Der EGMR hat sich in der Individualbeschwerde Nr. 10138/11 auch schon einmal mit der Kirchensteuer in Deutschland beschäftigt, so dass man sich mit diesem Verfahren einmal näher beschäftigen müsste.
Warum zur Kirche schauen, wenn's vom EGMR doch auch Entscheidungen zur Rundfunkgebühr hat?
Für EGMR wie EuGH ist eine Rundfunkgebühr eine Steuer
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22224.0.html
auf Basis der anderen Entscheidung (zu finden -> IRIS2002-5/2), auf Seite 104 des hier verlinkten Dokumentes muß der Eingriff bspw. in die Meinungsäußerungsfreiheit "gesetzlich vorgeschrieben sein".
Fundstelle: Seite 228 - Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
http://www.obs.coe.int/documents/205595/2667238/IRIS+Themes+-+Vol+III+-+Ed+2015+DE.pdf/6505fcc6-4425-41ef-9e95-a48f75860c32
@pinguin: Deine Bemühungen zum Europarecht und deine Aufklärung zum Verstoß der Befürworter des Rundfunkbeitrages gegen das europäische Recht zur staatlichen Beihilfe in allen Ehren, dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass du den EuGH in Luxemburg und den EGMR in Straßburg nicht in der Weise gemeinsam beurteilen kannst. In diesem Zusammenhang weiß ich beispielsweise immer noch nicht, wie ich als einzelner Bürger vor dem EuGH klagen kann, während der Rechtsweg vor dem EGMR mir dagegen sehr nachvollziehbar erscheint.
Vielleicht generell ein paar Anmerkungen zur Individualbeschwerde Nr. 33/2004 des Herrn Faccio gegen Italien, die ich nicht für anwendbar auf den Rundfunkbeitrag halte.
1) geht es um eine Rundfunkgebühr, die nach Informationen des McKinsey-Berichtes in Italien auch heute noch in Abhängigkeit vom Besitzt eines Empfangsgerätes eingezogen wird (vgl. ebda S.50). Es wäre daher tatsächlich zu klären, weshalb in dem von dir erwähnten Bericht aus dem IRIS von einer Steuer und nicht von einer Gebühr die Rede ist. Vielleicht handelt es sich um einen Übersetzungsfehler des Autors zum französischen Urtext.
2) handelt es sich bei der Entscheidung Faccio gegen Italien um keine Entscheidung der großen Kammer, während es sich bei den von mir herangezogene Entscheidung zur negativen Versammlungsfreiheit nach Art. 11 EMRK aus den beiden Beschwerdesachen Sorensen gegen Dänemark und Rasmussen gegen Dänemark, Urteil vom 11.1.2006, Bsw. 52562/99 und Bsw. 52620/99, um Entscheidungen der großen Kammer handelt. Nach Art. 43 EMRK hätte es hier selbst gegen die Rundfunkgebühr noch Luft nach oben gegeben.
3) hat sich Faccio bei seinem Verfahren auf die positive Informationsfreiheit nach Art. 10 EMRK berufen, da er nur die privaten und nicht die öffentlich-rechtlichen Sender sehen wollte. Denn meisten Menschen in diesem Forum geht es, so verstehe ich dies zumindest, um das Recht auf negative Informationsfreiheit und negative Meinungsfreiheit.
Es geht daher bei den Menschenrechten generell um die Frage nach dem Zwang (= Einschränkung der Freiheit), der beim Fall Faccio nicht wirklich gegeben war, da er die Möglichkeit hatte, durch Abschaffung der Rundfunkgeräte sich von der Gebühr befreien zu lassen, was beim Rundfunkbeitrag eben nicht in verhältnismäßiger Weise möglich ist. Hier besteht nur die Möglichkeit durch Umzug ins Ausland oder in eine Wohnung, in der bereits ein Beitrag gezahlt wird, sich von der Zahlung befreien zu lassen, was nach meiner Ansicht im Vergleich zur Abschaffung der Geräte nicht mehr verhältnismäßig ist.
