Vorab: Sollte der Beitrag hier falsch sein, bitte ins richtige Forum schieben.Hallo zusammen.
Ich möchte meine Gedanken und Meinungen zu der ganzen GEZ- und ÖR-Diskussion einmal niederschreiben und zur Diskussion freigeben. Vielleicht liege ich bei manchen Dingen völlig falsch, vielleicht auch nicht. Belehrt mich eines Besseren Seit 1923 zahlen die deutschen Bürger einen Rundfunkbeitrag. Dieser war nie freiwillig, sondern wurde erhoben, sobald sich ein Fernsehgerät im Haushalt befand, zunächst über die Post, ab den 70ern dann von der GEZ.
Mit Einführung der Beiträge wurde auch das "Duale Fernsehprogramm" eingeführt, also ARD und ZDF. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Fernseh- und Radiosender dazu, einige davon regional, was für viele Menschen eine wichtige Informationsquelle war und ist (z.B. für Landwirte, für die das Geschehen in der Region existenzbeeinflussend sein kann).
Seitdem hat sich viel getan: Die Sendervielfalt hat sich extrem vermehrt, andere Informationsquellen wurden erschlossen (allen voran das Internet) und die öffentlich-rechtlichen scheinen immer unnützer zu werden. Irgendwann fragten sich einige, warum sie für die ÖR Gebühren zahlen sollen, wenn die Privaten auch ohne Gebühren empfangbar sind. Eine berechtigte wie simpel zu beantwortende Frage: Die Privaten finanzieren sich zum Großteil durch Werbung.
Warum also brauchen wir gebührenfinanzierten Rundfunk? Nun, stellen wir uns doch einmal vor, die GEZ und die ÖR Sender würden abgeschafft. Das würde zeitgleich bedeuten, dass private Unternehmen den gesamten Rundfunk in ihrer Hand haben. Das Ziel eines privaten Unternehmens ist immer (gerade bei den ganzen Zeitungen und TV-Sendern, die alle auch an der Börse dotierbar sind) Geld zu scheffeln und damit die Aktionäre zu befriedigen. Auf lange Sicht hätte das zur Folge, dass sämtliche Sender in der Hand von wenigen Leuten sind, so wie der Springer-Konzern (u.a. BILD und Welt) vor etwa 8 Jahren die ProSiebenSat.1-AG übernehmen wollte und nur knapp dank des Bundeskartellamtes gescheitert ist. Die Begründung war damals, dass ein "Meinungsmonopol" gebildet würde.
Die ÖR werden sich durch Beitragsfinanzierung immer selbst organisieren. Sie sind nicht abhängig von Lobbys oder möglichst hohen Einschaltquoten und müssen sich dementsprechend auch nicht auf die Wünsche der Masse einlassen, die, was man auf Pro7 und RTL wunderbar erkennen kann, nicht unbedingt einem niveauvollen und informationsreichen Programm entsprechen.
Die ÖR müssen laut Staatsvertrag frei von Zensur und Manipulation sein. Dass sie diese Möglichkeiten nicht nutzen steht auf einem anderen Blatt und schreit nach einer Reform. Auch der Bildungsauftrag wird vernachlässigt, weil die ÖR sich eben doch immer mehr auf Einschaltquoten konzentrieren, um ihr Dasein rechtfertigen zu können.
Auch die Beiträge könnten sozialer gestaffelt und z.B. Einkommensabhängig sein. Sie ganz abzuschaffen fände ich suboptimal, zumal auch tausende Arbeitsplätze davon abhängen, ebenso wie bei den ÖR Sendern (Allein die ARD betreibt 9 verschiedene Sendeanstalten in Deutschland, wegen der regionalen Programme).
Dennoch: Wer von einer Abschaffung der ÖR profitieren würde, dürfte klar sein. Eben jene privaten Rundfunkanbieter haben nämlich auch Beschwerde bei der EU-Kommission eingelegt, weil sie sich durch die Gebührenfinanzierung und die "Zunahme des Angebotes" der ÖR "benachteiligt" sehen. Und nun ratet mal, wer federführend bei der Stimmungmache gegen die GEZ und die ÖR ist.
Ich persönlich traue unseren Politikern so sehr über den Weg, dass ich ihnen nicht einmal mein Buttermesser leihen würde. Ebenso sieht mein Vertrauen zur GEZ aus. Auch die ÖR müssen immer kritisch hinterfragt werden. Trotzdem fühle ich mich von den ÖR Sendern wesentlich besser informiert als von den freien Privatsendern.
Nehmen wir als Beispiel die Amazon-Doku: Es geht bei der ganzen "Betrüger!"-Diskussion um eine eMail, die von einer erfundenen Zeugin geschrieben wurde und die Zustände einer Leiharbeiterfirma verunglimpfte. Es ging nicht einmal um das Hauptthema Amazon. Klar, solche Dinge dürfen nicht passieren, aber es darf auch nicht passieren, dass Kinder wegen Verwahrlosung sterben, obwohl die Zustände dem Jugendamt bekannt waren. Beides absolute No-Gos, beides menschliche Fehler. Der verantwortliche Journalist wird sicherlich sein Fett dafür wegbekommen haben. Schockiert hat mich das nicht, die wenigsten Dokus entsprechen 100% der Wahrheit, aber dieses wiederholte Aufbauschen eines an sich unwichtigen Fehlers ist doch ziemlich übertrieben.
