Eicher: „Meine persönliche Meinung: Unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, ist, für das, was sie leistet, definitiv unterbezahlt. Natürlich kann man darüber diskutieren, welches Gehalt man für welche Aufgabe für angemessen hält. Aber an der Spitze einer Rundfunkanstalt benötigen wir Führungskräfte mit hohen Management-Qualitäten, die Verantwortung für mehrere Tausend Mitarbeiter haben. Das sollte entsprechend vergütet werden.
Na ja, Herr Eicher und Co bewegen sich halt in Gehältersphären der freien Wirtschaft (bei Großkonzernen) und nicht in denen von Beamten. Der SWR ist ja nun mal keine Behörde und muss sich dabei nicht an Tarifverträgen orientieren. Die eigentliche Frage ist natürlich eher, ob es moralisch verwerflich ist Leuten, die wohnen unabhängig von deren Lebenslage, Einkommen und Nutzung 17,50 Euro im Monat Zwangs-abzuverlangen, damit solche abstrus hohen Gehälter finanziert werden können.
Frau Michel, der WDR hat 2014/2015 massive Kürzungen eingeleitet, Personalkosten werden gesenkt, Stellen gestrichen, beim Funkhaus Europa wurden komplette Sendungen gestrichen, mit der Begründung „Das können wir uns schlicht nicht mehr leisten“ (Zitat von Programmchef Thomas Reinke). Warum ist Ihr Gehalt in diesem Zeitraum nicht gesunken sondern gestiegen (2014: 233.000€ / 2015: 234.600€, Quelle: Jahresberichte des WDR 2014 und 2015)?
Michel: „Die Gehälter in den Führungsetagen sind genauso gestiegen, wie die der anderen Festangestellten auch, und diese Erhöhungen orientieren sich an denen des öffentlichen Dienstes. Die Gehälter der Direktoren werden in der Regel auch zeitversetzt zu denen der Festangestellten angepasst. Wir haben im WDR 4000 feste Mitarbeiter, das erfordert Management-Qualitäten, gerade in Zeiten, in denen wir vor einem der größten Umstrukturierungsprozesse überhaupt stehen. Übrigens macht es sicher kein Vergnügen, bestimmte Sparmaßnahmen umsetzen zu müssen. Und glauben Sie wirklich, dass Einsparungen bei den Gehältern dieser Größenordnung einen Einfluss auf den Rundfunkbeitrag hätten? Eher nicht. Ich empfehle außerdem einen Blick nach Europa. Schauen Sie sich einmal an, welche Gehälter etwa Abgeordnete in Italien bekommen. Da stehen wir mit unserem deutschen Bundestag oder der Kanzlerin eher am hinteren Ende.“
Ok, jeder der in der freien Wirtschaft arbeitet, wird wahrscheinlich wissen, dass das Gehalt eines Mitarbeiters mit zu den größten fixen Kostenfaktoren eines Unternehmens gehört. Die Aussage, dass dies nahezu keinen Einlfuss auf die restlichen Gelder hätte, ist völlig weltfremd - man könnte auch sagen gelogen. Wenn es z.B. 1000 Mitarbeiter im SWR gibt, und jeder, wie die Intendanten 1000 Euro mehr bekommen, dann sind das schon mal 1 Millionen Euro Mehrkosten, zu den ohnehin schon hohen Gehältern.
Interessant übrigens mit welchen Selbstverständnis man hier Gehälter einfordert - wie der Vergleich mit italienischen Abgeordneten zeigt. Man sieht sich irgendwie auf einer Stelle mit einem Politiker in Italien, obwohl man ja nicht mal ein staatliches Organ ist.
Für einen Normalbürger wird es jedenfalls nicht nachvollziehbar sein, wieso ein Intendant des SWR über 300.000 Euro im Jahr verdienen muss. Als ob er mit etwas weniger als der Hälfte in Armut leben müsste.
