könne nur derjenige vom Rundfunkbeitrag befreit werden, der einen Tatbestand nach dem abschließenden Katalog nach § 4 Abs. 1 RBStV erfülle. § 4 Abs. 6 biete eine zusätzliche Befreiungsmöglichkeit. Diese dort formulierte Befreiungsmöglichkeit ließe sich jedoch nur auf analoge Fälle anwenden und diese sei sehr schwer bei Ausnahmen. Hierfür müsse man eine planwidrige Lücke bei der Gesetzgebung vermuten und unterstellen, der Gesetzgeber hätte diese übersehen. Das Gericht ginge jedoch davon aus, dass der Gesetzgeber das Ausbildungsförderungsgesetz kannte als er den RBStV verabschiedete.
6 Rechtsanwalt: Der RA verweist darauf, dass der genaue Paragraph nicht ausschlaggebend sei, sondern die Sache selbst. Im Erststudium sei BAföG gewährt worden, an der Bedürftigkeit der Studentin habe sich jedoch durch das Zweitstudium nichts geändert. Nun, da sie im Masterstudium sei, würde ihr auch wieder BAföG gewährt. Es bestehe also eine Lücke zwischen Zweit- und Masterstudium und diese Lücke werde nicht gesehen.
Landesanwaltschaft Bayern: Die Angestellte der Landesanwaltschaft Bayern äußerte sich, dass sie es „zwar im Ergebnis befremdlich" finde, wenn die Klägerin trotz ihrer geringen Einkünfte zur Finanzierung des Rundfunks gezwungen werde, aber der Gesetzgeber das so gewollt habe und daher keine andere Lösung möglich sei. Härtefälle seien in der Regel so definiert, dass bei einem atypischen Fall etwas übersehen werde. Davon könne hier jedoch nicht ausgegangen werden, da schon zu Gebührenzeiten bekannt gewesen sei, dass es Fälle gebe, die im Befreiungskatalog nicht aufgelistet seien.
7 Gericht: Das Gericht fasste zusammen, dass erörtert worden sei, ob ein Befreiungstatbestand – möglicherweise auch als Analogie - nach § 4 Abs. 6 RBStV vorliege.
Was ist ein Härtefall nach § 4 Abs. 6 RBStV? Ein Härtefall „kann“ befreit werden.
8 Es stelle sich darum die Frage: Wann liegt ein Härtefall vor? Antwort mit Verweis auf den Beitrag der Landesanwaltschaft: Es liegt ein Härtefall vor, wenn es sich um einen atypischen Fall handelt, den der Gesetzgeber übersehen hat. Wenn es sich um einen atypischen Fall handle, liege ein Härtefall vor und die Prüfung des Gerichts endete an dieser Stelle.
Dann wird vom Gericht bemerkt, dass Armut kein Härtefall sei. Der Gesetzgeber kannte außerdem die BAföG-Regelungen, die „sozial Schwächere“ fördern sollen, aber eben nur im Erststudium.
Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt verwies darauf, dass die Gesetzesbegründung auf die Zweitstudiumsproblematik nur unzureichend eingegangen sei. Jedoch müsse das Sozialprinzip nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG beachtet werden. Diese wirtschaftliche Härte sei bei seiner Mandantin gegeben. Die Gewährung von BAföG sei eine andere Frage, die mit dem Härtefall selbst nichts zu tun habe. Es werde die materielle Seite, nämlich die finanzielle Bedürftigkeit, übersehen. Dieser materielle Tatbestand müsse zur Beitragsbefreiung führen, denn, wie schon die Landesanwaltschaft vorgetragen habe, sei die aktuelle Regelung im Ergebnis befremdlich.
Gericht: Das Gericht wiederholte, dass nach „weitverbreiteter Meinung“ finanzielle Schwäche kein Härtefall sei.
Es stelle sich die Frage, ob die Berufswahlfreiheit nach Art. 12. Abs. 1 GG noch gewährt sei.
