Hallo Leute,
kurzer Eindrucksbericht von meinem Besuch beim Bundesverwaltungsgericht 25.01.2017.
Zusammengefasst:
Sachlich, Oberflächlich, Fair, zu kurz, Problembeschreibungsorientiert.
Die Verhandlung habe ich vom Richter als relativ fair und ausgeglichen moderiert erlebt. Ich denke, das war kein leichter Job - und diesen hat er in seiner Funktion als Moderator, die ja seine Rolle als Gesprächsleiter im Richteramt verlangt, gut gemacht.
Was ich vermisst habe ist das scharfe Schwert der Justiz, das in Person dieser Richter selbst hätte schärfer nachfragen können, was auf der Hand liegt. In der Verhandlung war das z.B. der Punkt "Ermittlungsaufwand von Zweitwohnungen" bei der Besprechung der Zulässigkeit der Typisierung. Darauf kann der Richter auch gleich selbst eingehen, wenn das schon als Argument genommen wird dafür, dass der Gesetzgeber möglicherweise nicht die Mittel hat, um gerechter zu typisieren. Da muss ich nicht erst auf die Klägerpartei (Gegenpartei von GEZ) warten, bis diese das tut.
Des weiteren war der Richter zwischen den Zeilen sehr ehrlich. Das Gericht bzw. der Senat hat weder den Handlungsspielraum, sich über die Bundesverfassungsrechtssprechung in Bezug auf Finanzierungsrechtssprechung hinweg zu setzen, noch sieht er sich in der Lage, Fragen der Einstufung, ob es eine Steuer ist oder ein Beitrag, hier lösen zu können. Das bedeutet nicht, dass er es prinzipiell nicht könnte, allerdings war klar heraus zu hören, dass er dies in der Kürze der Verhandlung nicht tuen würde. Ebenfalls auffällig ist die Klarstellung dass nur Argumente, die in der Vorinstanz vorgetragen wurden, in dieser Revision auch behandelt werden können. Gerade dass verschiedene Punkte eben nicht laut Kläger in Vorinstanzen behandelt wurden, ist doch mit ein Grund, weshalb in Revision gegangen wurde. Insofern widerspricht das dem Revisionsgedanken, wenn man es nicht als Nachprüfungsverfahren über vorinstanzliche Urteile versteht.
Der Richter hat bisweilen einen genervten Eindruck gemacht - "Thema Zweitwohnung zum 15ten mal 3-Fachvorträge" und auch bei der Finanzierungsfrage teils genervt dreingeschaut bei der 5ten Frage selben Inhalts. Gleichwohl hat er jeden ausreden lassen, die entsprechenden Fragen dazu gestellt und zu jedem noch so oft wiederholten Einwand nochmals seine Sichtweise dargelegt. Auch wenn das menschlich nicht immer so einladend wirkte, fand ich es vom Verhandlungsablauf sehr respektvoll und würdig. Kenn ich aus eigener Erfahrung auch ganz anders.
Was dem Gericht aus meiner Sicht nicht würdig steht, ist das Zurücklehnen in allen Fragen der Verhandlung zu der technischen und praktischen Machbarkeit der Gestaltung der GEZ. Was nämlich auch sehr ehrlich meiner Meinung nach vorgeführt wurde ist folgendes:
Das Gericht würde ja gerne die von ihm selbst als hochproblematisch erkannten Dinge lösen. Dazu zählt die Ungleichheit der Pro-Kopf-Belastung, verursacht durch Zweitwohnung und verschiedene Anzahl Bewohner pro Beitragseinheit "Wohnung". Dazu zählt die problematische Erhebung des Beitrags in einer staatsfernen Form. Dieser sollte gerade nicht als Steuer erhoben werden und darf auch nicht der öffentlichen Hand zur Verwaltung überlassen werden. Das Verknüpfen der Wohnung mit einer Beitragspflicht wird ebenfalls als sehr problematisch vom Senat betrachtet.
Soweit sind sich alle Parteien einig.
Was nun passiert vor Gericht ist, dass genau dort, wo es um die Fragen ging, welche angemeldet waren, umgeschwenkt wird auf die zentrale Bedeutung des Gesamt-Konstrukts:
Der Erhalt der GEZ
(GezielterEnteignungsZwang - die Umbenennung des Vereins spielt keine Rolle)Das Gericht lässt an der Stelle, wo es feststellt, dass eine staatsferne Finanzierung schwer zu gestallten ist, die Frage der Gerechtigkeit einfach im Raum stehen. Die Typisierung wird als Übel angesehen, das eine definierbare Gruppe benachteiligt. Dieses Übel wird aber dem Erhalt des Systems ausdrücklich geopfert mit der Begründung, dass es eine vermutlich unerhebliche Anzahl Personen betrifft.
Die Frage der Vertragsformulierung
(Es steht nirgends der ?Zweck? (bin mir unsicher welcher genau hier gemeint war) und die Höhe des Beitrags im Staatenvertrag im juristischen Sinne) ist aus diesem Grunde genauso von untergeordneter Bedeutung, weil sich aus dem Gesamtkonstrukt dieser ja erschließe. Dazu sieht das Gericht die Verknüpfung einer vermutlich zutreffenden Verknüpfung mit einer weiteren vermuteten Verknüpfung als zutreffend an. Um die Flucht aus dem System zu stoppen, sei es demnach zulässig gewesen, zum damaligen Zeitpunkt das Gerät für den Rundfunk mit der Wohnung zu verknüpfen. So wurde auch die immer wieder erläutertete Aussage
"Wohnung in der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Beitragspflichtiges Gerät steht" wiedergegeben. Davon losgelöst kam immer wieder die Aussage vom Gericht, dass es um die Bewohner, sprich: potentiellen
Nutzer geht, nicht die Wohnung - diese sei nur eine Hilfskrücke.
