Verfassungsbeschwerde wegen
Zwangsmitgliedschaft und Diskriminierung der
ÖRR-Nichtnutzer und ÖRR-Gegner sowie wegen
Verletzung der negativen Informationsfreiheit
- 1 BvR 1607/20 - (*)Mein Bekannter und ich, die wir die folgende Verfassungsbeschwerde zusammen formuliert haben, haben uns überlegt, diesen Text hier im Forum in anonymisierter Form zu veröffentlichen, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass die von uns vorgetragenen Argumente in der Regel sowohl von den Einrichtungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch von den gerichtlichen Instanzen einfach ignoriert werden.
Mit der Veröffentlichung hier im Forum wird die Verfassungsbeschwerde damit auch unter dem Aktenzeichen – 1 BvR 1607/20 – zitierbar, womit vergleichbare Fälle nicht mehr als Einzelfälle abgetan werden können.
Generell gilt, dass die hier geleistete Vorarbeit (insbesondere aus der Begründung) für eigene Klageverfahren frei verwendet und natürlich auch erweitert werden darf. Es wäre sogar wünschenswert, wenn auch andere Regierungen aus anderen Bundesländern sich mit der aufgezeigten Problematik beschäftigen müssten, da sich unsere Verfassungsbeschwerde lediglich auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen bezieht.
Unsere Verfassungsbeschwerde wird vor allem durch die Ergebnisse aus einer Petition im Düsseldorfer Landtag empirisch substanziiert. Der erste Schritt in diesem Beschwerdeverfahren besteht jedoch darin, einen Befreiungsantrag beim Beitragsservice zu stellen, um ein Schreiben zu erhalten, in dem behauptet wird, dass der Gesetzgeber eine eigene Erweiterung der Härtefallregelungen durch die Rundfunkanstalten nicht vorsehen würde. Hierauf beziehen sich die in der Verfassungsbeschwerde erwähnten Anlagen K03-K06, die in dem folgenden Thema zu finden sind:
Petition zur Befreiung durch Spende für karitative Zweckehttps://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=29628.0Hier nun der Text der Verfassungsbeschwerde:
An das
Bundesverfassungsgericht
Schlossbezirk 3
76131 Karlsruhe
Verfassungsbeschwerde
In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
von Freund des Art.18 GG, Auf dem Weg der Gerechtigkeit 2 – Beschwerdeführer –
1. unmittelbar gegen
- das Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf – AZ: 27 K 15667/17 – vom 2. April 2019, zugestellt am 25. April 2019 (Anlage K01),
- den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) für das Land Nordrhein-Westfallen in Münster – AZ: 2 A 1990/19 – vom 25. Mai 2020, der dem vom Beschwerdeführer beauftragten Rechtsanwalt Doktor XYZ per Fax am 26. Mai 2020 zugestellt wurde (Anlage K02),
2. mittelbar gegen
- den am 1. Januar 2013 als Art. 1 des 15. Rundfunkänderungsvertrag in Kraft getretenen Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV), hier insbesondere gegen §2 Abs. 1 und 2 RBStV,
- den gesetzlich nicht legitimierten Beschluss der Intendantinnen und Intendanten aus dem Jahre 2013 eine rückwirkende Direktanmeldung einzuführen (vgl. Beitragsservice Geschäftsbericht 2014, S. 46), auf der die angefochtenen Bescheide und gerichtlichen Entscheidungen ausgänglich beruhen,
erhebe ich im eigenen Namen Verfassungsbeschwerde gegen die genannten Entscheidungen, Gesetze und sonstigen Reglungen soweit sie die Zwangsmitgliedschaft bei ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie die Erhebung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum ab 1. Januar 2013 betreffen.
