Hallo zusammen,
danke Cook für deine PN.
Leider bin ich beruflich im Moment sehr eingespannt. Ich werde mich schnellstmöglich damit befassen.
Bevor ich meinem CDU Bundestagsabgeordnetem antworte, möchte ich euch nicht die Antwort meiner SPD Bundestagsabgeordneten vorenthalten, da man die von uns zusammen verfasste Antwort evtl. direkt an beide senden kann.
Ich muss zugeben, dass sie die längere Zeit fürs Antworten genutzt und wenig Standardsätze eingefügt hat. Im Gegensatz zu Herrn Henke (CDU) geht Sie auch auf die Beitrags
höhe ein, die mich am meisten ärgert
Ursula Schmidt – ehemalige Bundesgesundheitsministerin unter Gerhard Schröder (SPD).
(Antwort kam am 01. Dez. gegen 18 Uhr)
Bitte beachtet auch die beiden Dateianhänge, die sie mitgeschickt hat.Sehr geehrter Herr blauerkaktus, (Meinen Namen hab ich geändert ;-))
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Rundfunkbeitrag. Ihr gezogener Vergleich zur Ehe hat einen gewissen Charme. Auch im Verhältnis Staat und Bürger liegt ja der Gedanke nah, dass gegenseitige Unterhaltspflichten bestehen. Öffentliche Abgaben (Steuern, Beiträge, Gebühren) auf der einen Seite und staatliche Sozialleistungen, wie die Grundsicherung, auf der anderen Seite. Gegenseitige durchsetzbare Rechte und Pflichten sind die Grundlagen für ein friedliches und sicheres Zusammenleben in einer Gesellschaft. Letztendlich sind wir alle der Staat, aber eben nicht als Gruppe von Menschen, sondern verkörpert durch eigenständige juristische Personen des öffentlichen Rechts. Und hier liegt dann doch der wesentliche Unterschied.
Eine Ehe oder Lebenspartnerschaft wird zwischen zwei Privatpersonen geschlossen; zulässig und wirksam nur bei freier Willenserklärung beider Menschen. Das Familienrecht gehört damit klassisch zum Privatrecht, wie auch bspw. das Kaufrecht, das Reisevertragsrecht und das Sachenrecht. Grundlage für Rechtsbeziehungen zwischen den Personen ist zumeist ein Vertrag über den Austausch von Leistungen, auf die man sich einigen muss.
Das strafrechtliche Verbot von Zwangsehen, öffentliche Abgaben, die staatlichen Sozialleistungen und auch der Rundfunkbeitrag sind in unsere Rechtsordnung aber nicht Teil des Privatrechts. Diese Bereiche gehören zum öffentlichen Recht. Das öffentliche Recht definiert sich durch das Verhältnis zwischen dem Staat als Träger der öffentlichen Gewalt und den Bürgerinnen und Bürger als Privatrechtssubjekte. Grundlage ist hier nicht ein privatrechtlicher Vertrag, sondern zumeist ein Bescheid.
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern zahlen die Bürgerinnen und Bürger für ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In gut zwei Drittel aller europäischen Länder, darunter in allen skandinavischen Ländern, in Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Italien sowie Österreich, Polen, Schweiz und Tschechien existieren Modelle zur Finanzierung eines öffentlich-rechtlichen Systems. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei uns dürfen und haben die Bundesländer seit den 1950er Jahren in der Hauptsache eine Gebührenfinanzierung festgelegt. Die früheren Rundfunkgebühren sind mehrfach vom Bundesverfassungsgericht auf eine unzulässige Verletzung von Grundrechten überprüft worden. Solche lagen nicht vor. Niemand behauptet im Übrigen, dass durch die Rundfunkgebühren oder den heutigen Rundfunkbeitrag einzelne Grundrechte nicht eingeschränkt sind. Jeder Zwang beschränkt Grundrechte, das sehen Sie richtig. Nur ist nicht jede Beschränkung auch automatisch rechtswidrig.
