Ich denke auch, dass es sehr sinnvoll ist, die Probleme im Zusammenhang mit der Gesamtschuldnerschaft den verantwortlichen Parlamentariern aufzuzeigen. Auch wenn das Gericht Deinem Anliegen nicht entsprechen sollte, bleiben die Probleme ja bestehen. Bezüglich der Beitragssatzungen denke ich, dass die Bestimmung über die Anrechnung eingehender Zahlungen die Problematik der Gesamtschuldnerschaften aber noch verstärkt, man könnte auch behaupten, dass diese Bestimmung mit dem im RBStV eingeführten Institut der Gesamtschuldnerschaft nicht vereinbar ist.
Bevor ich das ausführe, möchte ich auf die Bundestagsdrucksachen hinweisen, die sich in den 70er Jahren mit der Einführung der Abgabenordnung beschäftigen:
Da ist zunächst der Entwurf der Bundesregierung in der Drucksache 6/1982:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/06/019/0601982.pdfDie neue Abgabenordnung sollte schon 1974 in Kraft treten, der ausführlich begründete Entwurf wurde schon in den sechsten Bundestag (gewählt 1969) eingebracht. Da dieser 1972 vorzeitig aufgelöst wurde, ist der Entwurf aber nicht mehr verabschiedet worden.
In den 7. Bundestag (1972 bis 1976) haben dann die Koalitionsfraktionen SPD und FDP den Entwurf erneut eingebracht, aber ohne erneute Begründung:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/000/0700079.pdf(Drucksache 7/79)
Der Bericht mit Beschlussempfehlung des Finanzausschusses findet sich dann in der Drucksache 7/4292:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/042/0704292.pdfHier erfolgte eine Einzelbegründung vor allem bei den Bestimmungen, wo vom alten Entwurf abgewichen wurde.
Ab Seite 10 findet sich eine Übersicht, welche §§ der AO1977 den §§ des alten Entwurfs AO1974 entsprechen.
Der neue § 44 setzt sich also aus § 47 und aus § 209 (2) des alten Entwurfs zusammen.
Die Bestimmungen über eine Aufteilung der Gesamtschuld finden sich im alten Entwurf in den §§ 252 ff. Man hat sich also damals auch Gedanken gemacht, ob man die Aufteilung so detailliert regelt oder ob man das dem pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde überlässt.
Interessant an dem alten Entwurf ist aber in jedem Fall, dass sich die Regelung über die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner in § 209 an dem BGB orientiert und dass bezüglich der internen Aufteilung der Gesamtschuld explizit gesagt wird:
§ 47 läßt im übrigen die Frage des internen Ausgleichs zwischen den Gesamtschuldnern unberührt. Der Ausgleich erfolgt nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Gesamtschuld (§§ 421 ff. BGB).
Der § 426 BGB ist also voll anwendbar, auch wenn die Rundfunkanstalten und manche Landespolitiker das gerne übersehen.
Nach meinem zwar schon 18 Jahre alten BGB-Kommentar von Palandt, der im Wesentlichen aber immer noch aktuell ist, beinhaltet § 426 (1) BGB eine gegenseitige Mitwirkungs- und Freistellungsverpflichtung der Gesamtschuldner.
Eine Mitwirkungsverpflichtung kommt insbesondere in Betracht, wenn sich mehrere Personen zur Herstellung eines Werkes verpflichten: wenn zwei Hände nicht ausreichen für die nötigen Arbeiten, müssen halt 4 oder 6 Hände ran, bzw. wenn unterschiedliches Know-How bei den in verschiedenen Disziplinen spezialisierten Gesamtschuldnern vorhanden ist, dann müssen diese eben zusammen planen.
Eine Freistellungsverpflichtung (diese spielt bei Geldschulden die Hauptrolle) bedeutet, dass jeder Gesamtschulder dafür sorgen muss, dass die anderen nicht mit seinem Schuldanteil belastet werden. Das bedeutet in der Praxis, dass jeder Gesamtschuldner seinen Anteil an den Gläubiger zahlt. Es ist also niemand verpflichtet, einem anderen Gesamtschuldner seinen Geldanteil zur Weiterleitung an den Gläubiger zu übergeben, er kann direkt an den Gläubiger zahlen. Man braucht als Gesamtschuldner also nicht das Risiko eingehen, dass ein anderer Gesamtschulder das ihm anvertraute Geld nicht beim Gläubiger abliefert und dass man dann noch einmal an den Gläubiger zahlen muss.
Das vorausgeschickt, nehmen wir jetzt mal an, dass Personen A und B zusammen wohnen und gesamtschuldnerisch den Rundfunkbeitrag schulden. A ist angemeldet und zahlt in den Jahren 1 und 2 in jedem Quartal seinen Anteil in Höhe von 26,25€. B zahlt gar nichts. Nach zwei Jahren kommt dann der Festsetzungsbescheid, der dann zügig vollstreckt werden soll:
Die Schuld für Jahr 1 gilt als getilgt, für Jahr 2 ist sie offen. Es werden also 210€ von A gefordert plus Säumniszuschlag.
Wenn jetzt für das Jahr 2 eine Vollstreckung nach den Anteilen erfolgen soll, dann würde die Rundfunkanstalt bei A und B jeweils 105€ vollstrecken, da ja für das Jahr 2 aus Sicht der LRA noch keiner gezahlt hat. Dass A mit seinen 8*26,25=210 Euro die Beiträge für Jahr 1 alleine getragen hat, spielt keine Rolle, auch wenn er in den Überweisungen immer das aktuelle Quartal angegeben hat.
A würde nach der Vollstreckung also 75% bezahlt haben, B nur 25% des Beitrages für die Jahre 1 und 2.
Das zeigt meines Erachtens, dass die Abschaffung dieser Anrechnungsregelung mindestens ebenso wichtig ist wie eine Aufteilungsregelung bei der Vollstreckung.
Extrem wird die Situation, wenn es zu Personenwechseln in der Wohngemeinschaft kommt: Wird Person B in den Jahren 3 und 4 durch Person C ersetzt und zahlen in den Jahren 3 und 4 sowohl A und C ihre anteiligen Beiträge, so würde sich ein erst im Jahr 4 erlassener Festsetzungsbescheid niemals mehr gegen A richten. Wenn bei A nichts zu holen ist, dann müsste letzten Endes C für die Rückstände, also die von B verursachten Altschulden aufkommen. Dann wird es aber schwierig für C, Ersatz von B zu bekommen, denn beide haben ja nie zusammen gewohnt, so dass § 426 nicht anwendbar ist.
Anm. Mod. seppl: Diese Beitrag bezieht sich noch auf mein Informationsschreiben ans VG Hamburg zur Petition auf politischer Ebene. Ich habe sie hier angeführt, da ich alle meine Schreiben ans Gericht hier veröffentliche. Es geht aber weiterhin nur um die Gerichtsverhandlung. Bitte also nun nicht weiter auf die politische Diskussionsebene eingehen.