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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: pinguin am 25. August 2019, 12:01

Titel: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 25. August 2019, 12:01
Und noch ein Thema dazu, wo es doch schon so viele hat?

Mir stellt sich aber die Frage, ob die Entscheidung des BVerfG wirklich verstanden wurde?

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Rn. 81
Zitat von: BVerfG, Urteil vom 18.07.2018, 1 BvR 1675/16
81
2) In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil (vgl. zur Rundfunkgebühr BVerfGE 90, 60 <106>; BVerfGK 20, 37 <41>). [...]
Quelle: http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Es geht hier in diesem Thema bitte nur um die zitierte Aussage des BVerfG.

Wir haben hier zwei Aussagen in einer einzigen Aussage enthalten;

1. Aussage:
Die "Möglichkeit der Nutzung"  soll der zur Erhebung des Rundfunkbeitrages individuell zu rechtfertigende Vorteil sein;

Auch wenn es nicht um die konkrete "Nutzung" geht, setzt bereits die potentiell mögliche Nutzung die notwendige technische Ausstattung voraus; ohne diese ist auch die "Möglichkeit der Nutzung" nicht vorhanden.

2. Aussage:
Hier nun verweist das BVerfG auf die Art der Darstellung/Darbietung durch den ÖRR, denn nur dort, wo dieser seiner Funktion gerecht wird,

Rn. 80
Zitat von: BVerfG, Urteil vom 18.07.2018, 1 BvR 1675/16
80
[...] dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden [...]
Quelle: http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

ist es überhaupt gerechtfertigt, die "Möglichkeit der Nutzung" zu bebeitragen.

der öffentliche Rundfunk darf weder diskriminieren, noch polemisieren, er ist zur durchweg neutralen Berichterstattung verpflichtet;

der öffentliche Rundfunk darf keine Gewaltverherrlichung betreiben und darf, bspw., nicht über die Olympischen Spiele berichten, die Paralympics danach aber ignorieren, (diese mit der Nichtberichterstattung einhergehende Diskriminierung der behinderten Sportler ist dem ÖRR nicht gestattet);

dem öffentlichen Rundfunk ist es nicht nur verwehrt, zur Verblödung der Masse beizutragen, er darf der Masse auch nicht hinterherlaufen.

Wenn der ÖRR die Funktion hat, ein vielfaltsicherndes Gegengewicht zur übrigen Medienlandschaft zu bilden, dann muß er sich von der übrigen Medienlandschaft nachhaltig qualitativ wie quantitativ abheben.


Edit "Bürger":
Zur Vermeidung von Mehrfachdiskussionen und zur Berücksichtigung aller im Forum bereits enthaltenen Informationen siehe bitte einige gesammelte Links/ Diskussionen zu diesem Themenkomplex:
Pressemeldungen: Rundfunkbeitrag im Wesentlichen verfassungsgemäß
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28121.0
Urteil BVerfG 18.7.: RBeitr bis auf Zweitwohnungen verfassungsgemäß > Diskussion
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28119.0

BVerfG-Urteil vom 18.7.: Juristische Abhandlungen und Kommentare [Sammelthread]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28254.0
Widersprüche in den Urteilen des BVerfG (aus akt. Anlass)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28153.0
Begründung Widerspruch/ Klage nach BVerfG-Urteil vom 18.07.2018?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28123.0
Stolperfalle für den ÖRR: Die Zweitwohnungsbefreiung. Die Ungereimtheiten
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28203.0

BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Möglichkeit d. Nutzung = individuelle Vorteil
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=31947.0
Alte Gebühr -> neuer Beitrag -> jetzt Beitragsüberhebung?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34721.0
"rundfunkbeitrags-rechtfertigender individ. Vorteil" gem. BVerfG 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36340.0

Bundesverfassungsgericht hebt Rundfunkbeitrag vorläufig auf 18,36 Euro an (08/2021)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35578.0
Wie lautet die Berechnungsformel der KEF für den monatl. "Rundfunkbeitrag"?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33390.0
Sammlung: Wo wird der Rundfunkbeitrag (rechtswidrig) ausgegeben?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23623.0
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Housebrot am 26. August 2019, 07:53
Wenn der ÖRR die Funktion hat, ein vielfaltsicherndes Gegengewicht zur übrigen Medienlandschaft zu bilden, dann muß er sich von der übrigen Medienlandschaft nachhaltig qualitativ wie quantitativ abheben.

Qualtitativ verstehe ich ja durchaus (aber das passiert eben nicht von Seiten des ÖRs),
aber
warum quantitativ ? Und wann ist das Ende der Quantität erreicht ?

Grüße
Adonis
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 26. August 2019, 16:02
Qualtitativ verstehe ich ja durchaus (aber das passiert eben nicht von Seiten des ÖRs), aber
warum quantitativ ?
Wir haben mit dem Rundfunkbeitrag ein staatliche Abgabe, die keine Steuer zu sein hat, die darüberhinaus aber trotzdem nur in jenen engen Grenzen realisiert werden darf, die Europa- und Bundesrecht dem Landesrecht setzen.

Wo die Qualität des Erzeugnisses der Grund ist, weshalb die Bürger dieses Erzeugnis haben wollen, so steht die "verkaufte" Menge genau dieses Erzeugnisses für die Akzeptanz dieses Erzeugnisses in der gesamten Bürgerschaft.

Wenn die Finanzierung zur Produktion dieses Erzeugnisses nur den Nutzern dieses Erzeugnisses überlassen ist, die damit auch allesamt die "Möglichkeit der Nutzung" für sich individuell realisieren, so bewirkt dieses "so" maximale Akzeptanz des Systems in der Bürgerschaft, so wird sich doch jemand  Unbehelligtes nicht darüber aufregen, daß man ihn/sie in Ruhe gelassen hat.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 26. August 2019, 20:29
Noch ein Hinweis:

Die individuellen "Möglichkeit der Nutzung" hängt lt. BVerfG also nicht nur von der technischen Möglichkeit ab, (diese Deutung wurde ja vom BVerfG nicht explizit ausgeschlossen), sondern eben maßgeblich auch von der individuellen "Möglichkeit der Nutzung" aus dem individuellen Verständnis des potentiellen Nutzers/Interessenten hinsichtlich maßgeblichen Grundrechts aus Art. 1 GG.

Siehe hierzu auch:

Rn. 121
Zitat
[...]  Entfaltung der Persönlichkeit, deren Freiheit und Würde nach der Ordnung des Grundgesetzes der oberste Rechtswert ist (vgl. BVerfGE 7, 377 [400 ff.]; 13, 97 [104, 113]; 19, 330 [336 f.]).  Der Rang dieses Grundrechts gebietet daher, daß die freie Selbstbestimmung des Einzelnen nur so weit eingeschränkt werden darf, wie es die Interessen der Allgemeinheit erfordern. [...]

BVerfGE 33, 125 - Facharzt -> Grenzen der Normgebung kraft Satzung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30482.msg190923.html#msg190923

Oder auch hier:

Rn. 32 - BVerfGE 6, 32 - Elfes
Zitat
[...] Vor allem dürfen die Gesetze daher die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche Freiheit des Menschen nicht so einschränken, daß sie in ihrem Wesensgehalt angetastet würde (Art. 19 Abs. 2, Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG).  Hieraus ergibt sich, daß dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der "verfassungsmäßigen Ordnung" sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden.

BVerfGE 44, 197 - Solidaritätsadresse -> Recht, in Ruhe gelassen zu werden
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31031.msg193100.html#msg193100

und, nicht zu vergessen:

Präambel
Zitat
in der Erwägung, daß die Würde und der gleiche Wert jedes Menschen Grundbestandteile dieser Grundsätze darstellen;

in der Erwägung, daß die Freiheit der Meinungsäußerung und Information, wie sie in Artikel 10 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist, einer der wesentlichen Grundsätze einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Entwicklung jedes Menschen ist;

Europäisches Abkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29245.msg183510.html#msg183510

Die "Möglichkeit der Nutzung" ist also auch im Lichte des Art. 1 GG  zu sehen; sie ist nicht gegeben, wenn der öffentliche Rundfunk seiner Funktion gemäß Rn. 80 der hier zur Diskussion stehenden Entscheidung nicht nachkommt und der potentielle Interessent durch Inhalt und Art der angebotenen Rundfunkdarbieteungen in seiner Würde verletzt wird, dessen Ausmaß nur er alleine individuell zu bestimmen vermag.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: LECTOR am 31. August 2019, 16:42
Diese Passage der Rn 81 ist eine wichtige Stelle im "Bruderurteil". Das Gericht hat sich nun mal darauf eingelassen, dass der "Rundfunkbeitrag" ein Beitrag im abgabenrechtlichen Sinne sein soll, also braucht es einen "individuellen Vorteil", um die Beitragserhebung zu rechtfertigen. Doch auch nach mehrfachem Durchlesen war es einem geneigten Leser bisher nicht möglich herauszufinden, worin denn dieser individuelle Vorteil bestehen soll. Alles was das Gericht vorteilhaftes zum Rundfunk äußert, dürfte höchstens als allgemein-gesellschaftlicher Vorteil einzuordnen sein, etwa eine ausgewogene Berichterstattung, authentisch recherchierte Information, Vielfalt an Meinungen etc. pp.

