Ich muß sagen, der Vergleich des Richters mit dem Verkehrsrecht ist nicht so leicht von der Hand zu weisen.
Zu sagen, der Richter sei befangen, weil er Rundfunkteilnehmer ist, ist tatsächlich recht pauschal und wird aus diesem Grund auch abgelehnt werden.
In Bayern herrscht im Rundfunkbereich eine Besonderheit:
Stephan Kersten1 ist
Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in München und
Richter am Bayerischen Verfassungsgericht. Zugleich ist er aber auch im
Verwaltungsrat des BR tätig.
Und jetzt haben wir tatsächlich einen Interessenkonflikt, nämlich dann, wenn der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Dienstaufsichtsbehörde für die nachgeordneten VG ist.
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Kersten§ 38 VwGO
(1) Der Präsident des Gerichts übt die Dienstaufsicht über die Richter, Beamten, Angestellten und Arbeiter aus.
(2) Übergeordnete Dienstaufsichtsbehörde für das Verwaltungsgericht ist der Präsident des Oberverwaltungsgerichts.
https://dejure.org/gesetze/VwGO/38.html
Das heißt, als Richter am VG könnte man ein persönliches Interesse haben, dem Präsidenten des Bay. VGH nicht unangenehm aufzufallen. (Vorauseilender Gehorsam)
Etwas schwieriger wird es nun mit der Beteiligungsfähigkeit:
§ 54 VwGO
(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten §§ 41 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter oder ehrenamtlicher Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.
(3) Besorgnis der Befangenheit nach § 422 der Zivilprozeßordnung ist stets dann begründet, wenn der Richter oder ehrenamtliche Richter der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden.
https://dejure.org/gesetze/VwGO/54.html
Nun ist der Richter am VG zwar nicht selbst Beteiligter am Beklagten (Landesrundfunkanstalt), aber der Vorgesetzte ist durch seinen Sitz im BR-Verwaltungsrat Beteiligter. Der Vorgesetzte entscheidet über die Karriere des im Verfahren urteilenden VG-Richter.
2 § 42 ZPO:
https://dejure.org/gesetze/ZPO/42.htmlInsoweit kann, zumindest für Bayern, generell nicht angenommen werden, daß die VG unabhängig entscheiden.
Diese Besonderheit gilt, soweit ich weiß, nur für Bayern. Aber es besteht in Deutschland das generelle Problem, daß die Justiz nicht unabhängig von der Politik ist:
Wikipedia: Richterwahlausschuss. Kritik (https://de.wikipedia.org/wiki/Richterwahlausschuss#Kritik)
Das Richterwahlverfahren wird immer wieder kritisiert, insbesondere wird die mangelnde Transparenz des Verfahrens bemängelt und dass bei der Wahl neben der fachlichen Qualifikation auch die parteipolitische Ausrichtung der Kandidaten eine Rolle spiele. Dementsprechend forderten z. B. die Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs auf ihrer Jahrestagung 2002 unter anderem, dass die Bundesrichter in einem transparenten Verfahren ausschließlich aufgrund ihrer persönlichen und fachlichen Eignung zu berufen seien. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Böckenförde spricht von „Parteipatronage“ und „personeller Machtausdehnung der Parteien“.2
Weiter wird die Unabhängigkeit von der Exekutive diskutiert: „… In der Empfehlung des Europarates über die Rolle der Richter und in den Kriterien der Europäischen Union über die Aufnahme neuer Mitgliedsländer heißt es: »Die für die Auswahl und Laufbahn der Richter zuständige Behörde sollte von der Exekutive unabhängig sein«. Das ist so in Frankreich, Spanien, Italien, Norwegen, Dänemark und in den Niederlanden – in Deutschland nicht. Deutschland wäre also, wäre es nicht schon Kernland der EU, ein problematischer Beitrittskandidat …“3
Die Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes (DRB) forderte am 27. April 2007,4 der Justiz die Stellung zu verschaffen, die ihr nach dem Gewaltteilungsprinzip und nach der im Grundgesetz vorgesehenen Gerichtsorganisation zugewiesen ist. Die Unabhängigkeit der Justiz werde zunehmend durch den Einfluss der Exekutive eingeschränkt.
Auch die Neue Richtervereinigung5 setzt sich für die Verwirklichung der Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive ein.
Diese Forderung ist mehr als 50 Jahre alt. Schon der 40. Deutsche Juristentag 19536 hat diese Verwirklichung des Grundgesetzes angemahnt:
„Gesetzgeberische Maßnahmen, um die Unabhängigkeit des erkennenden Richters sowohl durch die Art seiner Auswahl und Beförderung als auch durch seine Stellung gegenüber der Verwaltung institutionell zu sichern, sind notwendig zur Durchführung des Grundgesetzes.“
2 Sind die Parteien zu mächtig? Gerd Langguth für Die Welt, 29. Februar 2000, abgerufen am 16. November 2013.
3 Zit. nach Heribert Prantl, Die Entfesselung der dritten Gewalt (Memento vom 19. Juni 2013 im Internet Archive), in: Süddeutsche Zeitung Nr. 81 vom 6. April 2006, S. 28.
4 Bundesvertreterversammlung des Deutschen Richterbundes (DRB), Forderung 27. April 2007 (Memento des Originals vom 28. September 2007 im Internet Archive) i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis..
5 Neue Richtervereinigung: Mitwirkungskonferenz der Neuen Richtervereinigung vom 1. März 2003 (Memento vom 21. Januar 2012 im Internet Archive)
6 Beschlüsse des 40. Deutschen Juristentages 1953 (Memento vom 17. März 2014 im Internet Archive)
Wikipedia: Richter (https://de.wikipedia.org/wiki/Richter_(Deutschland)#Diskussionen_um_die_richterliche_Unabh%C3%A4ngigkeit)
Gerd Seidel vertrat 2002 die Ansicht, in der heutigen Zeit gingen die wirklichen Gefahren für die richterliche Unabhängigkeit von der Rechtsprechung selbst aus: Durch offensichtlich grob unverhältnismäßige und völlig unplausible Entscheidungen und Eskapaden im persönlichen Verhalten einzelner Richter werde die gesamte Richterschaft und oft auch der Rechtsstaat in Misskredit gebracht. Als Abhilfe schlug er vor, die bisherigen Beurteilungen durch den Dienstvorgesetzten zu ersetzen durch zweijährlich stattfindende Evaluierungen durch Kommissionen, die mit Richtern des gleichen Gerichts und des übergeordneten Rechtsmittelgerichts besetzt sein sollen.8
8 Seidel: Die Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit, AnwBl 2002, 325-330.
BayernWiderspruchsverfahren: §§ 69-73 VwGO (Bundesrecht)
BVerfG zu Sonderbeiträgen: "Weinabgabe" - B. v. 4.2.1958 (2 BvL 31, 33/56); "Berufsausbildungsabgabe" - BVerfGE 55,274, U. v. 10.12.1980; "Kohlepfennig" - BVerfGE 91, 186, B. v. 11.10.1994; "Straßenbaubeiträge" - B. v. 25.6.2014, 1 BvR 668/10.
BVerwG zu VA: B. v. 30.8.2006, 10 B 38.06; U. v. 23.8.2011, 9 C 2.11.