Ich habe den Leit-Artikel und den Fleischhauer-Kommentar gelesen. Es geht in die richtige Richtung, ist aber noch nicht ganz da.
Zunächst finde ich es positiv, dass der Spiegel die Verstrickung von ÖRR und Politik zum Titelthema gemacht hat. Auch hat er erkannt, dass der Rundfunkbeitrag eine ganz konkrete Bedrohung für die Meinungsfreiheit darstellt.
Der Groschen scheint so langsam zu fallen. Während die Journaille bis auf die FAZ bislang die Rundfunkzwangsabgaben-Verweigerer als "Schwarzseher", "Reichsbürger" oder ähnliches titutliert und wenig Verständnis für die Belange der Bürger aufgebracht hat, wachen die Redaktionen nun langsam auf. Sie merken offenbar, dass es ihnen selbst an den Kragen geht.
Medienpluralismus ist nämlich nicht nur eine rein politisch-rechtliche Thematik, sondern auch eine ganz harte wirtschaftliche. Man kann Meinungsvielfalt nicht per Dekret anordnen und mittels Zwangsfinanzierung durchsetzen. Vielmehr ist sicherzustellen, dass es eine Chancengleichheit für möglichst viele verschiedene journalistische Produkte gibt. Die Zwangsabgabe verdrängt letztlich alles außerhalb des mit der Regierungspolitik verflechteten ÖRR und reduziert daher direkt die Meinungsvielfalt auf ein Meinungsmonopol.
Der Artikel bleibt aber noch ziemlich an der Oberfläche. Es gibt wenig neue Erkenntnisse. Eine Statistik belegt, dass über 40% des durchschnittlichen Medien-Haushaltsbudgets bereits für die Zwangsabgabe draufgehen. D.h. die Leute müssen in erheblichem Maße auf andere Publikationen, wie den Spiegel, verzichten. Eine andere Statistik zeigt, dass der Rundfunkbeitrag innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte um über 70% gestiegen ist, während die Inflation nur eine Teuerung von knapp 30% zur Folge hatte.
Letztlich ist das Fazit der Autoren, dass der ÖRR bei seinen Leisten, also TV und Radio, aber auch im Internet, bleiben soll. Texte, Sport, Serien könnten andere machen. Es geht den Schreibern also mehr um die klassische Aufteilung des Marktes. Das ist zu kurz gesprungen, weil im Internet die Grenzen zwischen Bewegtbildern und Texten zunehmend verschwimmen. Das Internet müsste für den ÖRR in der Gänze tabu sein, um die Marktverzerrungen und die damit entstehende Meinungsmonopolisierung zu verhindern.
Wenn der Spiegel überleben will, muss er die Aufgabe der Zwangsfinanzierung des ÖRR fordern. Die Autoren erkennen das noch nicht, sondern nehmen den ÖRR insoweit in Schutz. Sparen würde reichen. Wenn die Zwangsabgabe fiele, würde es dem Tod des ÖRR gleichkommen. Das sehe ich nicht unbedingt so, außer der ÖRR bringt wirklich gar keinen Nutzen außer für sich selbst (was ich nicht in Abrede stellen will, aber dann ist es nur richtig, dass er verschwindet).
Was mir gefehlt hat: vor allem die Auseinandersetzung der Bürger vor den Gerichten und deren merk- und denkwürdiges Verständnis der Rechtslage. Das wurde gar nicht beleuchtet. Es klingt eher so, als hätte jetzt die Politik Verdruss, die Bürger würden nur motzen und in Foren die ÖRR-Redakteure beschimpfen. Dass hier knallharte juristische Grabenkämpfe stattfinden und Mütter in den Knast wandern, will der Spiegel immer noch nicht zur Kenntnis nehmen.
Auch wurde wieder einmal der "Elephant in the Room" komplett ignoriert. Auf einem Foto war die Intendanten-Garde zu sehen, u.a. Karola Wille. Irgendwie schafften es die Autoren auch dieses mal, wobei es ja um politische Verflechungen und Machtspiele ging, zu vergessen, dass eine ehemalige, aktive Verfechterin des DDR-Unrechtsregimes, die in ihrer juristischen Dissertation die Meinungsfreiheit der BRD verunglimpft und sich nie davon distanziert hat, heute die tragende Rolle der ARD-Vorsitzenden innehaben kann. Wenn irgendetwas zeigt, dass mit dem ÖRR etwas nicht stimmt und es mit der Staatsferne nicht weit her ist, dann doch dieses Unding.
Wovor haben die Autoren des Spiegel Angst, dass sie das einfach nicht thematisieren?
Es ist also noch viel Stoff da, der von der unabhängigen Journaille aufgearbeitet werden könnte.
Da sind noch einige Titel-Geschichten drin.