Gerade an der Randnummer 81 sieht man die Widersprüchlichkeit des Urteils: behauptet wird ein individueller Vorteil, alles was in den vorhergehenden Randnummern als mögliche Vorteile genannt werden, sind aber - falls überhaupt zutreffend, was hier nicht diskutiert werden soll - allgemein-gesellschaftliche Anliegen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: NichtzahlerKa am 31. August 2019, 17:11
Naja es ist ein potentieller Vorteil: Wenn Du Dich in der Wohnung einschließt, kein Internet hast, keine Zeitung und nur ein Programm im TV läuft, dann hast Du einen Informationsvorteil (worin der sich manifestiert, wenn Du eh nur vor der Glotze hockst, ist egal). Da sich potentiell jeder so verhalten kann, hat jeder potentiell einen Vorteil. Ob sich die Leute wirklich so verhalten ist egal, der Gesetzgeber darf zur Verwaltungsvereinfachung, vereinfachende Annahmen treffen.
Ich hätte es jetzt auch überspitzt formulieren können, aber ich dachte ohne Überspitzung ist es besser für die Klarheit. Der "allgemein-gesellschaftliche Vorteil" ist also immer auch ein potentiell-individueller. So geht die Quadratur des Kreises: Ein Fabelwesen Steuerbeitrag wird herbeifabuliert, weil es keinen Unterschied mehr gibt zwischen allgemeinen und individuellen Vorteilen und "in dubio pro magistratus" geurteilt wird.
Wäre der Rundufunkbeitrag eine Steuer (für die "Steuerzahler" mehr zahlen als andere), und es würde ein Steuerzahler klagen, dass von seinen Steuern nun 1750€ im Monat für Rundfunk draufgehen, dann wäre er wieder "ohne individuelle Gegenleistung" und daher "gerechtfertigt aus Steuermitteln finanziert zu werden".
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 31. August 2019, 20:14
@NichtzahlerKA
@LECTOR

Befasst Euch doch bitte einmal mit dem Wortlaut der im Betreff genannten Randziffer 81 und laßt alles andere hier unberücksichtigt.

Es geht gerade nicht um einen "potentiellen Vorteil"; es geht um die "Möglichkeit der Nutzung" und dem allein daraus folgenden "individuellen Vorteil". Und nur dieser konkret vorhandene "individuelle Vorteil" ist bebeitragungsfähig.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Zeitungsbezahler am 01. September 2019, 16:36
Dieser "Vorteil" heißt aber für Gewerbebetriebe immer: Geld!
Entweder wird Geld mit dem Vorteil verdient oder eingespart, auf jeden Fall läßt er sich immer monetarisieren, der Vorteil rechtfertigt die "Abschöpfung" selbigen.
Das Rumgeeiere des Verfassungsgerichts bezüglich der Mietwagen (mit und ohne Radio, mit Radio dürfte man wohl mehr Miete rechtfertigen können als ohne - wobei die Kostenbildung recht blödsinnig ist, da man ja auch für ein Auto ohne Radio die gleiche Abgabe zahlen muß, es also gar keinen "Vorteil" gibt) und auch die Nichtbehandlung der Betriebsstättenabgabe (denn jeder Mitarbeiter zahlt ja schon privat, die Autos sind ein ebenso blödsinniger Maßstab wie die Wohnungen) sind Angriffspunkte. Dies wäre bei einer "privaten" Klage ja durchaus von Belang, weil man mit der gleichen Begründung völlig ungleiche Dinge in einen Topf wirft und damit den Etat des ÖRR speist.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 01. September 2019, 16:59
Dieser "Vorteil" heißt aber für Gewerbebetriebe immer: Geld!
Kann/darf für einen Gewerbebetrieb hier anderes gelten, als für die Privatperson? Immerhin differenziert der Wortlaut zu dieser Rn. 81 nicht zwischen "natürlicher Person" und "juristischer Person"; ergo gilt diese Aussage doch für beide Personengruppen?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Kunibert am 01. September 2019, 18:09
Dieser "Vorteil" heißt aber für Gewerbebetriebe immer: Geld!
Kann/darf für einen Gewerbebetrieb hier anderes gelten, als für die Privatperson? Immerhin differenziert der Wortlaut zu dieser Rn. 81 nicht zwischen "natürlicher Person" und "juristischer Person"; ergo gilt diese Aussage doch für beide Personengruppen?

Ja das stimmt:

Der Vorteil liegt darin, die Informationen (angeblich) journalistisch aufbereitet zu bekommen.

Das bedeutet, dass man/frau sich das Abo sparen kann.
Das bedeutet einen Nachteil für die übrigen Medien.
Das bedeutet eine Einschränkung der Pressefreiheit für diejenigen, die keine Rundfunkgelder bekommen.
Das bedeutet eine Verletzung des Art 5 GG.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Zeitungsbezahler am 03. September 2019, 08:34
Ja das stimmt:

Der Vorteil liegt darin, die Informationen (angeblich) journalistisch aufbereitet zu bekommen.

Das bedeutet, dass man/frau sich das Abo sparen kann.
Das bedeutet einen Nachteil für die übrigen Medien.
Das bedeutet eine Einschränkung der Pressefreiheit für diejenigen, die keine Rundfunkgelder bekommen.
Das bedeutet eine Verletzung des Art 5 GG.

Der "Vorteil" bedeutet aber, daß der Gewerbebetrieb deshalb (mehr) Geld verdient.
Nun erkläre mal einer, auf welche Art und Weise ein Handwerksbetrieb Geld verdient, wenn er ÖRR hört, statt sich auf seine Arbeit zu konzentrieren? Erkläre man mir, wie ein Callcenter, ob der Möglichkeit, ÖRR zu nutzen Geld verdient oder spart? Wie verdient eine Fabrik Geld mit dem ÖRR?
Selbst wenn man einzelnen Büromitarbeitern erlaubt, ÖRR während der Arbeit zu nutzen, arbeiten die deshalb effektiver?
Alleine die Tatsache, daß alle Gewerbebetriebe über einen Kamm geschoren werden, beweist doch, daß es mit der Beitragsgerechtigkeit nicht sehr weit her sein kann.
Die einzige Beitragsgerechtigkeit, die mir dazu einfällt, wäre die Nichtheranziehung...
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: seppl am 03. September 2019, 09:35
Hier zwischendurch ein etwas anderer Gedankengang:

Der angenommene individuelle Vorteil der Möglichkeit des Konsums öffentlich rechtlicher Angebote wird zu 100% mit dem Rundfunkbeitrag abgegolten.

Eine Begründung dafür, dass ein Alleinwohnender seinen 100%igen individuellen Vorteil zu 100% zahlen soll, jedes "Individuum" eines X-Personenhaushaltes jedoch für denselben 100%igen individuellen Vorteil nur zu 100%/x zahlen soll ist nicht nachvollziehbar.

Eine erklärende Einschränkung des 100%igen Vorteils, die eine Reduzierung des Beitrags verständlich machen würde,  wäre meiner Vorstellung nach z.B. wenn es nur ein Empfangsgerät geben würde. Dann könnten eben nicht alle gleichzeitig das schauen/hören, was ihrem Vorteil entspräche. So würde sich der Vorteil dann auf alle Bewohner aufteilen. Diese Zeiten sind aber lange vorbei, wo die Familie lauschend gemeinsam vor dem Rundfunkempfänger saß...

Es wird erklärt, dass durch neuartige Empfangsgeräte jeder jederzeit unabhängig von Räumlichkeiten und anderen Personen 100%igen Zugriff auf seinen individuellen Vorteil haben kann. Er sollte daher eigentlich auch individuell mit 100% daran beteiligt werden, wenn Gleichbehandlung herrschen soll.

