Die Konstruktion des sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist äußerst fragwürdig.
Ausgangspunkt sind meine Überlegungen zum Thema:
Strafbewehrte Unterlassungserklärung wg. Besitzstörung/Eigentumsbeeinträchtigung http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,12552.msg84517.html#msg84517 I. Gesetzliche AusgangslageDie gesetzliche Ausgangslage wurde hier schon oft dargestellt. Deswegen beschränke ich mich auf das Wesentliche: Gemäß
§ 10 Abs. 5 S. 1 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt (Festsetzung= Verwaltungsakt). Gemäß
§ 10 Abs. 7 S. 1 RBStV nimmt jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem RBStV zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft gemeinsam betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr.
II. Beitragsservice als gemeinsame StelleNehmen wir einfach mal an, dass der sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio die gemeinsame Stelle i.S.d. § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV (i.V.m. mit § 2 S. 1 der jeweiligen Beitragssatzung der Landesrundfunkanstalt) ist.
1. VerwaltungsgemeinschaftFraglich ist, was unter Verwaltungsgemeinschaft i.S.d. § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV zu verstehen ist. Der RBStV definiert den Begriff der Verwaltungsgemeinschaft nicht. § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV besagt lediglich, dass die Verwaltungsgemeinschaft öffentlich-rechtlich ist. Im öffentlichen Recht findet sich insb. im Kommunalrecht eine nähere Erläuterung des Begriffs der Verwaltungsgemeinschaft, bspw.:
Bayern = Verwaltungsgemeinschaftsordnunghttp://www.gesetze-bayern.de/jportal/?quelle=jlink&docid=jlr-VwGemOBYrahmen&psml=bsbayprod.psml&max=true&aiz=trueThüringen = Kommunalordnung, dritter Abschnitthttp://landesrecht.thueringen.de/jportal/?quelle=jlink&query=KomO+TH&psml=bsthueprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-KomOTH2003pG11Im kommunalrechtlichen Regelungszusammenhang ist eine Verwaltungsgemeinschaft:
- ein Zusammenschluss von Gemeinden unter Aufrechterhaltung des Bestands der zusammengeschlossenen Gemeinden, welcher
- die Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ihrer Mitgliedsgemeinden wahrnimmt, und
- eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 1 Abs. 1 S. 1 VGemO; § 46 Abs. 2 S. 1 ThürKO) ist.
In einigen Bundesländern wird anstelle des "Verwaltungsgemeinschafts"-Begriffes der Begriff der Verbandsgemeinde (Rheinland-Pfalz, §§ 64 ff. RhPf-GemO) oder der Begriff der Samtgemeinde (Niedersachsen, Sechster Teil des NKomVG) gebraucht.
2. Nicht rechtsfähigGemäß § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV ist die gemeinsame Stelle jedoch nicht rechtsfähig; damit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen dem rundfunkrechtlichen und dem kommunalrechtlichen "Verwaltungsgemeinschafts"-Begriff.
III. Aufgabenwahrnehmung durch die gemeinsame Stelle§ 10 Abs. 7 S. 1 RBStV normiert, dass jede Landesrundfunkanstalt die ihr nach dem RBStV zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft gemeinsam betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahrnimmt.
Die Frage lautet nun: Wie soll die zuständige Landesrundfunkanstalt ihre eigenen Aufgaben durch eine im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft -- aller Landesrundfunkanstalten -- selbst wahrnehmen?
Wichtig ist dabei zunächst, dass § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV ausdrücklich normiert, dass
die Landesrundfunkanstalt ihre Aufgaben selbst wahrnimmt; deswegen wird ja auch vertreten, dass die gemeinsame Stelle ein Teil einer jeden Landesrundfunkanstalt ist. Wenn dem so ist, dann bedürfte es aber keiner Stellvertretung; mithin müsste die gemeinsame Stelle nicht in fremdem Namen handeln. Dann ist aber fraglich, warum die Kommentarliteratur (allen voran:
Tucholke, in: Hahn/Vesting, Rundfunkrecht
3. Auflage [2012], Rn. 62), die Schreiben des sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio (siehe oben: Anlage des Ausgangsbeitrag von 12121212) und einige Gerichte von dieser Voraussetzung ausgehen? Wenn man von dem Erfordernis der Stellvertretung ausgeht, dann muss man auch die
Voraussetzung der Stellvertretung prüfen (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 BGB):
1. Der Vertreter muss eine eigene Willenserklärung abgeben (hier: sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio)
2. Der Vertreter muss dabei in fremdem Namen handeln (hier: im Namen der zuständigen Landesrundfunkanstalt)
3. Der Vertreter muss innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht gehandelt haben.
Hier stellen sich dann eine Vielzahl von Fragen:
zu 1.:Wie kann die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft gemeinsam betriebene Stelle eine eigene Willenserklärung abgeben? Für die Abgabe einer
Willenserklärung bedarf es der Geschäftsfähigkeit. Die gemeinsame Stelle ist aber gerade nicht rechts(geschäfts)fähig. Nun könnte man argumentieren, dass die gemeinsame Stelle ja gar keine Willenerklärung abgibt. Dann stellt sich aber die Frage, ob das noch ein
Verwaltungsakt ist, den die gemeinsame Stelle bei der "Festsetzung" der rückständigen Beiträge erlässt. Denn ein Verwaltungsakt ist gemäß § 35 S. 1 (Landes-)VwVfG eine Verfügung, Entscheidung oder eine andere hoheitliche Maßnahme; nach überwiegender h.M. handelt es sich dabei um
eine verwaltungsrechtliche/öffentlich-rechtliche Willenserklärung (siehe nur:
Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz 8. Auflage [2014], Rn. 69 m.w.N.;
Alemann/Scheffczyk, in: Beck'scher Online-Kommentar VwVfG [Stand: 01.10.2014], Rn. 118 m.w.N.).
zu 2.:Wieso handelt die -- nichtrechtsfähige -- gemeinsame Stelle im Namen der zuständigen Landesrundfunkanstalt? In § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV steht doch, dass die zuständige Landesrundfunkanstalt ihre eigenen Aufgaben selbst wahrnimmt (siehe oben)!
zu 3.:Kann etwas, dass nicht rechtsfähig ist, Vertretungsmacht haben? In Betracht kommt eine Vertretungsmacht kraft Gesetzes (RBStV). Schon begrifflich ist es jedoch fragwürdig etwas, dass nicht rechtsfähig ist, mit einer Vertretungsmacht auszustatten. Denn kraft der Vertretungsmacht hat der Vertreter das Recht einen anderen (Vertretenen) zu vertreten; wenn jemanden ein Recht zusteht, dann ist er rechtsfähig bzw. dann muss er rechtsfähig sein. Die gemeinsame Stelle ist aber gemäß § 10 Abs. 7 S. 1 RBStV nicht rechtsfähig.
Dieser Gedankengang unterstützt letztlich -- wohl? -- die These von Knax, der seit langer Zeit die Meinung vertritt, dass es sich bei dem sog. Beitragsservice von ARD, ZDF und Deutschlandradio um eine Behörde handeln muss.