Willkürliche Typisierung anhand ausgewählter UrteileNachdem wir bei diesem Thema
"Besondere Gegenleistung oder doch nur eine Nötigung? Teil2" folgende Themen:
- Differenzierung - Nutzer und Nichtnutzer der ö.-r. Programme,
- Die Auflösung des Sondervorteils in Luft,
- Unsinn der künstlich zurechenbaren Möglichkeit der Nutzung,
- Fehlende konkrete Gegenleistung, bzw. kein konkretes Gegenleistungsverhältnis,
- Nicht vorhandener faktischer und willentlicher Austausch,
- Grundrechtsprüfung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Erforderlichkeit, Angemessenheit und die Diskriminierung der Nichtnutzer bei der Prüfung der Gruppen,
- Das zweite Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tätigkeit der Rundfunkanstalten und deren Schlussfolgerung von keinem Leistungsaustausch und keiner Gegenleistung
behandelt haben, wollen wir uns nun der willkürlichen/unzulässigen Typisierung bei den Rundfunk-urteilen widmen.
Was wird typisiert?
Multifunktionsgeräte?
Nutzung?
Möglichkeit der Nutzung einer mehrfach redundanten Option für Information und Unterhaltung?
Ist eine konkrete (tatsächliche) Gegenleistung gegeben?
Der Bayerischer Verfassungsgerichtshof behauptet im Urteil:
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
Dass der Gesetzgeber sich mit dieser Ausgestaltung des Beitragstatbestands im Rahmen einer zulässigen Typisierung gehalten habe, werde durch die Lebenswirklichkeit belegt. Es dürfte statistisch gesichert sein, dass nur in einer verschwindend geringen Zahl von Wohnungen und nicht ausschließlich privat genutzten Kraftfahrzeugen kein Rundfunkkonsum stattfinde. Für Betriebsstätten sei davon auszugehen, dass Umfang und Intensität des Rundfunkkonsums tendenziell geringer seien als in Privatwohnungen. Diesem Umstand habe der Gesetzgeber in einer dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügenden Weise durch Staffelung der Beitragssätze Rechnung getragen.
Es wird folglich nach Konsum/Nutzung geschaut sowie nach der Nutzungsintensivität unterschieden, um die Typisierung zu rechtfertigen. Auch die Tatsache, dass es Befreiungsmöglichkeiten für taubblinde, blinde, hörgeschädigte, behinderte Menschen und Staffelung der Beitragssätze für Betriebe gibt, berücksichtigt und betont die relevante Nutzung und Nutzungsintensivität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, um darüber dessen Finanzierung den Menschen aufzuerlegen.
Das ist deswegen von Bedeutung, weil bei der Nutzung verschiedene Gruppen verwickelt sind, die Viel- und Wenig-Nutzer und die Nichtnutzer. Nur sie kommen als potenzielle Kostenträger in Frage. Nur sie können gleichbehandelt oder diskriminiert werden. Deshalb müssen diese Gruppen verglichen, müssen ihre besonderen Vorteile geprüft und festgestellt werden. Der "besondere Vorteil" ist mit einem Maßstab (Differenzierungskriterium) zu ermitteln, der sich aus der Sache ergibt, um die es geht.
Vor allem muss die Gruppe der NICHTNUTZER des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmt werden, denn durch willkürliche Typisierung würde diese diskriminiert.Weiter heißt es im gleichen Urteil
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
... Der tatbestandlichen Anknüpfung liegt die sachgerechte Erwägung zugrunde, dass die einzelnen Personen als Adressaten des Programmangebots den Rundfunk vornehmlich in einer der beitragspflichtigen Raumeinheiten nutzen oder nutzen können und dass deshalb das Innehaben einer solchen Raumeinheit ausreichende Rückschlüsse auf den abzugeltenden Vorteil zulässt.
Diese Aussage
trifft auf die Viel- und Wenig-Nutzer als Adressaten des Programmangebots der öffentlich-rechtlichen Programme.
Sie trifft NICHT auf die Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme zu.Genauso wie die Viel- und Wenig-Nutzer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen können, genauso können die Nichtnutzer diese mehrfach redundante ö.-r. Quelle/Medienform für Information und Unterhaltung nicht nutzen. Sie können ihre moderne Multifunktionsgeräte auf vielfältige Weise nutzen, ohne mit den Anstaltsprogrammen in Berührung zu kommen. Die Multifunktionsgeräte bieten den Zugriff auf das Internet mit weltweiten Möglichkeiten des Internetradio, YouTube, Filmdienste, Online-Zeitungen und sie bieten Anschluss an Player, Recorder, Konsolen, USB, Speicherkarten, WLAN, Fotokameras, ... um sich zu informieren und zu unterhalten. Darüberhinaus bevorzugen viele die tiefergehenden Artikel in den Zeitungen, Zeitschriften und den Büchern.