Wie könnte sich der "Rabatt" für Mehrpersonenwohnungen  begründen lassen, wenn es sich um einen individuellen also nicht gruppenbezogenen Vorteil handeln soll??
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 03. September 2019, 10:19
Vom Anfang an und über alle Instanzen war die Argumentation der Gegenseite und ihrer Unterstützer Willkür. Man kann nicht Willkür Argumentation entgegnen. Das Urteil hat meiner Meinung nach weder Kopf noch Fuß: das sollte eher ein Jurist bloß stellen. Argumentieren hat keinen Sinn. Die Frage ist jetzt, wie man vorgeht, ohne in politische Bigotterie zu fallen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 03. September 2019, 11:33
Der Bruderurteilstext
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
wurde von herausragenden Juristen analysiert und bewertet.
Die Widersprüchlichkeiten wurden herausgearbeitet - siehe u.a. unter
BVerfG-Urteil vom 18.7.: Juristische Abhandlungen und Kommentare [Sammelthread]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28254.0.html

Das BVerfG musste den Beitrag als solchen rechtfertigen: es musste glaubwürdig einen individuell zurechenbaren Vorteil erkennen, der die Bebeitragung (im privaten Bereich) rechtfertigt. (RN 80f)

Professor Matthias Cornils - siehe u.a. unter
Matthias Cornils: Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31951.0.html
formuliert u.a. so:
Zitat von: Cornils, Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
Die informationelle (im weiten Sinn) „Grundversorgung“ durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist seit jeher begründet worden mit ihrer und unaufgebbaren Bedeutung sowohl für die individuelle als auch für die öffentliche Meinungsbildung. Das in der Verwendung fast nie getrennte Begriffspaar „individuelle und öffentliche Meinungsbildung“ bringt die Doppelfunktionalität der Informationsleistung sprachlich zum Ausdruck. Dabei geht es aber kaum um ein mit scharfem Blick sezierbares Nebeneinander individualnützlicher und allgemeinwohldienlicher Aspekte, sondern eher um eine Frage der Perspektive auf Kommunikationsprozesse, in denen die Information der Einzelnen (hier durch das Massenmedium Rundfunk) notwendige Voraussetzung ihrer (wenn man so etwas akzeptiert) „demokratischen Mündigkeit“ ist, damit zugleich aber auch überindividuell die demokratische Diskursfähigkeit der Gesellschaft im Ganzen stabilisiert. Das BVerfG freilich will zwischen der demokratischen Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (dem
abgabenrechtlich angeblich irrelevanten „gesamtgesellschaftlichen Vorteil“) und dem (abgabenrechtlich allein relevanten) individuellen Nutzen, der im potentiellen Rundfunkempfang liege, strikt unterscheiden (keine „Demokratieabgabe“) – und scheitert damit doch schon im nächsten Absatz seiner Begründung: Das starke Bekenntnis, das das Gericht zur –noch gewachsenen – Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Digitalzeitalter ablegt, argumentiert durchweg gerade mit klassischen („Vielfaltssicherung“) und neuen („Orientierungshilfe“) demokratiefunktionalen Argumenten, erklärt aber an keiner Stelle, weshalb diese Funktionen des öffentlich-rechtlichen Angebots denn auch für den Einzelnen nützlich sind, auf welche Perspektive und Instanz es für diese Nützlichkeitsbewertung eigentlich ankommt (das „wohlverstandene Interesse“ des Abgabenschuldners und potentiellen Rundfunkempfängers selbst? Oder eine normativ-paternalistische Nutzendefinition durch den Gesetzgeber?), inwiefern also die aufgeführten Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diesen als sachlich gerechtfertigten Individual-Vorzug qualifizieren und nicht als illegitim „aufgedrängten Vorteil“. Wenn die eindringlichen Ausführungen zur Unverzichtbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in dem abgabenrechtlichen Argumentationszusammenhang, in dem sie stehen, einen Sinn haben, dann kann dieser nur darin bestehen, dass die demokratischen (gesamtgesellschaftlichen) Funktionen des Rundfunks zugleich die Rundfunkempfangsmöglichkeit für den Einzelnen als hinreichend validen Belastungsgrund auszeichnen. Diese „Brücke“ von den allgemeinen zu den individuellen Vorteilen fehlt aber in den Entscheidungsgründen; wäre sie – deutlich überzeugender – geschlagen worden, hätte damit freilich zugleich der Ausgangspunkt der angeblichen Irrelevanz des „gesamtgesellschaftlichen Nutzens“ für die Abgabenrechtfertigung aufgegeben werden müssen.
Quelle: http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2018_6_1270.pdf

Die Argumentation, welche das BVerfG vorbringt, um den Beitrag als solchen zu rechtfertigen, ist, wie Professor Cornils anführt, nicht vollständig überzeugend.

Man  muss jedoch anerkennen, dass das Gericht, den Beitrag als solchen rechtfertigte.
Das Gericht hat dargelegt, worin der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil liegt. (RN 80f)

Daraus folgt zwingend: Was nicht den individuell zurechenbaren Vorteil ausmacht, ist nicht bebeitragungsfähig und müsste über eine andere Form finanziert werden. Der potentielle Nutzer ist "nicht anschlussfähig" an öffentlich-rechtliche Angebote, die nicht dem individuellen Vorteil zugerechnet werden können.

Es vermischen sich bebeitragsungsfähiger individuell zurechenbarer Vorteil und anderweitig zu finanzierende Wünsche an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, auch in der Ansicht des Professor Cornils:
Zitat von: Cornils, Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
Dieses Ziel der Erhaltung und Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als eines unentbehrlichen Faktors nichtkommerzieller publizistischer Rationalität für die Informationsversorgung der Bevölkerung, aber auch für das kulturelle Leben (Filmproduktion, Kulturorchester usw.), ist auch heute noch hoch respektabel und verdient Zustimmung.

Die Darlegung des BVerfG, was den individuell zurechenbaren Vorteil ausmacht, bildet die Grundlage für die weitere Argumentation. Die Entscheidung des BVerfG ist anzuerkennen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: NichtzahlerKa am 03. September 2019, 12:32
Zitat von: Matthias Cornils
Dieses Ziel der Erhaltung und Absicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als eines unentbehrlichen Faktors nichtkommerzieller publizistischer Rationalität für die Informationsversorgung der Bevölkerung, aber auch für das kulturelle Leben (Filmproduktion, Kulturorchester usw.), ist auch heute noch hoch respektabel und verdient Zustimmung.
Ich weiß nicht, was daran so schwer zu begreifen ist: Nur weil das Ziel "hoch respektabel" ist, ist es das Mittel noch lange nicht. Wir bringen ja auch nicht die 90% der Menschheit um, um die Erderwärmung aufzuhalten.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt bisher auch nur irgendeinen Beweis schuldig, dass er irgendwie informative Wirkung hat. Es gibt Studien, die zeigen, dass die Stunden, die man Facebook nutzt, besser darin angelegt sind, um politische Information zu erhalten! Also wo liegt hier der (Mehr-)Wert? Es gibt ihn einfach nicht, er wird nur ohne Beweis behauptet. So ziemlich jedes andere "Informationssystem" für das man 8 Milliarden ausgeben würde, wäre effizienter. Und warum? Weil es nicht gewollt ist, dass Leute informiert werden. Es ist lediglich gewollt, dass sich große Parteien darstellen können. Eigentlich sind die 8 Milliarden lediglich eine umständliche Parteienfinanzierung.
Dass kein Gericht nirgends auch nur den Versuch unternimmt- die (Gegen-)Leistung tatsächlich zu messen oder zu quantifizieren, ist ein Skandal. Es ist reinstes undemokratisches Zwangrecht, mehr zu bebeitragen als gebraucht, gewollt oder geleistet wird. Hier kommt sogar alles drei zusammen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 03. September 2019, 13:02
Ein interessanteres Zitat aus Cornils Aufsatz - siehe nochmals unter
Matthias Cornils: Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31951.0.html

Zitat von: Cornils, Kommentar zum "Rundfunkbeitrags"-Urteil BVerfG vom 18.07.2018
Für  den  Abgabengesetzgeber  (des  Rundfunkbeitrags)  sieht  das BVerfG  keine  Anhaltspunkte  für eine strengere  gleichheitsrechtliche Bindung,  der  Gleichheitssatz greift nur in seiner Bedeutung als Willkürverbot. Er sei daher schon dann „eingehalten“, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund  für  seine  Wahl  des  Abgabengegenstandes  vorbringen kann,  die  Berücksichtigung  sachwidriger,  willkürlicher  Erwägungen ausgeschlossen  ist  und  die  konkrete  Belastungsentscheidung  nicht mit  anderen  Verfassungsnormen  (insb. denjenigen der Finanzverfassung) in Konflikt gerät.

Da versucht das Gericht, den Verdacht auszuräumen, dass das ganze das sei, was es genau ist: Willkür.
Und wie versucht es das BVefG? Mit weiterer Willkür!

Hier ging es um den deutlichsten Verstoß gegen das Grundgesetz: Ungleichbehandlung bei mehreren Bewohnern. So deutlich, dass sogar Laien den Verstoß leicht erkennen können. Und trotzdem wandte da das Gericht seine Willkür an und hörte keine Argumente.

Was für Sinn hat es, über Vorteil oder Nicht-Vorteil, Vozugslast, Beitrag, usw. zu reden, wenn die andere Seite sich nicht an  Argumente, Logik, usw. hält? Wie kann man über den Inhalt eines Urteils diskutieren, das in diesem Geist gefällt wurde?

Das Argument der Gegenseite ist: Rundfunk ist wichtig und gut für Dich, Du musst den Beitrag zahlen, Punkt, keine Diskussion!
Auf U.S. amerikanischem English: no arguments! Die U.S. Amerikaner verstehen das Wort "argument" wie unzulässige Diskussion, Streit.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 03. September 2019, 19:33
Diskutiert Ihr nicht schon wieder über Elefanten?

Aus Rn. 81, und nur um diesen dortigen Wortlaut geht es hier prioritär; Rn. 80 ist insofern unter "Fernerliefen". Und nur das Vorhandensein der in Rn. 81 vorhandenen Möglichkeit darf als Grundlage für den Beitrag herangezogen werden.

