Es wurde ja bereits erwähnt, dass die 3. Auflage von 2012 die eigentlich interessante ist, da hier erstmals die Neuregelung des "Rundfunkbeitrags" kommentiert wird. Und ebenso wurde erwähnt, dass die Art und Weise der Kommentierung doch sehr bemerkenswert ist, denn der
Beck'sche Kommentar gibt weniger den Eindruck eines juristischen Fachkommentars, der diverse Argumente abwägt und kommentiert, statt dessen ist die 'Kommentierung' in einer Art und Weise vorgenommen, die einen durchweg rechtfertigenden Ton hat. Angesichts der Autorschaft der 'Anstalts'-Juristen dann natürlich auch nicht mehr verwunderlich, insofern haben wir es hier - wie oben bereits erwähnt - mit einem
"Lobbygesetzgebungslobbykommentarwerk" zu tun.
Schauen wir nochmals direkt in den Text des
Beck'schen Kommentars. In der Vorbemerkung des Kommentars zum RBStV geht es darum, die neue Abgabe nun irgendwie zu rechtfertigen. Der
Abschnitt D der Vorbemerkung widmet sich daher dem Problem der
Zulässigkeit eines geräteunabhängigen Rundfunkbeitrags. Dort heisst es:
Angesichts der aufgezeigten Probleme fokussierten sich die Reformbemühungen zunehmend auf eine geräteunabhängige "Haushalts- und Unternehmensabgabe", deren Ausarbeitung auf der Ministerpräsidentenkonferenz in Wiesbaden im Oktober 2007 beschlossen wurde. Gleichzeitig wurde vereinbart, einen Modellwechsel erst ab der im Jahr 2013 beginnenden neuen Gebührenperiode durchzuführen. Dass die Ministerpräsidenten einen gangbaren Weg gewählt hatten, wurde insbesondere durch die Rechtsgutachten von Dittmann und Kirchhof bestätigt.
Auch an diesem Textbeispiel zeigt sich, das hier weniger juristisch kommentiert wird, sondern eine chronologische Herleitung der Ereignisse unternommen wird, um den angeblichen Reformbedarf zu rechtfertigen. Es wird dann weiter ausgeführt, dass der Entschluss zum Paradigmenwechsel in Richtung einer geräteunabhängigen Abgabe auf folgenden Grundüberlegungen basiere:
Als Ausgangsbefund wird nun erstmals hingestellt die
Allgegenwärtige Empfangsmöglichkeit! Diese soll nun statistisch erwiesen werden:
[Kommentar Rn 25] Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen ist eine statistisch belegte Tatsache: Durch das Konglomerat von herkömmlichen Geräten (mit monofunktionalem Empfangsteil), neuartigen Geräten (z. B. internetfähige PCs; s. § 5 RGebStV Rn. 49 ff.), stationären und mobilen Geräten besteht in Deutschland nahezu in allen Wohnungen und Betriebsstätten die Möglichkeit zum Rundfunkempfang.
Nun wird die Statistik bemüht, laut der 97 Prozent aller deutschen Haushalte über mindestens ein TV-Gerät verfüge. Das ist letztlich eine unsinnige Argumentation, denn wenn man mit der allgemeinen
Empfangsmöglichkeit zu argumentieren versucht, dann muss man unter technischen Gesichtspunkten eingestehen, dass diese dem Rundfunk generell eigen ist. Dennoch ist bisher - seitdem es Rundfunk gibt - noch niemals vor Erlass des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages jemand auf die Idee gekommen die
Empfangsmöglichkeit zum Zahlungsgrund zu machen.
