Zunächst einmal ist festzustellen, daß hier wertvolle Zeit dadurch verloren wurde, daß der Betroffene hier erst 2 Tage vor dem vom GV angesetzten Termin überhaupt in Erscheinung getreten ist und um Hilfe gebeten hat.
Damit Hilfe effektiv gewährt werden kann, ist auch ausreichende Reaktionszeit erforderlich. Diejenigen, die hier zur Hilfe beitragen können, haben nämlich auch außerhalb des Forums andere Aufgaben zu erledigen und / oder sind in der Unterstützung auch anderer Betroffener tätig, wo ebenfalls möglicherweise Fristen einzuhalten sind oder Eilbedürftigkeit besteht, so daß nicht einfach alles über den Haufen geworfen werden kann, um hier jemandem unter die Arme zu greifen, der erst dann in Erscheinung tritt, wenn es wirklich brennt.
Und nun zur Sache:
Der Termin beim Gerichtsvollzieher sollte keinesfalls wahrgenommen werden.Es bestehen erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen nach dem bayerischen Landesrecht (dazu später mehr). Soweit der Betroffene ausführt, er habe lediglich die Ladung der GVin mit dem Ausstandsverzeichnis, nicht aber die zugrundeliegenden Festsetzungsbescheide erhalten, besteht keine Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft, da die Vollstreckung bereits nach Art. 23 Abs. 1 BayVwVZG unzulässig ist. Der Beschluß des VGH München v. 07.03.2024 – 7 CE 23.1749, der ja wohl bereits in das Verfahren eingeführt wurde, ist eine gute Argumentationsgrundlage.
Bei einem Erscheinen zum Termin der GVin würden derartige Einwände nur mündlich geäußert. Diese Äußerungen sind in einem späteren Verfahren nicht beweisbar, bestenfalls werden diese von der GVin protokolliert, es ist aber fraglich, ob dies wortgenau erfolgt.
Daher sollten jegliche Einwendungen ausschließlich schriftlich mit Zustellnachweis (ich bevorzuge hier das Fax mit einem qualifizierten, d. h. Abbildungen aller übertragenen Seiten umfassenden, Sendebericht) erfolgen. Damit erübrigt sich das persönliche Erscheinen.
Der GVin muß unverzüglich und vor dem Termin das Nichterscheinen wegen fehlender Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft mitgeteilt und dies auch umfassend begründet werden.
Zudem muß unverzüglich das Landgericht, bei dem die Beschwerde geführt wird, darauf hingewiesen werden, daß es für die Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung nicht zuständig ist, so daß bereits die Entscheidung des Amtsgerichts über die Erinnerung eine Verletzung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 GG) darstellt und daher verfassungswidrig und unwirksam ist. Auch das LG ist nicht gesetzlicher Richter in dieser Angelegenheit, denn das BayVwVZG bestimmt in Art. 27 Abs. 1 S. 1, daß für die Vollstreckung von Geldforderungen sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts Art. 26 entsprechend gilt, soweit sie Verwaltungsakte erlassen können und zur Anbringung der Vollstreckungsklausel befugt sind. Dies trifft auf den BR zu, so daß nach Art. 26 Abs. 7 S. 3 BayVwVZG der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung durch den BR der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unterliegt.
Zwar bestimmt Art. 26 Abs. 7 S. 2 BayVwVZG, daß Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsgerichte und Gerichtsvollzieher sich nach der Zivilprozeßordnung regeln. Damit ist aber keine Bestimmung über das sachlich zuständige Gericht getroffen. Zudem interpretiere ich die Aussagen des Betroffenen im Eingangsbeitrag derart, daß sich die Einwendungen gegen die Vollstreckungsmaßnahme des BR insgesamt richten, so daß hier das Verwaltungsgericht zuständig ist.
