Der sog.
Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio versendet unter diesem und im eigenen Namen Briefe. Diese Briefe werden zugestellt; die Zustellung erfolgt regelmäßig durch Einwerfen der Briefe in einen Briefkasten.
Briefkästen stehen regelmäßig im Besitz, mitunter auch im Eigentum einer Person.
I. Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht (legaldefiniert in § 858 Abs. 1 BGB) im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen, § 862 Abs. 1 S. 1 BGB. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen, § 862 Abs. 1 S. 2 BGB.
II. Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen, § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.
Wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio durch das Versenden von Briefen unter diesem und im eigenen Namen den Adressaten in seinem Besitz an dem Briefkasten stört bzw. in seinem Eigentum an dem Briefkasten beeinträchtigt, so hat der Besitzer bzw. Eigentümer einen Anspruch gegen den sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio aus § 862 Abs. 1 BGB bzw. § 1004 Abs. 1 BGB. Hieran anschließend böte sich an, dem sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio aufzufordern, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben; Zweck einer solchen ist u.a., dass die Wiederholungsgefahr (vgl. Wortlaut des § 862 Abs. 1 S. 2 bzw. des § 1004 Abs. 1 S. 2 „Sind weitere Störungen zu besorgen […]“) entfällt.
III. Fraglich ist also, ob der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio durch das Versenden von Briefen unter diesem und im eigenen Namen den Adressaten in seinem Besitz an dem Briefkasten stört bzw. in seinem Eigentum an dem Briefkasten beeinträchtigt. Dies ist der Fall, wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die Briefe widerrechtlich und ohne den Willen des Besitzers bzw. Eigentümers in dessen Briefkasten zustellen lässt. Maßgeblich ist demnach die Frage, ob der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die Briefe widerrechtlich zustellen lässt.
Der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio handelt jedenfalls widerrechtlich, sofern ihm das Gesetz nicht diese Handlung gestattet (vgl. § 858 Abs. 1 BGB) bzw. der Eigentümer des Briefkasten zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB).
Gemäß § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem RBStV zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten – dazu zählt auch das Recht zum Einzug des Rundfunkbeitrags – ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr. Gemäß § 10 Abs. 7 S. 2 RBStV ist die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, einzelne Tätigkeiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs und der Ermittlung von Beitragsschuldnern auf Dritte zu übertragen und das Nähere durch die Satzung nach § 9 Abs. 2 RBStV zu regeln.
Welche Rundfunkanstalt zuständig ist, richtet sich nach dem Wohnort. Nehmen wir als fiktives Beispiel einen Wohnort im Freistaat Thüringen. Die für den Freistaat Thüringen zuständige Landesrundfunkanstalt ist der Mitteldeutsche Rundfunk (Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk vom 30 Mai 1991). § 2 der Satzung des Mitteldeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 24. September 2012 (nachfolgend: MDRVLR-Satzung) bestimmt:
„Die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene
gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten nimmt die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise
für diese wahr. Sie wird dabei auch für das ZDF und das Deutschlandradio tätig“.
Anknüpfend an den Wortlaut des § 2 MDRVLR-Satzung stellen sich nun folgende Fragen:
Ist der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten i.S.d. § 2 MDRVLR-Satzung? Wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht die gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten i.S.d. § 2 MDRVLR-Satzung ist, auf welcher Rechtsgrundlage fußen dann die Briefe des sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio? Wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten i.S.d. § 2 MDRVLR-Satzung ist, wieso ist der Adressant der Briefe nicht mit „Gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ bezeichnet; gibt es eine Rechtsgrundlage für die Bezeichnung „Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio“ oder „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“? Wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten i.S.d. § 2 MDRVLR-Satzung ist und es eine Rechtsgrundlage für diese Bezeichnung gibt, wieso teilt der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio den Adressaten seinen Briefen nicht mit, dass er – dem Wortlaut u.a. des § 2 S. 1 MDRVLR-Satzung entsprechend – die Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten der zuständigen Rundfunkanstalt nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise für diese wahrnimmt? Wenn der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten der zuständigen Rundfunkanstalt wahrnimmt, handelt der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio dann nicht stellvertretend für die zuständige Landesrundfunkanstalt und müsste – nicht zuletzt des Offenkundigkeitsprinzips wegen, welches im öffentlichen Recht Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und Bestimmtheitsgebots ist – den Namen des Vertretenen oder der Vertretenen nennen? Es stellt sich nämlich die Frage, wen der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio eigentlich vertritt: Vertritt er im fiktiven Fall allein den Mitteldeutschen Rundfunk oder handelt er für alle Rundfunkanstalten, da er die ARD im Namen führt (vgl. auch den Wortlaut des § 2 S. 2 MDRVLR-Satzung)?
Darüber hinaus dienen als Argumentationsgrundlage für die Rechtswidrigkeit/Nichtigkeit des Handelns möglicherweise § 37 Abs. 1, 3 und § 44 Abs. 2 Nr. 1 ThürVwVfG (sowie § 37 Abs. 1, 3 VwVfG und § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) und insbesondere der Beschluss des LG Tübingen vom 19. Mai 2014 – Az. 5 T 81/14 (
https://openjur.de/u/708173.html)
Was haltet Ihr davon?