Da man die Nicht-Konsumenten der Rundfunkempfangsmöglichkeit nicht ernsthaft als Benutzer bezeichnen kann, bleibt es nach dem bisherigen Stand der Erörterung fragwürdig, ob das ÖRR-Dingsda weiterhin als Anstalt des öffentlich-rechtlichen Rechtes bezeichnet werden kann; es sei denn, dass man den Anstaltscharakter des ÖRR-Dingsda über eine allgemeine Rundfunkpflicht für alle Bewohner in Deutschland konstituieren würde, so wie es in Deutschland eine allgemeine Schulpflicht für alle Kinder gibt. Selbst bei einer solch typischen Anstalt des öffentlichen Rechts wie einer Schule ist es eigentlich klar, dass Schülerinnen und Schüler als Mitglieder einer bestimmten Schule angesehen werden, weshalb die Begriffsdefinitionen von Anstalt und Körperschaft auch dort nicht eindeutig einsetzbar sind. Dies gilt umso mehr für das ÖRR-Dingsda, das mit keiner anderen Anstalt des öffentlichen Rechts irgendwelche Kriterien gemeinsam hat. Ein Anstaltsverhältnis kann zwar in bestimmten Ausnahmefällen per Gesetz entstehen, was jedoch bedeuten würde, dass alle Wohnungsinhaber rechtlich nichts anderes als Schüler in einer öffentlichen Schule, Patienten in einer öffentlichen Heilanstalt oder Gefangene in einem staatlichen Gefängnis wären, wie oben dargelegt wurde.
Selbst die Gutachter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den abgabenrechtlichen Verfahren zum Rundfunkbeitrag negieren nicht, dass der Rundfunkbeitrag ein Mitgliedsbeitag sei. Vielmehr beruhen ihre abgabenrechtlichen Annahmen auf Erwägungen, die eine Einstufung als Mitgliedsbeitrag begründen. Der
ARD-Gutachter Paul Kirchhof weist sogar in DIE FINANZIERUNG DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS [1] explizit darauf hin, dass er die Rundfunkgebühr als „Nutzungsgebühr mit Beitragscharakter“ (ebenda, S. 5) ansieht, um damit den Anstaltscharakter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage zu stellen, da er sich die Abgabe für den Rundfunk im weiteren Verlauf der Begutachtung unabhängig von Benutzern vorstellt. Der auslösende Moment für eine Mitgliedschaft beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre demnach die Bereitstellung eines Rundfunkempfangsgerätes gewesen, die durch die Inhaberschaft einer Wohnung oder eines Betriebes als Tatbestand ersetzt wurde, um damit das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu entgelten. Damit hat der Mitgliedsbeitag beim ÖRR-Dingsda dieselbe Funktion wie der Beitrag in einer gesetzlichen Krankenversicherung, wo die Beitragspflichtigen nicht direkt für die Bereitstellungen der Infrastruktur im Gesundheitswesen (z. B. Krankenhäuser) zahlen, sondern zur Finanzierung des Leistungsangebotes im Gesundheitswesen herangezogen werden. Damit steht bereits aus der Sicht eines dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wohlgesonnen Gutachters fest, dass es sich beim Rundfunkbeitrag sehr wohl um einen Mitgliedsbeitrag handelt. Die beiden Rechtsanwälte Adrian Schneider und Thomas Mike Peters vergleichen in diesem Kontext den Rundfunkbeitrag in zutreffender Weise mit einem Mitgliedsbeitrag, wenn sie den Rundfunkbeitrag in einem Telemedicus-Artikel mit Abgaben für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (der Universität) vergleichen [2]:
Im Unterschied zu einer „Gebühr” wird ein „Beitrag” nämlich unabhängig davon fällig, ob man das damit finanzierte Angebot auch wirklich in Anspruch nimmt. Juristisch gesehen ist etwa eine „Studiengebühr” eigentlich ein „Studienbeitrag”: Studenten zahlen zum Beispiel an ihre Uni nicht für eine konkrete Veranstaltung, sondern dafür, aus dem Vorlesungsverzeichnis bestimmte Veranstaltungen auswählen zu können. Es wird also für das Angebot der Uni bezahlt, nicht für den Besuch einer einzelnen Vorlesung.
Ebenso vergleichen die
ZDF-Gutachter Dieter Dörr, Bernd Holznagel und Arnold Picot [3] die neue Beitragspflicht für den Rundfunk tatsächlich mit der Beitragspflicht zur Krankenversicherung in Deutschland, zu der sie feststellen (ebd. S. 64):
Ohne Krankenversicherungspflicht kommt es zu einer im Durchschnitt schlechteren Gesundheitsversorgung und damit zu einer Vernichtung von Humankapital.
