Aus gegebenen Anlass und da in diesem Thread hier bereits die Diskussion zum bisherigem Standpunkt des BVerwG, seiner Argumentation und Begründung (insbesondere in seinen Grundsatzurteilen März 2016) zu Europarecht und Beihilfe begonnen wurde, erhält dieser Thread wieder Aktualität.
(Siehe auch:
Möglichkeiten des BVerwG auf die EUGH-Vorlage zu reagieren
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,24384.0.html
[...]
Auch wenn dies wider Erwarten in den Verfahren des BVerwG zu den Hotel-, Gästezimmern und Ferienwohnungen (Urteil 6 C 32.16 vom 27.09.2017) sowie zu den gemeinnützigen Einrichtungen der Altenhilfe (Urteil 6 C 34.16 vom 27.09.2017) offensichtlich weder Gegenstand war noch das BVerwG zu einer Äusserung veranlasste, hatte es sich dann doch in einem Beschluss mit zuvorliegenden Datum zur EuGH-Vorlage geäussert.
Obwohl er es -vermeintlich- aus Unbeachtlichkeitsgründen nicht musste, lässt es sich der 6. Senat des BVerwG dabei nicht nehmen, sich auch inhaltlich zur Vorlage und den Fragen (EuGH C-492/17) auszulassen und zu positionieren:
10 3. Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 18. September 2017 neu vorgetragenen Zulassungsgründe verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Senat hat gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nur über die fristgemäß und ordnungsgemäß dargelegten Zulassungsgründe zu entscheiden. Nach Ablauf der im vorliegenden Fall am 17. Juli 2017 endenden Beschwerdebegründungsfrist hat der Senat neu vorgetragene Gründe, die nach Auffassung des Klägers die Zulassung der Revision rechtfertigen sollen, nicht zu prüfen. So verhält es sich hier. Der Kläger macht sich mit Schriftsatz vom 18. September 2017 die Vorlagefragen des Landgerichts Tübingen und deren Begründung zu eigen. Damit rügt er erstmals nach Ablauf der Begründungsfrist die Unvereinbarkeit der Beitragspflicht mit europarechtlichen Bestimmungen. Deshalb kommt auch die beantragte Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren unter dem dortigen Az. EuGH C-492/17 nicht in Betracht. Der Ausgang des hiesigen Beschwerdeverfahrens hängt nicht von der Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 3. August 2017 (- 5 T 121/17 u.a. -) ab.
11 Ungeachtet dessen weist der Senat darauf hin, dass die vom Landgericht Tübingen im Rahmen des Vorabentscheidungsersuchens gestellten Vorlagefragen auf der dortigen Rechtsauffassung beruhen, dass die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union bedürfe und es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine typische Zwecksteuer handele, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliege. Beides ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall.
12 Weder handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag um eine Steuer (s.o. unter 1.) noch bedurfte die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach §§ 2 ff. RBStV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union. Eine genehmigungsbedürftige Umgestaltung im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV liegt vor, wenn die ursprüngliche Finanzierungsregelung durch spätere Änderungen in ihrem Kern, d.h. hinsichtlich der Art des Vorteils, der Finanzierungsquelle, des Ziels der Beihilfe, des Kreises oder der Tätigkeitsbereiche der Begünstigten betroffen ist. Diese maßgebenden Faktoren hat der Übergang von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag nicht verändert. Ebenso wie die Rundfunkgebühr wird der Rundfunkbeitrag als Gegenleistung für das Rundfunkprogrammangebot erhoben, um die staatsferne bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Begünstigte sind nach wie vor die Rundfunkanstalten. Zur Finanzierung werden auch weiterhin diejenigen herangezogen, die die Möglichkeit des Rundfunkempfangs haben. Insoweit hat sich lediglich die tatbestandliche Anknüpfung der Erfassung der Pflichtigen geändert. Bei der Einbeziehung der sehr kleinen Gruppe, die nicht im Besitz eines herkömmlichen oder neuartigen Empfangsgeräts, aber ebenfalls beitragspflichtig ist, handelt es sich nicht um eine Änderung der ursprünglichen Finanzierungsregelung in ihrem Kern (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. März 2016 - 6 C 6.15 - BVerwGE 154, 275 Rn. 51 f., vom 15. Juni 2016 - 6 C 35.15 - juris Rn. 53 f. und vom 25. Januar 2017 - 6 C 18.16 - juris Rn. 53 f. jeweils m.w.N.). Weder das Landgericht Tübingen in seinem Beschluss vom 3. August 2017 noch der Kläger im hiesigen Verfahren setzen sich mit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelnen auseinander.
Beschluss vom 20.09.2017 - BVerwG 6 B 50.17,
http://www.bverwg.de/200917B6B50.17.0Nun, was springt ins Auge?
Das BVerwG nimmt die Möglichkeit wahr, sich (offensichtlich zum ersten Mal) - jedenfalls nicht prominent (etwa in einem der beiden vorgenannten Urteilen, zu denen Pressemitteilung herausgegeben wurde und die erwartungsgemäß auch öffentlich diskutiert wurden) - zur Vorlage C-492/17 und insbesondere den darin an den EuGH gerichteten Fragen "höchstrichterlich" zu äussern. Dabei reduziert das BVerwG seine Auslassungen zu eben dieser Vorlage und den Vorlagefragen jedoch auf einzig zwei Rechtsfragen:
1) Handelt es sich beim Rundfunkbeitrag um eine typische Zwecksteuer, für die eine individuelle Gegenleistung nicht vorliegt?
2) Bedarf die Einführung des Rundfunkbeitrags für den privaten Bereich nach Art. 108 Abs. 3 AEUV der Zustimmung der Kommission der Europäischen Union?
Mit dem Hinweis - "Beides ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht der Fall" - suggeriert das BVerwG, damit wäre bezüglich der EuGH Vorlage alles gegessen
- und erteilt wegbereitend den folg- und gehorsamen unterinstanzlichen Verwaltungsgerichten die Absolution bzgl. Nichtbeachtlichkeit der EuGH Vorlage(fragen).
Zu 1)
Tatsächlich findet sich diese Rechtsfrage in keiner der Vorlagefragen EuGH C-492/17 wieder bzw. wurde dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Allenfalls befinden sich diesbezügliche Argumentationen in der begleitenden Begründung zur Vorlage des LG Tübingen im Beschluss - 5 T 121/17 vom 3. August 2017.
Zu 2)
Von den zehn (10!) Vorlagefragen befasst sich eine mit genau dieser Rechtsfrage. Drei weitere Vorlagefragen betreffen abweichende Rechtsfragen zu (verbotenen) priviligierten/ bevorzugten Beihilfen.
Zu allen 9 (6) weiteren Vorlagefragen - hier insbesondere zur Vereinbarkeit Rundfunkbeitrag mit europäischem/r Gleichbehandlungsgebot, Informationsfreiheit, Diskriminierungsverbot, Niederlassungsfreiheit - verliert das BVerwG kein Wort.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=197111&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1007961Nihil fit sine causa.