In dem thread ging es eigentlich um die ideologische Ausrichtung des ÖRR....
Hallo power-dodge,
wenn die Akteure vom ÖRR in wesentlichen Bereichen das machen, was früher die Funktion der Kirche war, nämlich Orientierung zu geben, eine Show abzuziehen (einen Ritus zelebrieren), wenn sie Schicksalsboten in Rateshows mimen, als Glücksfee auftreten und gelegentlich Moralbreviere (U. Wickert, P. Gerster u.a.) herausgeben,. ist es kein Wunder, wenn sie sich irgendwann selber als Halbgötter einschätzen.
Über irgendwelche Modelle (wie ein ö.r. Rundfunk in der Zukunft aussehen könnte, habe ich mir bisher noch keine Gedanken gemacht.
Ein Modell hat 2007 die CDU-Basis entworfen (davon habe ich über das Forum Kenntnis erhalten): Der ÖRR soll finanziell und organisatorisch (insbesondere personell) drastisch abgespeckt werden. Ein Kontrollrat beaufsichtigt die Intendanten. Die Mitglieder des Kontrollrates sollen keine Politiker sein, sie werden aber von den Landesparteien zur Wahl aufgestellt und direkt von den Bürgern als Ehrenamtliche gewählt.
Ich persönlich bin für einen ÖRR der irgendwie eigenständig ist, frei von Anwandlungen der Politik und wirtschaftlicher Kreise über die Vorgänge in der Welt berichtet und von allen Bürgern auf freiwilliger Basis getragen wird.
Ich habe mittlerweile eingesehen, dass das ein frommer Wunsch ist...
Es müsste überlegt werden, wie so eine Institution inhaltlich strukturiert sein sollte, wer sie überwacht und wie sie finanziert wird.
Z.B. gab es das bisherige Modell der Gebührenerhebung, das historisch gewachsen ist.
Auf freiwilliger Basis konnte sich jeder entscheiden, ob er 17,90 Euro für Fernsehen und Radio bezahlen möchte, - oder 6 Euro nur für Radio.
„Freiwillige Zahlung“ ist auch etwas euphemistisch gesagt, wenn die Leute von Kleinauf in eine Abhängigkeit vom Fernsehkonsum versetzt worden sind.
Das vom ÖRR selbstauferlegte (oder historisch in grauer Vorzeit verordnete) Ethos von politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit wurde nicht eingehalten.
Nach wie vor regieren die Politiker hinein, es wird Werbung gemacht, Riesensummen werden verschwendet für Belanglosigkeiten, zweckentfremdet und damit veruntreut. Es gibt zahlreiche Profiteure, es haben sich Besitzstände, Seilschaften etabliert, Lobbyisten bestimmen en gros und en detail.
Verschwendung auf der einen Seite und jammern auf der anderen Seite über zu geringe finanzielle Zuflüsse, - das geht nicht!
Die Hauptkosten, nämlich die Personalkosten, die Vergünstigungen, die Ruhestandsbezüge sind zu hoch im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern.
Die Gagen für sogenannte Prominente sind unanständig, insbesondere wenn das Geld von Geringverdienern neuerlich per Zwang eingetrieben wird, - für unerwünschte Leistungen!
Einen „Aufschrei“ seitens unserer gutverdienenden und gutversorgten Politiker im Bundestag (die angeblich nicht zuständig sind) habe ich noch nicht vernommen.
Es ist ein riesiger wirtschaftlicher Komplex entstanden, der eigendynamisch ist und den ausgeprägten Machtanspruch hat, das Denken der Menschen und das Entscheidungsverhalten der Politiker zu beeinflussen.
Konkret wurden (befangene!) Politiker dazu gebracht, diese ungerechte neue Gebührenordnung aus der Taufe zu heben.
Nebenbei bemerkt, ich favorisiere in etwa das Modell: Ein Haupt-TV-Programm, ca. 4 regionale Sender und einige Radioprogramme, – spontan überlegt das Ganze und ohne besonderen Geltungsanspruch.
Wenn das auf Staatskosten aus dem Steuersäckel finanziert wird, nennt man das doch Staatsfernsehen? Und dann gilt: Wer die Musik bezahlt, bestimmt was gespielt wird.
Wie kann Vorsorge getroffen werden, dass nicht eine Partei kontrolliert, was gesendet wird und welche Wertmaßstäbe, welches „Denken“ der Bevölkerung verabreicht wird?
Je mehr Geld fließt, desto höher ist die Meinungsmacht und desto größer ist das Interesse darüber zu bestimmen und die Verteilung zu organisieren.
Grundversorgung (ich übernehme mal diesen Begriff) mit essentiellen Informationen ist ein wichtiges Gut.
Nachrichten (aber keine Nachrichtenshows!), Dokumentationen, wissenschaftliche Sendungen, Berichte von Auslandskorrespondenten, Reiseberichte, kritische Analysen, möglichst objektive politische Hintergrundinformationen, gelegentliche Sportübertragungen, auch Beiträge aus dem „Kulturleben“ finde ich sinnvoll (, würde ich, auch wenn ich es nur passiv konsumiere, als zuträgliche „geistige Nahrung“ bezeichnen), und da dies nicht umsonst geleistet werden kann, würde ich dafür auch etwas bezahlen.