Die Nutzung eines bestimmten Anbieters, einer Quelle oder Quellenform mit der Unterstellung der konkreten Gegenleistung durch diese, ohne eine willentliche und konkrete Nutzung, bedeutet schlichtweg eine Nötigung zur Erlangung wirtschaftlichen Vorteils und dem besessenen Willen des Einflusses auf die Bürgermeinungen unter dem Mantel der besonderen Information.
Wenn die Gerichte schon Typisierungen anstellen wollen, dann müssen ALLE relevanten Lebenssachverhalte typisiert werden, um keine Verdrehungen willkürlich zu konstruieren. Das tut hier der Bayerische Verfassungsgerichtshof:
http://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/8-VII-12;%2024-VII-12.htm
Durch den Wohnungsbegriff (§ 3 RBStV) werden verschiedene Lebenssachverhalte – von dem allein lebenden „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft – normativ zusammengefasst und einer einheitlichen Beitragspflicht unterworfen, die sämtliche Möglichkeiten der Rundfunknutzung einschließlich der mobilen und derjenigen in einem privaten Kraftfahrzeug abdeckt und die vorbehaltlich der Befreiungs- und Ermäßigungsregelungen des § 4 RBStV unausweichlich ist. Diese Typisierung für den privaten Bereich beruht auf einleuchtenden, sachlich vertretbaren Gründen und ist auch unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit nicht zu beanstanden. …
Bei der typisierenden Betrachtung der Nutzer-, Nichtnutzer-Gruppen: „Medienverweigerer“ über die „typische“ Familie bis hin zur „medienaffinen“ Wohngemeinschaft wird EINE Gruppe willkürlich nicht betrachtet.
Die Gruppe der Menschen, die einfach den ö.-r. nicht nutzt, sich dafür über privates Stadtradio, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher/Hörbücher, Kauf- und Leihfilme, Filme auf Abruf, priv. TV, Auslandssender, Internetradio, das ganze Internet, Internet Blogs, Spielkonsolen- und Softwarehersteller, Kinos, Theater, Varieté, Konzerte, ... informiert, bildet und unterhält und keinen ("besonderen") Vorteil von den ö.-r. Programmen hat - wird gar nicht betrachtet. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof tut so, als ob es die Gruppe, die ö.-r. Programme nicht nutzt, neben den Medienverweigerern, nicht geben würde. Dazu kommt noch, dass die Umstellung nicht erforderlich war und daher die Angemessenheit nicht mehr geprüft werden darf (Grundrechtsprüfung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Erforderlichkeit, Angemessenheit).
Mit dieser falschen Logik manipuliert das Gericht die grundrechtlichen Ansprüche der Verfassung willkürlich. Der Vorteilsbegriff, der im Äquivalenzprinzip verwendet wird, ist der umgangssprachliche; er ist der Vorteil, der dem normalen Verständnis von Vorteilen entspricht. Die besondere Leistung oder der besondere Vorteil ist eine Voraussetzung für eine Abgabe, die als "Beitrag" bezeichnet wird.
Eine konkrete Gegenleistung ist keine bloße Möglichkeit. Eine Möglichkeit ist eine Option von vielen. Es ist möglich diese oder eine andere Option oder gar keine zu wählen. Konkrete Gegenleistung entsteht erst durch die tatsächliche willentliche Inanspruchnahme der Leistung. Fehlt der Handlungswille des Nichtnutzers der redundanten und für viele nicht vertrauenswürdigen öffentlich-rechtlichen Pay-TV Programme, wird gewaltsam die Hand zur Zwangszahlung für eine Option geführt. Es ist das Gegenteil der konkreten Gegenleistung. Es es Nötigung.
Würde bei anderen Lebensbereichen so verfahren wie beim Rundfunk, könnten alle ohne willentliche konkrete Gegenleistung von anderen Bürgern Geld für Leistungen verlangen, weil sie die Möglichkeit haben sie zu nutzen. Niemand kommt auf die absurde Idee zu typisieren und den Strom einem einzigen Anbieter zuzurechnen, weil er in der Wohnung typischer Weise verbraucht werden könnte. Wir alle können jedoch den Anbieter und die Bedingungen wählen und wir können bestimmen, ob wir den Strom überhaupt nutzen wollen. Sei es auf Grund der finanziellen Lage.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Typisierung im Fall von ö.-r. Rundfunk unverhältnismäßig in die persönliche Handlungsfreiheit eingreift und dazu nicht erforderlich ist, denn es gibt ein Überangebot an Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten. Die Multifunktionsgeräte werden dazu noch für alles Mögliche verwendet. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leidet zunehmend an dem Akzeptanzproblem und es wird mit Gewalt (Urteile, Pfändungen) versucht über die Typisierung einen Zahlzwang herbei zu deuten.
