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Autor Thema: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien  (Gelesen 17000 mal)

L

Leo

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EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
Autor: 26. Juni 2016, 14:05
Gute Nachricht von einem mir bekannten Juristen zum Thema "EuGH und Rundfunkgebühr", die ich hier mal wiedergebe:


*******

Der EuGH hat sich kürzlich mit der Rundfunkgebühr beschäftigt (Aktenzeichen C-11/15). Zwar nicht mit der deutschen, sondern mit der tschechischen, und dies auch nur unter einem besonderen steuerlichen Aspekt, aber einige Aussagen finde ich trotzdem interessant.

Zum einen wird festgestellt, dass "kein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden", zum anderen bestehe "kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dieser öffentlichen Rundfunkdienstleistung und der Gebühr".

Die Entrichtung der Gebühr erfolge nämlich nicht freiwillig, sondern nur aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, die unabhängig von der tatsächlichen Nutzung bestimmter Rundfunkangebote bestehe.

Damit scheint mir ein wichtiges Argument der deutschen Gerichte entkräftet zu sein, die die Rundfunkgebühr als Gegenleistung für das Rundfunkprogramm eingestuft haben.

Das komplette Urteil findest Du mit Eingabe des o.g. Aktenzeichens auf der Startseite: http://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de/


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V
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Danke für den Fund.

Schlussfolgerung:
Demnach gibt es auch keinen Zusammenhang des Rundfunkbeitrags mit einer fiktiven Eventualität  (Möglichkeit) die öffentlich-rechtliche Rundfunkoption nutzen zu können. Geld wird aufgrund des verfassungswidrigen Gesetzes ohne besonderen Vorteil und ohne Leistungsaustausch, sogar von Nichtnutzern, abgepresst. Ein Beitrag ohne besonderen Vorteil und ohne Gegenleistung ist kein Beitrag. Die Abgabe ist verfassungswidrig.


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Danke für den Link.

Hab' mir beides durchgelesen; sowohl das Urteil, als auch den Schlußantrag.

Direkt vergleichbar mit unserem Finanzierungssystem ist es nicht, weil das tschechische System auf den Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes abstellt, aber es wird 1x mehr bestätigt, daß es aus einer staatlich auferlegten Zahlungspflicht infolge Rundfunkgerätebesitzes keine Gegenleistung ist, was ÖRR aussenden, weil kein Vertragsverhältnis zwischen ÖRR und Bürger besteht.

1x mehr auch bestätigt, daß es sich um öffentliche Mittel handelt, ergo also um Steuergelder.


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b
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Zitat
Im Rahmen der Erbringung dieser Dienstleistung sind Ceský rozhlas und diese Personen nämlich weder durch eine vertragliche Beziehung oder Vereinbarung über einen Preis oder einen Gegenwert, noch durch eine rechtliche Verpflichtung verbunden, die die eine mit der anderen Seite freiwillig eingegangen ist.
- keine vertragliche Beziehung
- keine Vereinbarung über den Preis oder Gegenwert
- keine rechtliche Verpflichtung
- und dazu noch auch "nicht freiwillig", also unter Zwang

und als Krönung: beide Seiten wurden gezwungen. Sowohl Rundfunk, als auch Personen.

Zitat
Im Übrigen ergibt sich die Verpflichtung zur Entrichtung der Rundfunkgebühr nicht aus der Erbringung einer Dienstleistung, deren unmittelbaren Gegenwert sie darstellte, da diese Verpflichtung nicht an die Nutzung der von Ceský rozhlas erbrachten öffentlichen Rundfunkdienstleistung durch die Personen, die dieser Verpflichtung unterliegen, gebunden ist, sondern allein an den Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts, und das ungeachtet der Art und Weise, in der dieses genutzt wird.

Dort ist Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts. In unserem Fall wird es halt an das Bewohnen der Wohnung geknüpft.


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S
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Dort ist Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts. In unserem Fall wird es halt an das Bewohnen der Wohnung geknüpft.

Nein, nicht an das Bewohnen der Wohnung, sondern an den Besitz einer Wohnung: "Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten." (§ 2 Abs. 1 RBStV)

Und wenn man mehrere besitzt, zahlt man mehrmals, auch wenn man sie nicht alle bewohnen kann.


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Und wenn man mehrere besitzt, zahlt man mehrmals, auch wenn man sie nicht alle bewohnen kann.

Du meinst sicherlich: alle GLEICHZEITIG bewohnen kann.


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Leo

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[...] es wird 1x mehr bestätigt, daß es aus einer staatlich auferlegten Zahlungspflicht infolge Rundfunkgerätebesitzes keine Gegenleistung ist, was ÖRR aussenden, weil kein Vertragsverhältnis zwischen ÖRR und Bürger besteht.