Gerügt wird vor allem die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 und 2 RBStV und der praktizierten Direktanmeldung, sowie die Verletzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz. Zudem wird auf die entsprechenden Artikel aus den Protokollen und Konventionen zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verwiesen. Hier sind insbesondere die seit dem Inkrafttretens des 14. Protokolls gültigen Fassungen der Artikel 10, 11, 14 EMRK sowie der Artikel 1 des ersten Protokoll zu berücksichtigen. Auch wird auf die EU-Charta verwiesen, die einen gewiesen Minimalkonsens über die Grundrechte innerhalb der Europäischen Union darstellt, wenngleich es immer noch klärungsbedürftig ist, ob diese Gesetze auch direkt auf nationale Gesetze anwendbar sind. Da diese Verfassungsbeschwerde mit direktem Bezug auf den Vorwurf der politischen Verfolgung von Minderheiten und Opponenten erhoben wird, wird in diesen Zusammenhang jedoch schon jetzt auf Artikel 49 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) verwiesen, wonach nur diejenigen Staaten Mitglied der Europäischen Union werden können, die die in Artikel 2 EUV genannten Werte achten und sich für deren Förderung einsetzen.
Der Beschwerdeführer erhebt seine Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel der Einführung einer Alternative zur als verfassungswidrig angesehenen Beitragspflicht für Gegner des Konsums von Rundfunk und Fernsehen, die darin bestehen sollte, dass dieser Personengruppe die Möglichkeit eingeräumt wird, die für Rundfunk und Fernsehen bestimmte Zweckabgabe alternativ für karitative Zwecke spenden zu können (vgl. hierzu die Dokumentation in der Sache, Anlagen K03-K06).
A: Sachverhalt und Verfahrensgang
Nachdem das erste Widerspruchsverfahren des Beschwerdeführer gegen diverse Bescheide des WDR daran gescheitert ist, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfallen einen Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwaltes für unzulässig erklärte, weil es die Auffassung vertrat, dass dieser Antrag einen Tag zu spät eingereicht wurde (vgl. gegebenenfalls OVG Münster 2 A 624/17), hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14. Juli 2017 erneut Widerspruch gegen einen Festsetzungsbescheide des WDR eingelegt. Gegen diesen mit Datum vom 3. Juli 2017 versehenen Bescheid wendete sich der Beschwerdeführer noch einmal mit denselben Argumenten, die er bereits in der aus formalen Gründen abgelehnten Anfechtungsklage vorgetragen hatte und zu der es bis heute keine inhaltliche Stellungnahme seitens des WDR gibt. Insbesondere wurde erneut die Erhebung des Rundfunkbeitrags für Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen und Gegner der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerückt und erneut vorgeschlagen den Rundfunkbeitrag alternativ für karitative Zwecke zu spenden. Diesen erneuten Versuch den bestehenden Konflikt zwischen dem WDR und dem Beschwerdeführer auf gütige Weise zu schlichten, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2017 zurückgewiesen, in dem der Beschwerdeführer lediglich die Kopie eines vorherigen Widerspruchsbescheide erhielt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführer hatte in diesem ebenfalls nicht stattgefunden.
Daher reichte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14.09.2017 Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ein (Anlage K07). In dieser Anfechtungsklage wurden insbesondere die Klagepunkte zur verfassungsrechtlichen und menschenrechtlichen Verletzung der negativen Vereinigungsfreiheit, der Diskriminierung von Nicht-Nutzern von Rundfunk und Fernsehen und Gegner der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der informellen Selbstbestimmung weiter konkretisiert und durch neue Argumente ergänzt. Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 beantragte der WDR diese Klage abzuweisen, ohne auf die in der Anfechtungsklage vorgetragenen Argumente einzugehen. Der Beschwerdeführer entgegnete daraufhin mit Schreiben vom 15. Juli 2018, dass es zu den drei Schwerpunkten seiner Klage bisher noch keine höchstrichterliche Auseinandersetzung gab, da die bisherige Rechtsprechung sich bisher nur auf die abgabenrechtlichen Aspekte der beanstandeten Verfassungswidrigkeit des Rundfunkbeitrages konzentriert hatte. Dies konnte der Beschwerdeführer so behauten, da er sich über die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf das Schreiben des Bundesverfassungsgerichtes vom 30. August 2017 an den Landtag Nordrhein-Westfallen