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Autor Thema: EuGH C-319/20 - Mißachtung Datenschutz <-> Verbraucherschutz <-> Unl. G.-praxis  (Gelesen 371 mal)

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Es ist nun das dritte Thema zu dieser Entscheidung und wiederum mit einem anderen Schwerpunkt.

Der EuGH gelangt zur Aussage, daß die Mißachtung des Schutzes personen-bezogener Daten in Wechselwirkung mit dem Verbraucherschutz und den Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken stehen kann.

Das Schwierige besteht nun darin, daß alle diese 3 Bereiche im Unionsrecht eigenständig geregelt sind, jeweils vollständig harmonisiert sind und dieses wiederum alle öffentlichen Stellen zur unmittelbaren Einhaltung des Unionsgrundrechts an Stelle des nationalen Grundrechts verpflichtet.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
28. April 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 80 – Vertretung betroffener Personen durch eine Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht – Klage eines Verbands zur Wahrung von Verbraucherinteressen ohne Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einer betroffenen Person – Auf das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken, die Verletzung eines Verbraucherschutzgesetzes oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gestützte Klage“

In der Rechtssache C-319/20

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=258485&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=109523

Zitat
66      Der Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz der Verbraucher oder zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken – den ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie der Bundesverband insbesondere durch die in der anwendbaren nationalen Regelung vorgesehene Unterlassungsklage verhindern und ahnden möchte – kann nämlich, wie im vorliegenden Fall, mit einem Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz der personenbezogenen Daten dieser Verbraucher einhergehen.

Zitat
74      Die Tatsache, dass Verbände zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie der Bundesverband befugt sind, unabhängig von der Verletzung der Rechte einer von diesem Verstoß individuell und konkret betroffenen Person eine Verbandsklage auf Unterlassung von gegen diese Verordnung verstoßenden Verarbeitungen zu erheben, trägt unbestreitbar dazu bei, die Rechte der betroffenen Personen zu stärken und ihnen ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten.

75      Außerdem könnte sich die Erhebung einer solchen Verbandsklage, da sie es ermöglicht, zahlreiche Verletzungen der Rechte der von der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten betroffenen Personen zu verhindern, als wirksamer erweisen als die Klage, die eine einzelne, von einer Verletzung ihres Rechts auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten individuell und konkret betroffene Person gegen den Verletzer erheben kann.

76      Wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, könnte die präventive Funktion der durch Verbände zur Wahrung von Verbraucherinteressen wie dem Bundesverband erhobenen Klagen nämlich nicht gewährleistet werden, wenn mit der in Art. 80 Abs. 2 DSGVO vorgesehenen Verbandsklage nur die Verletzung von Rechten einer von einem solchen Verstoß individuell und konkret betroffenen Person geltend gemacht werden könnte.

77      Als Drittes ist entsprechend dem Ersuchen des vorlegenden Gerichts noch zu prüfen, ob Art. 80 Abs. 2 DSGVO dem entgegensteht, dass eine Verbandsklage unabhängig von einer konkreten Verletzung eines Rechts einer betroffenen Person und von einem von dieser Person erteilten Auftrag erhoben wird, wenn der Verstoß gegen die Datenschutzvorschriften im Rahmen eines Verfahrens zur Durchsetzung anderer Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes geltend gemacht worden ist.

78      Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie im Wesentlichen in Rn. 66 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, der Verstoß gegen eine Vorschrift zum Schutz personenbezogener Daten gleichzeitig den Verstoß gegen Vorschriften über den Verbraucherschutz oder unlautere Geschäftspraktiken nach sich ziehen kann.

79      Daher hindert diese Bestimmung, wie der Generalanwalt in Nr. 72 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Mitgliedstaaten nicht daran, von der ihnen eingeräumten Befugnis in dem Sinne Gebrauch zu machen, dass die Verbände zur Wahrung von Verbraucherinteressen befugt sind, gegen Verletzungen der in der DSGVO vorgesehenen Rechte gegebenenfalls über Vorschriften zum Schutz der Verbraucher oder zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen, wie sie in der Richtlinie 2005/29 und der Richtlinie 2009/22 vorgesehen sind.

Querverweise:

EuGH
EuGH C-319/20 - Schutz personen-bezogener Daten ist vollständig harmonisiert
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36046.0

EuGH C-40/17 - Datenschutz ist unionsrechtlich vollständig harmonisiert
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35360.0

EuGH C-391/12 - "Unlautere Geschäftspraktiken" vollständig harmonisiert
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35407.0

EuGH C-46/08 - Verbraucherschutz ist zwingendes Allgemeininteresse
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35464.0

EuGH C-234/17 - Mit Unionsgrundrechten unvereinbare Maßnahmen sind unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35193.0

EuGH C-719/18 - Einhaltung Art 11 Unionsgrundrecht ist Allgemeininteresse
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36657.0

BVerfG
BVerfG -1 BvR 276/17 - Vorrang des Unionsrechts auch beim Unionsgrundrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32844.0

BVerfG 2 BvR 470/08 - Öffentliche Unternehmen müssen das Grundrecht einhalten (2016-07-19)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36933.0

BVerfG 1 BvR 341/93 - ÖRR nur Anspruch auf Art 5 Abs 1 GG
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33746.0

Weiterer Querverweis:

Richtlinie (EU) 2020/1828 -> Verbandsklagen -> Verbraucherschutz
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34572.msg221176.html#msg221176


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Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, der Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

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Gemäß der im Thema bereits verlinkten Entscheidung des BVerfG ist es allen öffentlichen Stellen verboten, sich über das Grundrecht hinwegzusetzen.