1x mehr auch bestätigt, daß es sich um öffentliche Mittel handelt, ergo also um Steuergelder.

Danke für Deine Einschätzung, pinguin. Du hast diesbegzüglich einen sehr langen Thread

Kleiner Ausflug zum Europarecht
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12861.msg86512.html#msg86512

der schon im Januar 2015 begonnen wurde und den ich nicht im Detail durchgearbeitet habe.

Frage: Wie wichtig ist denn das "tschechische" Urteil (Aktenzeichen C-11/15) für unsere Gesamtsituation und den RBStV in Deutschland? Gab es diesbezüglich schon ähnliche Urteile des EuGH?
  • Denn wenn das Urteil wirklich so gut ist, wie es mir erscheint, wäre es dann eine Möglichkeit, dass jemand die Presse anschreibt? "Europäischer Gerichtshof bestätigt: GEZ-Gebühr fragwürdig" o.ä. Vielleicht kann das jemand machen, der den juristischen Hintergrund besitzt und Kontakt zur Presse hat.
  • Wenn das Urteil nicht allzu wichtig sein sollte oder es ähnliche EuGH-Urteile schon mehrfach gab, wäre die Presse vermutlich weniger interessiert.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 26. Juni 2016, 17:25 von Leo«

S
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Und wenn man mehrere besitzt, zahlt man mehrmals, auch wenn man sie nicht alle bewohnen kann.

Du meinst sicherlich: alle GLEICHZEITIG bewohnen kann.

Hauptsache: der Besitz einer Wohnung hat weniger mit Rundfunknutzung zu tun als der Besitz eines Gerätes.

Und selbst bei der Abgabe nach Gerätebesitz gibt es laut EuGH keinen unmittelbareren Zusammenhang zwischen der öffentlichen Rundfunkdienstleistung und der Gebühr.

Was der EuGH für die Gerätegebühr sagt, gilt noch deutlicher für die Wohnungsabgabe: es ist keine Gegenleistung für eine Leistung.

Das wussten wir aber schon, vom alten Urteil des BVerfG.

Das einzige neue: deutsche Gerichte (einschließlich BVerfG) können uns nicht mehr erzählen, das sei ja nur ein altes Urteil des BVerfG.


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@Sophia.Orthoi

Bereits in C-337/06 zur damaligen dt. Rundfunkgebühr wurde vom EuGH festgestellt, daß es keine Gegenleistung hat; es wurde nur 1x mehr auch in Bezug auf ein anderes EU-Land bestätigt.

Es wäre zu prüfen, ob das damalige BVerfG-Urteil vor oder nach dem obigen EuGH-Urteil getroffen worden ist, da kein nationales Gericht befugt ist, von den EuGH-Vorgaben abzuweichen. Dementsprechend auch das neue BVerfG-Urteil zur EZB-Problematik, da der EuGH das in seiner eigenen Vorab-Entscheidung zur EZB-Problematik so vorgab.

@Leo
Vom EuGH hat es zum Rundfunk bzw. ÖRR der einzelnen EU-Mitgliedsländer so einige Urteile; es hat aber keines, daß direkt ÖRR und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union zusammen behandelt. Die Frage, ob die EU-Länder entgegen des Artikels 11 der Charta überhaupt die Bürger ihres Landes zwingen dürfen, ist noch ungeklärt; die Klärung selber würde EU-weit an allen landesspezifischen ÖRR-Regelungen rütteln. Außer bei jenen EU-Ländern, wie den Niederlanden, wo der Staat seinen Rundfunk aus allgemeinen Steuermitteln stützt, was ja erlaubt ist.


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U
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Sehr interessant und aktuell: Das Urteil ist datiert vom 22.06.2016 !!!


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Re: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
#10: 27. Juni 2016, 00:27
Sehr interessant und aktuell: Das Urteil ist datiert vom 22.06.2016 !
Bitte aber nichts verwechseln; hier standen Staat und Rundfunk bezüglich zu zahlender Mwst. in Fehde zueinander.

Die Problematik Bürger und EU-Grundrechte in Bezug zu ÖRR und dessen Zwangsunterstützung ist nicht geklärt.


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Re: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
#11: 28. Juni 2016, 21:59
Hat sich mal jemand die Mühe gemacht, die zum Urteil gehörende Stellungnahme des Generalstaatsanwaltes durchzulesen?

