https://norberthaering.de/bargeld-widerstand/bargeldklage-verfassungsgericht/
Mein Anwalt, Carlos A. Gebauer aus Düsseldorf, der mich in diesem Rechtsstreit seit 2015 vertritt, hat schon 2019 einen formalen Fehler des Bundesverwaltungsgerichts gerügt. Nach seiner Auffassung wäre es in Leipzig nicht Sache des Sechsten (Rundfunk-)Senats gewesen, die Sache zu verhandeln, sondern Aufgabe des Neunten (Abgaben-)Senats.
Um sein Urteil zu begründen, hat der entscheidende Sechste Senat sogar eine elementare Rechtsprechungslinie des eigentlich zuständigen Neunten Senats aufgegeben: Beitragsbescheide des Rundfunks sollen nach dem Urteil des Sechsten Senats bis auf weiteres auf Grundlage einer rechtswidrigen Satzung ergehen können. Ob dieser Abschied vom verfassungsrechtlichen Gebot ununterbrochener Legitimationsketten, ausgesprochen von unzuständigen Richtern, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird, muss sich zeigen.
In der Tat sollte man hier eine Verfassungsbeschwerde auch damit begründen, dass der
Anspruch auf den gesetzlichen Richter verletzt ist:
Nach dem
Geschäftsverteilungsplan des BVerwGhttps://www.bverwg.de/medien/pdf/gvp_bverwg.pdfist der 6. Senat für das Rundfunkrecht zuständig, der 9. Senat für die Sachen aus den Gebieten
3. des sonstigen Abgabenrechts, soweit nicht der Schwerpunkt auf einem Rechtsgebiet liegt,
das einem anderen Senat zugewiesen ist
Hier kann man meines Erachtens durchaus die Meinung vertreten, dass der Schwerpunkt der Barzahlungsklage nicht auf dem Gebiet des Rundfunkrechts liegt. Denn die Frage, unter welchen Bedingungen Barzahlungen zuzulassen sind, hat ja mit Rundfunk eigentlich nichts zu tun. Und öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten, die Abgaben erheben, haben ja in der Regel einen großen Kundenkreis und ein Interesse daran, Bezahlvorgänge möglichst kostengünstig abzuwickeln. Und Müllabfuhr, Abwasserbeseitigung und die Erfüllung gemeindlicher Aufgaben sind doch mindestens genauso wichtig wie der öffentliche Rundfunk.
Wenn aber dennoch der 6. Senat zuständig sein sollte, dann muss man einen Verstoß gegen die Bestimmung des gesetzlichen Richters darin sehen, dass das Urteil von der Rechtsprechung des 9. Senats abweicht und dass man es
unterlassen hat, eine
Entscheidung des gemeinsamen Senats des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen, wie es in
§ 11 VwGO vorgeschrieben ist:
https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/__11.html(1) Bei dem Bundesverwaltungsgericht wird ein Großer Senat gebildet.
(2) Der Große Senat entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will.
...
Die vom 6. Senat in Bezug auf die Barzahlung von Rundfunkbeiträgen getroffene Übergangsregelung ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig:
- es wurde den Rundfunkräten keine Frist gesetzt, bis wann sie eine mit EU-Recht vereinbare Neuregelung zu treffen haben
- dass ein finanzieller Notstand für die Rundfunkanstalten droht, wenn die Verwaltungsgerichte Festsetzungsbescheide aufheben, solange keine Neuregelung getroffen wurde, erscheint mir auch an den Haaren herbeigezogen, da die Anzahl der an den VG's anhängigen Verfahren überschaubar sein dürfte und da nach einer Neuregelung die Beiträge dann ggf. doch neu fällig werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen für eine Beitragspflicht erfüllt sind
- fraglich ist auch, ob das BVerwG mit seiner Übergangsformel genau das ausformuliert hat, was der EUGH mit seiner 5. Bedingung formuliert hat:
Wenn das BVerwG schreibt, dass man Personen, die keinen Zugang zu Girokonten bekommen können, nicht zumuten darf, dass sie mit einer Bareinzahlung des Rundfunkbeitrags auf das Konto der Landesrundfunkanstalt 6€ Barzahlungsentgelt entrichten müssen (das sind bei vierteljährlicher Zahlweise ja "nur" 2 € im Monat), dann fragt man sich doch, ob man diesen Personen die Einrichtung eines Girokontos zumuten kann, das mit erheblichen monatlichen Kosten verbunden ist. Gebührenfreie Girokonten sind meist an Bedingungen geknüpft, die jemand, der sein Konto nur benötigt, um einmal im Quartal Rundfunkbeiträge zu überweisen, nicht erfüllt.
Insofern ist das Urteil nicht zu Ende gedacht.
Bedacht werden sollte auch, dass die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten seit Januar 2021 bereits aufgrund des EUGH-Urteils wissen müssen, dass in ihren Beitragssatzungen Nachbesserungsbedarf besteht. Wenn sie damit nicht zu Potte kommen, ist das keine Rechtfertigung für die Intendanten, vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung abzuweichen.