Wenn man sich dann den
Abschnitt IV der Vorbemerkung ansieht, so wird man gewahr, dass die Rechtfertigungsversuche auch vor offenbaren Verdrehungen nicht zurückschrecken. Denn unter der Überschrift "
Kontinuität von Belastungsgrund, Abgabentypus und Gesetzgebungskompetenz" behaupten die Autoren einerseits, dass der "eigentliche
Belastungsgrund derselbe" sei im Vergleich zur vorhergehenden Regelung der Rundfunkgebühr, andererseits sich der
Abgabentypus nicht geändert habe. Beide Behauptungen sind offenkundig unzutreffend und irreführend. Werfen wir einen Blick in den Text der Kommentierung:
[Rn 36] Obgleich die Loslösung vom Gerät einen echten Paradigmenwechsel bedeutet, bleibt der eigentliche Belastungsgrund derselbe: Wie nach der alten Rechtslage sollte allein die Empfangsmöglichkeit die Abgabenpflicht begründen, nicht das tatsächliche Abrufen des Rundfunkangebots (Kirchhof, Rechtsgutachten S. 45). Bereits die Rundfunkgebühr wird allein durch die Möglichkeit ausgelöst, Rundfunk ohne besonderen zusätzlichen technischen Aufwand empfangen zu können (§ 1 Abs. 2 Satz 2 RGebStV). Wird dafür nach der bisherigen Rechtslage das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes vorausgesetzt, so wird diese Möglichkeit künftig in bestimmten Raumeinheiten im Wege zulässiger Typisierungen (s. Rn. 28 ff.) fingiert.
Interessant, dass hier vom "Fingieren" gesprochen wird - die Möglichkeit des Rundfunkempfangs in Raumeinheiten scheint also eine gesetzliche Fiktion zu sein? Auf jeden Fall ist die hier nahegelegte Analogie unzutreffend, mit der eben eine Kontinuität zwischen alter Rundfunkgebühr ("Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes") und neuem "Rundfunkbeitrag" (vermeintliche Möglichkeit des Rundfunkempfangs in Raumeinheiten) insinuiert werden soll. Vielmehr hat der "fiktive" Belastungsgrund eines "Innehabens einer Raumeinheit" keinen logischen Bezug zum Rundfunkempfang.
Unzutreffend ist auch die Behauptung im folgenden Absatz:
[Rn 37] Der Abgabentypus ändert sich letztlich ebenfalls nicht: Auch wenn die Rechtsnatur der Rundfunkgebühr seit jeher umstritten ist [s. Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, Frankfurt a. M. 1983, S. 41 ff.; § 13 RStV Rn: 13 f.], so besteht doch Einigkeit darin, dass die "Rundfunkgebühr" (vom BVerfG immer in Anführungszeichen gesetzt) keine Gebühr im Rechtssinn ist, weil sie keine konkrete Gegenleistung entgilt. Sie hat vielmehr weitgehend Beitragscharakter [Ipsen, Die Rundfunkgebühr, 2. Aufl., Hamburg 1958, S. 60]. Anerkannt ist daher, dass die "Rundfunkgebühr" eine öffentliche Abgabe zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darstellt (BVerfGE 31, 314 [329], die für das Vorzugsangebot der Gesamtveranstaltung Rundfunk entrichtet wird (Kirchhof, Rechtsgutachten, S. 42 ff.). Nichts anderes gilt für eine Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe, die jetzt zwar eindeutig als Beitrag zu qualifizieren ist, aber sich eben weiterhin als Abgabe zur Abschöpfung des durch das allgemeine Angebot von Rundfunksendungen erlangten Vorteils darstellt (Kirchhof, Rechtsgutachten, S. 48 f.). Für die Erhebung eines Beitrags ist die Möglichkeit eines Vorteils ausreichend, den der damit Belastete nutzen könnte (BVerfGE 49, 343 [353]; 38, 281 [311]). Insoweit knüpft der Rundfunkbeitrag an die grundsätzlich vorhandene Möglichkeit an, innerhalb der abgabepflichtigen Raumeinheiten mit den dort typischerweise vorhandenen Rundfunkgeräten Rundfunk zu empfangen; die bisherige Anknüpfung an das Bereithalten eines konkreten Rundfunkempfangsgerätes entfällt.
Im letzten zitierten Satz wird eigentlich sogar zugegeben, dass der konkrete Bezug aufgegeben wird. Gerechtfertigt wird das mit der Behauptung, dass für die "Erhebung eines Beitrags" die bloße "Möglichkeit eines Vorteils ausreichend" sei - eine solche Behauptung verkennt freilich, dass damit der Gesetzeswillkür Tür und Tor geöffnet sind. Wenn der Beitragserhebung nicht mehr ein konkreter Vorteil entspricht, sondern nur noch die "Möglichkeit eines Vorteils", dann ist vor lauter Möglichkeiten selbstredend kein Halten mehr, möglich ist fast alles und wenn allemöglichen Möglichkeiten Zahlungsverpflichtungen auslösen können sollen, dann ist dem Zugriff auf die Geldbeutel der Bürger praktisch keine Grenze mehr gesetzt und die gesetzliche Schutzfunktion möglichst entgrenzt.
Die nachfolgend daherfabulierten Möglichkeiten eines Vorteils sowie des möglichen Rundfunkempfanges sind dafür ein gutes Beispiel. Lassen wir nochmals den Text der 'Kommentierung' zu Wort kommen in der gleichen Rn 37:
Der Vorteil der Gesamtveranstaltung Rundfunk kommt dabei jenen sozialen Gruppen (Ehepaare, Familien, eingetragene und nichteheliche Lebenspartner, Wohngemeinschaften, Belegschaften, Fahrer und Beifahrer etc.) zugute, die sich in den erfassten Raumeinheiten aufhalten. In diesen Raumeinheiten – und nicht etwa unter freiem Himmel – findet in aller Regel auch der Rundfunkempfang statt. Mithin besteht für die Beitragsschuldner – die Inhaber der jeweiligen Wohnung oder Betriebsstätte – nicht nur die für Beiträge charakteristische Gruppennützigkeit, sondern auch die räumliche Nähe zum finanzierten Vorzugsangebot (Kirchhof, Rechtsgutachten, S. 43). Dass die Summe der Gruppenmitglieder weitgehend mit der Allgemeinheit identisch ist, steht der Gruppennützigkeit nicht entgegen [Bosmann, Paradigmenwechsel in der Rundfunkfinanzierung, in: K&R 2012, 5 [9]; krit. Hain in: Stern u. a., Neuordnung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Vortragsveranstaltung des Instituts für Rundfunkrecht an der Universität zu Köln vom 13. 5. 2011, S. 35, 38]. Die Gruppen sind durch die Zuordnung zu den erfassten Raumeinheiten hinreichend eingegrenzt. Daher ist es folgerichtig, die jeweilige Gruppe in der beitragspflichtigen Raumeinheit des privaten Bereichs gesamtschuldnerisch zum Rundfunkbeitrag heranzuziehen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 RBStV i. V. m. § 44 AO).
Die 'Folgerichtigkeit' der vorstehend gezogenen Schlüsse erschließen sich einem gesunden Menschenverstandnis nicht mehr - vielleicht ist hier die Einwirkung medialer Dauerberieselung vonnöten, um solche Schlüsse ziehen zu können?
weitere Textbeispiele sollen hier folgen ...