besorgt hatte, das als Vorlage 17/103 dort veröffentlicht wurde. Er konnte so die vier Verfassungsbeschwerden (1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 981/17, 1 BvR 836/17) aus dem Anhang der Vorlage lesen und studieren, um drei Tage vor der Verkündigung der Urteile am 18. Juli 2018 feststellen zu können, dass diese Verfahren nichts mit seinem Fall zu tun haben. Demnach waren alle vier Kläger aus den Leitverfahren zumindest mit einem Rundfunkgerät bei den öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten vor der Einführung des Rundfunkbeitrages im Jahre 2013 gemeldet bzw. meldpflichtig (vgl. ebda. S. 64, 168, 374 ff. und 479). Genau dieser Umstand trifft eben auf dem Beschwerdeführer nicht zu, weshalb die bisherige Rechtsprechung auf ihn nicht anzuwenden ist. Denn im Haushalt des Beschwerdeführer wird kein Rundfunk, kein Fernsehen und kein Internet empfangen. Zudem verfügt er über kein Auto und über keine Multifunktionalgeräte wie ein Smartphon. Auf diese Unterschiede zu den Klägern aus den Leitverfahren ist das Verwaltungsgericht Düsseldorf in der mündlichen Verhandlung noch einmal hingewiesen worden, was jedoch nicht im Protokoll vermerkt wurde.
Der Beschwerdeführer ist kein freiwilliges Mitglied bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern wurde vom Beitragsservice der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über den Wege der rechtlich nicht geregelten Direktanmeldung (in einigen Berichten des Beitragsservice auch automatische Anmeldung genannt) im März 2014 gegen seinen ausdrücklichen Willen angemeldet, obwohl er ausdrücklich auf die durch §§ 8, 9 und 12 RBStV gegebenen Rechtswege bestanden hatte.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich lediglich auf Grund der Insistierung des Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung mit den drei oben erwähnten Klagepunkten auf sehr rudimentäre Weise auseinandergesetzt (Anlage K01).
Es weist zunächst den Vereinigungscharakter der öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten damit zurück, dass es diese als „Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung“ (S. 6 und 9) definiert, um auf die Behördeneigenschaft des WDR abzuheben.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage der Diskriminierung verweist es auf dieselbe Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, die vom Beschwerdeführer in seiner Anfechtungsklage vorgetragen wurde, ohne sich dabei mit den Gegenargumenten des Beschwerdeführers zu beschäftigen oder diese gar zu entkräftigen (S. 10-11 bzw. K07: S. 6-8). Das erstinstanzliche Gericht verweist so denn auf die weiterhin verfassungsrechtlich klärungsbedürftige Auffassung, dass die „Beschränkung des Zugangs zu anderen Informationsquellen“ (S. 9) hinzunehmen sei, wenn es um die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geht. Damit wurden sowohl die aufgeworfenen Fragen der informellen Selbstbestimmung als auch der Vorwurf der Diskriminierung von Nicht-Nutzern und Gegnern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zurückgewiesen, um darauf zu verweisen, dass sowohl den Nutzern als auch den Nicht-Nutzern im Sinne einer positiven Diskriminierung „gleichermaßen die Möglichkeit der Nutzung eröffnet“ (S. 10) sei.
In ähnlicher Weise, jedoch mit zahlreichen Fehlern und Falschannahmen, lehnt das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfallen den Antrag auf Klagezulassung durch den beauftragten und bevollmächtigten Rechtsanwalt Doktor XYZ ab (vgl. Anlage K02).
Das OVG verweist hinsichtlich der hier gegenständlichen Rechtsfragen nur in zusammenhangsloser Weise auf Beschlüsse des eigenen Senates (S. 5):
Die weiter unter dem Blickwinkel des Unionsrechts geltend gemachten Verstöße gegen Art. 9-11 EMRK liegen ebenfalls nicht vor. Art. 9 und 10 EMRK gehen, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, nicht über die grundgesetzlichen Verbürgungen hinaus, die - wie im Folgenden näher ausgeführt wird - der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag beachtet. Demgegenüber ist Art. 11 EMRK in der vorliegenden Fallgestaltung von vornherein nicht einschlägig, da eine (Zwangs-)Mitgliedschaft des Klägers nicht begründet wird. Ihm wird kein Beitritt zu einem Veranstalter öffentlich-rechtlichen Rundfunks auferlegt; der erhobene Beitrag knüpft vielmehr allein an die Nutzungsmöglichkeit für deren Programmangebot an, ohne dass der Kläger zu einer entsprechenden Nutzung auch nur faktisch gezwungen würde (OVG NRW vom 21. Juni 2016 - 2 A 1840/15, Rn. 37).
