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Autor Thema: Klage - Verwaltungsgericht Berlin - Begründung/Urteil /weiteres Vorgehen  (Gelesen 29876 mal)

g
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Das heißt dann wohl auch man kommt nicht einmal mehr zur Poststelle. Klagen und weitere Schriftsätze also erstmal nur noch per Fax / postalisch einreichen ...
Der Nachtbriefkasten ist vermutlich weiterhin zugänglich.


Edit "Bürger" - siehe auch unter
Ausnahmezustand/Epidemie: Gerichte > eingeschränkte Tätigkeit [Übersicht]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33505.0


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Hinweise zur Akteneinsicht siehe nunmehr (noch in Bearbeitung) auch unter
Akteneinsicht > Rundfunkanstalt, Gericht - allgem. Hinweise/ Erfahrungen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33523.0


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Hinweise zur Akteneinsicht siehe nunmehr (noch in Bearbeitung) auch unter
Akteneinsicht > Rundfunkanstalt, Gericht - allgem. Hinweise/ Erfahrungen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33523.0

Danke, sehr hilfreich!
Antrag (zunächst direkt beim rbb) wurde gestellt.


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g
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Heute könnte folgende fiktive Email im Postfach gelegen haben:

Zitat
Ihr Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO vom 09.02.2020,
Ihr Schreiben vom 20.02.20,
Ihr Antrag auf Akteneinsicht VG 27 K 387.19 vom 23.03.2020

 

Sehr geehrter Herr R,

Ihrem Wunsch und Antrag entsprechend, haben wir sämtliche Systeme und Akten auf Vorhandensein von zu Ihrer Person bezogene Daten überprüft. Diese Prüfung brachte die folgenden Ergebnisse.

In der Rechtsabteilung des rbb wird eine Klageakte (Rundfunkbeitragsrecht) im Zusammenhang mit Ihrer Person geführt. Diese liegt in Papierform und in elektronischer Form vor. Der Inhalt der Schriftsätze und gerichtlichen Verfügungen ist Ihnen bekannt. Über die beim Zentrale Beitragsservice verarbeiteten Daten zu Ihrer Person erhielten Sie mit separater Post des Zentralen Beitragsservice vom 21.02.20 Auskunft. Wenn Sie darüber hinaus noch Akteneinsicht in den Verwaltungsvorgang zu Ihrem Beitragskonto wünschen, wenden Sie sich bitte an das Verwaltungsgericht, dem der Verwaltungsvorgang vorliegt.

Offenbar hat sich die Datenschutzbeauftragte persönlich drum gekümmert. Person R fühlt sich geehrt  ;D
Also nochmal einen Antrag auf Akteneinsicht ans Verwaltungsgericht, allerdings erst in ein paar Wochen.


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A
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Die fiktive Person A ist für die ausführlichen Klagbegründung dankbar und möchte sie gern als Vorlage für ihre eigene Klage verwenden. A fällt jedoch auf, dass das Argument "Festsetzungsbescheide sind schon deswegen nicht vollstreckbar, da sie kein Leistungsgebot enthalten" nicht verwendet wird. Ist dieses überflüssig, wenn mit der unzulässigen Vollautomatisierung argumentiert wird, oder macht es Sinn, beide Punkte anzuführen?


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Die fiktive Person A ist für die ausführlichen Klagbegründung dankbar und möchte sie gern als Vorlage für ihre eigene Klage verwenden. A fällt jedoch auf, dass das Argument "Festsetzungsbescheide sind schon deswegen nicht vollstreckbar, da sie kein Leistungsgebot enthalten" nicht verwendet wird. Ist dieses überflüssig, wenn mit der unzulässigen Vollautomatisierung argumentiert wird, oder macht es Sinn, beide Punkte anzuführen?
Ob ein Argument Sinn macht oder nicht, ist recht schwer zu sagen.
Fakt ist aber, dass sich die Gerichte sehr oft einige Punkte rauspicken und dafür andere Argumente ignorieren. Person R hat daher bewusst versucht, es bei der Begründung nicht zu übertreiben.
Person R vermutet, dass das fehlende Leistungsgebot bereits in zahlreichen Klagen thematisiert wurde, die Vollautomatisierung bisher aber noch nicht.
Dazu kommt, dass in diesem Fall (bisher) keine Vollstreckung eingeleitet wurde, man also gegenhalten könnte, das Argument wäre hier nicht relevant. Das muss natürlich auf Person A nicht zutreffen.


