Hallo Gemeinsam, ich war heute ab halb zehn im Berliner Verwaltungsgericht, dort es gab zwei Verhandlungen (10 Uhr + 11.30 Uhr) zur Zwangsabgabe. Hier meine (persönlichen) Notizen:
10:07 Uhr: Hostel GmbH Prokurist und Anwältin vs. rbb mit zwei Anwältinnen (mit Gerichtsvollmacht), einem GEZ-Mitarbeiter (ohne erwähnte Vollmacht) und einem Hospitanten (als passiver Zuschauer). Auf den Besucherstühlen im Saal saßen neben mir noch zwei Interessierte…
Das Gericht trat als Kammer mit den drei Berufsrichtern und zwei "ehrenamtlichen Richtern" und einer Protokollführerin an.
Nach der Vereidigung der Laienrichter auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Berliner Landesverfassung und die Gesetze mit dem Schwur, sich für Recht und Gerechtigkeit einzusetzen, stellte der Richter M. den Fall dar: Der Beherbergungsgewerbebetrieb im LowBudget-Bereich mit drei Standorten hatte drei Klagen gegen die entsprechenden Bescheide / Widerspruchsbescheide eingelegt. Diese drei Klagen wurden nun in der Verhandlung zusammengefasst und so kam es am Ende bei der Beschlußverkündigung zu dem zusammenfassenden Streitwert von über achtunzwanzigtausend Euro. Der Kläger hatte teilweise gezahlt und nicht allen Bescheiden widersprochen. Aber es ging nun um fünf konkrete Bescheide, die beklagt wurden. Richter M. nannte die Klagebegründung sei im Wesentlichen rechtlicher Natur und dabei ginge es um den Vorwurf einer verfassungswidrigen Einschränkung der Berufsfreiheit durch die unverhältnismäßige Belastung von ca. 8 - 15 % des Gewinns vor Steuern durch die Zwangsabgabe.
Nun hatte Richter M. auch gleich mal eine Nachfrage an den Kläger bezüglich der genauen Zimmeranzahl, denn nach RBStV ist ein Zimmer pro Hotel von der Zwangsabgabe befreit. Wenn also 453 vorhandene Zimmer angegeben wurden, wären nur 452 abgabepflichtig und die Berechnung in den Bescheiden entsprechend anzupassen… Der Vorschlag des Richters, das die Bescheide (nachträglich) korrigiert würden, wurde vom rbb angenommen - nicht ohne den Hinweis, dass der Kläger ja selber Schuld sei, wenn er das zwangsabgabebefreite erste Zimmer seines Beherbergungsgewerbebetriebes mit angibt. Nun: Es wurde protokolliert, dass der Beklagte die angefochtenen Bescheide so ändern will, dass jeweils ein Gästezimmer pro Standort weniger in Rechnung gestellt würde. Der später erfolgte (sinngemäße) Hinweis der Anwältin des Klägers, dass damit doch die Bescheide ungültig seien, begegnete der Richter M. mit der Unerheblichkeit von 6 Euro bei 1 : 452 Zimmern…
Nun stellte der Richter M. fest, dass laut Internetauftritt des Hostels in den Zimmern neben TV auch Internet und WLAN angeboten würde, somit also insgesamt in allen Zimmern die Möglichkeit der Nutzung gegeben sei. Das ist Fakt. Gleichwohl kann die Verfassungsrechtmäßigkeit der Zwangsabgabe hinsichtlich der Gleichbehandlung nach GG nicht angezweifelt werden mit der Behauptung, dass es eine Mehrbelastung geben, wenn neben der privaten Zwangsabgabe auch die gewerblich Abgabe zu leisten sei. Denn neben dem privaten Abgabe zur Zwangsfinanzierung durch jeden Haushalt ist die zusätzliche Zwangsabgabe durch das Gewerbe (eben doch) zulässig.
Nun bekam die Anwältin des Klägers das Wort. Sie bezog sich auf das Gutachten von Prof. Degenhardt zu der falschen Typisierung, wenn die Allgemeinheit verpflichtet ist.. es gibt keine Individualisierbarkeit, um einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne zu begründen. Betriebsstätten brauchen keinen örR und auch am Verfassungsgericht Rheinland-Pfalz (Hellau!) war der Spruchkörper sehr gespalten hinsichtlich der Betriebsstättenregelung … es ist eben keine Bagatelle, dass die eingenommenen Überschüsse durch die Zwangsabgabe seit 2013 auch zu 41% aus dem gewerblichen Bereich kommen, dieser also insgesamt Mehrbelastungen tragen muss. (Anmerkung: Schwarzseher gab es vor 2013 bei den gewerblichen "Teilnehmern" eben nicht. Die haben vorher GEZahlt und müssen jetzt BEITRAGEN…) Im "Gebührenregime" waren z.B. für den Kläger an einen Standort im Monat noch ca. 300 Euro fällig, die sich durch das "Beitragsregime" ab 2013 nunmehr um das 9-fache auf 2713 Euro für die Zwangsabgabe anstiegen. Mit diesen erheblichen Eingriffen in das Budget des Gewerbebetriebes (ca. 8 - 15 % des Gewinns vor Steuern) wird die allgemeine Handlungsfreiheit nach GG verletzt. Und das zu mehr als 10% und vermutlich bei mehr als 10% der Betriebe in Deutschland. Das überschreitet die Norm der Typisierung! Darauf überreichte die Anwältin dem Gericht und der Beklagten einen Schriftsatz mit entsprechenden Ausführungen…
Der rbb antwortet: Der Beitragscharakter ist gegeben. Es gibt ja viele Urteile etc.
