Der Artikel von Thomas Kralinski (SPD) und Dirk Schrödter (CDU) offenbart diverse Schwächen der Argumentation. Da wäre zunächst das Argument, dass zwei Drittel der Bürger den ÖR-Rundfunk für glaubwürdig halten und die Informationsqualität als gut bis sehr gut einstufen. Die beiden Politiker halten das nicht nur für hoch, obwohl sie vorher beschreiben, dass immer weniger Menschen sich von öffentlich-rechtlichen Sendungen in den Bann ziehen lassen. Darüber hinaus glauben sie offenbar mit diesem Anteil der Bürger Zahlungen durch alle legitimieren zu können, obwohl erkennbar Millionen Menschen die Sender weder für glaubwürdig noch deren Programm für gut halten. Schuld am Niedergang soll nun das rechtliche "Korsett" des ÖR-Rundfunks und dessen Fixierung auf das lineare Angebot sein. Das ist putzig, beklagen doch nicht wenige Gruppen, dass der ÖR-Rundfunk sich weitgehend unkontrolliert in Bereiche ausdehnt, für die die rechtlichen Grundlagen fehlen und dass er privaten Anbietern mit seiner gesicherten Finanzierung massiv Konkurrenz macht. Hier will man offenbar diese Aktivitäten der Sender stärken, ggf. klassischen Rubdfunk einschränken. Es kann wohl bezweifelt werden, dass man mit einer Ausweitung solcher Aktivitäten auf viel Beifall bei der Konkurrenz stösst.
Die beiden Politiker unterstellen zudem einen breiten Konsens hinsichtlich der "gesellschaftlichen Aufgabe" des ÖRR, er steht ihren Aussagen nach "außer Frage". Dass dies so ist, darf wohl getrost bezweifelt werden, wenn immerhin jeder Dritte die Sender nicht für glaubwürdig hält. Vor allem die Macher in den ÖR-Sendern und die Politiker, in deren Auftrag und zu deren Nutzen die Sender agieren, sind es, die eine gesellschaftliche Relevanz der ÖR-Anstalten behaupten, während das Publikum, für das man das Programm angeblich erstellt, längst mit den Füssen abstimmt. Der typische Nutzer des ÖR-Fernsehens, z. B. des ZDF, ist inzwischen locker über 60 Jahre alt.
Obwohl angesichts der präsentierten Zahlen eigentlich alles gut laufen müsste für den ÖR-Rundfunk, betrachten die Politiker den derzeitigen Rundfunk als problembeladen. Daraus und aus den Veränderungen der Medienwelt und des Nutzerverhalten folgern sie nicht etwa, dass der ÖR-Rundfunk sich womöglich überlebt hat, solches auch nur zu denken kommt ihnen nicht in den Sinn, sondern dass er sogar noch gestärkt werden muss. Wie das mit der attestierten Glaubwürdigkeit, der behaupteten Qualität und der Stärke zusammen passt, erklären sie leider nicht. Sie offenbaren stattdessen, dass der von allen finanzierte Rundfunk künftig seine Angebote nicht mehr für alle machen muss, dafür aber "seine Stärken stärken muss". Nun ist der Rundfunk doch schwach, Qualität und Akzeptanz zum Trotz? Worin bestehen denn die Stärken des ÖR-Rundfunks und was bietet er, das andernorts nicht erhältlich ist?
Über weite Strecken lesen sich die Folgerungen und Forderungen der Autoren so, als hätten die Intendanten der Sender und die Politiker diese in gemeinsamen Sitzungen erarbeitet; vermutlich ist das auch so. Immerhin scheint man in der Politik zum Teil erkannt zu haben, dass der "Beitrag" nur gegen erheblichen Widerstand weiter zu steigern ist, womit sich womöglich ein Dissenz zu den Forderungen des ARD-Vorsitzenden abzeichnet. So werden die Sportsendungen und die Fixierung auf Fussball kritisiert, weil insbesondere für den Profifussball schier unvorstellbare Summen gezahlt werden und die ÖR-Sender an der Spirale der Preissteigerungen erheblichen Anteil haben. Warum man aber dem Wunsch der Sender nach Beschränkung der KEF nachgeben muss, bleibt im Dunkeln. Das BVerfG hat gerade der KEF einen hohen Stellenwert bezüglich der staatlichen Unabhängigkeit des ÖRR beigemessen. Während man sich an anderer Stelle gern auf Vorgaben des BVerfG beruft, scheint es bei der Finanzierung nur dann darauf anzukommen, wenn man den Bürgern die Taschen leeren will.
M. Boettcher
Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.