Glaubt hier eigentlich noch jemand an die deutsche Justiz?
Nein. Schon gar nicht, nachdem ich die haaresträubenden Urteile zum Rundfunkbeitrag gelesen habe.
Ich möchte an dieser Stelle auf ein aktuelles Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aufmerksam machen, in dem es um die Anforderungen geht, die eine Abgabe erfüllen muss, um ein "Beitrag" zu sein. Es handelt sich dabei um das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 25.06.2014, 1BvR 668/10. Dieses kann über
diesen Link abgerufen werden.
Ich halte dieses Urteil für sehr bedeutend in Bezug auf den Rundfunkbeitrag aufgrund folgender Textstelle der Randnummer 51 und 52:
"3. Werden Beiträge erhoben, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll. Erfolgt die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen grundstücksbezogen, können nach dem Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nur solche Grundstücke herangezogen werden, deren Eigentümer aus der Möglichkeit, die ausgebauten Straßen in Anspruch zu nehmen, einen Sondervorteil schöpfen können, der sich von dem der Allgemeinheit der Straßennutzer unterscheidet.
Die Erhebung von Beiträgen erfordert hiernach hinreichende sachliche Gründe, welche eine individuelle Zurechnung des mit dem Beitrag belasteten Vorteils (siehe oben B. I.) zum Kreis der Belasteten rechtfertigen. Wesentlich für den Begriff des Beitrags ist der Gedanke der angebotenen Gegenleistung, des Ausgleichs von Vorteilen und Lasten: Wenn das Gemeinwesen in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe eine besondere Einrichtung zur Verfügung stellt, so sollen diejenigen, die daraus besonderen wirtschaftlichen Nutzen ziehen oder ziehen können, zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen (vgl. BVerfGE 14, 312 <317>). Die für die Kostentragungspflicht erforderliche individuelle Zurechenbarkeit lässt sich insbesondere aus der rechtlichen oder tatsächlichen Sachherrschaft oder -nähe und der damit verbundenen Möglichkeit herleiten, aus der Sache konkrete wirtschaftliche Vorteile oder Nutzen zu ziehen (vgl. BVerfGE 91, 207 <223>). Das schließt allerdings nicht aus, dass eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern zu Beiträgen herangezogen wird, sofern ihnen jeweils ein Sondervorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 - VGH B 35/12 -, juris, Rn. 103)."Der letzte Satz dieser Textstelle, den ich in Fettschrift formatiert habe, ist von entscheidender Bedeutung. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich in diesem Satz auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes des Landes Rheinland-Pfalz bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrages. Es darf nach diesem Urteil vom 25.06.2014 davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht damit bereits die Entscheidung in Bezug auf die rechtliche Einordnung der Abgabe als Beitrag vorweggenommen hat. Nicht nur hat es die rechtliche Einordnung vorweggenommen, sondern gleichfalls auch keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit gelassen.
Was steht in Randnummer 103 genau, auf welche das Bundesverfassungsgericht Bezug nimmt?
"Soweit hinsichtlich der staatlichen Leistungen, deren Finanzierung die Abgabe bezweckt, ein „besonderer“ Vorteil erforderlich ist, ist Bezugsrahmen für die Feststellung einer derartigen Besonderheit nicht die Stellung des Abgabepflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung, sondern die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den Gemeinlasten, d. h. den allgemeinen staatlichen Aufgaben. Von diesen unterscheidet sich die Veranstaltung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ungeachtet der Pflicht des Staates zu dessen funktionsgerechter Finanzierung jedoch grundlegend. Im Übrigen übersteigt die Zahl der durch den Rundfunkbeitrag tatsächlich Beitragsbelasteten aufgrund des Umstands, dass der Beitrag je Wohnung nur einmal anfällt, nicht erheblich diejenige nach dem bisherigen Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Hierzu jedoch hat das Bundesverfassungsgericht, welches – obschon ohne konkrete Zuweisung zu einer bestimmten Art der Vorzugslasten – die Rundfunkgebühr stets als nichtsteuerliche Abgabe gesehen hat, wiederholt festgestellt, es handele sich um die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung (BVerfG, Urteil vom 4. November 1986 – 1 BvF 1/84 –, BVerfGE 73, 118 [158]; Beschluss vom 6. Oktober 1992 – 1 BvR 1586/89 u.a. –, BVerfGE 87, 181 [199]; Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 –, BVerfGE 90, 60 [90])."Ich beziehe mich auf den von mir in Fettschrift formatierten Teil der Randunummer 103. Hierin stellt der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz eine Anforderung auf, die bisher in keiner anderen verfassungsgerichtlichen Entscheidung als Anforderung einer beitragscharakterisierenden Abgabe enthalten war. Er sagt nämlich, dass für die Feststellung eines besonderen Vorteils nicht die Stellung eines Abgabenpflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung maßgeblich ist (diese Anforderung war bislang in sämtlichen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen für einen Beitrag kennzeichnend), sondern die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den allgemeinen öffentlichen Aufgaben. Dies heißt mit anderen Worten: Der Abgabepflichtige hat einen besonderen Vorteil, weil die Bedeutung (der Stellenwert) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks höher zu bewerten ist als die Bedeutung (der Stellenwert) sämtlicher anderer öffentlicher Aufgaben. Dies wird besonders an dem sich daran anschließenden Satz klar, in dem steht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterscheide sich von sämtlichen anderen öffentlichen Aufgaben "grundlegend". "Grundlegend" kann hier nur heißen "grundlegend in Bezug auf seine Bedeutung", denn es macht schlichtweg keinen Sinn, eine öffentliche Aufgaben inhaltlich gegen eine andere abzugrenzen - eine öffentliche Aufgabe unterscheidet sich von einer anderen öffentlichen Aufgabe zwangsläufig "grundlegend". Das Gesundheitswesen unterscheidet sich inhaltlich grundlegend von der inneren Sicherheit, das Justizwesen unterscheidet sich inhaltlich grundlegend vom Bildungswesen usw.
Hiermit bringt der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz zum Ausdruck, dass er dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen höheren Stellenwert beimisst als sämtlichen anderen öffentlichen Aufgaben. Wie der Verfassungsgerichtshof des Landes Rheinland-Pfalz als "neutrale" Instanz allerdings zu dem Schluss kommt, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk komme ein größerer Stellenwert als sämtlichen anderen öffentlichen Aufgaben zu, wird wohl ein Geheimnis bleiben. Jedenfalls ist eine solche Sichtweise von einer "neutralen" Instanz äußerst fragwürdig, anmaßend und ziemlich respektlos.
Indem das Bundesverfassungsgericht sich in seiner Entscheidung v. 25.06.2014 explizit auf Randnummer 103 bezieht, übernimmt es diese Ansicht.
Liebe Freunde, ich bin der Ansicht, dass meine Schlussfolgerungen einigermaßen plausibel und nachvollziehbar sind. Aus diesem Grund bin ich sehr traurig und enttäuscht, in welcher widerwärtigen Art und Weise die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über sämtliche anderen öffentlichen Aufgaben gestellt wird. Meiner Ansicht nach macht es daher auch keinen Sinn, weiter auf die Gerichte zu hoffen. Diese Angelegenheit könnte allenfalls auf politischer Ebene gelöst werden. Aufgrund des Machtkartells zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Politik sehe ich hier jedoch keinen Grund zu besonderer Hoffnung.
Ich wünsche allen, die ihre Klage gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch vor sich haben, dennoch alles Gute.