Als Sofortmaßnahme ist zudem gegen den BR beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage auf Unterlassung der Vollstreckung zu erheben, auch, weil damit die Vollstreckung sicher gestoppt werden kann:Nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäben ist während eines laufenden Gerichtsverfahrens, das die Klärung der Rechtsgrundlage einer Vollstreckung zum Gegenstand hat, die Durchführung jeglicher Vollstreckungsmaßnahmen durch die Verwaltung verboten:
Verwaltungsbehörden und Gerichte bleiben auch dann, wenn sich der Gesetzgeber - wie in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO - angesichts der Besonderheiten eines Sachbereiches (vgl. BVerfGE 65, 1 <70 f.>) zu einer generellen Anordnung des Sofortvollzuges entschließt, den verfassungsrechtlichen Bindungen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unterworfen (vgl. BVerfGE 69, 220 <229>; vgl. auch BVerfG, Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juni 1987 - 1 BvR 620/87 -, NJW 1987, S. 2219). Verwaltungsbehörden haben bei den ihnen obliegenden Ermessensentscheidungen über Vollstreckungsmaßnahmen zu berücksichtigen, daß der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verlangte umfassende und wirksame gerichtliche Rechtsschutz illusorisch wäre, wenn sie irreparable Maßnahmen durchführten, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben (vgl. BVerfGE 35, 382 <401>; 69, 220 <227> vgl. auch BVerfG, Beschluß der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Juni 1987 - 1 BvR 620/87 -, NJW 1987, S. 2219).
Aus den Grundsätzen der Gewaltenteilung und der Verfassungsorgantreue ergibt sich, daß die Exekutive die bei Gericht anhängigen Verfahren nicht durch den faktischen Vollzug des angegriffenen Hoheitsakts überspielen und damit die Geltung des Rechts in Frage stellen darf (vgl. BVerfGE 35, 257 <261 f.>; Schenke, Die Verfassungsorgantreue <1977>, S. 130 ff.; Friesenhahn, ZRP 1973, S. 188 <189> mit Nachweis der übereinstimmenden Auffassung von A. Arndt).
Dies dient allgemein nicht allein nur der Befriedigung subjektiver Interessen, sondern auch der Sicherung der Entscheidungsmacht der Judikative gegenüber der Exekutive (Quaritsch in: VerwArch. 51 <1960>, 210 <216 f.>; vgl. auch BVerfGE 7, 367 <373>; 42, 103 <111>; 42, 103 <119> zu § 32 BVerfGG). Demgemäß erschöpft sich der Gedanke des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in der Zubilligung antragsgebundener Rechtsschutzmöglichkeiten, sondern zeitigt darüber hinausgehende, rechtlich bewehrte Wirkungen: Die Behörde hat daher nach dem Eingang einer Klage bei Gericht, die die Klärung des Rechtsverhältnisses und der Zulässigkeit der von der Behörde betriebenen Vollstreckung zum Gegenstand hat, die Vollstreckung auszusetzen und die Entscheidung über die Klage abzuwarten.
(vgl. BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 11.10.2013, 1 BvR 2616/13; BverfG, Urteil v. 14.05.1996, 2 BvR 1516/93)
Zur Begründung können u. a. die folgenden Sachverhalte ins Feld geführt werden:
1.)
Art. 7 S. 2 des Ausführungsgesetzes Medienstaatsverträge (AGM) vom 24. Juli 2003 (GVBl. S. 477, 480, BayRS 2251-11-S), das zuletzt durch § 3 des Gesetzes vom 24. März 2022 (GVBl. S. 70) geändert worden ist, ist verfassungswidrig und unwirksam:
Der BR ist, wie auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, als Unternehmen im Sinne des Kartellrechts anzusehen (BGHZ 205, 355 Rn. 35 ff.)
Die Vollstreckung von Forderungen des BR im Wege der Verwaltungsvollstreckung stellt damit eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung dar.