Freilich besteht immer die Variation der Falschauslegung einer Entscheidung, nämlich dann, wenn der Wortlaut mehrdeutig gehalten ist. Aber ist der Wortlaut in Rn. 81 mehrdeutig? Für meine Auffassung nicht.

Und, wo bitte, ist das BVerfG hier willkürlich?

Wenn etwas willkürlich ist, dann doch das Mißverstehen der eindeutigen Aussagen des BVerfG, welches es über die Jahre hinweg getroffen hat, weil das korrekte Verstehen den Ländern/dem Rundfunk erhebliche Mindereinnahmen bescheren würde?

Wer von Euch allen hat sich wirklich mal die Mühe gemacht, die in der Entscheidung benannten älteren Entscheidungen zu sichten? Denn diese sind zur Deutung des Textes, weil das BVerfG auf diese verweist, genauso heranzuziehen.

Weiter heißt es in eben dieser Rn. 81:
Zitat
[..] Es handelt sich daher beim Rundfunkbeitrag um einen Beitrag, der für die potentielle Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung erhoben wird (vgl. BVerfGE 9, 291 <297 f.>; 92, 91 <115>; 110, 370 <388>; 113, 128 <148>; 137, 1 <18 Rn. 43>).
Nun fragen wir uns aber, was, wenn nun die potentielle Inanspruchnahme schlicht unterbleibt?

Einerseits, weil die technischen Möglichkeiten der Nutzung fehlen; (Achtung Falle: "Internet" ist kein "Rundfunk" kraft auch Deutschland bindender Vorgabe durch Europa); andererseits, weil es überhaupt kein Interesse an der Nutzung hat, weil die Angebote des ÖRR mit der Würde, (siehe Art. 1 GG), des potentiell möglichen Interessenten kollidieren, der nur deswegen die "Möglichkeit der Nutzung" ausschlägt, weil der ÖRR davon absieht, seiner bestimmungsgemäßen Funktion nachzukommen?

Diese mit Rot hervorgehobene Entscheidung ist übrigens die "Feuerwehrabgabe", die das BVerfG bekanntermaßen gekippt hat.

BVerfGE 9, 291 - Feuerwehrabgabe
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv009291.html

Daraus:

Rn. 16
Zitat
1. Wenn fraglich ist, ob eine gesetzliche Vorschrift den Gleichheitssatz verletzt, muß Klarheit darüber bestehen, welche Aufgabe dem Gesetze gestellt war und welcher rechtlichen Mittel es sich bei ihrer Lösung bedient hat; nur so läßt sich beurteilen, ob die Merkmale erkannt und "richtig", d. h. unter Beachtung der Forderungen der Gerechtigkeit, bewertet sind, die bestimmte Sachverhalte als "gleich" oder "ungleich" im Sinne dieser konkreten rechtlichen Regelung erscheinen lassen, und ob darnach diese Sachverhalte zu Recht oder zu Unrecht in die gesetzlichen Tatbestände einbezogen oder aus ihnen ausgeschieden sind.

Rn. 27
Zitat
3. Bleibt somit die rechtliche Konzeption, von der das Gesetz ausgeht, unklar, so ist für jede der mehreren Deutungsmöglichkeiten die Frage der Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Rn. 30
Zitat
Als Beitrag wird nach der üblichen, auch in § 1 Abs. 1 AO verwendeten Begriffsbestimmung die Beteiligung der Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung ("Veranstaltung") bezeichnet (BVerfGE 7, 244 [254 f.]). Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Gegenleistung: das Gemeinwesen stellt eine besondere Einrichtung zur Verfügung; wer davon besonderen wirtschaftlichen Nutzen hat, soll zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen.

Rn. 32
Zitat
[...] Beitragspflichtig können nur diejenigen sein, die besondere Vorteile von der gemeindlichen Einrichtung haben [...]

Die im Zitat der Rn. 81 benannte zweite Entscheidung hat es direkt beim BVerfG:

Rn. 101
Zitat
[...] Die zu einer Sonderabgabe herangezogene Gruppe muß durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit abgrenzbar sein [...]

Ganz interessant übrigens:

Rn. 102
Zitat
[...] Das Feuerwehrwesen ist eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb - soweit nicht ein Teil der aufgewandten Finanzmittel im konkreten Fall im Wege des Kostenersatzes (vgl. § 36 FwG BW, Art. 28 BayFwG) wieder ausgeglichen werden können - nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, im wesentlichen also durch die Gemeinlast Steuer, finanziert werden darf (vgl. BVerfGE 55, 274 <306>; 82, 159 <180>). Wird in einem solchen Fall nur ein abgegrenzter Personenkreis mit der Abgabe belastet, so verstößt dies auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfGE 9, 291 <301>).  [...]

BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Januar 1995
- 1 BvL 18/93 -, Rn. (1-105),

http://www.bverfg.de/e/ls19950124_1bvl001893.html

Wir haben hier also, Obacht, 2. Entscheidungen betreffend der Feuerwehrabgabe? Nämlich BVerfGE 9, 291, und BVerfGE 92, 91 ? -> Ja, richtig:

BVerfGE 9, 291 - Feuerwehrabgabe
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv009291.html

BVerfGE 92, 91 - Feuerwehrabgabe
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv092091.html
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 03. September 2019, 20:17
Die "Möglichkeit der Nutzung" ist also auch im Lichte des Art. 1 GG  zu sehen; sie ist nicht gegeben, wenn der öffentliche Rundfunk seiner Funktion gemäß Rn. 80 der hier zur Diskussion stehenden Entscheidung nicht nachkommt und der potentielle Interessent durch Inhalt und Art der angebotenen Rundfunkdarbieteungen in seiner Würde verletzt wird, dessen Ausmaß nur er alleine individuell zu bestimmen vermag.

Die Möglichkeit der Nutzung ist auch dann gegeben, wenn die Sender nicht senden und egal was sie senden, denn es ist möglich, dass sie mal wieder senden und das senden, was sie senden sollen.

Und nein, Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten usw. als Tatbestand für einen Beitrag sind neu: um den Rundfunkbeitrag zu rechtfertigen.

Das BVerfG erklärte diesen verfassungswidrigen "Beitrag" nicht für verfassungswidrig: *das* ist, was zählt.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 04. September 2019, 16:32
@MichaelEngel

Du meinst Deine Aussage nicht ernst?

Die "Möglichkeit der Nutzung" ist nur dann gegeben, wenn einerseits das technische Equipment dafür vorhanden ist und der Rundfunk darüberhinaus in Echtzeit seinem gesetzlich definierten, bzw. vom BVerfG herausgearbeiteten Funktionsauftrag entspricht.

Ob der Rundfunk "irgendwann einmal" seinem Funktionsauftrag entsprechen könnte, ist für die Übereinstimmung zu Art. 1 GG ohne jede Relevanz, da es alleine darauf ankommt, daß der Rundfunk jetzt seinem Funktionsauftrag entspricht; nur dann ist die "Möglichkeit der Nutzung" Basis für den beitragsrelevanten individual-konkreten Vorteil.

Wir wollen, auch wenn es hier nicht Thema sein soll, nicht übersehen, welchen konkreten Wortlaut Art. 10 EMRK hat, dem mit EuGH C-260/89 auch mit Bindung für die Bundesrepublik Deutschland abschließend gesetzten Level der unabdingbaren Einhaltepflicht.

Der erste Schritt muß vom Bürger ausgehen, und er darf vom Staat und seinen Behörden nicht dazu gezwungen werden.

Wenn der Rundfunk, also die verantwortliche LRA im Einzugsbereich des betroffenenen Bürgers, nicht wirklich ein Millionen Euro Bußgeld wegen Mißachtung der DSGVO, (bspw.), dringend benötigt, sollte sie tunlichst darauf achten, daß in ihrem Verantwortungsbereich die DSGVO allzeit konsequent eingehalten wird.

Das Gute an der DSGVO ist nämlich, daß sich keine datenverarbeitende Stelle auf Nichtverantwortlichkeit berufen kann, da sie stets als "gemeinsam verantwortlich" seitens Europas definiert worden sind.

Bekannt ist sicherlich, daß das Land Berlin bereits wegen Mißachtung der DSGVO ein Millionenbußgeld gegen ein Unternehmen vorbereitet? (Kraft BGH KZR 31/14 sind ja auch die LRA "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts").
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 05. September 2019, 00:32
Die "Möglichkeit der Nutzung" ist nur dann gegeben, wenn einerseits das technische Equipment dafür vorhanden ist und der Rundfunk darüberhinaus in Echtzeit seinem gesetzlich definierten, bzw. vom BVerfG herausgearbeiteten Funktionsauftrag entspricht.

