Das Problem ist: Der Gesetzgeber darf tatsächlich typisieren, allerdings nur, solange nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung (unter 10 %) betroffen ist und die Härten noch gebilligt werden können (was bei 17,98 € angeblich der Fall ist) bzw. die Intensität des Eingriffs noch "zu verschmerzen" wäre (wobei sich natürlich die Frage stellt, wie irgendeine Einschränkung der Grundrechte verschmerzbar wäre).
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln ( BVerfGE 74, 9 <24>), und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (vgl. bereits BVerfGE 1, 14 <52>; stRspr). Er ist verletzt, wenn die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, wenn also bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung fehlt, kurzum, wenn die Maßnahme als willkürlich bezeichnet werden muss (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 83, 89 <107 f.> m.w.N.).
Trifft bei uns wie die Faust aufs Auge... *seufz*
Woher kommen die 10 %?
Ich finde jetzt natürlich nicht mehr die Urteile, aus denen ich das habe, dafür verweise ich auf das Gutachten von
Degenhart: Verfassungsfragen des Rundfunkbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder.
Gesetzgeberische Typisierung ist nur verfassungsmäßig, wenn sie eine verhältnismäßig kleine Anzahl untypischer Fälle erfasst.91 Selbst wenn statistische Angaben zutreffen sollten, wonach 97% der Haushalte über ein Fernsehgerät verfügen,92 dürfen einige Millionen verbleibender Nicht-Fernseher nicht als atypische, zu vernachlässigende Sonderfälle behandelt werden, zumal die Entscheidung, bewusst auf Fernsehen zu verzichten, in einer freiheitlichen Kommunikationsverfassung von der Rechtsordnung zu akzeptieren ist. Keinesfalls kann in der Frage des Belastungsgrundes dem Gesetzgeber die Befugnis zuerkannt werden, bis zu 10% nicht typgerechte Fälle undifferenziert der Geltung der pauschalierenden Regelung zu unterwerfen.93
Zu den Rundfunkgeräten:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/AusstattungGebrauchsguetern/Tabellen/Unterhaltungselektronik_D.html Nach dieser Statistik sieht es tatsächlich so aus, als wären 2012 in 96,4 Haushalten Fernseher gewesen, also weniger als 10 % Haushalte ohne Fernseher. Wenn man sich also an der Statistik orientiert, dann liegt der Gesetzgeber innerhalb der zulässigen Typisierung. So Z.B.
VG Osnabrück 1.4.2014, RN 36; hier geht man von 4,9 % Nichtnutzern aus.
Das ändert natürlich nichts an dem Problem, daß nicht jeder Fernsehzuschauer auch ein Interesse an den örR hat.
Wir müssen uns Folgendes klar machen: Die Gerichte haben "Besseres" zu tun, als sich mit fundierten Grundlagen auseinander zu setzen. Das kommt den LRA sehr gelegen, weil sie dann die Möglichkeit haben, die Gerichte mit Informationen zu versorgen. Die Statistiken sind natürlich insofern ungenügend, als sie nicht jede einzelne Person erfassen können. Aber der Gesetzgeber kann auch nicht jede einzelne Person berücksichtigen.
Solange also die Anzahl derer, die nachweislich keinerlei Rundfunkempfangsgerät besitzen, zu gering ist, als daß der Gesetzgeber oder die Gerichte sich genötigt sehen, diese Minderheit zu berücksichtigen, solange wird man mit dem Argument auch nicht wirklich vorwärts kommen.
Ganz besonders, wenn man bedenkt, daß "Rundfunknutzung" nicht gleichzusetzen ist mit "Nutzung des öffentlich-rechtlichen Angebots", daß internetfähige PCs keine "Rundfunkempfangsgeräte" sind (Übergeneralisierung).
Und auch hier zeigt sich wieder das Problem, daß der RBStV sich ständig so auslegen lässt, wie die den örR zugeneigte Person ihn auszulegen gedenkt.
Wenn einer Nicht-Nutzer ist, wird ihm unterstellt, daß das unerheblich sei, weil er dennoch einen Vorteil aus dem reinen Vorhandensein der örR ziehen würde. Wenn jemand aber aufgrund von Wahrnehmungsdefiziten rein physiologisch den Rundfunk nicht nutzen kann, dann wird ihm durchaus das Recht (zurecht natürlich) zugestanden, daß er die Beiträge nicht zahlen muß, auch wenn man sich fragt, wieso diese Person nicht trotzdem einen "indirekten Nutzen" von dem Angebot haben sollte, so wie man es dem bewußten Nicht-Nutzer auch unterstellt. Die drehen es genauso hin, wie sie es gerade brauchen, und deswegen denke ich, daß es sinnvoller ist, sie über eindeutige Rechtsverstöße "dranzukriegen", denn hier muß nicht großartig interpretiert werden und der gesunde Menschenverstand darf sich auch ausruhen.
BayernWiderspruchsverfahren: §§ 69-73 VwGO (Bundesrecht)
BVerfG zu Sonderbeiträgen: "Weinabgabe" - B. v. 4.2.1958 (2 BvL 31, 33/56); "Berufsausbildungsabgabe" - BVerfGE 55,274, U. v. 10.12.1980; "Kohlepfennig" - BVerfGE 91, 186, B. v. 11.10.1994; "Straßenbaubeiträge" - B. v. 25.6.2014, 1 BvR 668/10.
BVerwG zu VA: B. v. 30.8.2006, 10 B 38.06; U. v. 23.8.2011, 9 C 2.11.