Daher finde ich es schon interessant sich die jüngste Entscheidung zum deutschen Abgabenrecht des EGMR mal näher anzuschauen, weil die dortigen Kläger eben gerade deshalb gescheitert sind, weil es nicht wirklich einen Zwang gab, Kirchensteuer zahlen zu müssen. Denn alle vier Paare, die gegen die gemeinsame Veranlagung der Kirchensteuer geklagt haben, obwohl ein Ehepartner kein Kirchenmitglied ist, hatten die Möglichkeit sich dadurch befreien zu lassen, dass die Steuern eben nicht gemeinsam, sondern getrennt veranlagt werden. Darüber hinaus hätte das Kirchenmitglied aus der Ehe auch die Möglichkeit gehabt, aus der Kirche auszutreten, was dazugeführt hätte, dass überhaupt keine Kirchensteuer mehr gezahlt werden müsste. Damit beruht die ganze Angabe auf einer Freiwilligkeit, die beim Rundfunkbeitrag eben nicht gegeben ist. Leider gibt es zu der Entscheidung Individualbeschwerde Nr. 10138/11 u. a. noch keine deutsche Übersetzung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, da die Entscheidungen zu den deutschen Fällen vom April 2017 noch nicht übersetzt wurden:
http://www.egmr.org/https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-155945%22]}
Es gibt jedoch im JURIS und im Legal Tribune Berichte und Kommentare zu den Beschwerden:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/egmr-1013811-kirchensteuer-ehepartner-konfessionslos-beteiligung/Den Bericht aus dem Legale Tribune finde ich schon relevant für den beanstandeten Rundfunkbeitrag, da in ihm behauptet wird, dass der EGMR bestätigt hätte, dass die Kirchensteuer eine Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK sei. Dies würde natürlich auch bedeuten, dass der Rundfunkbeitrag ein klarerer Verstoß gegen die negative Informationsfreiheit und die negative Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK darstellen würde, wenn der Staat sich in irgendeiner Form in die Finanzierung von Rundfunkanstalten einmischen würde. Diese Einmischung ist zweifellos durch einen Rundfunkstaatsvertrag gegeben. Bei jeglicher Form des Staatsfernsehen liegt zudem schon grundsätzlich ein Verstoß gegen die Pressfreiheit vor, was beim Rundfunkbeitrag noch deutlicher zutage tritt, da diese Steuer von einer Sonderbehörde eingezogen wird.
Wenn man sich dann über den Beitrag der Landesrundfunkanstalten für die Gemeinschaft streiten will, dann finde ich, dass die Gewerkschaften ein größeren und wichtigeren Anteil an der Gestaltung unserer Gesellschaft haben, als irgendwelche blöden Radio- oder Fernsehsender. Es sollte daher eher eine Zwangsmitgliedschaft für alle Haushalte und Unternehmen in der Gewerkschaft geben, als diesen vergleichbaren Unsinn einer Zwangsmitgliedsschaft bei seiner örtlichen Landesrundfunkanstalt, da von niemanden erwartet werden kann, dass er für solch unsinniges Zeugs wie Radio und Fernsehen Steuern oder Beiträge zahlen soll, nur weil irgendwelche profilierungssüchtigen Politiker meinen, dass sie in den Öffentlich-rechtlichen besser abgelichtet werden, als in den Privaten. Dies ist Eigennutz und hat nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun. In Hinblick auf die oben erwähnten Entscheidung vom 11.1.2006, Bsw. 52562/99 und Bsw. 52620/99, macht es also schon Sinn über eine Klage vor dem EGMR nachzudenken.
https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20060111_AUSL000_000BSW52562_9900000_000Es wäre natürlich sinnvoll, wenn das Bundesverfassungsgericht vorher klarstellen würde, um welche Abgabenform es sich überhaupt handelt. Dies dürfte jedoch vor dem EGMR keine echte Rolle spielen, da sich dieses Gericht mit Sicherheit nicht mit der Gestaltung des inländischen Abgabensystems eines Landes beschäftigen wird. Es wird sich aber mit den zahlreichen Verstößen des Rundfunkbeitrages gegen die Menschenrechtskonvention beschäftigen, zu denen auch der Schutz des Eigentums nach Art. 1 EMRK des Zusatzprotokolls Nr. 1 gehört. Die Annahme der Klagen gegen die Kirchensteuer zeigt in jedem Falle, dass gegen den Rundfunkbeitrag auch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich ist.