Was diese Rechtsauffassung beispielsweise mit der Rechtsprechung des Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und Grundfreiheiten in Straßburg zu tun haben soll, die in der Anfechtungsklage vor dem VG Düsseldorf dargelegt wurde (vgl. Anlage K07), ist für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar; zumal im Vorverfahren deutlich dargelegt wurde, dass der Beschwerdeführer durch den Beitragsservice per Direktanmeldung zwangsweise zur Mitgliedschaft bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemeldet wurde. Auch ist es nicht zutreffend, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im nachfolgenden Verfahren (BVerwG, Beschluss vom 5. April 2017 - 6 B 48.16) mit den aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigt hätte, wie fälschlicherweise suggeriert wird.
Auch die Behauptung oder Auslegung des OVG, dass der EuGH in dem auf Vorlagebeschluss des Landgerichts Tübingen ergangenen Urteil vom 13. Dezember 2018 - C 492/17 (Rn. 48 f.) - angeblich entschieden hätte, „dass kein konkreter Gesichtspunkt erkennbar ist, warum sich die (dortigen) Kläger wegen ihrer Rundfunkbeitragspflichtigkeit in einer von den Diskriminierungsvorschriften erfassten Situation befänden“ (K02, S. 4), ist schlichtweg falsch, da der Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg in Rn. 50 seines Urteils eindeutig darauf hinweist, dass es an verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung hinsichtlich der Fragen 4-7 fehlen würde. Das Landgericht Tübingen hatte in den Fragen 5-7 lediglich in hypothetischer und allgemeiner Weise einige Fälle von Diskriminierung vorgelegt. Unabhängig davon, dass die Doppelbelastung der Inhaber von Zweitwohnungen (Frage 6) in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 18. Juli 2018 (1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 981/17, 1 BvR 836/17) für verfassungswidrig erklärt wurde, ging es in dem Verfahren vor dem OVG eindeutig nicht um die dort geschilderten Fälle. In dem OVG-Verfahren ging es eindeutig und unmissverständlich um die Diskriminierung der Minderheit der Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen und Gegner der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der Beschwerdeführer gehört zu beiden Gruppen, was in beiden verwaltungsrechtlichen Verfahren auch deutlich dargelegt wurde.
B: Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Der Beschwerdeführer ist als natürliche Person Träger von Grundrechten und rügt mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes. Er ist unter Bezugnahme auf den dargestellten Tatbestand selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen; mithin ist er beschwerdefähig und beschwerdebefugt i.S. d. § 90 Abs. 1 BVerfGG. Unmittelbarer Beschwerdegegenstand sind das angeführte Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf und der angeführte Beschluss der Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfallen.
Hinsichtlich dieser hat der Beschwerdeführer den ihm konkret eröffneten Rechtsweg ausgeschöpft und die auferlegten Verfahrensvorschriften beachtet.
Nach Zurückweisung des Antrages auf Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht in Münster steht dem Beschwerdeführer kein weiteres Rechtsmittel mehr zur Verfügung.
Mittelbarer Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde sind der § 2 RBStV und der Beschluss der Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine rückwirkende Anmeldung einzuführen.
Auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung des Rundfunkbeitrags
im privaten Bereich beruhen die beschwerdegegenständlichen Entscheidungen.
Die Verfassungsbeschwerde wurde überdies fristgerecht innerhalb der Monatsfrist schriftlich erhoben (§§ 23 Abs. 1 , 92, 93 Abs. 1 BVerfGG).