Um es kurz zu machen - alle Beteiligten sind sich der Unrechtstatsache bewusst:
Es wird willkürlich allen Wohnungsinhabern eine Schuld zugesprochen, ohne dass dafür ein individueller Vorteil für dies entstehen muss.
Das sieht der Senat durch die Blume gesprochen auch so. Warum er dennoch so wenig darauf eingeht, liegt daran, dass es vermutlich manigfaltige Möglichkeiten gegeben hat dem unbequemen Druck auszuweichen - und das letzten Endes auch nicht klar stellen möchte.
Es wurden alle (auch richtigen) Gründe aufgefahren, weswegen der Senat nur eingeschränkt handeln kann. Das Bundesverfassungsgericht schränkt die Methode der Bedarfsdeckung klar ein. Die Gesetze zu Privatsphäre und ökonomischen Regeln, welche Massenverarbeitungsverfahren nötig machen, schränken die Informationsbeschaffung über Nutzer und Nichtnutzer ein. Und alles das ist auf einmal so schwierig, dass der Maßstab der Verhältnismäßigkeit beliebig verbogen werden kann. Tiefgehende Lösungsorientierung ist da gar nicht erwünscht! Das Gericht - im Spannungsfeld der Pole zwischen dem Druck der Kläger (Bevölkerung) und anderen Mächten - möchte da wohl einfach nicht nachgeben. Ein anderer Pol drückt da wohl stärker!
Die GEZ-Partei mit ihrer U35 Gruppe als Verteidiger hat im übrigen wenig nennenswertes zur Verhandlung beigetragen und auch maximal eine Frage direkt beantwortet, sonst abgeschweift und bedauert, wie ungerecht und unfähig das System ist. Natürlich leider nicht zu ändern.
Diese Gericht konnte und wollte bereits vor der Verhandlung nicht helfen. In einem Akt der Güte und Höflichkeit hat es die Kläger empfangen, gehört und meiner Meinung nach auch wirklich verstanden. Einzig den Handlungsspielraum, den es hat, die Beitragsform für unzulässig zu erklären, hat es mit Absicht nicht genutzt - wohl auch nicht nutzen wollen. Den Vertrag mangels exakter Zweckbeschreibung zu zerreißen, die Verknüpfung der Wohnung mit einer Rundfunknutzung aus unkausal festzustellen, die Typisierung als wegen ungleicher Wohngemeinschaften und Zweitwohnungen unzulässig zu erachten - dafür hat es selbst genügend logische Schlüsse vorgetragen. Nur es will nicht! Vielleicht wartet es auf Rechtspechung von oben, wie in der Verhandlung bereits mehrfach erwähnt! Darum der EUGH kaum Thema dort ;-)
Das ganze ein natürlich sehr persönlicher Bericht von mir, der keinesfalls der Wahrheit entsprechen muss.
Einzelne Erinnerungsfetzen aus dem Saal:
- 4er-WG: 52,50€/Jahr vs. 1er-WG+2.WG 420€/Jahr
- Statistisches Bundesamt 96,X % Rundfunkempfangsmöglichkeit + nicht belegbare Tatsachenbehauptung des Gerichts 3,X % Empfang über Handy
- Single-Haushalte mit Zweitwohnung ca. 130 000
(zahl nicht mehr exakt im Kopf)
- 6 Millionen Radiohörer den Fernsehnutzern zugeordnet
- Technische Möglichkeit der Nutzungserfassung zu komliziert
- Wohnung Hilfsmittel, es geht immer um Nutzer
Denkanstöße:
Gericht versteckt sich hinter der Hürde "Erfassbarkeit der Nutzer". Auch wenn das Gericht bewusst pauschal den Diebstahl an Einzelpersonen zwecks Erfüllung der Staatspflicht billigt, kann es der eigenen Argumentation, dass sie - wenn es denn möglich wäre, auch gerechter typisieren zu lassen - entsprechend Recht sprechen würden, nicht so einfach entkommen.
Damit kann man aber vielleicht höhere Gerichte zur Prüfung beauftragen, denn:
Das BVerwG sagt selbst, es geht um den Nutzer. Dieser kann nicht in zwei Wohnungen zeitgleich sein. Und die mündliche Befragung ergab, dass Erst- und Zweit-Wohnungen unterschiedlich gemeldet werden. Und es behauptet, aufgrund der schwierigen Informationsbeschaffung sei es gerechtfertigt, pauschal zu typisieren. Weiter ausführend, dass es wegen der Bekämpfung der Beitragsflucht abwegig ist, seine Wohnung nicht anzumelden, da an dieser noch weitreichendere Verantwortlichkeiten dran hängen, sich eine praktikable Lösung hier doch aufdrängt. Es liegt ihm doch selbst die Information im Mund, dass genau in diesem Fall das nicht stimmt, dass nur schwer typisierbar sei. Unabhängig von sinnfreien Geschwafel des SWR vor Ort, kommt die Information über Zweitwohnungen an, können verarbeitet werden und sind gesetzlich einfachst regelbar. Vor dem Hintergrund, dass dem Gericht selbst bekannt sei, dass die Vereinfachung der Daten mit Meldedatenabgleich alles andere als verfahrenskostensparend im Ablauf waren, ist das geradezu eine Vorlage, die Richter darauf festzunageln, dass Sie mit Absicht kein gerechtes Urteil fällen wollten in diesem speziellen Einzelfall.