Doch schauen wir erneut in den Text des Kommentars, um zu sehen, wie hier argumentiert wird. Der folgende Abschnitt versucht nun, die
Zulässige Typisierung als
Anknüpfung an bestimmte Raumeinheiten zu rechtfertigen:
[Rn 28] Angesichts dieser Verbreitung von Rundfunkgeräten kam die Überlegung auf, die Abgabenpflicht nicht mehr an die Rundfunkempfangsgeräte selbst anzuknüpfen, sondern an Raumeinheiten, in denen die Geräte typischerweise stehen bzw. genutzt werden. Als Raumeinheiten kamen im privaten Bereich Wohnungen, im nicht privaten Bereich Betriebsstätten, vermietete Gästezimmer und Fahrgastzellen bestimmter Kraftfahrzeuge in Betracht (BayLT-Drs. 16/7001, S. 17: "Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht [Anm.: für Kraftfahrzeuge] ist nämlich nicht das Bereithalten eines Empfangsgerätes, sondern vielmehr [wie bei der Wohnung und der Betriebsstätte] das Existieren einer Raumeinheit, in der üblicherweise eine Rundfunknutzung stattfindet [typisierende Betrachtungsweise].").
Die Statistik soll es also ermöglichen, vom Rundfunkgerät überzuwechseln zu den "Raumeinheiten, in denen die Geräte typischerweise stehen bzw. genutzt werden"?
Nun im nächsten Abschnitt geht es weiter mit der zunehmenden Verschiebung der Argumentation:
[Rn 29] Für diese Raumeinheiten können Rundfunkbeiträge unabhängig davon erhoben werden, ob und welche Rundfunkempfangsgeräte dort vorhanden sind, ob und welche Art von Rundfunk dort empfangbar ist und empfangen wird. Denn nach der Rechtsprechung muss der Gesetzgeber bei Massenverfahren wie dem Rundfunkbeitragseinzug nicht jedem konkreten Einzelfall gerecht werden, sondern lediglich eine Typengerechtigkeit herstellen, um Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen (BVerfGE 96, 1 [6]; 78, 214 [226 f.]; 21, 12 [27]). Danach ist es dem Normgeber im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums gestattet, bei abgabenrechtlichen Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben (BVerwG, B. v. 28. 8. 2008 – 9 B 42/08). Erst wenn mehr als 10 Prozent der Einzelfälle von den typischen gesetzgeberischen Annahmen abweichen, sind die jeweiligen Regelungen rechtswidrig (BVerwG, Urt. v. 1. 8. 1986 – BVerwG 8 C 112.84). Die Annahme des Gesetzgebers, dass in nahezu 100 Prozent der genannten Raumeinheiten die Möglichkeit zum Rundfunkempfang besteht, begegnet weder tatsächlichen noch rechtlichen Bedenken, zumal Funklöcher durch den Satellitenempfang nahezu ausgeschlossen sind. Damit stellt sich der Rundfunkbeitrag auch nicht in den wenigen Ausnahmefällen, in denen der Beitragspflichtige tatsächlich über keine Rundfunkempfangsgeräte verfügt, als "verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit dar" (so aber v. Münch, Focus v. 5. 12. 2011, S. 136).
Hier also ist die in der 'Rechtsprechung' immer wiederholte Argumentationsfigur der
Typengerechtigkeit vorgeprägt! Und dann wird es noch absurder in der Argumentation. Denn aus dem bisherigen wird gefolgert:
[Rn 30] Die (unwiderlegliche) Unterstellung der Empfangsmöglichkeit ist schon angesichts der Vielfalt und Verbreitung empfangstauglicher Geräte gerechtfertigt (Rn. 25 ff.). Werden die Anküpfungstatbestände dann noch hinreichend weit gefasst, indem z. B. Räume zu Raumeinheiten zusammengefasst und Kraftfahrzeuge zugerechnet werden, so ist es möglich, die Beitragspflicht von den konkreten Rundfunkempfangsgeräten zu lösen und im Wege der Typisierung und Pauschalierung an weit definierte Raumeinheiten zu koppeln (a. A. Degenhart, ZUM 2011, 193 [196]).
Erst wird also vom konkreten Empfangsgerät zur bloßen Empfangsmöglichkeit als Abgabengrund umgestellt - und dann soll aus statistischen Erwägungen die Zahlungsverpflichtung unwiderlegbar sein? Mann muss die hier vorgelegte Argumentation Schritt für Schritt analysieren, um die Unzulässigkeit herauszuarbeiten. Und wir sehen hier, wie die Argumentation in diesem "Lobbygesetzgebungslobbykommentarwerk" vorgekaut wird, um dann von Politik und vor allem von der Judikative wieder aufgegriffen wird.
weitere Textbeispiele sollten hier folgen...