Der BR steht mit seinen Rundfunk- und Fernsehprogrammen in direktem Wettbewerb zu den Rundfunk- und Fernsehprogrammen privater, nicht beitragsfinanzierter Anbieter. Er konkurriert mit diesen auch um Werbekunden, um Senderechte und um Sponsoren. Der BR steht als Veranstalter von öffentlichen Darbietungen, z. B. Konzerten, Lesungen und sonstigen Aufführungen und vielfältigen Ereignissen in einem direkten Wettbewerb mit privaten Konzert- und Theateragenturen und Veranstaltern. Der BR steht mit seinem Nachrichtenangebot auch in einem unmittelbaren Wettbewerb mit den klassischen Printmedien, also den Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen. Die kostenlosen Nachrichtenangebote von ZDF.de oder tagesschau.de im Internet konkurrieren mit den Online-Angeboten der klassischen Printmedien. Bei allem besteht auch die Konkurrenz, wenn es um den Verkauf von Werbezeiten und Werbeplätzen geht. Zudem steht der BR auch mit einer Vielzahl von Tochterunternehmen in direkter Konkurrenz zu anderen, privatwirtschaftlichen Marktteilnehmern.
siehe: Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“, veröffentlicht 10/2014
Die Broschüre kann auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums (
www.bundesfinanzministerium.de) heruntergeladen werden.
Wenn die Forderungen des BR im Wege der Verwaltungsvollstreckung zu deutlich geringeren Kosten als denen des gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahrens beigetrieben werden, so stellt dies einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den privaten Konkurrenten dar, für die die Durchsetzung ihrer Forderungen mit einer erheblich höheren Kostenlast verbunden ist. Es ist als unzulässige Wettbewerbsverzerrung anzusehen, wenn der öffentlich-rechtliche BR die Rundfunkbeiträge im Verwaltungsvollstreckungsverfahren eintreiben kann, während der private Rundfunkbetreiber oder der Zeitungsverlag rückständige Abonnementsgebühren nur im deutlich aufwendigeren und kostenintensiveren gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahren erlangen können.
Die Bestimmung des § 10 Abs. 6 RBStV, daß rückständige Rundfunkbeiträge im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden, muß daher als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG und damit als verfassungswidrig angesehen werden. Die vom BVerfG in dem Beschluß vom 18. Dezember 2012, Az. 1 BvL 8/11 und 1 BvL 22/11 dargelegten Rechtsgrundsätze sind uneingeschränkt auch auf das Selbsttitulierungsrecht öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, und damit auch auf den BR, anzuwenden.
Das sogenannte Selbsttitulierungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht für öffentlich-rechtliche Landesbanken bereits als gleichheitswidrige Privilegierung, d.h. als Verfassungsverstoß, angesehen (Beschluß vom 18.12.2012, Az.1 BVL 8/11; 1 BVL 22/11). Die Selbsttitulierung ist schneller, einfacher und billiger als das gerichtliche Verfahren. Diese Vorteile gegenüber Wettbewerbern führen zu Nachteilen beim Verbraucher; gerichtlicher Rechtsschutz und richterliche Prüfung vor Titulierung und vor Vollstreckung werden im praktischen Alltag nahezu ausgeschlossen bzw. erheblich erschwert. Es handelt sich um eine gleichheitswidrige Privilegierung öffentlich-rechtlicher Sender gegenüber konkurrierenden Privatsendern, die auch nicht für die Umsetzung des sogenannten dualen Rundfunksystems — das allerdings seit der Entwicklung des Begriffs dank Internet, Satelliten und Mobilfunk und damit verbundener unmittelbarer Konkurrenz von Sendern und Verlagen im Internet, so nicht mehr existiert — notwendig ist. Die Privilegierung bedeutet auch Reduzierung der Kosten für Beitreibung und Vollstreckung und stellt damit auch eine grundlos privilegierende Beihilfe dar.
Damit ist Art. 7 S. 2 BayMediend_StVAG, mit dem dem BR ein Selbsttitulierungsrecht zugesprochen wird, mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und folglich verfassungswidrig.
Aus diesem Grund sind auch die der Vollstreckung durch den BR zugrundeliegenden Festsetzungsbescheide auch deshalb keine vollstreckbaren Titel, weil eine Selbsttitulierung den BR gem. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in verfassungswidriger Weise privilegieren würde, so daß diese unzulässig ist. Da der BR seine Forderung nicht auf dem Rechtsweg geltend gemacht und kein vollstreckbares Urteil erwirkt hat, ist die Unzulässigkeit der vom BR betriebenen Vollstreckung erwiesen, weil es an einem vollstreckbaren Titel mangelt.