Im Umkehrschluss könne nach jedem abgeschlossenen Studium ja ein weiteres Studium durch die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht „gefördert“ werden, wenn hier eine Ausnahme geschaffen würde.
9 Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt betonte, dass seine Mandantin ja nicht unendlich viele Studien begonnen und abgebrochen habe, sondern seit dem Wechsel des Studienfaches nahtlos im neuen Studium weiter studiert hätte. Ein Irrtum bei der Studienfachwahl solle jungen Menschen durchaus zugestanden werden dürfen. Insbesondere habe seine Mandantin die Ernsthaftigkeit ihres Studiums unter Beweis gestellt, da sie zügig ihr Erststudium abgeschlossen hätte und sich inzwischen im Masterstudium befinde.
Landesanwaltschaft Bayern: Die Landesanwaltschaft bestand darauf, dass eine Ausnahme für Studenten im nichtförderungswürdigen Zweitstudium aufgrund des Gesetzes nicht möglich sei, auch wenn es dem Bürger nicht erklärt werden könne. Die Berufswahlfreiheit werde durch den Rundfunkbeitrag nicht gefährdet.
Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt stellte die Frage, wann der RBStV erarbeitet worden sei, ob denn darin schon die Umstellung der Studienordnung von Diplom auf Master mitbedacht worden seien.
Gericht: Das Gericht führte aus, der RBStV sei seit Januar 2013 in Kraft. Hierbei sei der Härtefall aufgrund der gewünschten Verwaltungsvereinfachung für den Beitragsservice abgeschafft worden. Das Befreiungsverfahren sei deswegen zu Recht bescheidgebunden.
Dann versuchte der vorsitzende Richter das Augenmerk wieder auf die Frage nach dem atypischen Fall zu lenken.
Klägerin: Die Klägerin erklärte, dass sich die Befreiungsproblematik nach dem alten Studiensystem (Diplom-Studiengang) gar nicht stellen würde, da hier das Studium bis zur Zwischenprüfung noch nicht als abgeschlossenes Studium gegolten hatte, da sie dann noch im Vorstudium den Wechsel vollzogen hätte. Dadurch hätte es andere Regelungen gegeben und alles wäre anders behandelt worden. Es bestehe die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber deshalb den Fall des Studienfachwechsels in Bezug auf die aktuelle Rundfunkbeitragssituation nicht bedacht hätte.
Gericht: Das Gericht fasste wieder für das Protokoll zusammen, dass diskutiert worden sei, ob ein Härtefall nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV vorliege. Insbesondere, ob ein atypischer Fall vorliege, den der Gesetzgeber nicht gesehen hat.
Dann ging er zum nächsten Punkt und zitierte § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV:
Ein Härtefall liegt insbesondere vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten.
Diese Befreiungsmöglichkeit betreffe besondere Fälle und sei nur beispielhaft aufgeführt. Dabei habe man den Beschluss des BVerfG vom 30.11.2011 (
1 BvR 3269/08) als Grundlage genommen. Dieser Beschluss besage, dass eine Anwendung der Härtefallregelung geboten sei, wenn der Gleichheitssatz verletzt wäre. Dementsprechend sei es Aufgabe des Gerichts zu überprüfen, ob die Klägerin einer Gruppe angehöre, die vergleichsweise schlechter gestellt sei und welche Vergleichsgruppe dies sein könnte. Laut BVerfG dürfe es keine „Differenzierung ohne Rechtfertigung“ geben.
10 Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt schlug die „Gruppe der durchgängig Studierenden“ als Vergleichsgruppe vor.
Gericht: Der vorsitzende Richter machte den Gegenvorschlag der Vergleichsgruppe der „BAföG-Beziehenden“.
Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt machte darauf aufmerksam, dass es erheblich von der Vergleichsgruppe abhänge, ob ein Härtefall vorliege oder nicht. Wenn es um den Zeitraum des BAföG-Bezuges gehe, dann läge im aktuellen Fall eine Ungleichbehandlung vor, wenn die eine Gruppe durchgängig gefördert würde, bei einem Wechsel des Studienfaches aber kein Anspruch auf Förderung bestehe.