Fast analog dazu stellen die Gutachter zur Beitragserhebung aus §2 RBStV fest (ebd. S. 68):
Das Finanzierungskonzept des Rundfunkbeitrags, der bekanntlich alle Wohnungen erfasst, trägt dazu bei, dass alle Bewohner ohne zusätzliche Leistungen an allen öffentlich-rechtlichen Angeboten teilhaben können und zugleich der Staatseinfluss auf den ÖRR im Verbund mit der Rundfunkgesetzgebung minimiert wird.
Unabhängig von anderen Widersprüchlichkeiten dieser Rechtfertigung des Rundfunkbeitrages berücksichtigen die Gutachter vor allem nicht, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die kein Interesse an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkangeboten haben, was zu einer Situation führt, dass diese Menschen für diese Leistungen Beiträge zahlen sollen, ohne dafür tatsächlich eine Gegenleistung zu erhalten, wodurch sich der Rundfunkbeitrag von den Beiträgen zur Krankenversicherung unterscheidet.
Die Beitragspflicht führt jedoch in beiden Systemen zu einer Zwangsmitgliedschaft, die sich eben nur dadurch unterscheidet, dass Krankenversicherungen dazu verpflichtet sind, Leistungen zu erbringen, während der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazu nicht verpflichtet ist.
Es ist zudem nicht wirklich bekannt, wie es zur Einstufung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Anstalt des öffentlichen Rechts gekommen ist, da die Einstufung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bereits im Zeitalter der Rundfunkgebühr angemessener gewesen wäre. Es ist daher zu vermuten, dass diese Einstufung auf die Zeit zurückgeht, als die Rundfunksender im Jahre 1933 durch die damaligen Machthaber in Deutschland verstaatlicht wurden. Der WDR [4] wurde beispielsweise
vor seiner Verstaatlichung durch die Nationalsozialisten im Jahre 1923 ursprünglich mal als Westdeutsche Funkstunde AG (WEFAG), also als eine Aktiengesellschaft, gegründet. 1927 wurde diese
Aktiengesellschaft bereits in Westdeutsche Rundfunk AG (WERAG) umbenannt, bevor sie im Jahr 1934 Teil einer zentralen Reichsrundfunkgesellschaft (vergleichbar mit der heutigen ARD [5]) wurde, womit die WERAG dem Reichspropagandaministerium unterstellt wurde. Sie verlor damit ihre Eigenständigkeit und stand von nun an als Reichssender Köln unter staatlicher Kontrolle. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus fungierte der Reichssender Köln zusammen mit dem Reichssender Hamburg unter den Namen NWDR zunächst als Militärsender in der britischen Zone. Der NWDR wurde am 30. Dezember 1947 von der britischen Militärregierung zwar wieder in die Obhut der neuen Regierungen übergeben, was jedoch nicht wieder zur staatlichen Unabhängigkeit der Rundfunksender führte. Im Jahre 1955 wurde der NWDR auf Veranlassung der Regierungen der Länder in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in die beiden Rundfunkanstalten NDR und WDR aufgeteilt, womit der Zustand von 1934 wieder hergestellt wurde. Denn der NDR erhielt wieder den Sitz des Reichssenders Hamburg und der WDR erhielt wieder den Sitz des Reichssender Köln. Eine demokratische Legitimierung, beispielsweise durch Volksabstimmung [6], der geschaffenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als parteipolitisch gesteuerte Landesrundfunkanstalten hat nie stattgefunden, weshalb sowohl der WDR als auch der NDR durchaus als undemokratische Reliquien aus der Zeit des Nationalsozialismus betrachtet werden können.
[1] Gutachten über DIE FINANZIERUNG DES ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN RUNDFUNKS https://web.archive.org/web/20200614212017/https://www.ard.de/download/398406/index.pdf[2] Telemedicus von 10.05.2010: Das Kirchhof-Gutachten im Detailhttps://www.telemedicus.info/das-kirchhof-gutachten-im-detail/[3] Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud. https://www.zdf.de/assets/161007-gutachten-doerr-holznagel-picot-100~original [4] Wikipedia: Westdeutscher Rundfunk Kölnhttps://de.wikipedia.org/wiki/Westdeutscher_Rundfunk_K%C3%B6ln[5] Wikipedia: Reichs-Rundfunk-Gesellschafthttps://de.wikipedia.org/wiki/Reichs-Rundfunk-Gesellschaft[6] Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen zum Demokratieförderungsgesetz (Kein RBStV)https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30210.msg203314.html#msg203314