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Kurzes fiktives Update:
- Der Rechtsstreit wurde auf die Einzelrichterin übertragen.
- Person R hat drei Wochen Zeit, um mitzuteilen, dass Sie mit einer schriftlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden ist.
- Die anwaltliche Vertretung des rbb ist nun eine andere Kanzlei (allerdings der gleiche Anwalt. Hat sich offenbar selbstständig gemacht).
- Dieser ist mit einer schriftlichen Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden


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Z
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Dann mal unbedingt die Klageschrift vom HR bezüglich automatischer Bescheide reinziehen und sich vielleicht auch darauf einschießen.


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Folgende fiktive Ergänzung der fiktiven Klagebegründung wird in den nächsten Tagen abgegeben. Vorraussichtlich kommen noch ein paar Sätze zum Thema Bargeld dazu.
Feedback wilkommen!

Zitat
Ergänzung meiner Klagebegründung

Sehr geehrte Damen und Herren
In meiner Klagebegründung habe ich mir weiteren Sachvortrag vorbehalten.
Im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen und jüngste Gerichtsurteile möchte ich meine Klagebegründung daher um einige Punkte ergänzen.

Schaffung von §10a RBStV (Anlage 1 & 2)
Wie in meiner Klagebegründung bereits festgestellt, existierte bis vor Inkrafttreten des 23. RäStV am 01.06.2020 keine gesetzliche Grundlage für das Erlassen vollständig automatischer Bescheide, da es an der entsprechenden Rechtsvorschrift mangelte.
Dieser Mangel wurde durch §10a RBStV behoben.
Die Schaffung des §10a RBStV wurde jedoch nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Rundfunkanstalten selbst angeregt:
Laut einem Schreiben der Staatskanzlei Schleswig-Holstein vom 16.01.2020 (Anlage 1) gab es im Rahmen der Verhandlungen zum 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Jahr 2018 eine gemeinsame Sitzung der Länder mit dem Justiziar des Südwestrundfunks (SWR), Herrn Dr. Hermann Eicher – für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten federführend zuständig.
In dieser Sitzung wurden die Länder über das bei den Anstalten übliche Verfahren des Erlassens automatischer Bescheide informiert und darum gebeten, den Rundfunkstaatsvertrag entsprechend zu normieren.
In einem Schreiben der Staatskanzlei Brandenburg vom 29.09.2020 (Anlage 2) auf eine Anfrage des Rechtsanwalts Thorsten Bölck wurde die Ergebnisniederschrift über o.g. Sitzung der AG Rundfunkbeitrag am 21.02.2018 in Hannover mitgeteilt. Der Schriftverkehr wurde von den Beteiligten zur Verfügung gestellt:

Zitat
„Aufgrund der Einführung des §35a VwVfG wird seitens Dr. E und Frau N ein Gesetzesvorschlag vorgestellt, der den §35a VwVfG in den RBStV integriert. Hierbei geht es um den automatisierten Erlass von Verwaltungsakten. Da das VwVfG in einzelnen Bundesländern in Bezug auf den Rundfunkbeitrag direkt, in anderen analog angewendet wird, ist es notwendig, den RBStV entsprechend an die neue Gesetzesnorm anzupassen. Es handelt sich nicht um eine eigene originäre Datenschutz-Problematik. Der SWR/die GESE fürchten streitige Auseinandersetzungen. Eine Umsetzung ist deshalb dringend.“ 