Landesanwaltschaft Bayern: Die Landesanwaltschaft beteiligte sich an der Diskussion, indem sie darauf hinwies, dass der Unterschied zwischen diesen beiden Vergleichsgruppen im Wechsel des Studienfachs bestehe.
Gericht: Der vorsitzende Richter stellte die Frage, ob es Personen gebe, die länger studierten als in der Regelstudienzeit vorgesehen und sich dennoch in der Höchstförderungsdauer für BAföG befänden.
Landesanwaltschaft Bayern: Die Landesanwaltschaft betonte, dass eine derartige Einzelfallprüfung gerade so nicht vom Gesetzgeber gewünscht sei.
Gericht: Das Gericht stimmte diesem Einwand zu. Der Gesetzgeber habe den Gesetzestext absichtlich so formuliert, dies stünde auch im Urteil des VG Ansbach. Der Gesetzgeber wolle zwar das Studium in angemessener Zeit fördern, ein Wechsel des Studienfachs sei jedoch nicht vorgesehen. Die Befreiung von der Beitragspflicht sei eine Förderung, die der Gesetzgeber absichtlich bei einem Zweitstudium nicht mehr gewähren wolle.
11 Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt gibt einen Beispielfall aus seinem beruflichen Erfahrungsfeld zu bedenken: Ein Mandant von ihm hätte die Konstellation Studium + Arbeitslosengeld II + 20,5 Stunden, die er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Das Studium sei hier eher ein Nebenstudium, dennoch sei hier die Ausnahme gegeben, dass ein Student ALG II beziehen würde, obwohl er studiert, was sonst nicht üblich sei. Dieser Student sei aufgrund der Gewährung von ALG II vom Rundfunkbeitrag befreit.
Gericht: Der vorsitzende Richter zeigte eine gewisse Verwunderung über diese Fallkonstellation und versprach, diesen Punkt in seinen Überlegungen zu berücksichtigen. Dann gab er den Zwischenstand zu Protokoll.
Es sei nun Aufgabe des Gerichts, zu überprüfen, ob die Klägerin ungerecht behandelt würde. Diese Überprüfung sei angesichts der Rechtfertigung bezüglich der Verwaltungsvereinfachung wichtig, denn es sei im Zuge der Verwaltungsvereinfachung in Ordnung zu typisieren, zu generalisieren und zu pauschalieren. Dies habe der Bürger dann auch hinzunehmen.
Wieder verwies er auf den Beschluss des BVerfG vom 30.11.2011, in dem das BVerfG dies näher ausgeführt habe. Die nun anstehende Überprüfung beziehe sich auf die Verhältnismäßigkeit von Verwaltungspraktikabilität und Ungleichbehandlung.
Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; stRspr).
BVerfG, Beschluss vom 30.11.2011, Rn. 17
Der vorsitzende Richter stellte fest, dass der Bürger der Rundfunkbeitragspflicht fast nur noch durch Wohnungsaufgabe entkommen könne.
Laut BVerfG dürfe eine Ungleichbehandlung zudem nur eine „verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen“. Da es sich im verhandelten Fall um die Frage des BAföG-Bezuges im Zweitstudium handle, ginge er davon aus, dass hier durchaus ein relevanter Personenkreis betroffen sei.
Daraufhin sah er sich im Saal um und sagte: „Der BR kann sich nicht wehren – selber schuld!“.
Zudem sei auch die Intensität des Eingriffes zu überprüfen. Dies betreffe auch die Frage der Höhe der Abgabe. Zwar sei der Rundfunkbeitrag absolut gesehen nicht so hoch, es sei aber durchaus zu sehen, dass er gerade für finanziell Schwächere eine relevante Belastung und damit einen intensiven Eingriff darstelle. Der Rundfunkbeitrag greife in das Existenzminium (Art. 1 Abs. 1 GG) ein, besonders, wenn man bedenke, dass Hartz IV höher sei als das der Klägerin im fraglichen Zeitraum zur Verfügung stehende Einkommen.