2.)
Die Ausübung hoheitlicher Gewalt durch den BR ist als behördliche Tätigkeit nach dem EU-Recht nicht zulässig. Nach dem anzuwendenden EU-Recht ist stets der Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen zu beachten und einzuhalten. (vgl. Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie); 11. Erwägungsgrundsatz). Der Grundsatz der Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen ist nicht gewahrt, wenn der BR in der Rechtsform eines Unternehmens (AöR) einerseits eine im Wettbewerb mit anderen Anbietern stehende Rundfunkanstalt betreibt und sich in diesem Rahmen auf den verschiedensten Geschäftsfeldern auch kommerziell betätigt, andererseits aber unter der gleichen Rechtsform behördliche Aufgaben wie das Erlassen von Verwaltungsakten wahrnimmt.
Nach dem geltenden und bindenden vorrangigen Unionsrecht müssen betriebliche und hoheitliche Funktionen strukturell, organisatorisch und personell strikt voneinander getrennt sein. Nur unter diesen Voraussetzungen ist die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse durch ein gleichzeitig wirtschaftlich tätiges Unternehmen überhaupt zulässig.
Diesen Anforderungen wird der BR nicht gerecht. Ausweislich der Informationen im Geschäftsbericht 2021 des BR ist die Abteilung Beitragsservice der Juristischen Direktion untergeordnet. (
https://http://www.br.de/unternehmen/inhalt/organisation/2023-geschaeftsbericht-100~attachment.pdf)
Das gleichzeitige Ausüben hoheitlicher und betrieblicher Funktionen durch den BR ist mangels struktureller, organisatorischer und personeller Trennung unzulässig und mit dem nationalem Recht übergeordneten und daher vorrangigen EU-Recht (vgl. EUGH, Urteil v. 01.07.2008, Az. C-49/07) unvereinbar.
Dies hat der EUGH auch über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten so festgestellt:
„Bei diesen Einrichtungen handelt es sich um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit einem im öffentlichen Interesse liegenden Auftrag. Sie sind, vom Staat unabhängig, selbstverwaltet und so organisiert, daß ein Einfluß des Staates ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte sind diese Anstalten nicht Teil der staatlichen Organisation“.
(EUGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - C-337/06 -)
Es sei in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß weder die Vollstreckungsbehörde noch die Gerichte von dem dem nationalen Recht übergeordneten und vorrangigen Unionsrecht und der Rechtsauslegung des EUGH abweichen darf.
Der EUGH hat mit Urteil v. 20.06.2020 in der Rechtssache C-14/19 P, Rn. 59, klargestellt:
Art. 19 EUV, mit dem der in Art. 2 EUV bekräftigte Wert der Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird, überträgt den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof die Aufgabe, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, der den Einzelnen aus diesem Recht erwächst, zu gewährleisten, wobei der Gerichtshof die ausschließliche Zuständigkeit für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts hat (Gutachten 1/17 vom 30. April 2019, EU:C:2019:341, Rn. 111, und Urteil vom 19. November 2019, A. K. u. a. [Unabhängigkeit der Disziplinarkammer des Obersten Gerichts], C-585/18, C-624/18 und C-625/18, EU:C:2019:982, Rn. 167).
Weiterhin hat der EUGH mit Urteil v. 23.11.2021 in der Rechtssache C-564/19, Rn. 78, entschieden
daß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts besagt, daß das Unionsrecht dem Recht der Mitgliedstaaten vorgeht. Dieser Grundsatz verpflichtet daher alle mitgliedstaatlichen Stellen, den verschiedenen unionsrechtlichen Vorschriften volle Wirksamkeit zu verschaffen, wobei das Recht der Mitgliedstaaten die diesen verschiedenen Vorschriften zuerkannte Wirkung in ihrem Hoheitsgebiet nicht beeinträchtigen darf (Urteil vom 18. Mai 2021, Asocia?ia „Forumul Judec?torilor din România“ u. a., C-83/19, C-127/19, C-195/19, C-291/19, C-355/19 und C-397/19, EU:C:2021:393, Rn. 244 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die der Vollstreckung zugrundeliegenden Festsetzungsbescheide sind ein Scheinverwaltungsakt und damit nichtig, weil es sich um ein Schriftstück handelt, das von einem nicht zur Ausübung hoheitlicher Gewalt befugten Urheber erstellt wurde.
