URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
4. Juli 2023(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Soziale Online-Netzwerke – Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch den Betreiber eines solchen Netzwerks – Missbrauch durch die in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen des betreffenden Netzwerks vorgesehene Verarbeitung personenbezogener Daten der Nutzer dieses Netzwerks – Zuständigkeiten einer mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörde im Hinblick auf die Feststellung, dass diese Verarbeitung gegen die Verordnung 2016/679 verstößt – Verhältnis zu den Zuständigkeiten der nationalen Datenschutzaufsichtsbehörden – Art. 4 Abs. 3 EUV – Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit – Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis f der Verordnung 2016/679 – Rechtmäßigkeit der Verarbeitung – Art. 9 Abs. 1 und 2 – Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – Art. 4 Nr. 11 – Begriff ‚Einwilligung‘“
In der Rechtssache C-252/21https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=275125&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=305057Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:
1. Die Art. 51 ff. der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) sowie Art. 4 Abs. 3 EUV
sind dahin auszulegen, dass
eine mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt, vorbehaltlich der Erfüllung ihrer Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden feststellen kann, dass die Allgemeinen Nutzungsbedingungen dieses Unternehmens, soweit sie sich auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen, und die Durchführung dieser Nutzungsbedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, wenn diese Feststellung erforderlich ist, um das Vorliegen eines solchen Missbrauchs zu belegen.
Angesichts dieser Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit darf die nationale Wettbewerbsbehörde von einer Entscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde oder der zuständigen federführenden Aufsichtsbehörde in Bezug auf diese Allgemeinen Nutzungsbedingungen oder ähnliche allgemeine Bedingungen nicht abweichen. Wenn sie Zweifel hinsichtlich der Tragweite einer solchen Entscheidung hat, wenn die fraglichen Bedingungen oder ähnliche Bedingungen gleichzeitig Gegenstand einer Prüfung durch diese Behörden sind oder wenn sie bei Nichtvorliegen einer Untersuchung oder Entscheidung dieser Behörden der Auffassung ist, dass die fraglichen Bedingungen nicht mit der Verordnung 2016/679 vereinbar sind, muss die Wettbewerbsbehörde diese Aufsichtsbehörden konsultieren und um deren Mitarbeit bitten, um ihre Zweifel auszuräumen oder zu klären, ob sie eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden abwarten muss, bevor sie mit ihrer eigenen Beurteilung beginnt. Wird von den Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist kein Einwand erhoben oder keine Antwort erteilt, so kann die nationale Wettbewerbsbehörde ihre eigene Untersuchung fortsetzen.
[...]
38 Zu den Aufgaben der Aufsichtsbehörden gehört es nach Art. 51 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, die Anwendung der DSGVO zu überwachen und durchzusetzen, um die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu schützen und den freien Verkehr solcher Daten in der Union zu erleichtern. Außerdem arbeiten die Aufsichtsbehörden gemäß Art. 51 Abs. 2 und Art. 57 Abs. 1 Buchst. g DSGVO zusammen, auch durch Informationsaustausch, und leisten sich gegenseitig Amtshilfe, um die einheitliche Anwendung und Durchsetzung der Verordnung zu gewährleisten.
39 Zur Erfüllung dieser Aufgaben verleiht Art. 58 DSGVO den Aufsichtsbehörden in Abs. 1 Untersuchungsbefugnisse, in Abs. 2 Abhilfebefugnisse und in Abs. 5 die Befugnis, Verstöße gegen die DSGVO den Justizbehörden zur Kenntnis zu bringen und gegebenenfalls die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu betreiben, um die Bestimmungen dieser Verordnung durchzusetzen.