Eingriff in die Gesetzgebung & arglistige Täuschung
Obige Ergebnisniederschrift zeigt, dass das neue Gesetz seitens der Rundfunkanstalten initiiert wurde, weil diese „streitige Auseinandersetzungen“ fürchteten – oder anders formuliert: Die Rundfunkanstalten wussten, dass sie ohne Rechtsgrundlage operieren und dies früher oder später zu Klagen führen würde. Anstatt aber die Prozedur dem Gesetz anzupassen, entschied man sich aber dafür, das Gesetz der Prozedur anzupassen.
Der von Dr. Eicher eingebrachte Gesetzesvorschlag wurde unverändert übernommen.
Dies zeigt zum einen, dass die Rundfunkanstalten hier in die Gesetzgebung eingreifen und damit klar Ihre Kompetenzen überschreiten, was dem Gebot der Staatsferne entgegensteht, aber vor allem auch, dass den Rundfunkanstalten Ihr rechtswidriges Verhalten durchaus bewusst war und Bescheide im Zeitraum seit Inkrafttreten des §35a VwVfG am 01.01.2017 bis zum Inkrafttreten des 23.RäStV am 01.06.2020 – also über mehrere Jahre millionenfach mit Vorsatz - rechtswidrig erstellt wurden.

Ich sehe hier den Tatbestand der arglistigen Täuschung gegeben:

Zitat
„Unter einer arglistigen Täuschung wird eine vorsätzliche Irreführung verstanden, die durch bewusste Falschangabe oder dem Verschweigen wahrer Tatsachen aufrechterhalten wird, obwohl Aufklärungspflicht besteht.“ (Lexikon - www.juraforum.de)

Dies schließt gemäß §48 Absatz 2 Satz 3 Nr.1 & Nr. 3 VwVfG die Schutzwürdigkeit des Täuschenden gegenüber der Rücknahme eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes aus.


Nicht-Verwaltungsakt bzw. Schein-Verwaltungsakt
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es sich bei dem als Festsetzungsbescheid bezeichneten Schriftstück gar nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von §35 VwVfG handelt, sondern lediglich um einen Nicht-Verwaltungsakt oder Schein-Verwaltungsakt, der den bloßen Anschein eines Verwaltungsaktes erweckt.
- Die gesetzliche Grundlage in Form einer Rechtsvorschrift war zum Zeitpinkt des automatisierten Erlasses nicht gegeben (siehe Klagebegründung Punkt 4), weswegen der Verwaltungsakt rechtswidrig ist.
- Es bestand ein nicht zulässiges Ermessen und ein Beurteilungsspielraum (siehe Klagebegründung Punkt 5). Dies stellt einen schwerwiegenden Fehler da, der die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge hat.
- Das rechtswidrige Erlassen vollautomatisierter Verwaltungsakte geschah mit Vorsatz.


Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 2. Senat; Beschluss vom 13.11.2020; Az. 2 S 2134/20
Ich möchte auf ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg eingehen. In diesem wird argumentiert:

Zitat
„Noch weitergehend nimmt das Bundesverwaltungsgericht an, dass eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sogar dann vorliegt, wenn der ursprüngliche Akt gar kein Verwaltungsakt war, sondern erst nachträglich durch den Widerspruchsbescheid zu einem Verwaltungsakt gemacht wurde (vgl. BverwG, Beschluss vom 10.05.2017, aaO, juris Rn. 7; Urteile vom 23.08.2011, aaO, juris Rn. 20, vom 26.06.1987 – 8 C 21.86 – BverwGE 78, 3, juris Rn. 9, vom 21.11.1980 – 7 C 18.79 – BverwGE 61, 164, juris Rn. 16 und vom 12.01.1973 – 7 C 3.71 – BverwGE 41, 305, juris Rn. 19; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. § 79 Rn. 1). Mit dem Ergehen des Widerspruchsbescheides ist der Festsetzungsbescheid deshalb jedenfalls zum Verwaltungsakt geworden.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vertritt die Ansicht, dass das Verwaltungsverfahren erst mit dem Widerspruchsbescheid abgeschlossen wäre. Da dieser nicht automatisiert erstellt wurde, würde damit auch ein „nicht-Akt“ zum rechtsgültigen Verwaltungsakt.
Dieses Argument empfinde ich als sehr befremdlich. Der Widerspruchsbescheid wird erst in Folge eines Widerspruchs auf den (rechtswidrigen Schein-) Festsetzungsbescheid erlassen. Widerspricht man diesem Festsetzungsbescheid nicht, entfaltet er – selbst, wenn es sich unbestritten um einen Nicht-Akt handelt – also die volle Rechtswirkung und kann ggf. zur Zwangsvollstreckung herangezogen werden; und dies nicht nur im Einzelfall, sondern bei Millionen von Menschen.   
Setzt man sich dagegen in Form eines Widerspruchs zur Wehr, hat dies einen unterschriebenen Widerspruchsbescheid zur Folge, welches laut Gericht den rechtswidrigen Nicht-Akt im Nachhinein in einen rechtlich einwandfreien Verwaltungsakt verwandelt.