Damit leiden die Festsetzungsbescheide unter einem offensichtlichen und schwerwiegenden Mangel. Nicht notwendig, wenn auch hinreichend für das Vorliegen der "Offensichtlichkeit" ist, daß der besonders schwere Fehler offen auf der Hand liegt. Die "Offenkundigkeit" liegt zweifelsfrei auch dann vor, wenn sie sich erst auf Grund einer verständigen Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände ergibt, die für den Erlaß des Verwaltungsakts und für seinen Regelungsinhalt von Bedeutung sind, wenn also erst eine sorgfältige Prüfung den besonders schwerwiegenden Fehler offensichtlich macht (vgl. BSG v. 07.09.2006 - B 4 RA 43/05 R).
Nach diesem Maßstab sind die der streitgegenständlichen Vollstreckung zugrundeliegenden Festsetzungsbescheide nichtig, die Vollstreckung aus nichtigen Verwaltungsakten ist unzulässig.
3.)
die Vollstreckung ist unzulässig, weil ihr keine Titel zugrundeliegen
a)
Die vom BR betriebene Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen ist unzulässig, da der Vollstreckung keine Leistungsbescheide zugrundeliegen.
In Art. 23 Abs. 1 BayVwVZG ist bestimmt, daß nur ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet (Leistungsbescheid), Grundlage der Vollstreckung nach dem BayVwVZG sein kann.
Der Leistungsbescheid ist, wenn und soweit er eine öffentlich-rechtliche Geldforderung zum Gegenstand hat, Verwaltungsakt. Er wird mit der Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner wirksam und kann mit Widerspruch und anschließender Klage beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Bei der Beitreibung zugelassener privatrechtlicher Forderungen tritt an die Stelle des Leistungsbescheides die Zahlungsaufforderung. Die Zahlungsaufforderung muß ebenso wie der Leistungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Der Leistungsbescheid muß die ausdrückliche Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner enthalten, die geschuldete, der Höhe und dem Grunde nach genau zu bezeichnende Leistung bei einer ebenfalls genau zu bezeichnenden Zahlstelle zu bewirken. Der Leistungsbescheid muß auch erkennen lassen, ob die Leistung bereits fällig ist oder wann sie fällig wird.
Der BR hat die Vollstreckung schon allein deshalb zu unterlassen, weil ihr keine Leistungsbescheide zugrundeliegen und damit die in Art. 23 Abs. 1 BayVwVZG genannten zwingenden Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung nicht erfüllt sind.
Die bekannte Auffassung von Verwaltungsgerichten und Vollstreckungsbehörden, die Beitragsbescheide des BR würden Leistungsbescheide im Sinne des Art. 23 Abs. 1 BayVwVZG darstellen, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage.
Art. 20 Abs. 3 GG bindet den BR, die GVin und das Gericht an das Gesetz. Alle sind verpflichtet, ihren Entscheidungen konkrete gesetzliche Vorschriften zugrundezulegen und diese zu benennen. Das Gericht kann gesetzliche Vorschriften auslegen und sich hinsichtlich der Auslegung auch auf die Entscheidungen anderer Gerichte berufen, es hat jedoch stets den erklärten Willen des Gesetzgebers zu beachten.
Für die Beklagte und das Gericht konkretisiert der Satz „nulla poena sine lege“ den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG. Das Gericht darf nicht korrigierend in die Entscheidung des Gesetzgebers eingreifen oder den erklärten Willen des Gesetzgebers abändern oder ersetzen (vgl. BVerfG, 9.02.2022, 2 BvL 1/20).