Die Möglichkeit besteht auch dann, wenn der Rundfunk noch nicht entdeckt worden wäre, denn es ist möglich, ihn zu entdecken.
Die Möglichkeit besteht auch dann, wenn die Anstalt den Auftrag nicht erfüllt, denn es ist möglich, ihn zu erfüllen.
Eine Befreiung, geschweige denn ein Opt-Out vom Zwang, wegen Nicht-Erfüllung des Auftrags ist nicht vorgesehen.
Man zahlt eben für diese Möglichkeit, die Wirklichkeit spielt keine Rolle mehr.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 05. September 2019, 07:48
Und über das Thema Möglichkeit äußerte mich schon in meinem Verfahren, siehe §4, §5 in: https://stmichael.tk/2015-07-29K.htm

Da geht es darum, wie die Begriffe Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einschleichend in die Argumentation gebracht wurden: vorher ging es um Nutzung, Nutzungsvermutung, nicht um Möglichkeit.

Auch der Begriff des Vorteils wurde umgedeutet: früher ging es um Vorteil gegenüber anderen, der auf Grund des Gleichheitssatzes ausgeglichen werden sollte, heute geht es um etwas Gutes, was dem Bürger angeboten wird und er deswegen zahlen soll, auch wenn er es nicht für gut hält.

Auch der Gleichheitssatz wurde umgedeutet: sich auf ein schwammiges Willkürverbot zu halten, genügt, um ihn zu erfüllen.

Es wurde eine "Entwicklung" in die Rechtsprechung absichtlich herbeigeführt. Wir sind ja im Zeitalter der "Erneuerungen" (zu Ungunsten der Bürger und zu Gunsten des mehr oder weniger demokratischen, sogenannten Rechtsstaates) aller möglichen Gesetze.

Und wer sollte die Kosten des Streits zahlen? Eigentlich das Gericht, denn der Wille der Richter ist unerforschlich. Eben Willkür.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marga am 05. September 2019, 11:23
(...)
Die Möglichkeit besteht auch dann, wenn der Rundfunk noch nicht entdeckt worden wäre, denn es ist möglich, ihn zu entdecken.
(...)
Man zahlt eben für diese Möglichkeit, die Wirklichkeit spielt keine Rolle mehr.
(...)

OT: >start<

Eine Fiktion/Möglichkeit/Wirklichkeit/Glaubenspraxis der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten!

In Wirklichkeit ist es angemessen und Gesetz, bedroht durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die allmächtige, ewige Landesrundfunkanstalt, immer und überall zu finanzieren“.  :angel:

Quelle: Präfätion
https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4fation

OT: >end<
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 05. September 2019, 15:05
@MichaelEngel

Deine Deutung ist trotzdem falsch, denn gemäß den im Urteil zitierten weiteren Entscheidungen braucht es nun einmal zwei eindeutig zu identifizierende Gruppen; nämlich eine Gruppe, die bebeitragt wird, und eine andere, die nicht bebeitragt wird. Siehe hierfür die zitierten Textteile aus den Entscheidungen zur Feuewehrabgabe. Und diese Gruppe, die nicht bebeitragt wird, kann nur die Gruppe der Nichtnutzer sein; einmal eben wegen der bei dieser Gruppe durchaus fehlenden technischen "Möglichkeit der Nutzung" und einmal wegen der "Unmöglichkeit der Nutzung" infolge mangelnder Funktionserfüllung des Rundfunks.

Daß der Rundfunkbeitrag nicht gekippt worden ist, liegt alleine daran, daß nicht der Wortlaut der Verträge und Zustimmungsgesetze bundesverfassungswidrig ist, sondern die Durchführung, die bislang offenbar noch keiner der Betroffenen bundesverfassungsrechtlich geahndet hat.

Und gerade in den Bereich der Durchführung einer Bestimmung fallen die bislang vom BVerfG getroffenen Entscheidungen zur Einhaltung der EMRK, zur Vorlagepflicht an den EuGH, zum Vorrang völkerrechtlicher Verträge, etc., wie freilich auch EuGH C-260/89 mit der Kernaussage, daß in der Gemeinschaft keine Maßnahme rechtens ist, die sich über Art. 10 EMRK hinwegsetzt.

Zur Erinnerung:
Art. 10 EMRK gewährt dem Bürger das Recht, keine staatliche Einmischung in sein mit Art. 10 EMRK gewährtes europäisches Grundrecht der Informations- und Meinungsfreiheit hinnehmen zu müssen. Kraft dem erwähnten EuGH C-260/89 gesetztes Recht auch für alle Mitgliedsländer der EU.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: LECTOR am 07. September 2019, 19:11
Die "Möglichkeit der Nutzung" ist nur dann gegeben, wenn einerseits das technische Equipment dafür vorhanden ist [...]

Die pinguinische Deutung der "Möglichkeit der Nutzung" mag zwar durchaus dem gesunden Menschenverstand entsprechen, trifft aber nicht die Auslegung, welche das BVerfG dieser "Möglichkeit" angedeihen lässt. Dazu reicht ein Blick in die weiteren Absätze des "Bruderurteils".

In Rn 82 heißt es:
Zitat
Die Möglichkeit der Rundfunknutzung ist für alle Beitragspflichtigen realistisch, weil das flächendeckende Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Vorhandensein geeigneter Empfangsgeräte jederzeit abgerufen werden kann. Es kommt daneben nicht darauf an, ob diese Nutzungsmöglichkeit tatsächlich weitgehend in Anspruch genommen wird.

Und alle Beitragspflichtigen sind für das BVerfG nun mal alle Wohnungsinhaber - auch die Nichtnutzer, bei denen das technische Equipment nicht vorhanden ist. Diese Kurve schlägt das Gericht in den Rn 89-90 seines Urteils, wo unmissverständlich ausgeführt wird:
Zitat
[Rn 89] Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob in jeder beitragspflichtigen Wohnung tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden ((1)) oder ob der Beitragspflichtige das Rundfunkangebot tatsächlich nutzen will ((2)).

[Rn 90] Die Gesetzgeber dürfen die Erhebung des Beitrags auch unabhängig von dem Besitz eines Empfangsgeräts vorsehen. Zwar verschafft sich der Beitragsschuldner erst durch das Bereithalten eines Empfangsgeräts eine konkrete Nutzungsmöglichkeit [...]. Ein Bezug zwischen dem in der Nutzungsmöglichkeit liegenden Vorteil und den Schuldnern des Rundfunkbeitrags besteht aber schon dann, wenn diese nicht über Empfangsgeräte verfügen. Denn die Möglichkeit des Rundfunkempfangs ist grundsätzlich im gesamten Bundesgebiet gegeben. Dass erst ein Empfangsgerät erforderlich ist, hat für den Zurechnungszusammenhang zwischen Vorteil und Beitragslast keine Bedeutung [...]

An dieser weiteren auf die Rn 81 folgenden Argumentation zeigt sich, wie wichtig es für das Urteil ist, diese "Möglichkeit der Nutzung" ins Feld zu führen. Denn diese "Möglichkeit der Nutzung" soll ja überall gegeben sein, weswegen dann das Gericht daraus mit einer an Absurdität grenzenden Logik folgert, dass der in der Nutzungsmöglichkeit liegenden Vorteil auch dann bestehe, wenn der "Beitragsschuldner" über keine Empfangsgeräte verfüge. Die Proklamation dieser "Möglichkeit der Nutzung", die zugleich ein "individueller Vorteil" darstellen soll sowie die Bestimmung der Zurechenbarkeit des Vorteils sind daher die tragenden Argumentationslinien des 'Bruderurteils'.

Das führt nun von der genauen Analyse der Rn 81 weg - und mag daher im vorliegenden Themenfaden nicht übermäßig ausgeführt werden, ist aber für das Verständnis dessen, was das BVferG mit der "Möglichkeit der Nutzung" und dem "individuellen Vorteil" von Belang.

Im Übrigen vermag wie oben bereits geäußert, ein aufmerksamer Leser nicht nachzuvollziehen, was der hier vom Gericht bemühte "individuelle Vorteil" sein soll.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: sky-gucker am 07. September 2019, 19:43
ABER
ebenfalls in RN 90

Zitat
Wo es Beitragsschuldnern objektiv unmöglich ist, zumindest über irgendeinen Übertragungsweg Rundfunk zu empfangen, soll auf Antrag eine Befreiung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV erfolgen (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 15/197, S. 41).

Wo kein Empfangsgerät, da ist es unmöglich Rundfunk zu empfangen und zwar ganz objektiv!
Die Möglichkeit ein Rundfunkempfangsgerät zu beschaffen ist nicht objektiv sondern subjektiv, denn diese Möglichkeit beruht immer 1. auf dem Willen 2. auf den finanziellen Möglichkeiten der Person.

Ein Rundfunkempfang ohne Empfangsgerät ist objektiv unmöglich.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 07. September 2019, 20:40
Zitat
[Rn 89] Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob in jeder beitragspflichtigen Wohnung tatsächlich Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden ((1)) oder ob der Beitragspflichtige das Rundfunkangebot tatsächlich nutzen will ((2)).

Wer ist also beitragspflichtig, die Wohnung oder der mögliche Nutzer?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 07. September 2019, 21:10
Das Bruderurteil ist zurecht kritisiert worden. Es nützt nur wenig. Wir müssen und können mit dem Urteil leben.