Dieses Rechtsverständnis empfinde ich als äußerst verquer, macht Sie doch jede Art der Anfechtung von vornherein unmöglich und führt das komplette Widerspruchsverfahren ad absurdum.
Allerdings verkennt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss, die Tatsache, dass - um aus einen nicht-Akt mittels Widerspruchsbescheid einen Verwaltungsakt zu machen – es einer ursprünglichen Willenserklärung bedarf.

Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu im Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - (BVerwGE 140, 245 Rn. 20 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung) aus:

Zitat
"Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen [...]. Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145> und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (Urteile vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <307 f.>, vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 8 C 24.78 - BVerwGE 57, 158 <161>, vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 18.79 - BVerwGE 61, 164 <168> und vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <5>; ...)."

Der ursprüngliche Festsetzungsbescheid wurde jedoch nicht von einem Menschen, sondern von einer Maschine erlassen. Eine Maschine ist nicht zu einer Willenserklärung in der Lage.
Daher fehlt hier die Voraussetzung, um einen nachträglichen Verwaltungsakt per Gestaltänderung zu schaffen.
Des Weiteren wurde der Festsetzungsbescheid, wie oben dargestellt, mit Vorsatz rechtswidrig automatisiert erlassen. Eine Heilung durch nicht-automatisierten Widerspruchsbescheid sollte bei Vorliegen arglistiger Täuschung ausgeschlossen sein.



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@guyincognito: Sehr schön formuliert!
Es fehlt allerdings ein Kettenglied zum BVerwG Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2.11, nämlich der vom VGH Baden-Württemberg zitierte Beschluss des BVerwG vom 10.05.2017 - BVerwG 2 B 44.16

BVerwG, Beschluss vom 10.05.2017 - BVerwG 2 B 44.16
https://www.bverwg.de/100517B2B44.16.0
Zitat von: BVerwG, Beschluss vom 10.05.2017 - BVerwG 2 B 44.16
Rn 7:
Als Änderung der Gestalt im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist es auch zu verstehen, wenn - wie hier mit der Umsetzung - zunächst kein Verwaltungsakt vorlag und der Widerspruchsbescheid den Realakt durch einen Verwaltungsakt ersetzt. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. August 2011 - 9 C 2.11 - (BVerwGE 140, 245 Rn. 20 unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung) aus:
"Das Ausgangsverfahren bildet mit dem Widerspruchsverfahren eine Einheit und wird erst mit einem etwaigen Widerspruchsbescheid abgeschlossen [...]. Auch im gerichtlichen Verfahren setzt sich die Einheit fort, wie § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zeigt. Der Widerspruchsbehörde kommt im Überprüfungsverfahren eine umfassende Kontrollbefugnis zu. Sie besitzt grundsätzlich die gleiche Entscheidungsbefugnis wie die Erstbehörde. Sie ist zur Änderung, Aufhebung und Ersetzung des Ausgangsbescheids einschließlich seiner Begründung und Ermessenserwägungen befugt (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1978 - BVerwG 7 C 68.77 - BVerwGE 57, 130 <145> und vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 28.98 - BVerwGE 108, 274 <280>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch dann vor, wenn ursprünglich kein Verwaltungsakt existierte und der Widerspruchsbescheid aus einer (schlichten) Willenserklärung einen Verwaltungsakt macht (Urteile vom 12. Januar 1973 - BVerwG 7 C 3.71 - BVerwGE 41, 305 <307 f.>, vom 6. Dezember 1978 - BVerwG 8 C 24.78 - BVerwGE 57, 158 <161>, vom 21. November 1980 - BVerwG 7 C 18.79 - BVerwGE 61, 164 <168> und vom 26. Juni 1987 - BVerwG 8 C 21.86 - BVerwGE 78, 3 <5>; ...)."