BVerfG 2 BvR 470/08 - Öffentliche Unternehmen müssen das Grundrecht einhalten (2016-07-19)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36933.0

Zitat
    26
    (1) Art. 1 Abs. 3 GG ordnet die umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt an. Die Grundrechte gelten nicht nur für bestimmte Bereiche, Funktionen oder Handlungsformen staatlicher Aufgabenwahrnehmung, sondern binden die staatliche Gewalt umfassend und insgesamt (BVerfGE 128, 226 <244>). Der Staat und andere Träger öffentlicher Gewalt können im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zwar auch am Privatrechtsverkehr teilnehmen. Sie handeln dabei jedoch stets in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags (vgl. BVerfGE 128, 226 <244 f.>). Ihre unmittelbare Bindung an die Grundrechte hängt daher weder von der Organisationsform ab, in der sie dem Bürger gegenübertreten, noch von der Handlungsform.

Für dieses Thema hat das erhebliche Tragweite, denn die Aussagen gelten auch für das Unionsgrundrecht als bei unionsrechtlich vollständig harmonisierten Rechtsbereichen einzig unmittelbar einzuhaltendem Grundrecht, wie es vom BVerfG ebenfalls bereits entschieden wurde.

BVerfG -1 BvR 276/17 - Vorrang des Unionsrechts auch beim Unionsgrundrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32844.0

Zitat
Leitsatz 2

Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind nach dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Der Anwendungsvorrang steht unter anderem unter dem Vorbehalt, dass der Schutz des jeweiligen Grundrechts durch die stattdessen zur Anwendung kommenden Grundrechte der Union hinreichend wirksam ist.

Für die Belange auch des öffentlichen Rundfunks hat das auch für den zuständigen Gesetzgeber Relevanz, nicht nur für Behörden und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk selber, denn bekanntlich sollen die Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken auch zwischen Verbraucher*innen und Rundfunk gelten.

Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (kodifizierte Fassung) (Text von Bedeutung für den EWR)
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32010L0013

Zitat
(82)
Abgesehen von den Praktiken, die unter die vorliegende Richtlinie fallen, gilt die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (26) für unlautere Geschäftspraktiken, darunter auch für irreführende und aggressive Praktiken in audiovisuellen Mediendiensten. [...]

Hier besteht also bereits die unmittelbare Bindung an das Unionsgrundrecht, denn die Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken sind vollständig harmonisiert; siehe Querverweis zur EuGH-Entscheidung im Eröffnungsbeitrag.

Der Gesetzgeber ist insofern bereits nicht befugt, Rundfunknichtinteressenten, bzw., Rundfunknichtnutzer*innen zur Finanzierung des ÖRR heranzuziehen, denn gemäß dem Art 11 Unionsgrundrecht zur Informations- und Meinungsfreiheit ist die "interference by public authority" mit diesem Unionsgrundrecht nicht vereinbar, denn es wurde seitens des Unionsgesetzgebers klar bestimmt -> "without interference by public authority".  Dessen Tragweite gemäß den Ausführungen des EuGH auch für die Mittel zum Vertrieb der Informationen gelten, und das übrigens auch lt. den Aussagen des EGMR, auf den sich der EuGH bei seiner Aussage stützt.

EuGH C-401/19 - Mittel zum Vertrieb der Information durch Grundrecht geschützt
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36779.0

Zitat
46     Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte garantiert Art. 10 EMRK nämlich jedermann die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit und betrifft nicht nur den Inhalt der Informationen, sondern auch die Mittel zu ihrer Verbreitung, wobei jede Einschränkung dieser Mittel das Recht auf Empfang und Weitergabe von Informationen berührt. [...]

Die EMRK, auf die sich im obigen Zitat berufen wird, ist national im Range von Bundesrecht, so daß es bereits national bundesrechtswidrig ist, wenn Rundfunknichtinteressenten, bzw., Rundfunknichtnutzer*innen zur Finanzierung des ÖRR herangezogen werden, denn die vom Staat ihnen aufgebürdete Finanzierung eines Informationsmediums, für welches sie sich weder interessieren, noch welches sie nutzen, entzieht ihnen die Mittel zur Beschaffung von Informationen der eigenen Wahl.

Die EMRK wiederum ist national bei Auslegung des Grudngesetzes zwingend zu beachten.

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Oktober 2004
- 2 BvR 1481/04 -, Rn. 1-73,

http://www.bverfg.de/e/rs20041014_2bvr148104.html

Zitat
Leitsatz 1
Zur Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sowohl die fehlende Auseinandersetzung mit einer Entscheidung des Gerichtshofs als auch deren gegen vorrangiges Recht verstoßende schematische "Vollstreckung" können gegen Grundrechte in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verstoßen.

Die Heranziehung der Rundfunknichtinteressenten, bzw., Rundfunknichtnutzer*innen zur Finanzierung des ÖRR ist national also u. U. sogar verfassungswidrig.


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Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, der Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

 
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