Die Verfassungsbeschwerde ist demgemäß zulässig.
C: Begründung der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 (§ 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG) angezeigt wird. Die beschwerdegegenständlichen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer in den genannten Grundrechten, weil sie auf der verfassungswidrigen Regelung des § 2 Abs. 1 RBStV und einer gesetzlich nicht geregelten Zwangsanmeldung beruhen, die in der Durchsetzung durch Vollstreckungsmaßnahmen zu einer konkreten politischen Verfolgung des Beschwerdeführers führen. Damit wird der Beschwerdeführer durch die beschwerdegegenständlichen Entscheidungen auch in seinen Menschenrechten und Grundfreiheiten eingeschränkt, deren Wahrnehmung die Bundesrepublik Deutschland den Beschwerdeführer durch die genannten Artikel der Europäischen Menschenrechtskonventionen garantieren sollte. Zur weiteren Begründung wird auf die folgenden Abschnitte I-III verwiesen.
I. Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht auf „negative“ Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) bzw. allgemeine Handlungsfreiheit
(Art. 2 Abs. 1 GG) in der Verbindung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Art. 11 Abs. 1 EMRK und damit in Verbindung mit dem Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Artikel 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 EMRK).
a) Durch die Zwangsanmeldung des Beschwerdeführer durch den Beitragsservice im Jahre 2014 bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ist unstrittig, dass es sich bei der Mitgliedschaft bei diesen Rundfunkanstalten um eine Zwangsmitgliedschaft in einer abgelehnten und nicht genutzten Vereinigung handelt. Da dem Beschwerdeführer bekannt ist, dass das Bundesverfassungsgericht sich bisher nicht mit diesem Themenkomplex auseinandergesetzt hat (vgl. Beschluss des Ersten Senats vom 13. Dezember 2006 - 1 BVR 2084/05), verweist der Beschwerdeführer in alternativer Weise auf Entscheidungen der Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit, die jedoch lediglich der Frage nachgehen, ob eine Zwangsmitgliedschaft in einer unnützen Vereinigung zulässig sei (vgl. Beschluss des Ersten Senats vom 12. Juli 2017 - 1 BvR 2222/12, 1 BvR 1106/13). Aus Sicht des Beschwerdeführer ist eine Vereinigung, die er aus politischen, weltanschaulichen und religiös motivierten Gründen ablehnt, auch eine Vereinigung, die in seinen Augen unnütze ist.
b) Die negative Vereinigungsfreiheit bezieht sich insbesondere auf zahlreiche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Grundfreiheiten in Straßburg (EGMR), der vergleichbare Zwangsmitgliedschaften wie die des Bf. bei ARD, ZDF und Deutschlandradio als Verstoß gegen Artikel 1 des Zusatzprotokolls Nr. 1 (Schutz des Eigentums) und Artikel 11 (negative Vereinigungsfreiheit) der Europäischen Menschenrechtskonventionen (EMRK) ansieht. Daher ist die Art und Weise der beanstandeten Direktanmeldung für dieses Verfahren nicht unerheblich, da es sich bei der verhängten Zwangsmitgliedschaft um eine Einschränkung dieses Freiheitsrechtes handelt. Diese nicht einmal rechtlich oder gar gesetzlich geregelte Anmeldung beinhaltet einen Zwangsakt, der darin besteht, dass der Beschwerdeführer eine beitragspflichtige Mitgliedschaft hinnehmen muss, die ihn zur ungewollten Förderung des Konsums von Rundfunk und Fernsehen zwingt.