Die Datenschutzbehörden haben also alle Befugnisse, eigenständig jedwede Mißachtung der Bestimmungen der DSGVO nachhaltig abzustellen, bzw., abstellen zu lassen. ***43 Weder die DSGVO noch ein anderes Instrument des Unionsrechts sehen spezifische Regeln für die Zusammenarbeit zwischen einer nationalen Wettbewerbsbehörde und den betroffenen nationalen Aufsichtsbehörden oder der federführenden Aufsichtsbehörde vor. Außerdem verbietet keine Bestimmung der DSGVO den nationalen Wettbewerbsbehörden, im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Pflichten festzustellen, dass eine Datenverarbeitung, die von einem Unternehmen in beherrschender Stellung vorgenommen wird und möglicherweise einen Missbrauch dieser Stellung darstellt, nicht mit dieser Verordnung vereinbar ist.
***44 Insoweit ist erstens klarzustellen, dass die Aufsichtsbehörden einerseits und die nationalen Wettbewerbsbehörden andererseits unterschiedliche Pflichten wahrnehmen und jeweils eigene Ziele und Aufgaben verfolgen.
45 Zum einen besteht nämlich, wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nach Art. 51 Abs. 1 und 2 sowie Art. 57 Abs. 1 Buchst. a und g DSGVO die Hauptaufgabe der Aufsichtsbehörde darin, die Anwendung dieser Verordnung zu überwachen und durchzusetzen und gleichzeitig zu ihrer einheitlichen Anwendung in der Union beizutragen, und zwar mit dem Ziel, die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu schützen und den freien Verkehr solcher Daten in der Union zu erleichtern. Zu diesem Zweck verfügt die Aufsichtsbehörde, wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, über die verschiedenen Befugnisse, die ihr nach Art. 58 DSGVO übertragen sind.
46 Zum anderen sind die nationalen Wettbewerbsbehörden nach Art. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 u. a. für den Erlass von Entscheidungen zuständig, mit denen der Missbrauch einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen im Sinne von Art. 102 AEUV festgestellt wird, wobei das Ziel der letztgenannten Vorschrift darin besteht, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt, auch unter Berücksichtigung der Folgen eines solchen Missbrauchs für die Verbraucher im Binnenmarkt.
47 Wie der Generalanwalt in Nr. 23 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, muss eine Wettbewerbsbehörde beim Erlass einer solchen Entscheidung anhand aller besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilen, ob das Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung die Aufrechterhaltung des auf dem Markt bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von Mitteln behindert, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C-152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 41 und 42). Insoweit kann die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit eines solchen Verhaltens mit den Bestimmungen der DSGVO gegebenenfalls – als Teil der relevanten Umstände des Einzelfalls – ein wichtiges Indiz sein, um festzustellen, ob dieses Verhalten den Einsatz von Mitteln eines normalen Wettbewerbs darstellt, und um die Folgen einer bestimmten Praxis auf dem Markt oder für die Verbraucher zu beurteilen.
52 Zweitens ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in dem Fall, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde es im Rahmen einer Entscheidung über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung für erforderlich hält, darüber zu befinden, ob eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch das betreffende Unternehmen mit der DSGVO vereinbar ist, diese Behörde und die betreffende Aufsichtsbehörde oder gegebenenfalls die zuständige federführende Aufsichtsbehörde im Sinne dieser Verordnung zusammenarbeiten müssen, um eine kohärente Anwendung der Verordnung zu gewährleisten.
54 Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes sind die nationalen Wettbewerbsbehörden, wenn sie in Ausübung ihrer Zuständigkeiten zu prüfen haben, ob ein Verhalten eines Unternehmens mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar ist, somit verpflichtet, sich abzustimmen und loyal mit den betreffenden nationalen Aufsichtsbehörden bzw. der federführenden Aufsichtsbehörde zusammenzuarbeiten. In diesem Kontext müssen alle diese Behörden ihre jeweiligen Befugnisse und Zuständigkeiten dergestalt einhalten, dass die Verpflichtungen aus der DSGVO und die Ziele dieser Verordnung beachtet werden und ihre praktische Wirksamkeit gewahrt wird.