Der Richter: TV- und Radioempfang im Hotel ist ein Mehrwert. TVs + Internet + WLAN werden im Betrieb des Klägers angeboten. Alle Betriebe haben zu über 90 Prozent internetfähige PCs und Autoradios in ihren Firmen-Kfz. Es gibt keine Härtefallregelung im RBstV. Im gewerblichen Bereich ist alles verhältnismäßig. Und so sind auch die für den Kläger überschlägigen 40 Eurocent pro Nacht und Gästezimmer nicht erheblich, denn eine "Erdrosselungssteuer" nach §12 (

) ist nicht erreicht. Damit ist die Zwangsabgabe verfassungsgemäß und gerechtfertigt.
Die Anwältin des Klägers: Die verfassungsgerechte Typisierung zur Abgrenzung des Beitrages zur Steuer ist misslungen, denn die Allgemeinheit ist verpflichtet. Die Argumente mit Gerätebezug widersprechen dem neuen "Beitragsregime". Und: 40 Eurocent pro Zimmer und Nacht sind für den Kläger als LowBudget-Anbieter eben doch erheblich und unverhältnismäßig.
Zum Ende der Richter: Da 1 Zimmer pro Standort beitragsfrei ist, wird der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt erklärt, soweit der Beklagte die Bescheide jeweils für 1 Zimmer pro Standort verringert. (??) Die Anträge des Klägers: Bescheide / Widerspruchsbescheide aufheben. Beklagter beantragt abzulehnen. Die Entscheidung ergeht am Ende des Sitzungstages. (10:55)
Die Verkündigung erfolgte dann auch später (nach der zweiten Verhandlung) um ca. 12:45: Die Klage wird abgewiesen.
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Die zweite Verhandlung ab 11:30 Uhr war dann besser besucht. Ich schätze mal, wir waren ca. 15-20 ZuschauerInnen.
Der Kläger hatte RA Bölck an seiner Seite. Der Fall war bekanntlich im August (26.8.) vom Einzelrichter M. an die Kammer zurückgegeben worden, da hier vom Gericht geprüft werden wollte, ob eine bewiesene Gerätelosigkeit und damit die Nichtnutzung von Rundfunk einen Härtefallbefreiungstatbestand nach § 4 Abs 6 Satz 1 RBStV darstellt, wie es das Bundesverfassungsgericht in seiner Ablehnungsbegründung der Verfassungsbeschwerde (1 BvR 2550/12 vom 12.12.2012) forderte: »Zudem ist er gehalten, zunächst die Befreiung von der Beitragspflicht zu beantragen. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags hat die Landesrundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien. Satz 2 der Vorschrift nennt zwar ein Bespiel eines Härtefalls, enthält jedoch keine abschließende Aufzählung, so dass andere Härtefallgesichtspunkte ebenso geltend gemacht werden können. Es ist jedenfalls auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer mit einem solchem Härtefallantrag, bei dem er seine religiöse Einstellung und seine gesamten Lebensumstände darlegen könnte, eine Beitragsbefreiung erreichen kann«.