c) In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf wurde auf die höchstrichterliche Entscheidungen der Großen Kammer des EGMR in den beiden Beschwerdesachen Sorensen gegen Dänemark und Rasmussen gegen Dänemark, Urteil vom 11.1.2006, Bsw. 52562/99 und Bsw. 52620/99 Bezug genommen. Der Beschwerdeführer hat in seiner Anfechtungsklage (K07: S. 4) auf die Anwendbarkeit dieser Entscheidung verwiesen, da die Zwangsmitgliedschaft in einer Gewerkschaft denselben Charakter hat, wie die Zwangsmitgliedschaft bei Rundfunksendern. Denn eine solche Zwangsmitgliedschaft bei öffentlich-rechtlichen Sendern mit Bezug auf die Einschränkung der Freiheit der Informationswahl ist genauso schwerwiegend, wie die Einschränkung der Wahl des Arbeitsplatzes in den dortigen Fällen. Er hat darauf hingewiesen, dass erschwerend hinzukommt, dass er bei der im Raume stehenden Zwangsmitgliedschaft nicht einmal die Wahl hat, die Mitgliedschaft durch Wahl einer anderen Möglichkeit, wie die Möglichkeit einen anderen Arbeitsplatz zu suchen, umgehen kann, sondern mit massiven Maßnahmen der Vollstreckung rechnen muss, wenn er sich nicht einer solchen Mitgliedschaft unterwirft. Er hat noch einmal deutlich erklärt, dass er eine Mitgliedschaft bei ARD, ZDF und Deutschlandradio aus Gewissensgründen ablehnt, weil es ihm unmöglich ist, die durch die Medien verbreiteten Weltanschauungen zu fördern oder zu unterstützen. Vor allem hat er dargelegt, dass er in der Installierung der fragwürdigen Rechtsprinzipien aus dem RBStV eine Gefahr für die demokratische, rechtsstaatliche und verfassungsmäßige Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sieht.
d) Das VG Düsseldorf stellte hierzu auf der Seite 9 seines Urteils vom 2. April 2019 Folgendes fest:
„Soweit der Kläger einwendet, es handelt sich um eine „Zwangsmitgliedschaft“ und auf der Grundlage dieser von ihm vorgenommenen Bewertung die zu den Grenzen einer Grundlage Pflichtmitgliedschaft ergangenen Rechtsprechung heranzieht, verkennt er, dass die Grundlage seiner Argumentation, es handle sich um eine Pflichtmitgliedschaft, bereits nicht trägt. Eine Pflichtmitgliedschaft ist eine durch Gesetz oder Satzung erzwungene konstitutive Mitgliedschaft einer natürlichen oder juristischen Person in bestimmten Organisationen, weil die Personen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die mit der Mitgliedschaft verbunden sind. Dies gilt z. B. für berufsständische Körperschaften, berufsständische Versorgungskassen, Gebietskörperschaften, Deichverbände oder Pflichtversicherungen. Die rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hingegen sind, wie oben bereits ausgeführt, Subjekte der mittelbaren Staatsverwaltung und erfüllen eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Sie sind Anstalten des öffentlichen Rechts und haben keine Mitglieder.“
e) Das VG Düsseldorf bezieht sich mit dem letzten Satz offensichtlich auf die nicht mehr haltbare Auffassung, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keine Mitglieder, sondern Benutzer hätten, so wie es in vielen Rechtslexika zur Definition einer Anstalt des öffentlichen Rechts zu finden ist (vgl. hierzu z. B. Tilch & Artloth, Deutsches Rechts-Lexikon, Band 2, Auflage 3, S. 3083-3085). Das Gericht verkennt dabei, dass es mit Bezug auf die zitierte Randnummer 79 (eigentlich 76) der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. - eigentlich selbst auf Seite 11 darlegt, dass es auf die Nutzung nicht ankommen soll. Damit hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach neuer Rechtsprechung auch keine Benutzer mehr, womit der Status einer Anstalt des öffentlichen Rechts verloren ist. Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre zudem zu prüfen, ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes an dieser Stelle tatsächlich so auszulegen ist, wie es das VG Düsseldorf tut, da es sich bei den vier Klägern aus den Leitverfahren um tatsächlich Benutzer von Rundfunk und Fernsehen gehandelt hat, was eben auf den Beschwerdeführer nicht zutrifft.