Der entscheidende Punkt, weshalb das Urteil für alle so interessant ist: das Gericht musste den Rundfunkbeitrag als solchen rechtfertigen. Für diese Rechtfertigung bedurfte es der Darlegung der Existenz eines individuell zurechenbaren Vorteils. Das Urteil ist hier deutlich kritisiert worden. Es nützt nur wenig. Wir müssen mit dieser Darlegung leben. Wir können das auch.

Der entscheidende Punkt, weshalb diese Darlegung interessant ist: das Gericht musste einen individuell zurechenbaren Vorteil glaubwürdig beschreiben, welcher es erst erlaubt, den potentiellen Nutzer zu bebeitragen. Das Gericht hat diesen individuell zurechenbaren Vorteil beschrieben: er besteht in der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der (ebenfalls) vom Gericht beschriebenen Funktion zu nutzen. Auf den Nutzungswillen kommt es dabei nicht an. Es kommt ausschließlich auf die Möglichkeit an. Der Nutzungswille bleibt außen vor, so paradox das klingt.

Fehlt diese Möglichkeit objektiv, dann kann der Beitrag nicht erhoben werden. Allerdings bedarf es dazu eines Antrags.

Nun fehlt dem einen jeglicher Übertragungsweg, weil er im Gebirge nicht einmal das Testbild empfangen könnte, wenn er theoretisch wollte: er hat keine Möglichkeit. Dem anderen fehlt es an der Möglichkeit, weil der Rundfunk ohne Funktion bleibt: der vom Gericht beschriebene Vorteil ist nicht erzielbar, weil der ÖRR inhaltlich nicht liefert, sondern die Beteiligten machen, was sie wollen, sie hätten ja Rundfunkfreiheit.

Die Frage ist nun, wer das Gutachten dafür erstellt, festzustellen, dass objektiv keine Möglichkeit existiert, den Rundfunk in seiner vom Gericht beschriebenen Funktion zu nutzen. Zuerst ist das ja nur eine zwar gut belegte Darlegung des Antragstellers. Das Gericht könnte jedoch mit dieser Form der individuellen Begutachtung nicht zufrieden sein. Eine Begutachtung ist allerdings unausweichlich, da es für die Bebeitragung notwendig ist, dass der individuell zurechenbare Vorteil objektiv erzielbar ist. Kommt der ÖRR seinem Funktionsauftrag in der Hauptsendezeit überhaupt nach? Das Zurückbehaltungsrecht ist jederzeit vorhanden, wenn der individuell zurechenbare Vorteil nicht vorliegt. Wenn der Abwasserkanal nicht gebaut ist, dann existiert auch keine Möglichkeit, das Grundstück anzuschließen.

Ja, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist viel zu groß und viel zu teuer. Aber das BVerfG hat mit der Beschreibung des den Beitrag rechtfertigenden individuellen Vorteils Recht gesprochen. Es kann jedoch nur Bestandskraft entfalten, wenn die betroffenen potentiellen Nutzer verstärkt darauf pochen. Das hätte u.a. den Vorteil: für nicht bebeitragungsfähige Inhalte muss dann eine andere Finanzierungsquelle erschlossen werden - eine nutzungsabhängige zum Beispiel.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: gez-negativ am 07. September 2019, 21:15
Wer ist also beitragspflichtig, die Wohnung oder der mögliche Nutzer?

Der Begriff 'beitragspflichtigen Wohnung' ist mir suspekt?

Gibt es bei der Hundesteuer einen beitragspflichtigen Hund? Wohl doch eher der Halter.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 07. September 2019, 22:39
@marx

Auch in Belangen des Rundfunkbeitrages braucht es wegen den in der Entscheidung zitierten 2 Entscheidungen zur gekippten Feuerwehrabgabe zur Beitragserhebung eine klare Gruppe, die demgegenüber nicht bebeitragt wird.

Auch ist noch nicht verstanden worden, daß nur Interessenten bebeitragt werden dürfen; wäre die Gruppe der Interessenten mit der Gruppe der Allgemeinheit identisch, müssten zur Finanzierung Steuermittel eingesetzt werden; geht aus den Entscheidungen zur gekippten Feuerwehrabgabe eindeutig hervor.

Allerdings bedarf es dazu eines Antrags.
Du hast Art. 10 EMRK nicht verinnerlicht, und auch nicht EuGH C-260/89 zu Art. 10 EMRK und nicht die Ausführungen des BVerfG zu dieser Thematik?

Wieso sollte es eines Antrages bedürfen, wo sich der Staat doch überhaupt nicht einmischen darf?
Dem Staat ist es verwehrt, der Gruppe der Nichtinteressenten vorzugeben, daß sie sich befreien lassen müssten, bzw. befreien lassen könnten, denn auch dieses wäre ein Eingriff in den Art. 10 EMRK.

Da das BVerfG die Beitragserhebung an das Interesse mit der vom Beitrag finanzierten staatlichen Leistung verbindet und es eine klare Unterscheidung zwischen der beitragspflichtigen Gruppe der Interessenten und der nicht-beitragspflichtigen Gruppe der Nichtinteressenten geben muß, kann die Gruppe der Wohnungsinhaber nicht mit der Gruppe der Interessenten identisch sein, denn der Rundfunkbeitrag dient erwiesenermaßen nicht dafür, dem Interessenten seine Wohnung zu finanzieren. Die nicht-beitragspflichtige Gruppe kann folglich nur die Gruppe der Rundfunknichtinteressenten sein.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 08. September 2019, 14:33
Du erlaubst also, vom Kernthema abzuschweifen…

Auch in Belangen des Rundfunkbeitrages braucht es wegen den in der Entscheidung zitierten 2 Entscheidungen zur gekippten Feuerwehrabgabe zur Beitragserhebung eine klare Gruppe, die demgegenüber nicht bebeitragt wird.

Auch ist noch nicht verstanden worden, daß nur Interessenten bebeitragt werden dürfen; wäre die Gruppe der Interessenten mit der Gruppe der Allgemeinheit identisch, müssten zur Finanzierung Steuermittel eingesetzt werden; geht aus den Entscheidungen zur gekippten Feuerwehrabgabe eindeutig hervor.

Wir haben ja bemerkt, dass diese Argumentation (der Kläger) nicht dazu ausgereicht hat, der Rundfunkabgabe die Steuereigenschaft zuzuerkennen. Der logische Schluß daraus ist, klar: eine zweite - nicht-bebeitragbare - Gruppe existiert zwingend.

Das BVerfG sieht das im Bruderurteil - Randnummer 67 - so:

Zitat von: BVerfG v. 18.7.2018, RN 67
Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann (vgl. BVerfGE 137, 1 <22 Rn. 52>). Bezugspunkt für die Feststellung eines besonderen Vorteils ist nicht die Stellung der Abgabepflichtigen im Vergleich zur Allgemeinheit; entscheidend ist vielmehr die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe von den Gemeinlasten als allgemeinen staatlichen Aufgaben (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 - VGH B 35/12 -, NVwZ 2015, S. 64 <71>). Der Vorteil rechtfertigt die Erhebung einer Vorzugslast neben der Steuer. Ebenso, wie es der Erhebung einer Steuer nicht entgegensteht, dass das Gesetz nur einen eng begrenzten Kreis von Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BVerfGE 145, 171 <207 Rn. 103>), steht es auch der Erhebung einer Vorzugslast nicht entgegen, dass das Gesetz einen unbestimmten Kreis von Beitragspflichtigen vorsieht. Voraussetzung ist dann allerdings, dass für alle Beitragspflichtigen eine realistische Möglichkeit besteht, die öffentliche Leistung oder Einrichtung nutzen zu können.

Es stellt für die Bebeitragung ausschließlich auf das Vorliegen eines individuell-konkret zurechenbaren Vorteils ab. Dieser Vorteil muß für das zu bebeitragende Individuum objektiv vorliegen. Nun wäre in einer idealen Welt die freundliche Frage des GEZ-Beauftragten "Haben Sie Rundfunkgeräte?" zu wandeln gewesen in: "Haben Sie Interesse?".

Das nicht-interessierte Individuum muss hier nun jedoch seine Abwehrrechte gegen den Staat zum Einsatz bringen, da die Behörde automatisiert (ohne Prüfung, gegen die gesetzlichen Bestimmungen, eigenmächtig) unterstellt, es könne ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden, und in der Folge grundrechtsverletzend zwangsanmeldet.

Wieso sollte es eines Antrages bedürfen, wo sich der Staat doch überhaupt nicht einmischen darf?
Dem Staat ist es verwehrt, der Gruppe der Nichtinteressenten vorzugeben, daß sie sich befreien lassen müssten, bzw. befreien lassen könnten, denn auch dieses wäre ein Eingriff in den Art. 10 EMRK.

Innerhalb der Logik des RBStV existiert die Möglichkeit der Beitragsbefreiung auf Antrag. Für ein Individuum, das Interesse an einem rechtmäßig handelnden öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat, bietet sich die Option, die vom BVerfG geöffnete Flanke zu nutzen. Denn: das BVerfG hat beschrieben, worin der individuelle Vorteil besteht, der die Bebeitragung erst ermöglicht.

Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: U15000 am 08. September 2019, 16:27
Das BVerfG sieht das im Bruderurteil - Randnummer 67 - so:
Zitat von: BVerfG v. 18.7.2018, RN 67
Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann (vgl. BVerfGE 137, 1 <22 Rn. 52>). Bezugspunkt für die Feststellung eines besonderen Vorteils ist nicht die Stellung der Abgabepflichtigen im Vergleich zur Allgemeinheit; entscheidend ist vielmehr die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe von den Gemeinlasten als allgemeinen staatlichen Aufgaben (vgl. VerfGH RP, Urteil vom 13. Mai 2014 - VGH B 35/12 -, NVwZ 2015, S. 64 <71>). Der Vorteil rechtfertigt die Erhebung einer Vorzugslast neben der Steuer. Ebenso, wie es der Erhebung einer Steuer nicht entgegensteht, dass das Gesetz nur einen eng begrenzten Kreis von Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BVerfGE 145, 171 <207 Rn. 103>), steht es auch der Erhebung einer Vorzugslast nicht entgegen, dass das Gesetz einen unbestimmten Kreis von Beitragspflichtigen vorsieht. Voraussetzung ist dann allerdings, dass für alle Beitragspflichtigen eine realistische Möglichkeit besteht, die öffentliche Leistung oder Einrichtung nutzen zu können.
Ich möchte die Aussage des BVerfG im Urteil v. 18.7.2018, RN 67 aufgreifen.
Zitat
Voraussetzung ist dann allerdings, dass für alle Beitragspflichtigen eine realistische Möglichkeit besteht, die öffentliche Leistung oder Einrichtung nutzen zu können.

Für mich besteht keine realistische Möglichkeit die öffentliche Leistung oder Einrichtung nutzen zu können!

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Bruderurteil vom 18.7.2018 keinen gesetzlichen Zwang zur Beschaffung von Geräten zur Umwandlung elektromagnetischer Schwingungen in Töne oder Bewegtbilder manifestiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Bruderurteil vom 18.7.2018  lediglich die Vermutung aufgestellt, dass solche Geräte zur Umwandlung elektromagnetischer Schwingungen in Töne oder Bewegtbilder in jeder Wohnung vorhanden seien. Einen Beweis für diese gewagte Behauptung blieb das Bundesverfassungsgericht in seinem Bruderurteil vom 18.7.2018 schuldig.

Von meiner Seite besteht kein Bedürfnis solche Störquellen in meinen privaten Bereich einzubringen.

Meine Wohnung ist nicht im Stande, die unerlaubt eindringenden elektromagnetischer Schwingungen in Töne oder Bewegtbilder zu wandeln.

Fazit: Für mich besteht daher keine realistische Möglichkeit die öffentliche Leistung oder Einrichtung nutzen zu können!

Daher darf ich in keiner - wie auch immer gearteten - Weise belästigt werden.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 08. September 2019, 19:30
@marx
Wir bleiben schon beim Thema, nur keine Sorge, manchmal ist es aber nötig, den Blick etwas weiter zu fassen.

Für ein Individuum, das Interesse an einem rechtmäßig handelnden öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat, bietet sich die Option, die vom BVerfG geöffnete Flanke zu nutzen.
Das ist ja richtig; aber wer das Interesse nicht hat, muß diese Option weder nutzen, noch sich auf diese Option verweisen lassen?

Schau; BGH KZR 31/14 legt fest, daß die ÖRR "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" sind. Diese bundesfachgerichtliche Entscheidung des einzig dafür zuständigen obersten Bundesfachgerichtes hebelt auch das BVerfG nicht aus, weil es zu fachgerichtlichen Entscheidungen nicht befugt ist.

Zwischen einem Unternehmen und dem Bürger hat es grundsätzlich erst einmal keinerlei Rechtsbeziehung, beide sind insofern vom Staat als gleichrangig zu behandeln.

Wir haben aber ein Wettbewerbsrecht und dazu auch Entscheidungen des EuGH, bspw., weil Wettbewerbsrecht wegen des europäischen Binnenmarktes alleiniges EU-Recht ist und auch das Bundesrecht dem zu folgen hat. Daraus hat der Bund dann wiederum die Verpflichtung, den Verbraucher gegenüber den Unternehmen besonders in Schutz zu nehmen.

Der Rundfunkbeitrag ist keine Steuer, der Rundfunkbeitrag ist nicht von der Allgemeinheit zu leisten.

Die vom Rundfunk vorgenommen Direktanmeldungen sind vom Gesetz nicht gedeckt und stünden, wenn wir vom Falle eines zwar vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, aber dennoch in Folge dieser Direktanmeldung zustande kommenden Vertrages zwischen Bürger und Rundfunk ausgehen wollen würden, dem Wettbewerbsrecht von EU wie Bund entgegen, denn 


Zitat
§ 3a Rechtsbruch

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

->
Zitat
§ 3 Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig.
(2) Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.
(3) Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.
[...]

->
Zitat
Anhang (zu § 3 Absatz 3)
(Fundstelle: BGBl. I 2010, 262 - 263)

Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Absatz 3 sind

[...]
2.
    die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung;
[...]
29.
    die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder erbrachter Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen und [...]

Oder auch:

Zitat
§ 4a Aggressive geschäftliche Handlungen
(1) Unlauter handelt, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. [...]

(2) Bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist, ist abzustellen auf

1.
    Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung;
2.
    die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;
3.
    die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen;

[...]

Zu den Umständen, die nach Nummer 3 zu berücksichtigen sind, zählen insbesondere geistige und körperliche Beeinträchtigungen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst und die Zwangslage von Verbrauchern.

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)
https://www.gesetze-im-internet.de/uwg_2004/BJNR141400004.html#BJNR141400004BJNG000101140

Sorry, werter User Marx, aber der Rundfunknichtinteressent hat keine Pflichten aus seinem Nichtinteresse, gar keine; schon gar nicht jene, sich beim Rundfunk als Nichtinteressent zu erklären.

Die den BGH nicht aushebelnde Aussage des BVerfG kann nur so gedeutet werden, daß alleine Rundfunkinteressenten überhaupt beitragspflichtig sein können, denn nur diese werden üblicherweise dann auch über Rundfunkempfangsgeräte verfügen und damit den ersten Teil der "Möglichkeit der Nutzung" erfüllen; wirklich beitragspflichtig sind sie allerdings erst dann, wenn der Rundfunk seinem Funktionsauftrag nachkommt, ergo nicht die Würde des potentiell beitragspflichtigen Rundfunknutzers auf Grund mißratenem Rundfunkprogramm verletzt.

Dieses zitierte GWB ist ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, denn es gilt uneingeschränkt für alle Marktteilnehmer, also auch für die "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts" namens LRA.

Wie willst Du ohne Verkennung des Bundesrechtes, welches kraft Art. 31 GG ja Landesrecht bricht, hier zu einer anderen Einschätzung gelangen?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 09. September 2019, 13:46
Die meisten werden bereits in einer Beziehung zur Rundfunkanstalt stehen oder noch in Zukunft von ihr zwangsangemeldet werden. Es ist dann eine Frage, wie die individuellen Abwehrrechte in Stellung gebracht werden. Insofern besteht hier ein Handlungszwang, um die eigenen Rechte durchzusetzen.

Natürlich kann jeder sich auf den Standpunkt stellen, der Rundfunk in seiner aktuellen Beschaffenheit schadet der Allgemeinheit mehr, als er nützt. Mindestens 80% der Allgemeinheit wünschen eine Korrektur des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems.

Die erste Hälfte möchte mit dem Mist, den der Rundfunk verzapft, nichts zu tun haben: angewidert abgewendet, keine Geräte, oder kein Interesse. Topzulistende Must-Be-Found-Inhalte - sollten diese für Internetplattformen und Suchmaschinen gesetzlich bestimmt werden -  würden in dieser Gruppe den Unmut nur verstärken. Diese Gruppe der Nicht-Interessenten nimmt also zu.

Die andere Hälfte würde sich einen schlankeren öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen: einen, der die vom BVerfG beschriebene (bebeitragungsfähige) Funktion erfüllt.  Der ÖRR ist viel zu groß und viel zu teuer. Die Handelnden werfen das Geld abseits vom Funktionsauftrag nur so zum Fenster hinaus (Pensionen, Doppelstrukturen, Fiktion, Unterhaltung). Die offene Diskussion um den Auftrag kann sich nun nur unter Beachtung des BVerfG-Urteils vom 18.7.18 abspielen. Denn: das BVerfG hat beschrieben, worin der individuelle Vorteil besteht, der die Bebeitragung erst ermöglicht.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: PersonX am 09. September 2019, 14:00
Auch das Bundesverfassungsgericht hat keine Abgrenzung vorgenommen, was der Grundversorgungsauftrag nicht ist. Damit fehlt weiterhin die Prüfungsmöglichkeit. Es bleibt auch nach dieser Entscheidung dabei: Es gibt keine Stelle, welche prüfen kann, mangels Abgrenzung, was zu finanzieren ist und was nicht. Das stellt immerhin immer noch einen Mangel da. Denn die Anstalten melden Ihren Bedarf. Die KEF prüft aber nicht gegen eine Abgrenzung, weil diese bisher nicht definiert wurde. Der Vorschlag der KEF enthält somit Grund- und Zusatzversorgung. Zusatzversorgung ist nicht gegen den freien Willen durchsetzbar. Bei der Grundversorgung streiten wir seit 2013 weiter. Das andere wurde bereits festgestellt. Kann dem Bundesverfassungsgericht sicherlich auch nochmals vorgetragen werden.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 09. September 2019, 14:20
Das BVerfG hat lediglich dargelegt, worin der individuelle Vorteil besteht, der die Bebeitragung ermöglicht.