Es sei außerdem die Frage der Verwaltungsvereinfachung für Ausnahmen zu prüfen. Der Beitragsservice müsste, ohne bescheidgebundene Regelung, bei jedem Antrag die Vermögensverhältnisse überprüfen, ansonsten müsste es die jeweilige Fachbehörde (z.B. Studentenwerk) prüfen. Die Richtigkeitsgewähr läge bei einer Fachbehörde zweifelsfrei höher als beim Beitragsservice.
Rechtsanwalt: Der Rechtsanwalt führte aus, dass seine Mandantin Wohngeld beantragt hätte und für die dafür erforderlichen Anträge ihre finanzielle Situation offenlegen musste. Hier hätte bei der Wohngeldstelle darum schon eine Überprüfung stattgefunden. Darum stelle sie sowieso eine Ausnahme dar und der damit einhergehende Verwaltungsaufwand sei damit zumutbar.
Gericht: Der vorsitzende Richter stimmte zu, dass es hier nicht zu einer Überbelastung käme.
Dann führt er weiter aus, dass die genannten Voraussetzungen, die Ungleichbehandlungen seien 1. nur unter Schwierigkeiten zu vermeiden, 2. nur eine kleine Anzahl von Personen sei betroffen, 3. der Grundrechtseingriff sei nicht sehr intensiv und 4. die Verwaltungspraktikabilität laut BVerfG in diesem Fall kumulativ vorliegen müssten.
12 Erst wenn diese Punkte überprüft worden seien, wäre der Prüfungskanon zu Ende.
Der Zwischenstand wird zu Protokoll gegeben.
Klägerin: Die Klägerin brachte dem Gericht nochmals in Erinnerung, dass die Befreiung aufgrund finanzieller Leistungsschwäche noch bis etwa 2005 galt. Mit der neuen Regelung würde behauptet, eine Überprüfung sei ohne Bescheid nicht zumutbar (Verweis auf Schreiben der Landesanwaltschaft). Sie wiederholte, dass sie für den Antrag auf Wohngeld ihre Einkommensverhältnisse offenlegen musste und dieser Wohngeldbescheid demnach überprüft worden sei.
Gericht: Der vorsitzende Richter verwies darauf, dass der Wohngeldbescheid nicht im Befreiungskatalog des RBStV enthalten sei und deswegen als Befreiungsgrund nicht ausreiche. Es sei hier zu prüfen, wie viele Parameter die Gewährung des Wohngeldes beeinflussten, außerdem gebe es keine Einkommenshöchstgrenze für den Wohngeldbescheid, entsprechend also keine zuverlässige Prüfung. Die Einkommensschwäche allein stelle keinen Härtefall mehr da, eine soziale Bedürftigkeit lasse sich also aus dem Wohngeldbescheid nicht ableiten. Er betonte zudem, dass er als Hinweis gebe, die Überprüfung des Wohngeldantrages sei anders strukturiert.
Klägerin: Die Klägerin wiederholte, dass sie einen Bescheid vorlegen könne und ihre finanzielle Lage darum durch ein Amt überprüft worden sei.
Gericht: Das Gericht beendete den Beweisvortrag und gab die Anträge der Beteiligten zu Protokoll.
Der Antrag aus dem Schriftsatz des Rechtsanwalts vom 19.07.2017 und der Antrag auf Zulassung der Revision wurde vorgelesen und genehmigt.
Der BR stellte mit dem Schriftsatz, der zu Beginn der Verhandlung ausgeteilt wurde, den Antrag auf Abweisung der Klage.
Die Landesstaatsanwaltschaft Bayern stellte keine Anträge.
Das Gericht verwies darauf, dass es sich ausnahmsweise um ein gerichtskostenfreies Verfahren handle, und fragte den Rechtsanwalt anschließend, ob er den Gegenstandswert bräuchte. Seine Verneinung wurde mit zu Protokoll gegeben.