Damit obliegt es sowohl dem BR als auch dem Gericht, für die Behauptung, Festsetzungsbescheide des BR würden Leistungsbescheide darstellen, das Gesetz zu benennen, mit dem der Gesetzgeber diesen Ausnahmetatbestand festgelegt hat.
Erfahrungsgemäß wird stattdessen auf die Entscheidungen anderer Gerichte verwiesen, die ebenso rechtsfehlerhaft sind, weil es an der gesetzlichen Grundlage mangelt. Eine unwahre Behauptung wird aber nicht dadurch wahr, daß man sie ständig wiederholt, alle Gerichte sie voneinander abschreiben und dann diese Entscheidungen gegenseitig als Referenz angeführt werden.
b)
Bereits mit Urteil v. 26.04.1968, Az.: VI C 113/67 hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, daß eine Behörde, die ihre Aufforderung als Regelungsbescheid verstanden wissen will, dies für den Betroffenen unmißverständlich klarstellen muß. Jedenfalls dürfe unter dem an sich begrüßenswerten und förderungswürdigen Bestreben einer Behörde, sich höflicher Formen zu bedienen, die Klarheit nicht leiden, wenn sie durch Verwaltungsakt eine verbindliche Zahlungsregelung zu treffen beabsichtige. (Rn. 11).
Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus entschieden, daß der Wille einer potentiell verbindlichen Regelung durch Verwaltungsakt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, wenn es dort (ohne Rechtsmittelbelehrung) heißt, der Adressat sei nunmehr "gehalten, den Erstattungsanspruch des Freistaates ... hiermit geltend zu machen", und er "bitte, den Betrag einzuzahlen".
Damit ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unmißverständlich klargestellt, daß die vom BR verwendete Formulierung in den der Vollstreckung zugrundeliegenden Festsetzungsbescheiden
Nur wenn Sie diesen offenen Gesamtbetrag unverzüglich zahlen, vermeiden Sie Mahn- und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf Grundlage dieses Festsetzungsbescheids.
den vom Bundesverwaltungsgericht gestellten Anforderungen nicht im mindesten genügt und folglich nicht als Leistungsbescheid anzusehen ist.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil v. 03.06.1983, Az.: 8 C 43/81, den Rechtsgrundsatz aufgestellt, daß ein Leistungsgebot eine Zahlungsaufforderung ist, die "Anweisung" gibt, "wo, wann und wie die" Abgabe "zu entrichten ist" und auf den BFH-Beschluß vom 31. Oktober 1975 - VIII B.14/74 - BStBl. 1976 II S. 258 [259] verwiesen.
Das Leistungsgebot ist ein Verwaltungsakt, der den Vollstreckungsschuldner, Gegenstand und Grund der Leistung sowie Angaben darüber enthalten muß, wann, wo und wie die Leistung zu bewirken ist (vgl. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 254 Rn. 5).
Diesen Anforderungen genügen die Festsetzungsbescheide des BR nicht einmal ansatzweise. Es findet sich weder in dem Text des Bescheides selbst noch in der Rechtsbehelfsbelehrung noch in den restlichen auf der Rückseite abgedruckten Informationen noch nicht einmal die Angabe eines Bankkontos, auf das der festgesetzte Betrag einzuzahlen wäre.
Mit Beschluß des 4. Senats vom 11. Februar 2016, Az.: 4 B 1/16, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, daß es sich bei der Beitragsfestsetzung und der Zahlungsaufforderung (dem Leistungsgebot) um jeweils selbständige Verwaltungsakte handelt, auch wenn diese zu einem Schriftstück zusammengefaßt sind.
Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter aus:
Mit der Beitragsfestsetzung wird eine verbindliche Entscheidung über den Beitragsanspruch und den Beitragsschuldner getroffen (vgl. Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 155 Rn. 13) und mit dem Leistungsgebot eine Zahlungspflicht angeordnet. Dementsprechend erstreckt sich die Bindungswirkung der Beitragsfestsetzung auf den im Beitragsbescheid bezeichneten Beitragsschuldner sowie auf den angegebenen Beitrag nach Art und Höhe (vgl. Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl. 2009, § 155 Rn. 18) und diejenige des Leistungsgebots auf die Pflicht zur Beitragszahlung.