Der Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 13.11.2020; Az. 2 S 2134/20 zitiert also das Urteil des BVerwG falsch und leitet daraus eine falsche Schlussfolgerung her:
Zitat
Mit dem Ergehen des Widerspruchsbescheides ist der Festsetzungsbescheid deshalb jedenfalls zum Verwaltungsakt geworden.
Dies ist eindeutig Rechtsbeugung im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks!
Das sollte nicht nur einfach "befremdlich" sein, sondern muss direkt als fachlich falsche Schlussfolgerung und Rechtsbeugung angeprangert werden!


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@guyincognito: Sehr schön formuliert!
Es fehlt allerdings ein Kettenglied zum BVerwG Urteil vom 23.08.2011 - 9 C 2.11, nämlich der vom VGH Baden-Württemberg zitierte Beschluss des BVerwG vom 10.05.2017 - BVerwG 2 B 44.16
...
Der Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 13.11.2020; Az. 2 S 2134/20 zitiert also das Urteil des BVerwG falsch und leitet daraus eine falsche Schlussfolgerung her:
Zitat
Mit dem Ergehen des Widerspruchsbescheides ist der Festsetzungsbescheid deshalb jedenfalls zum Verwaltungsakt geworden.
Dies ist eindeutig Rechtsbeugung im Interesse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks!
Das sollte nicht nur einfach "befremdlich" sein, sondern muss direkt als fachlich falsche Schlussfolgerung und Rechtsbeugung angeprangert werden!


Danke, werde das korrigieren bzw. ergänzen. Ist es denn taktisch sinnvoll, vor einem Gericht ein anderes (höheres) Gericht der Rechtsbeugung zu beschuldigen?


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  • Ersatzmaßstab Wohnung: das BVerfG erklärt die Welt
@guyincognito: man sollte den Vorwurf der Rechtsbeugung vermeiden. Der Vorwurf ist schwerwiegend und von Laien kaum festzustellen.Man darf aber wohl feststellen, dass die Entscheidung A der von B widerspricht, es sich um eine unerklärbare Abweichung vom erwähnten Urteil bzw. um eine Fehlinterpretation handelt, die nicht stringent ist usw.

M. Boettcher


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Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.

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Ich denke auch, dass es auf jeden Fall sachdienlicher wäre, dem Gericht nicht direkt mit dem Vorwurf der Rechtsbeugung ins Gesicht zu springen, sondern es besser zu umschreiben.
Ein Vorschläg wäre:
Zitat
"Diese Entscheidung des VGH VVV ist vor dem Hintergrund der Beschlüsse des BVerwG WWW, XXX, YYY und ZZZ nicht nachvollziehbar und widerspricht der Intention der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, dass ein Realakt in Form einer Willenserklärung einer Amtsperson vorliegen muss, damit er durch die Widerspruchsentscheidung im Rahmen der Gestaltänderung im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zu einem Verwaltungsakt transformiert werden kann."


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P
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im Vorschlag könnte z.B. nach widerspricht ein Einschub erfolgen z.B. "ohne erkennbare Auseinandersetzung" gegebenenfalls auch "ohne Darlegung der Gründe"

"Gründe" könnte wohl auch sein "Abweichungsgründe" oder "Ausschlag gebende Gründe" und dann könnte/müsste wohl noch das Wort "Abweichung" platziert werden.

Die Richter weichen ohne Angabe der Gründe ab.

Bzw. wenn es mehr als eine Abweichung ist, dann könnte auch noch verkannt platziert werden. z.B. Der Rechtsgedanke der zitierten Entscheidung wurde in diesem Punkt verkannt.