Unsere Grundrechte, besonders die Freiheitsrechte, gelten nämlich grundsätzlich niemals absolut. Sie können und werden regelmäßig und zumeist rechtmäßig beschränkt. Die Meinungsfreiheit endet dort, wo die Würde eines anderen Menschen übermäßig verletzt wird (Beleidigung), wenn man etwas Böses tut, kann die Freizügigkeit beschränkt werden (Freiheitsstrafe). Auch Ihr Grundrecht gemäß Art. 5 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, wird ohne Zweifel durch die Beitragspflicht „verletzt“, dieser Eingriff ist bisher jedoch zulässig und gerechtfertigt. Aktuell hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 6 C 6/15 vom 18.03.2016) den 2013 eingeführten Rundfunkbeitrag als rechtmäßig anerkannt: der Rundfunkbeitrag ist eine rundfunkspezifische nichtsteuerliche Abgabe, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für das Rundfunkrecht fällt. Und die vorrangige Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Rundfunkbeitrag trägt der Programmfreiheit des Rundfunks und dem Verfassungsgebot eines die Vielfalt sichernden Programms angemessen Rechnung, so das BVerwG. Dazu wird nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als unser höchstes Gericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde in nächster Zeit zu entscheiden haben. Ihr Zitat aus BVerfG 31, 314 (BVerfG 2 BvF 1/68 und 2 BvR 702/68 vom 27.07.1971) bezieht sich im Übrigen auf die damalige Umdeutung der Tätigkeit der Rundfunkanstalten im Umsatzsteuerrecht. Es ging um Kompetenzüberschreitung des Bundes im Steuerrecht gegenüber den zuständigen Bundesländern und nicht um die Zahlungspflicht von Rundfunkgebühren. Hier ist der inhaltliche Zusammenhang innerhalb von Begründungen eines Gerichts sehr wichtig. Im Leitsatz dieser Entscheidung stellte das BVerfG damals fest, dass sich die Tätigkeit der Rundfunkanstalten im öffentlich-rechtlichen Bereich vollzieht, was gegen Ihre (wenn auch charmante) Argumentation einer privatrechtlichen Ehe, respektive Zwangsehe, spricht.
Auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Abgaben geht es nicht immer um den konkreten Nutzen für den einzelnen Menschen. Wir bezahlen Grundgebühren für Wasser- und Abwasser unabhängig davon, ob wir das Trinkwasserangebot oder die Abwasseranlagen tatsächlich nutzen. Für Bau und Anschluss an solche öffentliche Einrichtung zahlt man Pflichtbeiträge, auch wenn man keinen einzigen m3 verbrauchen will und verbraucht (Anschluss- und Benutzungszwang). Dasselbe gilt bei der Müllentsorgung und bei der Straßenreinigung. Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung, zur Pflegeversicherung und zur Arbeitslosenversicherungen müssen bezahlt werden, egal ob oder in welcher Höhe man diese Leistungen in Anspruch nimmt. Wenn die Straße, der Bürgersteig oder die Straßenbeleuchtung modernisiert wird, sind Pflichtbeiträge der Anlieger fällig, auch wenn man auf dem Grundstück gar nicht wohnt. Unsere Rechtsordnung kennt viele dieser Pflichten (auch mit Zwang), ohne dass der Einzelne daraus immer direkt einen Nutzen zieht; anders würde unser Gemeinwesen nicht funktionieren. Dazu gehört nach dem Willen der hier allein zuständigen Bundesländer auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk. In Rundfunkstaatsverträgen haben die Länder dies so festgelegt.
Von der Sache her bin ich von Richtigkeit und Wichtigkeit des Rundfunkbeitrags überzeugt. Persönlich finde ich, dass man aber über die Höhe des Rundfunkbeitrags von derzeit 17,50 € im Monat diskutieren kann und muss. Das wird auch getan. Durch die Reform, weg vom Rundfunkgerät, hin zur Wohnung, hat sich die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wesentlich verbessert. Und die Ehrlichen bezahlen nicht mehr für die Unehrlichen mit. Hier müssen die Länder die weitere Entwicklung beobachten und ggf. auch weitere Beitragssenkungen beschließen. In der Anlage finden Sie auch eine Übersicht zur Aufteilung der Mittel.
Deshalb möchte ich auch bei Ihnen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und damit auch für den Pflichtrundfunkbeitrag werben. Ich weiß auch, dass man über Vieles im Detail diskutieren und sich zum Teil auch ärgern kann: das öffentliche Radio- und Fernsehprogramm an manchem Wochenende, Berichte, die einem nicht gefallen, die Gehälter der Chefs, das viele Geld für Fußball und Showstars usw. Aber der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nach meiner Meinung einen besonderen Grundversorgungsauftrag für Information und Unterhaltung, unabhängig von einzelnen Geldgebern. Durch den Rundfunkbeitrag, ergänzt durch beschränkte Werbeeinnahmen, werden mehr als örtliche 20 Fernsehprogramme, über 60 Radioprogramme und viele Internetangebote finanziert. Das ist ein besonderer Wert, den man durch Abschaffung des Rundfunkbeitrags aufgeben würde. Auch wenn nicht alles perfekt ist, allein durch private Geldgeber, Werbung oder durch Einzelbezahlsysteme finanzierte Rundfunkangebote möchte ich nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ulla Schmidt, MdB
Der Dateianhang war leider zu groß. Es war eine PDF:
Staatsvertrag für Runkfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag – RStV))
So, fehlt noch der Typ von der Linkspartei
Auf viele inspirierende Kommentare