Das Schleswig-Holsteinische OVG hat mit Urteil v. 27.01.2009, Az. 2 LB 43/08, klargestellt:
Die Festsetzung realisiert den abstrakten Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis und bildet die Grundlage für dessen Verwirklichung, notfalls im Wege der Vollstreckung (Thiem/Böttcher, Rdnr. 191 zu § 11 KAG). Das Leistungsgebot bzw. der Leistungsbescheid (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG) ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung (§ 254 Abs. 1 AO). Sein Regelungsgehalt erschöpft sich daher in dem "Befehl", eine bestimmte Leistung zu erbringen, zu der der Schuldner jedoch nicht auf Grund des Leistungsgebots, sondern auf Grund der vorangegangenen Festsetzung verpflichtet ist. Vollstreckt wird nicht das Leistungsgebot, sondern der Verwaltungsakt, der die Leistungsverpflichtung begründet oder feststellt. Die Bedeutung des Leistungsgebots liegt - außer in der Zahlungsaufforderung - ausschließlich darin, daß es Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung ist (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG; vgl. hierzu Kühn/Hofmann, Anm. 1 zu § 254 AO).
Der Festsetzungsbescheid ist ein feststellender Verwaltungsakt i. S. v. § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO, da er feststellt, daß [...] die sachliche Beitragspflicht in Höhe von insgesamt nnn € entstanden ist. Über die Festsetzung hinaus enthält er aber noch keine weitere Regelung, insbesondere hinsichtlich eines Leistungsgebotes bzw. der Fälligkeit des Beitrages. Sein Regelungsgehalt geht über die Festsetzung nicht hinaus. Damit beinhaltet der Festsetzungsbescheid auch keine Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten i. S. v. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, so daß auch die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs nicht entfällt. Denn Anforderung i. S. v. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht die bloße Festsetzung, ohne daß ein Leistungs- oder Heranziehungsbescheid ergeht (vgl. Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Auflage, § 80 Rn. 30). [VG Gera, Beschluß v. 06.05.2004, 5 E 71/04 GE]
Der Leistungsbescheid ist mehr als eine bloße Zahlungsaufforderung. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muß er eindeutig als Verwaltungsakt bezeichnet und im Hinblick auf den Adressaten und den Regelungsgehalt hinreichend bestimmt sein. Der Bescheid muß insbesondere eine verbindliche Zahlungsregelung enthalten; der – exakt bezeichnete – Schuldner muß ausdrücklich und unmißverständlich aufgefordert werden, die geschuldete, der Höhe und dem Grunde nach genau festgelegte Leistung bei einer bestimmten Zahlstelle zu bewirken.
Diesen Anforderungen ist in den Festsetzungsbescheiden des BR nicht einmal ansatzweise Genüge getan.
Daß die Bescheide des BR eben gerade keine Leistungsgebote enthalten — und damit, entgegen der Behauptung des BR, keine vollstreckbaren Titel sein können — ist auch aus der Rechtsbehelfsbelehrung auf der Rückseite der Bescheide ersichtlich. Diese bezieht sich nämlich nur auf den Festsetzungsbescheid. Da es sich bei dem Leistungsgebot um einen rechtlich selbständigen Verwaltungsakt handelt, der mit einem eigenständigen Rechtsbehelf und unabhängig von der Festsetzung angreifbar ist, müßte die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Fall, in dem auch ein Leistungsgebot vorliegen würde, auf die gesonderte Möglichkeit, den Leistungsbescheid mit dem Widerspruch anzugreifen, ausdrücklich hinweisen.
Daß dies nicht der Fall ist, ist ein weiterer Beweis für die Tatsache, daß ein Festsetzungsbescheid über Rundfunkbeiträge kein Leistungsgebot enthält und damit nicht die zwingenden Voraussetzungen für die Vollstreckbarkeit erfüllt.
c)
Auch für die häufig von Verwaltungsgerichten und Vollstreckungsbehörden bekanntermaßen vertretene Rechtsauffassung, im Rundfunkbeitragsrecht bedürfe es für die Vollstreckung keiner Leistungsbescheide, weil sich die Beitragspflicht aus dem Gesetz ergeben würde, gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage. Es gibt keine Ausnahme von der in Art. 23 Abs. 1 BayVwVZG bestimmten zwingenden Voraussetzung des Leistungsbescheids. Nur der Leistungsbescheid steht dem vollstreckbaren Urteil im Zivilrecht gleich und nur dem Leistungsbescheid kommt die Funktion eines vollstreckbaren Titels zu.