PersonX würde es wohl mehr als überdeutlich hinschreiben.
Es fehlt so gesehen ja die dokumentierte Auseinandersetzung, der Grund für die Abweichung. Das diese Gründe aufgeführt werden, dass jedoch darf erwartet werden, weil Urteile/Beschlüsse sonst nicht nachvollziehbar sind.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 27. Januar 2021, 07:33 von PersonX«

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  • Status: Klage am VG seit 5/2016
Ich habe folgenden Auszug aus einem recht aktuellen Beschluss/Urteil erhalten, vielleicht hilft es an dieser Stelle, um sich auf die Argumenation der "Gegenseite" einzustellen bzw. diese hier kritisch zu durchleuchten.

Zitat von: VG Frankfurt am Main, 4.Quartal 2020
"Auch soweit der Kläger geltend macht, die angefochtenen Bescheide seien vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen worden und daher  "Nicht-Verwaltungsakte" bzw. unwirksam oder zumindest rechtswidrig, geht seine Ansicht fehl.

Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Ansicht darauf, dass § 35a Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz - HVwVfG -, wonach ein Verwaltungsakt vollständig durch automatische Einrichtungen erlassen werden kann, sofern dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen noch ein Beurteilungsspielraum besteht, erst am 25. September 2018 in Kraft getreten ist (eingefügt mit Gesetz vom 12. September 2018, GVBI. S.570), und schließt daraus, dass vor Inkrafttreten dieser Vorschrift und damit auch zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide Verwaltungsakte nicht vollständig automatisiert hätten erlassen werden dürfen, da es bis dahin an einer entsprechenden Erweiterung der in § 35 Satz 1 HVwVfG getroffenen Begriffsbestimmung des Verwaltungsakts gefehlt habe.
Eine solche Erweiterung sei erforderlich gewesen, weil den bloßen Ergebnissen eines ohne menschlichen Eingreifen erfolgten Datenverarbeitungsvorgangs, wie sie auch die angefochtenen Festsetzungsbescheide darstellten, keine menschliche Willensbetätigung zugrundliege, wohingegen das Begriffsmerkmal "Maßnahme einer Behörde" im Sinne des § 35 Satz 1 HVwVfG eine menschliche Willensbetätigung aber notwendigerweise voraussetze. Indessen verkennt der Kläger, dass mit der Aufnahme des § 35a in die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes wie auch der meisten Bundesländer keine Erweiterung der Begriffsbestimmung des Verwaltungsakts beabsichtigt war und dass eine solche auch nicht erforderlich war, da das Begriffsmerkmal "Maßnahme einer Behörde" nur eine behördliche, nicht aber eine "menschliche" Willenserklärung erfordert, wofür schon spricht, dass behördliche Regelungen ohne menschliche Willensbetätigung wie etwa Lichtzeichenanlagen (Verkehrsampeln u. a.) bereits seit langem allgemein als Verwaltungsakt anerkannt sind (vgl.Windoffer in Mann, Sennekamp, Uechtritz, VwVfG, Großkommentar, 2. Aufl. 2019, §35a Rn. 23 m.w.N.).
Beabsichtigt war vielmehr neben einer entsprechenden Klarstellung in dem vorbezeichneten Sinne, angesichts der zunehmenden Verwendung moderner Informationstechnik in der Verwaltung bei gleichzeitig fortschreitender Leistungsfähigkeit durch die Aufnahme eines Gesetzesvorbehalts in die Verwaltungsveriahrensgesetze sicherzustellen, dass nur geeignete Verfahren tür eine vollständig automatisierte Bearbeitung zugelassen werden (vergleiche zur Begründung tür die Aufnahme des §35a in das - für den Erlass von Festsetzungsbescheiden durch den Beklagten allerdings nicht anwendbare - Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes BTDrs. 18/8434 S. 122).

Dahinstehen kann mithin auch, ob es sich bei den angefochtenen Festsetzungsbescheiden überhaupt um vollständig automatisiert erlassene Verwaltungsakte im Sinne des § 35a HVwVfG handelt."


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