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=175150&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=52604

Zitat
27.      Diese Möglichkeit, ein Rundfunkempfangsgerät zu anderen Zwecken zu nutzen als zum Hören der Programme des öffentlich?rechtlichen Rundfunks, schließt meiner Ansicht nach notwendigerweise die Annahme aus, der Erwerb eines solchen Empfangsgeräts bringe den Willen zum Ausdruck, die öffentlichen Rundfunkdienstleistungen zu nutzen, deren Preis die Rundfunkgebühr darstelle. Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr ist eine gesetzliche Verpflichtung, die faktisch mit dem Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts verbunden ist, andererseits aber völlig unabhängig von der Nutzung der öffentlichen Rundfunkdienstleistungen bleibt.

Daraus darf man mindestens ableiten, daß es ohne Rundfunkempfangsgerät auch keine Zahlungspflicht haben kann.

Die Problematik in Bezug auf Artikel 11 der Charta bleibt dennoch bestehen.


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Nos

  • Beiträge: 62
Re: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
#12: 28. Juni 2016, 22:43
Zitat
27.      Diese Möglichkeit, ein Rundfunkempfangsgerät zu anderen Zwecken zu nutzen als zum Hören der Programme des öffentlich?rechtlichen Rundfunks, schließt meiner Ansicht nach notwendigerweise die Annahme aus, der Erwerb eines solchen Empfangsgeräts bringe den Willen zum Ausdruck, die öffentlichen Rundfunkdienstleistungen zu nutzen, deren Preis die Rundfunkgebühr darstelle. Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr ist eine gesetzliche Verpflichtung, die faktisch mit dem Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts verbunden ist, andererseits aber völlig unabhängig von der Nutzung der öffentlichen Rundfunkdienstleistungen bleibt.

Das kann man doch super auf das deutsche System umschreiben:

Zitat
Diese Möglichkeit, eine Wohneinheit zu anderen Zwecken zu nutzen als zum Hören der Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, schließt meiner Ansicht nach notwendigerweise die Annahme aus, der Besitz einer Wohneinheit bringe den Willen zum Ausdruck, die öffentlichen Rundfunkdienstleistungen zu nutzen, deren Preis die Rundfunkgebühr darstelle. Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr ist eine gesetzliche Verpflichtung, die faktisch mit dem Besitz einer Wohneinheitverbunden ist, andererseits aber völlig unabhängig von der Nutzung der öffentlichen Rundfunkdienstleistungen bleibt.

Leider scheinen das die meisten deutschen Gerichte ja anders zu sehen...


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b
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Re: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
#13: 28. Juni 2016, 23:01
Zitat
27.   Die Verpflichtung zur Entrichtung dieser Gebühr ist eine gesetzliche Verpflichtung, die faktisch mit dem Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts verbunden ist, andererseits aber völlig unabhängig von der Nutzung der öffentlichen Rundfunkdienstleistungen bleibt.

Daraus darf man mindestens ableiten, daß es ohne Rundfunkempfangsgerät auch keine Zahlungspflicht haben kann.

Die Problematik in Bezug auf Artikel 11 der Charta bleibt dennoch bestehen.
Ja, Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts löst Zahlungspflicht aus.
Aber erst die Nutzung eines Rundfunkempfangsgeräts schafft die Möglichkeit,  die öffentlichen Rundfunkdienstleistungen zu nutzen. Weil zur Nutzung  eines Rundfunkempfangsgeräts erstmal der Abschluss des Vertrags mit Stromanbieter und die Lieferung von Strom gehören. Der Wille, sein Gerät zu nutzen, soll erstmal da sein.

Man kann ein Rundfunkempfangsgerät besitzen und auf diesem Tatbestand basierend Zahlungspflicht auslösen, aber keine Möglichkeit oder Willen haben, diesen Gerät zu nutzen, da z.B. Strom fehlt.

Ich stimme zu: Artikel 11 der Charta bleibt offen.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 28. Juni 2016, 23:25 von boykott2015«

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Re: EuGH zur Rundfunkgebühr in Tschechien
#14: 29. Juni 2016, 07:56
@boykott2015
Leider drücke ich mich wohl unpassend aus?

Wenn es eu-rechtlich quasi allein legitim wäre, aus dem Besitz eines Rundfunkempfangsgerätes eine Zahlungspflicht auszulösen, dann kann der Nichtbesitz keine Zahlungspflicht zur Folge haben. Insofern wäre das derzeitige dt. Modell in keinem Falle haltbar.

Mich wundert aber, daß Deutschland sein damaliges Gebührenmodell hat eu-seitig ändern müssen, wo doch das derzeit im Urteil beschriebene tschechische Modell auch auf einer geräteabhängigen Gebühr basiert und anscheinend konform zum EU-Recht ist. (Die Charta mal unberücksichtigt).

Warum musste also Deutschland sein System ändern?


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