Wenn man die Aussagen des
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BVerfG vom 18.7.2018
und das
- Hotel- und Gästezimmer-Urteil des
BVerwG vom 27.09.2017, Az. 6 C 32.16
miteinander vergleicht, wird einem erst der
Irrsinn und die Widersprüchlichkeit beider Gerichte zum Rundfunkbeitragsthema bewusst.
BVerfG Rn 76 18.7.2018
Erforderlich ist allein, dass für alle Abgabepflichtigen eine realistische Möglichkeit zur Nutzung der öffentlichen Leistung oder Einrichtung besteht. Ein solcher die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigender Vorteil liegt hier in der individuellen Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.
BVerwG Rn 20, 27.9.2017
Die berufungsgerichtliche Auffassung, dass jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an dessen Finanzierung zu beteiligen sei und nicht auf die Möglichkeit der demokratischen Teilhabe am Prozess der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung verzichten könne, verkennt, dass der abzugeltende Vorteil, öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramme empfangen zu können, nicht bereits durch die bundesweit flächendeckende Ausstrahlung dieser Programme vermittelt wird.
BVerfG Rn 82
Die Möglichkeit der Rundfunknutzung ist für alle Beitragspflichtigen realistisch, weil das flächendeckende Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Vorhandensein geeigneter Empfangsgeräte jederzeit abgerufen werden kann. Es kommt daneben nicht darauf an, ob diese Nutzungsmöglichkeit tatsächlich weitgehend in Anspruch genommen wird
BVerwG Rn 25
4. Die verfassungsrechtlich erforderliche Rechtfertigung des Beherbergungsbeitrags nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RBStV ist nur dann gegeben, wenn der Betriebsinhaber den Gästen den Rundfunkempfang in den Zimmern tatsächlich ermöglicht. Deren Ausstattung mit Empfangsgeräten oder Internetzugang darf nicht unwiderleglich vermutet werden
BVerfG Rn 90
Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Zwar verschafft sich der Beitragsschuldner erst durch das Bereithalten eines Empfangsgeräts eine konkrete Nutzungsmöglichkeit (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>; BVerfGK 20, 37 <41>). Ein Bezug zwischen dem in der Nutzungsmöglichkeit liegenden Vorteil und den Schuldnern des Rundfunkbeitrags besteht aber schon dann, wenn diese nicht über Empfangsgeräte verfügen.
BVerwG Rn 27
Demgegenüber lässt sich die gesetzgeberische Annahme, in Hotel- und Gästezimmern sowie Ferienwohnungen finde typischerweise eine dem Inhaber der Betriebsstätte zurechenbare Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks statt, nicht durch eine nahezu lückenlose Ausstattung dieser Raumeinheiten mit Empfangsgeräten oder einem Internetzugang belegen.
BVerfG Rn 119
Ebenso wenig wie im privaten Bereich kommt es im nicht privaten Bereich auf das tatsächliche Vorhalten von Empfangsgeräten im Einzelfall an. Maßgeblich ist allein, dass von der Nutzungsmöglichkeit in realistischer Weise Gebrauch gemacht werden kann, was dadurch gewährleistet ist, dass sich Empfangsgeräte ohne großen finanziellen Aufwand beschaffen lassen.
BVerwG Rn 32
b) Hiervon ausgehend fehlt der tatbestandlichen Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RBStV die für eine Vorzugslast erforderliche sachliche Rechtfertigung, soweit auch diejenigen Betriebsstätteninhaber beitragspflichtig sind, die ihren Gästen keine Möglichkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkempfangs in den Zimmern und Ferienwohnungen zur Verfügung stellen. Die ihnen auferlegte Zahlungspflicht verletzt das Gebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG).
BVerfG Rn 126
Insbesondere mussten die Gesetzgeber nicht zwischen solchen Kraftfahrzeugen unterscheiden, die der Betriebsstätteninhaber unmittelbar für die Zwecke des Betriebs einsetzt, und solchen, die wie die Fahrzeuge der Beschwerdeführerin zu III) an Kunden vermietet werden. Zwar werden die Kraftfahrzeuge im ersteren Fall nicht anders kommunikativ genutzt als innerbetrieblich, nämlich zur Information und Unterhaltung von Betriebsangehörigen, während im letzteren Fall der kommunikative Nutzen bei der Kundschaft liegt und der Betriebsstätteninhaber über die Vermietungs- und Serviceentgelte profitiert; die Gesetzgeber mussten diese Unterscheidung aber nicht in unterschiedliche Beitragsregelungen übersetzen.
BVerwG Rn 39
bb) Das angefochtene Urteil verletzt revisibles Recht, weil es von der Verfassungsmäßigkeit der Beitragsregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RBStV ausgegangen ist. Die Regelung der Beitragspflicht verstößt indes gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie ohne sachlichen Grund auch diejenigen Inhaber von Betriebsstätten erfasst, die in ihren Zimmern bzw. Ferienwohnungen keine Rundfunkempfangsmöglichkeit bereitstellen.
Und so weiter und sofort. Hier zeigt sich die ganze Widersprüchlichkeit der Gerichtsbarkeit.
Wo ist der Unterschied zwischen einem Hostelzimmer, das keinen Internetzugang hat, und einem Betriebs-KFZ ohne Autoradio, sowie einer Privat-Wohnung ohne Internetanschluss, wie z.B bei meiner Nachbarin, die trotzdem den vollen Rundfunkbeitrag bezahlen muss.
Nach dem Urteilsspruch des BVerfG vom 18.7.2018 müsste insofern auch das Urteil des BVerwG vom 27.9.2017 hinfällig sein, wird doch dort von Befreiung der Rundfunkbeitragspflicht geredet, wenn keine Rundfunkempfangsmöglichkeit und Internet zur Verfügung steht.
Denn nach dem BVerfG-Urteil hat sich der Gesetzgeber, jetzt kommt der absolute Mysterie-Fantasialand-Hammersatz:
Bei der beitragsrechtlichen Vorteilsbemessung hat sich der Gesetzgeber an einem Wirklichkeitsmaßstab oder zumindest an einem Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu orientieren. Zwar besteht keine Verpflichtung, den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten und wahrscheinlichsten Maßstab zu wählen.
Das BverfG hätte nur diesen Satz schreiben müssen, und hätte sich die 155 Randnummern sparen können.
Also dürften auch im Hotel- und Gaststätten-Urteil Empfangs-und Internetfreie Räumlichkeiten für eine Rundfunkbeitragsfreiheit keine Rolle mehr spielen.
Mich hatte an der BVerfG-Verhandlung im Mai gewundert, dass Degenhart und Jacobi die die Fa. Sixt vertraten, das Hostel- und Gaststätten-Urteil des BVerwG nicht als Vergleich herannahmen.
Denn wo ist der Unterschied zwischen einem Hostelzimmer ohne Empfangsmöglichkeit und einem Betriebs-PKW ohne Empfang, denn diese hat die Fa. Sixt auch zuhauf. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass beide, der Hostelbenutzer und der Mietwagennutzer, sowieso schon Rundfunkbeitrag bezahlen.
Fragen über Fragen, die einer Auklärung bedürfen.
Edit "Bürger":
Beitrag war mglw. versehentlich falsch gepostet unter
BVerfG und BVerwG Verfahrensübersicht in Tabellenform.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,19081.0.html
und musste hierher verschoben werden.
Bitte selbst darauf achten und jeweils nur in geeignetem Thread diskutieren.
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.