Werte Mitstreiter,
Person A möchte kurz über seine mündliche Verhandlung am 30. Juni beim Verwaltungsgericht Berlin berichten. Das schriftliche Urteil liegt A zwar noch nicht vor, aber er weiß, daß wenigstens einer, der hier mitliest, demnächst selber seinen Verhandlungstermin hat und um Infos dankbar ist.
Vorweg: Person A "darf" in die nächste Instanz, ans Oberverwaltungsgericht.
Dort besteht Anwaltspflicht.
Nachdem A seine freiberuflich-künstlerischen Einkommensverhältnisse zum Hauptpunkt seiner Klage gemacht hatte, wurde A dazu ermutigt, beim Sozialamt seinen "fiktiven Anspruch auf Sozialhilfe" geltend zu machen, also ALG II zu beantragen, ohne es zu kassieren. A müsste allerdings "vorrangige Unterhaltsansprüche" geltend machen, sich also all den Hosen-runter-Schikanen des normalen ALG II-Empfängers aussetzen; dazu ist A nicht bereit.
Sein Fall wurde vom Einzelrichter Herrn M***e verhandelt. Am selben Vormittag waren vier weitere, ähnlich gelagerte "GEZ"-Boykottfälle angesetzt, aber zwei Kläger erschienen nicht. Als Anwältin für den RBB fungierte Frau Dr. L***r.
Der Ton der Verhandlungen war freundlich-sachlich:
Herr M***e versicherte sowohl in seiner als auch in einer weiteren Verhandlung, daß ihm die Problematik der Geringverdiener durchaus bewusst sei: Leute wie Person A (TV-Verweigerer ohne geregeltes Einkommen) seien bei der Typisierung quasi vergessen worden, jedenfalls in der Konsequenz. Frau Dr. L***r widersprach da nicht, betonte aber, wie kulant der RBB jenen Bürgern zu begegnen gedenke, die den Nachweis auf "fiktiven Anspruch auf Sozialhilfe" (s.o.) erbringen könnten. In seinem Falle: Nachreichung von amtlich festgestellten Angaben zu Vermögen und zu "vorrangigen Unterhaltsansprüchen".
In einer vorherigen Verhandlung wurde die Beitreibung von Rundfunkgebühren nach dem Kirchensteuermodell, die von der Klägerin als Alternative angeregt worden war, als unpraktikabel zurückgewiesen: Dazu fehle einfach der Verwaltungsapparat.
Das Argument, daß eine soziale Staffelung von Abgaben ja zum Beispiel auch bei den Kosten für die Müllabfuhr nicht üblich sei, bekam später auch A zu hören. A erwiderte, daß die Müllabfuhr in Mietverträgen unter die Nebenkosten falle und somit bei einem amtlichen Antrag auf Bewilligung von Wohngeld/ Mietzuschuss durchaus berücksichtigt würde –
Im Gegensatz zur Rundfunkabgabe, die in der Konsequenz durchaus auch eine Wohnungsabgabe sei und folglich ebenfalls bei der Wohngeldberechnung berücksichtigt werden müsste.
Seiner Auffassung wurde im Prinzip beigepflichtet, aber anscheinend übersteigt ein notwendiger Änderungsbedarf die Kompetenzen dieser Instanz. A glaubt, das Verwaltungsgericht kann hier nur an die nächsthöhere Instanz weiterreichen. Diesen Eindruck festigte in der vierten Verhandlung des Tages das Auftreten eines Anwalts, der seine Frau vertrat: Die Verhandlung dauerte keine 10 Minuten; es ging nur um den Segen für die nächste Instanz. (Der Anwalt möchte aus Kompetenzgründen den Fall aber nicht selber weiterverfolgen, sondern einen Verfassungsrechtler suchen.)
Für die nächste Instanz (OVG) wurde A auf die Möglichkeit hingewiesen, Prozesskonstenhilfe zu beantragen. Wenn der Antrag abgelehnt wird, kann man vor's Sozialgericht ziehen, und dann gibt's da noch ein Landesverfassungsgericht, dessen Bedeutung A aber momentan nicht klar ist.
Person A war erfreut, daß vier Vertreter der "Boykott-Szene" seiner Verhandlung als Publikum beiwohnten. So habt A im Anschluss noch ein wenig plaudern können.
Leider konnte A wegen beruflicher Pflichten am nächsten Tag nicht zum "Runden Tisch" kommen.
Soviel erst mal für heute. Person A wird sein Urteil, sobald es vorliegt, veröffentlichen.
Viele Grüße!
Holger
Beitrag wurde am 05.07.2015 von Moderator "Uwe" anonymisiert.
Edit "Bürger":
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