Sehe ich mir aber dagegen an, was auf den "großen" Privatsendern für "Dokus" laufen (Der große Sexreport im Abendprogramm oder andere absolut unwichtige Dinge wie das in-die-Luft-jagen irgendwelcher Sachen oder die Zurschaustellung hilf- und verwahrloster Familien), bin ich froh, dass ich auf ARD und ZDF (bzw. deren Spartensendern) Dokus sehen kann, die wenigstens interessant sind und zum recherchieren motivieren und Nachrichten ohne den neuen DSDS-/Dschungelcamp-/Bachelor-/Zoo-Star, eine 5minütige Kinovorschau (Werbung) oder das heutige Topmodel. Klar, auch bei den Nachrichten der ÖR besteht großer Verbesserungsbedarf, da sie immer noch zensiert und ausgewählt sind, aber es ist doch klar seriöser und informativer. Das Problem hierbei ist nämlich, dass Politiker (hauptsächlich CDU) und Lobbyisten in den Gremien von ARD und ZDF sitzen und das "unabhängig sein" unterlaufen - und das darf eigentlich nicht sein.
Hinzu kommt, dass die ÖR eben auch leere Stellen füllt, beispielsweise senden 3sat und ZDFkultur regelmäßig Kabarett, was man auf fast allen anderen Sendern vergeblich sucht. Generell sucht man unparteiische und informative Politsendungen bei den Privaten meist ohne großen Erfolg (gut, inwiefern die der ÖR unparteiisch sind, hängt wohl mit den Gremien zusammen). Ebenso Theaterstücke, die häufig auf den Spartensendern laufen - und das oft völlig ohne Werbung.
Das Interesse an solchen Sendungen ist relativ gering (immerhin durchschnittliche Einschaltquoten um die 5%), woraus man folgern kann, dass die Privaten solche Dinge niemals senden werden. Zu kleine Zielgruppe bedeutet weniger Werbeeinahmen bedeutet weniger Gesamtgewinn. Also läuft die tausendste Wiederholung der Simpsons oder Bauer sucht Frau statt Christoph Maria Herbst als Siegfried in der Niebelungensage. Auch das ist Bildungs- und Kulturauftrag, denn das ist deutsches Kulturgut. Und da es jeder zur Verfügung hat, muss man sich nicht dafür entscheiden, sieht es vielleicht zufällig und wird so an das Kulturgut (in diesem Falle) Theater herangeführt. Zumal sich sozial schwache Familien auch nicht dafür entscheiden könnten, wenn sie erst Sky abonnieren müssten, von daher ist es schon sozialer als PayTV.
Zugegeben, es sind Highlights, die wirklich sehenswert sind. Aber sie sind immerhin da, bei den Privaten sucht man so etwas vergebens.
Aber auch das Kinderprogramm der ÖR ist positiv hervorzuheben. Zum einen laufen dort etliche Sendungen, die eine pädagogische Botschaft ("die Moral von der Geschichte") oder Informationen beinhalten, zum anderen ist das Programm viel kindgerechter als vergleichbare Alternativen. In diesem Bereich erfüllen die ÖR ihren Bildungs- und Informationsauftrag sogar ziemlich gut und behandeln Kinder nicht nur als Konsumenten.
Zeitgleich mit dem neuen Gebührensystem wurde übrigens eine ARD-App für's Handy veröffentlicht, mit der man auch unterwegs auf das Fernsehprogramm und andere Sendungen zugreifen kann. Die ÖR bauen ihr Angebot im Internet und anderen Medien weiter aus, versuchen also auch, für die junge Generation erreichbarer zu werden.
Es ist also nicht alles schlecht bei den Öffentlich Rechtlichen, aber es besteht viel, sehr viel Verbesserungsbedarf, der auch schon oft öffentlich angeprangert wurde. Auch die Berechnung der Gebühren sollte sozial gerechter aufgebaut sein, z.B. Einkommensabhängig. Eine Abschaffung der ÖR Sendeanstalten (Allein die ARD hat 9 davon in Deutschland, eben für die regionalen Programme) finde ich wenig sinnvoll
Was ich wesentlich bedenklicher finde ist die Tatsache, dass die GEZ keinerlei staatlicher Kontrolle unterliegt und trotzdem Unmengen an Daten jedes deutschen Bürgers sammelt, ohne dass wir irgendetwas dagegen unternehmen könnten. Und dabei wird sie von den Ämtern, also indirekt von unserem Staat, der eben diese Daten schützen sollte, unterstützt. Datenschutzrechtlich äußerst kritisch.
So, das war mein Senf. Nun könnt ihr eure Würstchen reinstecken
Beste Grüße,
Pumuckl