Die Rechtsauffassung, im Rundfunkbeitragsrecht bedürfe es für die Vollstreckung keiner Leistungsbescheide, weil sich die Beitragspflicht der Kläger aus dem Gesetz ergeben würde, ist auch mit dem übergeordneten und vorrangigen Unionsrecht unvereinbar.
Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist ein Unternehmen, auch wenn sie einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat. (EUGH, Urteil v. 16.12.2010, Rechtssachen T-231/06 und T-237/06, Rn. 96).
Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gelten für Unternehmen, die mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag betraut sind, die Vorschriften des Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln. Damit ist auch die Richtlinie 93/13/EWG auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, und damit auch auf den BR, anzuwenden.
Die 6. Kammer des EUGH hat mit Urteil v. 26.03.2020, Az. C-66/19, entschieden, daß dem Verbraucher nicht auferlegt werden darf, sich mit einer Vielzahl von nationalen Bestimmungen zu beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten sind, um die für das Rechtsverhältnis zwischen dem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geltenden Bedingungen und Modalitäten herauszufinden.
Der Verweis auf Vorschriften des nationalen Rechts ermöglicht dem Verbraucher weder den Umfang seiner Verpflichtung als Rundfunkbeitragszahler zu bestimmen, noch zu überprüfen, ob ihm alle zur Erfüllung der Beitragsschuld erforderlichen Angaben mitgeteilt wurden, und erst recht nicht, ob seine Wohnung überhaupt eine Wohnung nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist. Eine bloße Verweisung der Landesrundfunkanstalt auf Rechtsvorschriften, die die Rechte und Pflichten der Parteien festlegen, reicht daher nicht aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2013, RWE Vertrieb, C-92/11, EU:C:2013:180, Rn. 50).
Die die Beitragspflicht des Wohnungsinhabers begründenden und regelnden Bestimmungen sind auf eine Vielzahl von Rechtsvorschriften verteilt. Der RBStV regelt nur die Beitragspflicht an sich, die Höhe des zu entrichtenden Beitrags wird aber nicht im RBStV genannt, sondern an versteckter Stelle im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag. Die Regelungen über die Art und Weise der Beitragsentrichtung findet sich hingegen in der Satzung der zuständigen Landesrundfunkanstalt über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (Beitragssatzung). Allerdings existiert ebensowenig eine Rechtsverordnung, aus der entnommen werden kann, welche die für die Wohnung des Beitragspflichtigen zuständige Landesrundfunkanstalt ist, wie es keine Rechtsverordnungen gibt, aus denen ersichtlich ist, welches die im RBStV und in der Beitragssatzung genannte „gemeinsame Stelle“ der Landesrundfunkanstalten ist, und an welche Anschrift oder auf welches Konto der Rundfunkbeitrag einzuzahlen ist.
Damit ergibt sich die Beitragspflicht des Schuldners eben gerade nicht „aus dem Gesetz“, weil es das eine Gesetz nicht gibt, in dem die Beitragspflicht vollständig und mit allen notwendigen Bestimmungen und Angaben, einschließlich der Angabe einer Bankverbindung für die Zahlung des Beitrags, niedergelegt ist.
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Es gibt noch weitere Angriffspunkte, mit denen die Zulässigkeit der Vollstreckung in Frage gestellt werden kann. Hierzu kann aber, ohne das Ausstandsverzeichnis gesehen zu haben, keine Aussage getroffen werden.
Fazit:
wenn wir jetzt schnell handeln und keine weitere Zeit verlieren, kann das Ruder noch herumgerissen und die Vollstreckung vorerst verhindert werden.