Es ist jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass ein öffentlich-rechtlicher Rundfunksender unter das Körperschaftsrecht fällt, wie das Beispiel des Staatsvertrag über die Körperschaft des öffentlichen Rechts ,,Deutschlandradio" in der Fassung des zwanzigsten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge in Kraft seit 1. September 2017 aufzeigt. Denn in §1 Abs. 1 dieses Staatsvertrages wird Deutschlandradio als „gemeinnützige rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts“ definiert, die Mitglieder hat. Damit müssen die Erörterungen des VG Düsseldorf als Schutzbehauptung gewertet werden, die lediglich dazu dient, sich nicht mit der aufgeworfenen Frage der unerwünschten Zwangsmitgliedschaft bei öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auseinandersetzen zu müssen.
f) Es ist daher verfassungsrechtlich klärungsbedürftig, ob die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten als Vereinigung anzusehen sind. Diese werden als „Subjekt der mittelbaren Staatsverwaltung“ angesehen, um den Charakter einer Vereinigung zurückzuweisen, was allerdings falsch ist. Die Merkmale für den Vereinigungscharakter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ÖRR) sind wie folgt:
- Der ÖRR ist eine Pflichtgemeinschaft für die in §2 RBStV beschriebenen Inhaber einer Wohnung. Damit besteht ein Zwang, wie er beispielsweise für die Krankenversicherungspflicht in Deutschland besteht.
- Diese Pflicht besteht auch für bestimmte Personen mit bestimmten Voraussetzungen (Wohnungsinhaber) oder bestimmten Eigenschaften (z. B. Mieter oder Eigentümer), so wie es bei der IHK-Pflichtmitgliedschaft üblich ist.
- Der ÖRR legt Konten mit einer Mitgliedsnummer (Beitragskonten) an, so wie es bei den öffentlich-rechtlichen Stadtsparkassen üblich ist.
- Der ÖRR besteht über § 8 und 9 RBStV auf eine Anmeldung. Diese gesetzliche Anmeldungspflicht dürfte wohl das deutlichste Zeichen für den Vereinscharakter der ÖRR sein, da es keine Vereinsmitgliedschaft gibt, ohne dass vorher eine Anmeldung erfolgt ist.
g) Diese Mitgliedschaft ist daher ein Verstoß gegen das negative Recht einer Vereinigung nach Artikel 11 EMRK nicht angehören zu wollen. Die negative Vereinigungsfreiheit erfasst das Recht des Einzelnen, aus einer Vereinigung jederzeit austreten oder ihr fernbleiben zu dürfen. Einen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit bewirken Pflichtmitgliedschaften, sofern es sich nicht um öffentlich-rechtliche Zwangsverbände handelt, die nicht vom Schutzbereich erfasst sind (vgl. EGMR 30.6.1993 – 16130/90 Rn. 36 – Sigurjónsson/Island; 25.4.1996 – 15573/89 Rn. 42 – Gustafsson/Schweden; 27.4.2010 – 20161/06 Rn. 45 – Vör?ur Ólafsson/Island).
Die Ausübung dieser Rechte darf danach nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Diese Einschränkungen liegen im Fall der hier gegenständlichen Zwangsmitgliedschaft nicht vor.
h) Es gibt in Deutschland keine Möglichkeit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht anzugehören. Es besteht zwar eine Möglichkeit der Befreiung von der Beitragszahlung aus sozialen Gründen, die aber im Fall des Beschwerdeführer nicht anwendbar ist (vgl. K04). Damit handelt es sich eindeutig um eine Einschränkung dieses Freiheitsrechtes. Da dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit eingeräumt wird, im Rahmen einer Befreiung den Rundfunkbeitrag alternativ für karitative Zwecke zu spenden, handelt es sich bei dieser Zwangsmitgliedschaft um einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Denn der Bf. muss im Rahmen der Durchsetzung dieser Zwangsmitgliedschaft mit Vollstreckungsmaßnahmen und Ordnungswidrigkeitsstrafen rechnen, zu deren Erduldung es nach der Abwägung der hier dargelegten Sachlage keine Alternative gibt.
(*)Edit "Bürger": Ursprünglich angegebenes Aktenzeichen
"1 BvR 1907/20" war fehlerhaft und wurde nach Mitteilung korrigiert in "1 BvR 1607/20".