Tag 175 (noch 6 Tage):Zur Versachlichung des Themas sei mal auf das im Beschluss zitierte Vorlageverfahren des Amtsgerichtes Wangen von 1980 verwiesen, zu dem das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1982 online einsehbar ist:
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19.10.1982 (AZ: 1 BvL 34/80, 1 BvL 55/80)http://www.hartzkampagne.de/urteile/86.htmDemnach ist es wenig sinnvoll, die zulässige Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Erzwingungshaft an der Höhe der Summe festzumachen, die ein angeblicher Schuldner zu entrichten hätte. Wo will man dort letztendlich die Grenze setzen? In dem nicht erfolgreichen Vorlageverfahren 1 BvL 34/80 des Amtsgerichts Wangen gingen es beispielsweise ursprünglich nur um einen Betrag von lediglich 17,50 DM bei einem Menschen, der bereits im Schuldnerverzeichnis eingetragen war.
Generell stört mich bei einer solchen Argumentation, dass es keinen direkten Bezug zum Rundfunkbeitrag oder dem WDR gibt, der nach meiner Meinung das Vollstreckungsrecht in Deutschland für seine eigenen Zwecke instrumentalisiert. Für mich besteht die Unverhältnismäßigkeit vielmehr darin, dass Gerichte nicht erwarten können, dass Menschen sich für jede Bagatelle zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zwingen lassen müssen, so wie es bei der Anwendung des ZPO § 901 offensichtlich häufig der Fall ist. Hinzu kommt natürlich, dass die Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag tatsächlich die Besonderheit aufweist, dass es nicht möglich ist, die Nicht-Nutzung der Rundfunkempfangsmöglichkeit durch eine eidesstattliche Versicherung nachzuweisen. Es sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Rundfunkbeitrag selbst den Beweis dafür liefert, dass das Einfordern einer eidesstattlichen Versicherung in Angelegenheiten des Rundfunkbeitrages unverhältnismäßig ist, wenn es in den Urteilen vom 18. Juli 2018 feststellt (ebenda Rn. 92):
Dem ließe sich auch nicht dadurch abhelfen, dass die Beweislast für das Fehlen eines Empfangsgeräts den Beitragspflichtigen auferlegt würde. Der hierfür erforderliche Nachweis einer negativen Tatsache ließe sich praktikabel letztlich nur durch eine Versicherung an Eides statt erbringen. Neben der Frage der Verhältnismäßigkeit eines solchen Nachweises, bei dem Falschangaben mit strafrechtlichen Sanktionen bedroht sind (vgl. Schneider, NVwZ 2013, S. 19 <22>; Wagner, Abkehr von der geräteabhängigen Rundfunkgebühr, 2011, S. 166 ff.), bildet die Versicherung an Eides statt vor allem nur eine Momentaufnahme ab (ebenso BVerwGE 154, 275 <290 Rn. 37>). Sie müsste regelmäßig erneuert werden, was kaum praktisch überprüft werden könnte. Entsprechendes gilt für den Nachweis, dass vorhandene Geräte nicht zum Empfang bereitgehalten werden.
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. -http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.htmlDenn die eidesstattliche Versicherung, nach der zum Zeitpunkt der Vermögensauskunft kein pfändbares Vermögen vorliegt, bildet genauso „nur eine Momentaufnahme“ ab wie die Auskunft zur Nicht-Nutzung von Rundfunkgeräten. Damit ist die Erzwingung einer eidesstattlichen Versicherung zu einer Vermögensauskunft ebenso fragwürdig und unverhältnismäßig wie die werworfenen eidesstattlichen Versicherungen zur Nicht-Nutzung der Rundfunkempfangsmöglichkeit, weil der „Nachweis, bei dem Falschangaben mit strafrechtlichen Sanktionen bedroht sind“, in diesem Falle ebenfalls „kaum praktisch überprüft werden“ kann. Eine Ausnahme hiervon wäre der Fall, bei dem vorher schon der Nachweis vorliegen würde, dass die betreffende Person in einer Vermögensauskunft möglicherweise falsche Angaben machen würde. Ein solches Verhalten wäre in meinen Augen jedoch ein kriminelles Verhalten, weil hier bewusst auf die Einleitung eines Strafverfahrens hingearbeitet werden würde. Da man mit solch einem Verhalten bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten rechnen muss, ist es nur nachvollziehbar, dass Georg Thiel die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verweigert hat. Ein einfacher Bürger kann schließlich bei der Komplexität unseres Rechtssystem ohne Rechtsbeistand nicht mehr selbst einsehen, welche Rechtsfolgen eine solche eidesstattliche Versicherung hätte.
Grundsätzlich anfechtbar bleibt natürlich die Frage der Behördeneigenschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, was vom Vertreter des Gandhi aus Borken auch sehr schön in der Verfassungsbeschwerde dargelegt wurde. Aus Gründen der Subsidiarität sollten solche Argumente jedoch in Zukunft bereits im Verfahren vor dem Amtsgericht vorgetragen werden, wobei mir natürlich klar ist, dass die Fristen der Gerichte einen dazu keine Zeit lassen.
Daher ist es durchaus intelligent, wenn man Beschwerdetexte bereits vorformuliert, wenn klar ist, dass ein gerichtlicher Weg sich nicht mehr vermeiden lässt. Denn es gibt nichts, was Richter mehr freut, als wenn sie eine Klage oder Beschwerde bereits aus Gründen einer nicht eingehaltenen Frist zurückweisen können.