Zur Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs.1 ZPO."Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil."
Was das Gericht hier von sich gibt, könnte wohl eine Idealvorerstellung sein, die es so nie geben kann. So ist bekanntlich der Grat zwischen Dichtung und Wahrheit sehr schmal und die Möglichkeit der Propaganda und Manipulation sehr groß (z.B. Framing Manual). Die realtiätsfernen Anforderungen, die das Gericht hier an Journalisten stellt, kann und wird der ÖRR nie erfüllen können, genauso wenig wird man einen staub- oder luftfreien Raum auf der Erde finden.
Was den geneigten Leser wundern könnte ist, dass in dem Bruderurteil an keiner Stelle der Begriff "
Wahrheit" genannt wird.
Erwartet das BVerfG etwa keine Wahrheiten vom ÖRR?
Sollte der Nutzer des ÖRR nicht die vollständige Wahrheit erwarten können?
Das BVerfG verwendet lediglich den eher subjektiven und vagen Begriff "
Wirklichkeit", die unverzerrt dargestellt werden soll.
Der Begriff "Wirklichkeit" laut Wikipedia:
Mit dem Begriff Wirklichkeit soll das bezeichnet werden, was der Fall ist. In der Wahrnehmung einer Fledermaus oder eines Wurmes gibt es allerdings eine ganz andere „Wirklichkeit“ als in der naturwissenschaftlich geprägten Wahrnehmung des modernen Menschen. Die Frage, was Wirklichkeit sein soll, ob der Mensch also die Wirklichkeit erkennen kann oder ob es nur kulturell bedingte Formen von Wirklichkeitsbewusstsein gibt, beschäftigte die Philosophie seit ihren Anfängen.
https://de.wikipedia.org/wiki/WirklichkeitDie Darstellung der Wirklichkeit ist wohl allgemein von der jeweiligen Wahrnehmung abhängig, die wohl unterschiedlich sein kann.
In Kurzform hätte das BVerfG einfach auf die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs.1 ZPO eingehen können:
Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__138.htmlOhne auf das Thema Programmkritik und Bruderurteil weiter eingehen zu wollen; sollte nicht die Wahrheitspflicht, d.h. nicht nur in Bruchstücken (mit Lücken) sondern
vollständig über einen Sachverhalt zu berichten, auch bei den Journalisten des ÖRR gelten? Der Zeit- und Arbeitsaufwand im Sinne der Wahrheitspflicht kann aber von einem ÖRR nicht geleistet werden ohne z.B. an der Vielfalt zu sparen und weiteren Anforderungen einzuschränken.
Somit bleiben die Wunschvorstellungen des BVerfG im Bruderurteil lediglich Wünsche oder Fantasien, die sich eher als realitätsfern und nie zu erreichende Anforderungen darstellen, für die aber die Bevölkerung einen Zwangsbeitrag bezahlt aber nie bekommen wird, was ihnen versprochen wurde - nämlich die
vollständige Wahrheit.
In einer mündlichen Verhandlung zum Rundfunkbeitrag an einem Verwaltungsgericht mit der gesamten Kammer könnte der vorsitzende Richter den Beitrag mit der Müllgebühr verglichen haben. Der Kläger wies auf den doch treffenden Vergleich zwischen dem Programm des ÖRR und Müll hin (die Reaktion bei den anderen Richtern in der Verhandlung war durchaus erheiternd).
Es bleibt jedoch zu hoffen, dass Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass ihre Mülltonnen nicht
vollständig geleert werden (symbolisch), obwohl sie dafür einen Zwangsbeitrag bezahlen.
Ob der ÖRR wahrheitsgemäß berichtet oder nicht, darüber muss sich jeder selbst eine Meinung bilden, das kann in diesem Forum nicht weiter diskutiert werden, weil es sicher viele Nichtnutzer gibt, die sich für Müll (symbolisch) nicht interessieren und das Thema sonst den Rahmen sprengen würde. Dass aber das BVerfG nicht eindeutig die Wahrheit vom ÖRR fordert, was auch in der Umsetzung unrealistisch wäre, kann jeder im BVerfG,
Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 -, Rn. 1-157, nachlesen:
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html