Also: Zu Beginn der Verhandlung überreichte die Anwältin des rbb dem Richter und dem Kläger einen Schriftsatz vom Vortag (10.11.), der als Fax vorab gesendet wurde. Der Inhalt ist mir nicht bekannt. Während nun der Anwalt des Klägers das Schriftstück liest, beginnt der Richter M. mit dem Fall: Der Kläger begehrt Befreiung wegen Verfassungswidrigkeit. Die Verfassungsmäßigkeit wurde durch die Kammer mit Urteilsbegründung vom 22.04. bereits festgestellt. Der Kläger stellte im Juli den Härtefallantrag auf Befreiung nach § 4 Abs. 6 wegen des Nichtbereithaltens von Empfangsgeräten. Nach Ablehnungsbescheid, Widerspruch und Widerspruchsbescheid wurde die Klage entsprechend erweitert. Der Richter M. hat sich durch "Augenscheinnahme" in der Wohnung (Haus) des Klägers vor einigen Tagen über das Nichtvorhandensein von Empfangsgeräten überzeugt. Eine Typisierung durch das Gesetzt darf nach § 3 GG zu Härtefällen führen. Die Anforderungen an Gruppen der Untypischen ist gering (?), somit kann § 4 Abs 6 RBStV als Härtefallregelung Anwendung finden für Wohnungsinhaber ohne Empfangsgeräte und ohne PC. Darauf zielte das Bundesverfassungsgericht am 12.12.12. (Anmerkung: Und das am 11.11.15 - Hellau nach Cottbus - der Hochburg des Brandenburger Karnevals!;-))
RA B: Eine verfassungsgemäße Auslegung erfordert die Verhältnismäßigkeit (?). Entweder § 4 Abs 6 findet Anwendung oder es ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderlich. (Anmerkung: Genau! Entweder § 4 Abs 6 findet Anwendung oder die Zwangsabgabe ist eine Steuer und der RBStV nichtig.)
rbb: Es ist keine Anwendung einer Härtefallregelung nach § 4 Abs 6 möglich, weil der BS dies nicht prüfen kann. Es gibt zu viele mobile Geräte und zu viele Provider. Die Verhältnismäßigkeit ist durch das Ziel des Eingriffs in die Grundrechte gegeben. Wir wünschen die Parteivernehmung zum Beweisbeschluß. (Der Kläger soll beweisen, dass er keinerlei Rundfunk nutzen kann, weil er keinerlei Empfangsgeräte besitzt. Dies soll durch Befragung des Klägers, ggf. mit Vereidigung - mit den entsprechenden strafrechtlichen Folgen - erfolgen.)
Richter: Wir folgen dem VG Osnabrück, wonach die Zwangsabgabe eine Steuer ist, wenn es keine Befreiung für Einzelfälle / Härtefälle gibt.
(Anmerkung: Nach kurzer Unterbrechung der Verhandlung, in der sich die fünf RichterInnen berieten, verkündete Richter M den Beschluss zur Beweiserhebung der Behauptung des Klägers durch die Parteivernehmung. Diese "peinliche" Befragung gebe ich hier nicht wieder. Bei der Befragung nahm auch der "Kollege" vom BS teil, obwohl dieser doch gar keine Verfahrensvollmacht hatte. Sehr seltsam!) Nun: Am Ende der Befragung gab es nochmals eine Unterbrechung / Beratung, die zum Ergebnis hatte, den Kläger nicht zu vereidigen. Die Beweiswürdigung des Richters : Eventuell muss die private Nutzung des Firmen-Kfz mit Autoradio auf eine Zwangsabgabepflicht genauer geprüft werden. Auf jeden Fall aber bestehen Zweifel, dass der Mitbewohner der Wohnung des Klägers (der 4 mal im Jahr für 4 Wochen in Berlin ist) für seine Selbständigkeit keinen PC, mindestens aber ein Smartphone besitzt. Auch wenn der Mitbewohner nicht Kläger ist, haftet der Kläger für diesen als Gesamtschuldner. Somit wäre zu beweisen, dass auch der Mitbewohner keine Empfangsgeräte besitzt. Den Antrag auf diesen Tatsachenbeweis müsste der Kläger stellen.
Jetzt gab es die dritte Unterbrechung für die Beratung des Klägers mit seinem Anwalt. Die Folge: RA B stellt den Tatsachenantrag, dass in der gemeinsam genutzten Wohnung keine Empfangsgeräte vorhanden sind und auch nicht genutzt werden durch die Zeugenvernehmung des Mitbewohners des Klägers.
Der Termin für diesen nächsten Verhandlungstag wurde auf den 18.12. 11:30 Uhr festgestellt.
12:35 Uhr Ende der Verhandlung
12:45 Uhr die Verkündigung der Beschlüsse zur ersten und zweiten Verhandlung
zu 2. = Beweisaufnahme zur Tatsache, dass keine private Rundfunknutzung erfolgt, da keinerlei Empfangsgeräte durch den Mitbewohner bereitgehalten werden. Die Einvernahme erfolgt am 18.12. 11:30 Uhr
zu 1. = Klage abgewiesen, da Geräte vorhanden und keine Härtefallregelung für Gewerbe besteht und verfassungsgemäße Auslegung keine Grundgesetzteinschränkungen erkennen lässt.
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Mein Eindruck: Die Kläger werden behandelt, als seien sie die Angeklagten. Die Beweislast liegt immer beim Kläger. Die Feststellungen macht immer der Richter. Dabei wird permanent auf das Vorhandensein von Geräten abgestellt, obwohl das doch keine Rolle (mehr) spielen sollte.
Bleibt tapfer!