Das (von syna) angedachte Budget von 200 Mill. scheint mir aber zu gering bemessen.
Wenn 80 bis 90% der Rundfunkteilnehmer (ich habe keine genauen Zahlen?) durch ihr Konsumverhalten „befinden“, dass die Haushaltsabgabe akzeptabel ist (und diese bezahlen, - aus welchen Gründen auch immer), kann das von den Politikern und erst recht von den Verantwortlichen des ÖRR als eine Art Plebiszit, als Zustimmung für die neue Zwangsabgabe interpretiert werden.
Ich gehöre nicht zu den Befürwortern dieses neuen Modells!
Ich hätte, wenn ich nicht auf dieses Forum gestoßen wäre, und wenn ich nicht mit den neuerlichen Forderungen konfrontiert worden wäre, dafür plädiert, die alte Regelung auf freiwilliger Basis beizubehalten, - vielleicht mit meinem persönlichen Zusatz, den ÖRR personell und finanziell zu verkleinern, den Output an purer Unterhaltung zurückzufahren und einen geringeren Monatsbeitrag „einzufordern“.
Das war wohl etwas blauäugig gedacht, weil sich der ÖRR selbst als systemrelevante Institution mit der Tendenz zum Wachsen versteht.
Durch das brutale Vorgehen von Politikern und Medienleuten ist eine neue, von mir leider verschlafene und nicht genügend beachtete Situation entstanden.
Der jetzige Zugriff auf die Daten aller Bürger und die willkürliche und sittenwidrige Zwangseintreibung von Gebühren ist ein organisatorischer Machtzuwachs und damit eine neue Qualität geistiger Bevormundung und Manipulation.
Das lehne ich ab!
Heute erscheint es mir wichtig aus der großen Gruppe der Beitragszahler (und auch der politischen „Entscheidungsträger“) Sympathisanten zu finden, die das zum 1.Januar 2013 eingeführte Modell auch als ungerecht, unfair, zweifelhaft beurteilen und helfen es zu revidieren.
Das wird schwierig sein: Ein karrierebeflissener Nachwuchspolitiker, ein strammer Parteisoldat oder ein desillusionierter Listenplatzinhaber, der nur noch seinen gepolsterten Ruhestand im Sinn hat, wird sich nicht der Parteidisziplin entziehen können und gegen die finanziellen Interessen der Medienleute stellen. Abweichler hätten parteiintern schon einen schweren Stand und wenn sie auch noch von den Medien angefeindet oder schlicht ignoriert werden, wäre das der absolute Ausschlussfaktor für die nächste Wiederwahl.
In meinem Bekanntenkreis (Beitragszahler) war anfangs eine Empörung gegenüber der Zwangsabgabe (auch für Leute, die gar keinen Fernseher besitzen) durchaus vorhanden, aber ich habe gerade mal eine Person zur Teilnahme an der Unterschriftenaktion überreden können.
Ein Grund nicht aktiv zu werden ist, sich bloß nicht irgendwie zu kompromittieren, angreifbar zu machen, seine eigenen Daten preiszugeben usw..
Ein anderer Grund könnte sein ein bewußtes „Bekenntnis“ zu einer Institution, die ein Wertesystem liefert, einen gesellschaftlichen Zusammenhalt schafft (oder auch „Normalität“ produziert), einen „geistigen Überbau“ sozusagen.
Diese Institution ÖRR soll vertrauenswürdig sein und soll dank einer finanziellen Mindestausstattung die gewünschten Leistungen erbringen können.
Vielleicht ist ein Gewohnheitseffekt eingetreten, eine bestimmte Erwartungshaltung der Fernsehzuschauer nach belanglosen Sendungen, um hinterher zu resümieren, wie fade, dümmlich und niveaulos das Programm mal wieder war.
Die Sender orientieren sich schließlich an der Einschaltquote.
Ein Zitat von Herrn Augstein (spiegelonline 18.2.):
„Denn auch wenn wir Printjournalisten das nicht so gerne hören: Es sind immer noch die öffentlich-rechtlichen Sender, die das Rückgrat der Medien- und Informationsdemokratie bilden. Der langjährige Verfassungsrichter und ZDF-Funktionär Dieter Grimm hat recht: "Die meisten Menschen beziehen ihre politischen Informationen aus dem Fernsehen." Und die privaten Kanäle kann er damit nicht meinen, die machen nicht in Politik.“
Der ÖRR hatte von Anfang an ein gewisses Informationsmonopol gegenüber den Printmedien, wegen der Möglichkeit, bewegte Bilder zu senden, aktuell „in Echtzeit“ zu berichten.
Der Wahrheitsgehalt und die Überzeugungskraft scheinen mir deshalb höherwertiger, weil suggestiver, intensiver(?).
Mit der neuen Regelung hat der ÖRR sein wahres Gesicht gezeigt.
Ich vermute, falls das alte Modell wieder eingeführt werden sollte, wird es viele geben, die sich abwenden werden.
Auf der anderen Seite haben die meisten (?) der bisherigen Gebührenzahler die Brisanz der Entwicklung noch gar nicht mitbekommen.