Ich denke, daß der ein Angriff des Selbsttitulierungsrechts der Rundfunkanstalten über das o. a. Urteil des BVerfG angesichts der praktizierten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nur in einem absoluten Ausnahmefall zum Erfolg führen dürfte.
Ich möchte aber einen anderen Ansatz, den ich für erfolgversprechender halte, ins Gespräch bringen. Grundlage sind die Ausführungen von Christoph Druschel in "Die Verwaltungsaktbefugnis", Diss. Halle-Wittenberg 1999, zur Subordinationstheorie. Danach bedarf es (stark vereinfacht und verkürzt ausgedrückt) für das Handeln einer öffentlichen Einrichtung gegenüber dem Bürger durch Verwaltungsakt eines Über- / Unterordnungsverhältnisses, also die Behörde (Obrigkeit, übergeordnet) ordnet gegenüber dem Bürger (Untertan, untergeordnet) etwas an oder verpflichtet diesen zu irgend etwas. Hierfür bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.
Fehlt es an diesem Subordinationsverhältnis, dann ist ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung eine Befugnis zum Erlaß von Verwaltungsakten nicht gegeben. In diesem Fall begegnen sich öffentliche Einrichtung und Bürger auf Augenhöhe, es besteht ein Gleichordnungsverhältnis, in dem die öffentliche Einrichtung ihre Ansprüche gegen den Bürger nur auf dem Weg der Leistungsklage geltend machen kann.
Auf Seite 119 der o. a. Dissertation heißt es:
In einer Reihe gerichtlicher Entscheidungen wird die Befugnis zur Geltendmachung auch solcher öffentlich-rechtlicher Forderungen durch Leistungsbescheid verneint, die nicht aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern aus anderen öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen resultieren. Entscheidungsgrundlage bildet jeweils die Erwägung, das für die Verwaltungsaktbefugnis außerhalb des Anwendungsbereichs einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung erforderliche Subordinationsverhältnis sei nicht gegeben, vielmehr liege ein Gleichordnungsverhältnis vor mit der Folge, daß ein Leistungsbescheid unzulässig und eine Leistungsklage geboten sei.
und weiter:
Gleichordnung im Staat-Bürger-Verhältnis
Mehrere Entscheidungen verneinen die Verwaltungsaktbefugnis im allgemeinen Staat-Bürger-Verhältnis auf Grund einer angenommenen Gleichordnung der Beteiligten. Das OVG Münster hält den WDR nicht für befugt, die einem Rundfunkteilnehmer durch schlicht hoheitliches Handeln irrtümlich gewährte Vermögensleistung durch Verwaltungsakt zurückzufordem253. Der WDR verlangte die Rückzahlung einer Doppelzahlung an den Leistungsempfänger auf Grund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. In derartigen Fällen bietet weder § 48 Abs. 2 Satz 8 VwVfG noch § 49 a Abs. 1 Satz 2 VwVfG eine Ermächtigung zum Handeln durch Leistungsbescheid. Auch die Kehrseitentheorie ist nicht einschlägig, da sie eine Leistungsgewährung durch Verwaltungsakt voraussetzt, die hier nicht gegeben ist. Schließlich bestehe hinsichtlich des durch eine rechtsgrundlose schlicht hoheitliche Vermögensverschiebung entstandenen Ausgleichsverhältnisses zwischen Leistendem und Leistungsempfängerund dem daraus folgenden Erstattungsanspruch kein Über-Unterordnungsverhältnis, welches für eine Verwaltungsaktbefugnis ohne gesetzliche Grundlage erforderlich sei. Im Ergebnis wurde der Anspruchsinhaber auf die Leistungsklage als Ausdruck der das vorliegende verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis prägenden Gleichordnung der Beteiligten verwiesen254.
die zitierten Quellen sind:
253 OVG Münster, DÖV 1982, 124; zustimmend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 355 f.
254 OVG Münster, DÖV 1982,124 f.; vgl. auch Bauer, in: R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, § 10 II 4, S. 478, nach dem es der Verwaltung verwehrt ist, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Erstattungsansprüche durch Leistungsbescheid fest- und durchzusetzen.
Die Dissertation von Christoph Druschel liegt mir als PDF vor, ich habe sie in der Bibliothek des NRW-Landtags für die persönliche Verwendung einsehen und scannen können. Aus urheberrechtlichen Gründen darf ich sie natürlich nicht weiterverbreiten, kann aber jedem nur den Gang zur jeweiligen Landtags- oder einer Unibibliothek empfehlen.
Die zitierten Quellen, insbesondere das Urteil des OVG NRW, liegen mir (noch) nicht vor, da ist mal wieder ein Ausflug zur Landtagsbibliothek in Düsseldorf fällig, sofern diese unter den gegenwärtigen Gegebenheiten wieder für Besucher zugänglich ist.