Eicher: „Im Jahr 2016 gab es etwa 4000 Klagen im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag – eine kleine Zahl, wenn man sie mit der Zahl aller Beitragskonten (rund 45 Millionen) vergleicht. Hinter dieser Angabe verbergen sich all diejenigen, die im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag klagen – etwa weil eine Befreiung abgelehnt wurde oder weil man den Rundfunkbeitrag für verfassungswidrig hält. Wichtig an dieser Stelle: Ich lege großen Wert darauf, diese Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen. Dazu gehören auch die sogenannten Beitragskritiker und Menschen, die sich öffentlich gegen den Rundfunkbeitrag wenden. Die gegenseitigen Argumente sind im Übrigen in einem Schriftwechsel mit der Beitragsverweigerin Sieglinde Baumert dokumentiert und veröffentlicht
Wenn man 4000 Klagen vernachlässigbar findet, dann ist das schon eine erschreckende Tendenz zur Dekadenz. Viele andere Menschen können sich den Rechtsweg erst gar nicht leisten. Die Aussage, dass er größten Wert darauf legt, die Bürger ernst zu nehmen, kann man getrost als Lüge oder Worthülse betrachten. Ernst nehmen würde man es, wenn man aus den Gesprächen mit Frau Baumert die Verpflichtung erkennt, Maßnahmen einleiten zu müssen, um Missstände des Systems zu korrigieren. Er hat ja auch schlicht und ergreifend gegenüber Frau Baumert kein Argument gebracht, die eine Zahlungspflicht von ihr aus gerechtfertigt hätte, außer, dass es im Gesetz steht an das man sich zwanghaft halten will. Man bedenke, in Frankreich war es offiziell bis 2013 für Frauen vom Gesetz her verboten Hosen zu tragen. Das war da aber gesellschaftlich schon längst in Vergessenheit geraten, weil es im Zuge der Emanzipation der Frau gar nicht mehr gesellschaftlich anerkannt worden ist.
Warum der Staat sich nicht stur auf das Gesetz berief und Frauen mit Hosen massenhaft inhaftiert hat, dürfte sich Herr Eicher nun auch mal fragen.
Die Stadtkasse Sankt Augustin hat gegenüber der WELT zu Protokoll gegeben, dass der WDR vermeiden möchte, dass Beitragsverweigerer in Erzwingungshaft kommen.
a) Warum will der WDR das vermeiden?
b) Die WELT schreibt: „Gerichtsvollzieher würden vom WDR ausdrücklich dazu angehalten, den Freiheitsentzug nicht als Vollstreckungsmöglichkeit zu wählen.“ Stimmt diese Darstellung?
c) Ist die Inhaftierung von einzelnen Beitragsverweigerern als bewusst eingesetzte Drohkulisse zu verstehen?
Eicher: „Es ist zunächst einmal grundsätzlich wichtig zu wissen, dass wir bezüglich der Vollstreckung eine zersplitterte Landschaft vorfinden. Die Vollstreckungsregeln, die in den einzelnen Bundesländern zur Anwendung kommen, sind sehr unterschiedlich. In einigen Bundesländern sind Vollstreckungsbehörden die Landesrundfunkanstalten selbst, die dann Gerichtsvollzieher beauftragen können. Das ist in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen der Fall. Diese Gerichtsvollzieher sind an den Auftrag der jeweiligen Rundfunkanstalt gebunden. In anderen Bundesländern sind die Finanzbehörden zuständig. Und bei wieder anderen sind die Kommunen zuständig. Auf die Vollstreckungsmaßnahmen, die Kommunen ergreifen, haben die Rundfunkanstalten keinen Einfluss.
Fett markierte Aussage ist einfach nur gelogen und wird durch Wiederholen auch nicht wahrer. Mal abgesehen davon, dass Amtshilfe wohl nur von Behörde zu Behörde möglich ist, was beim SWR ja nicht der Fall wäre.
Michel: „Es ist außerdem immer wichtig, die Verhältnismäßigkeit im Blick zu haben. Bei Fällen wie dem AfD-Politiker, der den Rundfunkbeitrag verweigerte und eine Öffentlichkeitswelle mit seiner Haft provozieren wollte, war uns klar: Wir lassen uns nicht instrumentalisieren. Es sind im Übrigen auch nur eine Handvoll Menschen, über die wir hier sprechen. Ein Problem muss man in diesem Zusammenhang natürlich sehen: Wir haben ein Akzeptanz- und Glaubwürdigkeitsproblem, das allerdings alle Medien gleichermaßen trifft. Auch wenn die Entwicklung gerade wieder etwas in eine andere Richtung geht.“
Ich denke, dass Medien wie die Zeit, die Welt oder Amazon Prime weniger mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen haben, wie die Öffentlich Rechtlichen. Das wundert mich auch nicht weiter, weil die Welt nicht jeden Monat 17,50 Euro von mir haben möchte, für ein Abo, das ich nicht abgeschlossen habe.
Insgesamt ein schönes Interview, was mir aber zu sehr auf die Gehälter und die Finanzierung und weniger auf die Gerechtigkeit ausgelegt war. Man hat auch schon gesehen, dass die ÖRler schon etwas ins Schwimmen gekommen sind, bei den Versuch sich irgendwie zu rechtfertigen.