Die Abgabe hat
mangels eines konkreten Gegenleistungsverhältnisses (BVerfG: 2. Rundfunkentscheidung / Tätigkeit der Rundfunkanstalten) keine die herkömmlichen Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) prägende Ausgleichsfunktion. Soweit auch die Allgemeinheit einen Vorteil habe, gibt es dann auch keinen individuell zurechenbaren Vorteil gegenüber der Allgemeinheit. Eine Gegenleistung kann nur als konkrete willentliche Leistungsinanspruchnahme gegen andere Leistung (z.B. Geld) erfolgen. Will jemand die Leistung des anderen nicht und es ist keine Steuer, wird eine unausweichliche Zahlung unter Gewaltandrohung zur Nötigung.
Wann fängt die Willkür bei den Typisierungen an?Aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung/Nutzungsintensivität wie gezeigt berücksichtigt wird, jedoch die willentliche Nichtnutzung der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme keine Berücksichtigung findet, ist nicht nur der allgemeine Gleichheitssatz (Belastungsgleichheit) und das Verhältnismäßigkeitsgebot verletzt. Dadurch wurde die Typisierung zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer.
Wenn grundsätzlich durch die Typisierungen plötzlich alle Einwohner in das Raster fallen, mit Ausnahme von wenigen Befreiungsmöglichkeiten für Härtefälle, stimmt etwas mit der Typisierung nicht, weil dann das Raster für die Lebenssachverhalte typische Familie, medienaffine Wohngemeinschaft, Medienverweigerer und der NICHTNUTZER der öffentlich-rechtlichen Anstaltsprogramme willkürlich zu grob gewählt wurde.
Wenn das Typisierungsraster nicht mal in der Lage ist ZWEI Hauptgruppen: Nutzer und Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die für die Finanzierung nur in Frage kommen, voneinander zu trennen, dann handelt es sich bei der Typisierung um eine Mogelpackung. Die Typisierung hat sich in Luft aufgelöst.
Das Verfassungsgericht und andere Gerichte können den ö.-r. Anbieter, die Privaten und sonst noch was für Medien als zusammenhängend sehen. Bei der Typisierung müssen sie jedoch die vielfachen Verwendungsoptionen der Multifunktionsgeräte und die willentliche Entscheidung für oder gegen eine Option berücksichtigen damit die Belastungsgleichheit (Gleichheitssatz) und das Verhältnismäßigkeitsgebot gewahrt bleiben und die Typisierung nicht zur Willkür und zur Diskriminierung der Nichtnutzer der öffentlich-rechtlichen Programme wird.
Nachtrag am 8. Mai 2015:
Wenden wir uns dem Hammerurteil bezüglich der Typisierung/Pauschalierung zu.Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT stellt im Urteil 1 BvR 665/10 die folgenden Kriterien auf:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/11/rk20111109_1bvr066510.html
Die ungleiche Behandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII findet ihre sachliche Rechtfertigung ebenfalls nicht in der Möglichkeit, aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu generalisieren, zu typisieren und zu pauschalieren (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319>; 112, 268 <280>). Die Auslegung und Anwendung der § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 3 RGebStV durch das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht, insbesondere die restriktive Anwendung der Härtefallregelung in § 6 Abs. 3 RGebStV wird den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen einer zulässigen Typisierung nicht gerecht. Hierzu ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich, dass die mit ihr verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, sie lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 100, 138 <174>; 103, 310 <319> ; stRspr). Die Verwaltungsvereinfachung bei der Prüfung, ob eine Befreiung von Rundfunkgebühren zu gewähren ist, vermag hiernach die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII nicht zu rechtfertigen, da keine kleine Anzahl von Personen betroffen ist und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz intensiv ist.
Für die Intensität des Gleichheitsverstoßes ist insbesondere die Beitragsbelastung maßgeblich (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>). Diese besteht höchstens in Höhe der Rundfunkgebühr, wird aber je nach Höhe des die Regelsätze übersteigenden Einkommens entsprechend geringer sein. Zwar ist dieser Betrag absolut nicht sehr hoch, er stellt aber eine intensive und wiederkehrende Belastung des Beschwerdeführers dar. Im Verhältnis zum Einkommen führt schon die Belastung mit den verhältnismäßig geringen Beträgen bis zur Höhe der Rundfunkgebühr zu einer Verringerung des Einkommens von bis zu 5 %.
Das BUNDESVERFASSUNGSGERICHT sagt also:
Eine Verringerung des Einkommens von knapp unter 5 % und mehr durch den Rundfunkbeitrag ist intensiv und verstößt gegen den Gleichheitssatz.
Eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen ist entscheidend für die Voraussetzung einer zulässigen Typisierung. Die kleine Zahl von Personen lässt sich statistisch berechnen, wenn wir die Betroffenen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag" gegenüber Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII betrachten.
Damit können wir endlich konkret die alles entscheidende kleine Zahl von Personen als Grenze für die zulässige Typisierung annähernd ermitteln. Nach meinem aktuellen Verständnis:
(Personen mit Einkommen "SGB II oder SGB XII + Rundfunkbeitrag") - (Empfänger von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII)
Bitte hilft mit, diese Zahl nach statistischen Daten zu ermitteln.