56 Hält es eine nationale Wettbewerbsbehörde im Rahmen der Prüfung, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV missbraucht, für erforderlich, die Vereinbarkeit eines Verhaltens dieses Unternehmens mit den Bestimmungen der DSGVO zu prüfen, so muss sie daher ermitteln, ob dieses oder ein ähnliches Verhalten bereits Gegenstand einer Entscheidung durch die zuständige nationale Aufsichtsbehörde oder die federführende Aufsichtsbehörde oder auch durch den Gerichtshof war. Ist dies der Fall, darf die nationale Wettbewerbsbehörde davon nicht abweichen, wobei es ihr aber freisteht, daraus eigene Schlussfolgerungen unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des Wettbewerbsrechts zu ziehen.
63 Angesichts dieser Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit darf die nationale Wettbewerbsbehörde von einer Entscheidung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde oder der zuständigen federführenden Aufsichtsbehörde in Bezug auf diese Allgemeinen Nutzungsbedingungen oder ähnliche allgemeine Bedingungen nicht abweichen. Wenn sie Zweifel hinsichtlich der Tragweite einer solchen Entscheidung hat, wenn die fraglichen Bedingungen oder ähnliche Bedingungen gleichzeitig Gegenstand einer Prüfung durch diese Behörden sind oder wenn sie bei Nichtvorliegen einer Untersuchung oder Entscheidung dieser Behörden der Auffassung ist, dass die fraglichen Bedingungen nicht mit der DSGVO vereinbar sind, muss die Wettbewerbsbehörde diese Aufsichtsbehörden konsultieren und um deren Mitarbeit bitten, um ihre Zweifel auszuräumen oder zu klären, ob sie eine Entscheidung der Aufsichtsbehörden abwarten muss, bevor sie mit ihrer eigenen Beurteilung beginnt. Wird von den Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist kein Einwand erhoben oder keine Antwort erteilt, so kann die nationale Wettbewerbsbehörde ihre eigene Untersuchung fortsetzen.
***EuGH C-597/19 - Rechtsprechung zur Datenschutzrichtlinie gilt auch für die DSGVOhttps://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36576.0EuGH C-439/19 - DSGVO - Datenübertragung an Wirtschaftsteilnehmer unzulässighttps://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35594.0EuGH C-201/14 Ohne Kenntnis d. Bürger kein Datenaustausch zwecks Verarbeitg.https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=15947.0Sowohl die Wettbewerbsbehörde, als auch die Datenschutzbehörde haben sowohl Möglichkeit, als auch Pflicht, jedwede Übermittlung personen-bezogener Daten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, da Wirtschaftsteilnehmer, auch im Rahmen der vom ÖRR unauthorisiert vorgenommen sog. Direktanmeldungen, so diese ohne die ausdrückliche Einwilligung der betreffenden Personen realisiert wird, zwecks Schutzes der Grundrechte der betreffenden Personen wirksam und nachhaltig zu unterbinden, denn ...
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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ATHANASIOS RANTOS
vom 20. September 2022(1)
Rechtssache C-252/21https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=265901&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=49383423. Bei der Ausübung ihrer Befugnisse muss eine Wettbewerbsbehörde nämlich unter Berücksichtigung des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem das untersuchte Verhalten steht, u. a. beurteilen, ob dieses Verhalten darin besteht, dass andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs herangezogen werden(17). Insoweit kann die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit dieses Verhaltens mit den Bestimmungen der DSGVO – nicht für sich genommen, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – ein wichtiges Indiz für die Feststellung sein, ob dieses Verhalten den Einsatz von Mitteln eines normalen Wettbewerbs darstellt, wobei jedoch klarzustellen ist, dass das Vorliegen oder Fehlen der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens im Hinblick auf Art. 102 AEUV nicht aus seiner Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit der DSGVO oder anderen Rechtsnormen hervorgeht(18).
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)
Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;
- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;
- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;