Beschluss: „Die Entscheidung wird zugestellt.“
Verhandlungsende: ca. 11:40 Uhr.
Anmerkung der Protokollführer:
Vielen Dank an alle Interessenten!
Als befremdlich wurde es von den Zuhörern empfunden, dass die drei anwesenden Richter sich nicht vorgestellt haben.
Der Bemerkung des vorsitzenden Richters, die Belastung sei nicht sonderlich „intensiv", und 17.50 €/Monat seien von „Normalverdienern" ohne Schwierigkeiten bezahlbar, konnten die Zuhörer nicht zustimmen.
Interessant mag auch sein, dass sich die 7. Kammer nur auf den Beschluss des BVerfG vom 30.11.2011 (1 BvR 3269/08), nicht jedoch auf den
Beschluss vom 9.11.2011 (1 BvR 665/10), der dem Fall bezüglich des Wohngeldes deutlich näher gestanden hätte.
Die Protokollführer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit der Darstellung.
1 Peter Wollenschläger Rechtsanwalt
Johannisstr. 44
90419 Nürnberg
RA Wollenschläger war auch bei den Revisionsverhandlungen vor dem BVerwG mit dabei:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15892.msg116962.html#msg1169622 Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21805.msg165332.html#msg1653323 Es sei hier auf das Protokoll zur Verhandlung vor dem VG Ansbach, 2.02.2017 verwiesen, in dem die finanzielle Situation der Klägerin ausführlich dargestellt ist.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21805.msg142308.html#msg1423084 Das Urteil des VG Ansbach lässt sich hier nachlesen:
https://online-boykott.de/ablage2/public/download/VG_Ansbach_klein.pdf5 Das Gericht zitierte nicht das Urteil, auf das es sich bezog, darum sei hier beispielhaft auf eines der vielen Copy-&-Past-Urteile vom März 2016 verwiesen:
BVerwG, Urteil vom 18.03.2016, Az. 6 C 6.15, ab Rn. 34 im Link
http://www.bverwg.de/180316U6C6.15.0 6 Ob es an der guten Erziehung des Publiums lag oder an der frühen Stunde, diese Aussage wurde wundersamer Weise nicht mit lautem Lachen quittiert. Dass der Gesetzgeber, sprich die Landtags- bzw. Bundestagsabgeordneten, nicht nur über Gesetze abstimmen, die sie kennen, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Ebenso dürfte inzwischen bekannt sein, dass durchaus Gesetze verabschiedet werden, obwohl die Landes- bzw. der Bundestag aufgrund zu geringer Anwesenheit nicht beschlussfähig war.
Z.B.: Augsburger Allgemeine: Wo waren unsere Abgeordneten, als das Gesetz beschlossen wurde? 9.06.2012
http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Wo-waren-unsere-Abgeordneten-als-das-Gesetz-beschlossen-wurde-id20959106.htmloder Juracademy: Wann ist der Bundestag beschlussfähig? 16.09.2013
https://www.juracademy.de/rechtsprechung/article/wann-ist-der-bundestag-beschlussfaehigoder Epochtimes: Neue Frage zum Netzdurchsuchungsgesetz. War der Bundestag mit 60 Abgeordneten überhaupt beschlussfähig? 3.07.2017
http://www.epochtimes.de/politik/deutschland/neue-frage-zum-netzdurchsetzungsgesetz-war-der-bundestag-mit-60-abgeordneten-ueberhaupt-beschlussfaehig-a2158086.htmloder Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Lobbyist packt aus: EU vereinbart Gesetze im Hinterzimmer „komplett undemokratisch“, 04.03.2013
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/03/04/lobbyist-packt-aus-eu-vereinbart-gesetze-im-hinterzimmer-komplett-undemokratisch/7 Es ist sehr interessant, dass die Landesanwaltschaft sich während der Verhandlung deutlich zurückhaltender präsentierte als in ihrem Schreiben (siehe
2).
