Zur Auseinandersetzung mit der Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK gehört auch weiterhin, die rechtlich ungeklärte Frage, ob es vor der Einführung des Rundfunkbeitrages wirklich notwendig gewesen wäre,
einen Herzschrittmacher als Rundfunkgerät anzumelden, wenn dieser zum Empfang von Radiosendungen geeignet wäre. Dies wurde zumindest von der WDR-Intendantin Monika Piel im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Haupt- und Medienausschuss des Landtages in Nordrhein-Westfallen vom 7. April 2011 angedeutet, weshalb ich den folgenden Auszug aus dem Protokoll 15/177 dieser Sitzung zitieren möchte (ebenda S. 8 ):
Monika Piel (WDR): Ich gehe auf die Frage von Herrn Michalowsky ein, der die Notwendigkeit der Beitragsumstellung und die Voraussetzungen ansprach, die im Gutachten von Herrn Prof. Kirchhof genannt sind. Das sind allerdings keine Voraussetzungen, sondern persönliche Anmerkungen von Herrn Prof. Kirchhof. Wenn der Vorsitzende es erlaubt, kann Herr Eicher, Justiziar, sehr gerne noch etwas dazu sagen.
Für uns ist der neue Rundfunkbeitrag transparent und einfach. Das liegt daran, weil jetzt die Frage entfällt, was eigentlich ein Rundfunkempfangsgerät ist. Die bisherige Gebühr ist ja an ein konkretes Rundfunkempfangsgerät gebunden. Das war auch sehr viele Jahre sinnvoll. Es ist aber nicht mehr sinnvoll, seitdem es so viel Gerätekonvergenz gibt. Sie alle wissen: Über Handy können Sie fernsehen, über Smartphones Radio hören. Wir sind zum Kabarettthema geworden. Ich habe es letzte Woche selbst noch im Kabarett gehört. Dort wurde gesagt: Mein Schwager hört heimlich über seinen Herzschrittmacher WDR 4. – Heute gibt es Geräte, die viele Funktionen miteinander verbinden. Das ist also kein richtiger Anknüpfungspunkt mehr, um den Beitrag festzustellen. Zuletzt hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur PC-Gebühr noch einmal die ganze Problematik der Geräteabhängigkeit deutlich gemacht.
Aus: Haupt- und Medienausschuss, 13. Sitzung (öffentlich) vom 7. April 2011, Landtag NRWhttp://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA15-177.pdf Generell blieb damit ungeklärt, ob es nicht eigentlich die Pflicht des Herstellers eines solchen Herzschrittmachers gewesen wäre, darauf aufmerksam zu machen, dass der Kauf eines solchen Herzschrittmachers zur Anmeldung als Rundfunkgerät verpflichten würde. Ein Herzschrittmacher hat schließlich eine andere Funktion als die, damit Radio zu hören. Dasselbe gilt letztendlich auch für das erwähnte Handy und das erwähnte Smartphone. Denn die voranginge Funktion dieser Geräte ist es, damit zu telefonieren. Eine Gesetzgebung gab es zu diesem Thema übrigens nie, weshalb dieser Bereich zur Selbstgesetzgebung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehört, sowie wir sie von der „Direktanmeldung“ und den „vollständig automatisierten Festsetzungsbescheiden“ kennen. Auch der PC mit Internet-Anschluss wird bis heute nur von sehr wenigen Menschen zum Konsum von Radio oder Fernsehen verwendet, weshalb die Kongruenz zur Rundfunkgebühr bis heute unklar ist. Die Formulierungen im 8. RÄStV aus dem Jahre 2007, auf die sich die WDR-Intendantin scheinbar bezieht, sind letztendlich derart unscharf, dass sie nicht wirklich von einer Gerätekonvergenz hätte sprechen dürfen.
Eine weitergehende rechtliche Auseinandersetzung zur Verteidigung der Informationsfreiheit in Deutschland setzt natürlich voraus, dass man sich mit den Grundsatzurteilen des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag vom 18. Juli 2018 auseinandersetzt. Es muss sich beispielsweise mit dem folgenden Abschnitt beschäftigt werden (ebenda Rn. 51):
Anders als für Steuern, deren Kompetenzgrundlagen in den Art. 105 ff. GG geregelt sind, wird die Kompetenz für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben von derjenigen für die jeweilige Sachmaterie umfasst (vgl. BVerfGE 137, 1 <19 Rn. 45>; stRspr). Die Gesetzgebungskompetenz für die Sachmaterie des Rundfunkrechts liegt gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern; die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG für das Postwesen und die Telekommunikation umfasst nur den hier nicht einschlägigen sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluss der sogenannten Studiotechnik (vgl. BVerfGE 12, 205 <225 ff.>).
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u. a. -http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.htmlDa man Handys, Smartphones und PCs mit Internet voranging dazu verwendet, um damit zu telefonieren und Mails (elektronische Post) zu versenden, ist es schon sehr fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Postwesen und die Telekommunikation tatsächlich derart lapidar mit einem
Verweis auf ein Urteil aus dem Jahre 1961 als nicht einschlägig relevant hätte zurückweisen dürfen. Die Situation von Postwesen und Telekommunikation aus diesem Jahre war doch gar nicht auf die gegenständliche Situation im Verfahren übertragbar, wo es auch um Geräte aus diesem Bereich als so genannte Multifunktionsgeräte ging. Diese Geräte gehören schließlich primär zum Postwesen und zur Telekommunikation, weshalb hier auch weiterhin Klärungsbedarf besteht.
Da man diese
Gleichsetzung des Postwesen und der Telekommunikation von heute mit einer Situation aus den 50er Jahren des letzten Jahrhundert durchaus als absurd bezeichnen kann, verweise ich mal auf die Lektüre des 1. Rundfunkurteils von 1961:
BVerfGE 12, 205ff = BVerfG, 28.02.1961 - 2 BvG 1/60 und 2 BvG 2/60https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv012205.htmlhttps://opinioiuris.de/entscheidung/1112Damals hieß die Post übrigens noch Bundespost und war eine Behörde. Mittlerweile ist die Post privatisiert worden, weshalb es Zeit wird, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk privatisiert wird. Siehe hierzu weiter:
Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen zum Demokratieförderungsgesetz (Kein RBStV) https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30210.msg203314.html#msg203314