Hallo Leute,
ich gebe euch mal einen Zwischenbericht über meine gestrige Verhandlung:
Nach den üblichen Formalitäten hat sich herausgestellt, dass die Vertreterin des BR meine Klagebegründung gar nicht vorliegen hatte. Der Richter hatte einen entsprechenden Vermerk, dass sie an den BR geschickt wurde. Es war in der Verhandlung natürlich nicht zu klären, wo sie geblieben ist.
Es war dann die Frage, ob die Verhandlung solange unterbrochen werden soll, bis die Vertreterin des BR sie gelesen hat. Der Richter meinte dann allerdings, dass das aus seiner Sicht entbehrlich sei, da es nicht zum Aufgabenbereich des VW-Gerichts gehöre, über die Qualität der Sendeinhalte zu befinden bzw. darüber zu befinden, ob der ÖRR seinen Auftrag erfüllt.
Auf meine Nachfrage hin, ob es in diesem Verfahren vollkommen unerheblich sei, ob der ÖRR seinem Auftrag nachkommt, war seine Antwort: ja
Mit anderen Worten: ob die Zahlungsverflichtung rechtmässig ist, hat im verwaltungsrechtlichen Bereich überhaupt nichts damit zu tun, was die ÖRR senden - zumindest solange sie überhaupt irgendwas senden. Erst wenn sie überhaupt nichts senden würden, dann wäre das von Belang. So die Sichtweise des Richters.
Ausserdem habe das Bundesverfassungsgericht das bereits geprüft (Umfang der Grundversorgung) und für in Ordnung befunden und er könne sich nicht über die Entscheidung des BVGs hinwegsetzen.
Da war ich offen gestanden erst mal platt. Daher ist mein Tip an die, die inhaltlich argumentieren: seid darauf vorbereitet - ich wars nicht. Ob das rechtlich gesehen haltbar ist, weiss ich nicht und ich hatte während des Verhandlung natürlich auch keine Möglichkeit, das zu recherchieren. In so einer Situation hätte ein Anwalt schon hilfreich sein können. Möglicherweise ist das eine zivilrechtliche Frage, ob die gelieferte Leistung der (unfreiwillig) bestellten entspricht und keine verwaltungsrechtliche Frage.
Die Vertreterin des BR meinte dazu, dass es dafür ja die Möglichkeit der Programmbeschwerde gebe und dass jede Beschwerde beantwortet werden müsse. Auf meine diesbezügliche Nachfrage sagte sie, sie müsse allerdings nicht zwangsläufig im Rundfunkrat behandelt werden.
Auf meinen Hinweis, dass der BR bzw. die ÖRR bei der Ausführung ihres Auftrag aus meiner Sicht gegen mehrere Artikel der Bayerischen Verfassung verstossen, die bei dem Urteil vom Mai 2014 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof gar nicht geprüft worden seien, entgegnete der Richter, dass dieser nicht nur die Verfassungsbelange geprüft habe, die in der Popularklage angeführt gewesen seien, sondern die Verfassungsmässigkeit insgesamt geprüft hätte. Und daher käme für ihn eine Überweisung an das Verfassungsgericht nicht in Betracht.
Auf meinen Hinweis, dass auch die politische Unabhängikeit der Verfassungsrichter fraglich sei, reagierte er sehr schroff: "Es ist besser, wenn Sie jetzt nicht weiterreden, sonst muss ich das ins Protokoll aufnehmen". Da ich nicht wusste, was das in der Konsequenz bedeuten könnte, hab ich das dann auf sich beruhen lassen (immerhin habe ich es ausgesprochen :-) ). Dass er diese Bedenken im Hinblick auf die politische Unabhängigkeit der Verfassungsrichter bei Wikipedia nachlesen könne und dass es im Jahr 2000 bereits einmal den Versuch eines entsprechenden Volksbegehren gab, hatte ich in dem Moment nicht parat (die Bayer. Verfassungsrichter werden vom Landtag mit einfacher Mehrheit ernannt - und die hatte jahrzehntelang die CSU).
Nach diesem Zwischenbericht werdet Ihr nicht erstaunt sein, dass der Richter meine Klage abweisen wird - das liess er bereits durchblicken.
Wenn ich die Urteilsbegründung vorliegen habe, werde ich sie ins Forum stellen - wenn das mit meinen technischen Möglichkeiten funktioniert. Ich kann sie nämlich nur abfotografieren, da ich keinen Scanner habe und hoffe, dass ich die Bilder dann einstellen kann.
Zwischenfazit:
Einerseits bin ich mit dem Verlauf der Verhandlung ganz zufrieden, da ich überraschend viel Raum hatte, meine Kritik am ÖRR auszusprechen - obwohl das aus Sicht der Richters für das Verfahren gar nicht relevant war. Und das war eins meiner Ziele, da hinzugehen und meine Wahrheit auszusprechen - vollkommen unabhängig vom rechtlichen Erfolg.
Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob ich mich nicht habe über den Tisch ziehen lassen, indem ich die ursprünglich beabsichtigten Anträge (siehe mein Beitrag: "Begründung meiner Klage: Vier Gründe, warum der ÖRR seinen Auftrag nicht erfüllt") wegen vermuteter Aussichtslosigkeit in der Verhandlung dann doch nicht gestellt habe. Möglicherweise kommt der Richter so um die Begründung herum, sie abzulehnen. Doch diese "Einsicht" hatte ich erst hinterher. Ich werde ja sehen, ob er in der Urteilsbegründung darauf eingeht oder nicht.
Alles in allem: es war eine wertvolle Erfahrung - vielleicht auch für euch. Und: nach der Klage ist vor der (nächsten) Klage :-)
Mein abschliessender Tip: nehmt unbedingt jemanden als "BeraterIn" in die Verhandlung mit - es braucht ja kein(e) RechtsanwältIn sein! Es wäre für mich sicher hilfreich gewesen, wenn ich mich als in die Verhandlung direkt "Involvierter" mit jemandem hätte besprechen hätte können, die/der nur in der Beobachterrolle dabei ist (z.B. bei der Frage, ob ich die ursprünglichen Anträge stelle oder nicht). Vier Augen sehen mehr als zwei - und vier Ohren hören mehr als zwei. Auch bringt das Auftreten zu zweit ein anderes "Stabilitätsgefühl" mit sich - als alleine dazustehen. Darüber hinaus ist es immer gut, eine Zeugin/einen Zeugen zu haben.
liebe Grüsse und bis bald
staatsfern
PS: @Roggi: die Vertreterin vom BR wusste nicht wieviele Verfahren in Bayern anhängig sind - sie vermutete einige Hundert.
„Eigentlich ist es gut, dass die Menschen unser Banken- und Währungssystem nicht verstehen. Würden sie es nämlich, so hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ (Henry Ford, 1863-1947)
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