8 Hier scheint das Gericht das Gesetz nicht richtig gelesen zu haben:
§ 4 Abs. 6 RBStV:
Unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1 hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Befreiungspflicht zu befreien.
Dies lässt sich also nicht als Kann-, sondern als Muss-Vorschrift lesen. Es darf hier keine Willkür herrschen.
9 Nein, das ist keine Lesefehler, wenngleich es zu Verständnisproblemen kommen kann. Anscheinend ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der Ansicht, dass eine Befreiung von einer Abgabe, die weder verfassungskonform ist noch grundsätzlich in der Nutzungswilligkeit der Abgabepflichtigen ihre Begründung findet, eine
Förderung. Es wird also jeder gefördert, der befreit wird, auch wenn er ein Nichtnutzer ist.
10 Vermutlich bezieht sich das Gericht hier auf Rn. 15 des Beschlusses des BVerfG vom 30.11.2011:
bb) Diese Differenzierung war jedenfalls in dem Zeitraum nicht gerechtfertigt, in dem der Zuschlag nach § 24 SGB II geringer war als die zu zahlenden Rundfunkgebühren. Art. 3 Abs. 1 GG schließt nicht jede Differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 112, 50 <67>; 117, 272 <300 f.>; 122, 151 <174>; stRspr). Derartige, die ungleiche Behandlung rechtfertigende Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
11 Hier werden offensichtlich aus Äpfeln Birnen gemacht. Dass der Staat ein Zweitstudium nicht finanziell unterstützen, d.h. fördern will, steht auf einem völlig anderem Blatt als die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, die gerade bei Nichtnutzern in keinster Weise als „Förderung“ angesehen werden kann. Vgl.
9.
12 Wenn der Richter den Beschluss des BVerfG vom 30.11.2011 tatsächlich gelesen hat und als Maßstab heranzieht, dann dürfte das Urteil klar zu Gunsten der Klägerin ausfallen:
BVerfG, Beschluss vom 30.11.2011, 1 BvR 3269/08, Rn. 19 f.
Fehlt damit schon eine der kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für eine zulässige Pauschalierung, Generalisierung und Typisierung, kann es dahinstehen, ob eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Beides dürfte indes zu verneinen sein. Dass eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen betroffen ist, lassen schon die zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren vermuten, die sich mit dieser Problematik des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV befassen. Darüber hinaus liegt für die Beschwerdeführerin ein intensiver Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Hierfür ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht aus der Differenz zwischen dem die Rundfunkgebühr unterschreitenden Zuschlag und der Rundfunkgebühr. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive Belastung der Beschwerdeführerin dar, da ihr für ihre Lebensführung lediglich die vom Gesetzgeber zur Deckung des Existenzminimums konzipierten Regelleistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (vgl. BVerfGE 125, 175 <228>) zur Verfügung stehen und deshalb das Fehlen nur geringer Beträge eine spürbare Belastung darstellt. Aus diesen Gründen steht es der Intensität der Ungleichbehandlung ebenfalls nicht entgegen, dass die Dauer der Belastung auf höchstens zwei Jahre begrenzt ist. Zugleich ist das Interesse der Beschwerdeführerin am Empfang von Rundfunksendungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG geschützt (vgl. BVerfGE 90, 27 <32>).
Aufgrund der mit der Pauschalierung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 RGebStV verbundenen Härten ist die Anwendung des Rundfunkgebührenstaatsvertrages durch das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, ohne dass der Rundfunkgebührenstaatsvertrag selbst verfassungswidrig wäre. Denn § 6 Abs. 3 RGebStV sieht unbeschadet der Fälle der Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV in besonderen Härtefällen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vor und ermöglicht es dem Rechtsanwender damit, die Empfänger von Arbeitslosengeld II, die einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten, in dem Umfang, in dem die Rundfunkgebühren den Zuschlag übersteigen, von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, obwohl die Voraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV nicht vorliegen.