Diese Darlegung läßt eine grobe Klassifizierung des ÖRR-Angebots in "(potentieller) Vorteil" und "Nicht-Vorteil" zu. Das kann ja jeder einmal für sich selbst durchführen: ein Programmheft einer Woche nehmen und durchgehen. Wie hoch ist der bebeitragungsfähige Anteil?

Im zweiten Schritt sind diejenigen Angebote, denen ein Vorteil unterstellt werden könnte, genauer zu prüfen. Das kann jeder selbst für sich exemplarisch: Entspricht das Angebot wirklich der Beschreibung des Gerichts?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: MichaelEngel am 09. September 2019, 14:25
Der Vorschlag der KEF enthält somit Grund- und Zusatzversorgung.

Das sehen auch die Politiker so, die für diesen Beitrag gestimmt haben. Das bemerkte ich schon in meiner Klageschrift, §6
(https://stmichael.tk/2014-10-13KL.htm):

Zitat
Ich zitiere jetzt aus Drucksache 5/7537 zu Drs 5/7465 vom Sächsischen Landtag "Entschließungsantrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion" (23.11.2011) bezüglich dem Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag:

    "Der Landtag stellt fest, dass

    (a) der Modellwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum Haushaltsbeitrag [sic] als Zwischenschritt [sic] für eine zukunftsfähige Sicherung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks grundsätzlich [sic] zu begrüßen ist und eine richtige Antwort auf die Konvergenz der Empfangsgeräte darstellt. Das neue System kann die Zahl der Schwarzhörer und -seher und langfristig den Kontrollaufwand durch Gebührenbeauftragte senken.

    (b) alle Vorhaben, welche der qualitativen Verbesserung der Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Generierung eines spürbaren Mehrwerts für die Bürger und der Konzentration auf den Kernauftrag [sic] des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dienen, zu begrüßen sind."

Der grundsätzlich begrüßte Haushaltsbeitrag soll also ein Zwischenschritt sein: Was kommt danach? Eine Haushaltssteuer? Was ist die sicher schon feststehende Begründung der erneuten Umstellung? Die Sendungen sollen sich auf den "Kernauftrag" konzentrieren: Gibt es also andere, breitere, nicht so wichtige Aufträge? Für welchen Auftrag soll ich diesen Beitrag zahlen?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: PersonX am 09. September 2019, 14:48
"ein Programmheft" reicht dabei nicht aus. Nicht zur Grundversorgung können auch solche Kosten gehören, welche nicht mittelbar etwas mit dem Programm selbst zu tun haben, sondern z.B. mit Gehaltskosten, welche nicht mit Regeln zum öffentlichen Dienst in Vereinbarung gebracht werden können, oder Kosten für Beteiligungen, welche außerhalb des Grundversorgungsauftrags liegen. Beteiligung an Werbung Agenturen, Beteiligung an Hotels, Beteiligung an undurchsichtigen Geflechten von Firmen, welche der Transparenz nicht zugänglich sind.
Es sind nicht zwingend Programmbestandteile, welche die Zusatzversorgung ausmachen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Zeitungsbezahler am 09. September 2019, 15:10
Wie der Vorschreiber in seiner Drucksache ausführte: "Schwarzseher und -Hörer", wenn ich das schon wieder zur Kenntnis nehmen muß, grr...
Durch den Systemwechsel gibt es aber einen ganz großen Unterschied: Früher gab es einige, die nutzten, aber nicht bezahlten, heute gibt es reichlich Bezahler, die aber nicht nutzen...
Ich spekuliere mal, die Zahl der heutigen Nichtnutzer übersteigt die Zahl der früheren Nichtzahler gewaltig!

Es wäre ein leichtes, die Nichtnutzer von den Nutzern zu trennen und dann hätte man ja auch eine klare Abgrenzung gegenüber den (potentiellen) Zahlern und Nichtzahlern.
Die bisherigen Nichtzahler aus juristischen Gründen können nämlich überwiegend auch Nutzer sein (die Taubblinden mal ausgenommen...).
Deshalb schreit das ja nach Verschlüsselung: Der Zahler bekommt seine Zugangsdaten/Smardkarte/Settopbox, der Nichtzahler ist Nese.

Ich habe ja immer noch nicht begriffen, wie das Bundesverfassungsgericht die notwendige Trennung der Teilgruppe von der Allgemeinheit ignorieren konnte, ohne Willkür als Erklärung anzunehmen.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: PersonX am 09. September 2019, 16:00
Es hat die Notwendigkeit nicht gesehen und erklärt, dass eine unbestimmte Vielzahl zu einem Beitrag herangezogen werden kann, wenn es möglich ist dem Heranzuziehenden einen speziellen Vorteil zu unterstellen. Stark verkürzt: Alle, die einen solchen Vorteil haben können, sind damit nicht die Allgemeinheit ;), sondern eine unbestimmte Menge an potenziellen Vorteilsempfängern. Da das Angebot sich an die Allgemeinheit richtet, ist diese Menge zufällig identisch. Geräte braucht es für den speziellen Vorteil nicht, weil der nicht im Empfang liegt, sondern in der Möglichkeit der "Beeinflussung", das Bundesverfassungsgericht verklausulierte das etwas, als dass der Bürger und die Presse keine Ahnung mehr hat und durch das große Angebot vergessen hätte, wie denken geht und es deshalb quasi zum Vergleich selektive und bewertete Informationen geben muss, damit der Bürger seine Sichtweise vergleichen kann. Der Vorteil soll in der Nutzung des Angebots in dieser Funktion sein. Wer das genau wissen will Urteil - lesen RN ca. 60 bis 135
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 09. September 2019, 18:28
Nehmen wir an, die Gemeinde beschließt, eine neue Kläranlage zu bauen.

Nun könnte sie auf die Idee kommen, jeden zur Zahlung von Beiträgen zu verpflichten, der an diese Kläranlage angeschlossen werden könnte, weil für das Grundstück die Möglichkeit dafür zur Verfügung gestellt wurde: Bebeitragung des potentiellen Vorteils.

Irrsinnigerweise kommt die irre Gemeinde jedoch zusätzlich auf die Idee - neben vielen Luftschlössern - einen großen Pool auf dem Gelände der Kläranlage einzurichten. Es werden "Hoëcker"-Rutschen installiert, die hoch in den Himmel ragen. Mit flinken Aufzügen wird der zu Bespaßende in die Höhe gefahren, um von weit oben hinunterzustürzen, wahlweise in ungeklärtes oder geklärtes Wasser. Zur Verfügung gestellt werden Nasenklammern.

Die Frage lautet nun: ist die Finanzierung dieses DEGETO-Spaßbads durch Beiträge, welche ausschließlich für die Anschlußmöglichkeit an die Kläranlage zu leisten sind, rechtmäßig? Die Antwort, klar und deutlich: nein.

Ebenso verhält es sich mit Angeboten (und anderen Unternehmungen) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sich sorgfältig in die Kategorie "Nicht-Vorteil" einordnen. Das ist eine wesentliche Konsequenz aus dem BVerfG-Urteil vom 18. Juli 2018, in welchem das BVerfG darlegt, worin der die Bebeitragung rechtfertigende individuelle Vorteil liegt.

Für den die Rundfunkfreiheit betreffenden "Problemfall ÖRR" besteht der wesentliche Unterschied zum Kläranlagen-Beispiel  jedoch darin, dass das Individuum in diesem Bereich speziellen Grundrechtsschutz genießt. Das Postulat/die Unterstellung, es läge ein individuell-konkret zurechenbarer Vorteil vor, muss sich gegen diesen individuellen Grundrechtsschutz durchsetzen. Das kann es bei Interessenten nur dann, wenn der individuell-konkret zurechenbare Vorteil vorliegt.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Adeline am 10. September 2019, 08:58
Individuelle Gedanken zum „Individuellen Vorteil“

Was für ein Individuum ein Vorteil ist, kann nur das Individuum selbst entscheiden.
Wer glaubt, für ein anderes Individuum entscheiden zu können, entmündigt es und macht es zum Objekt, statt es in Würde zu behandeln.

Aus aktuellen Entscheidungen von gebildeten Menschen erwächst die Frage: Leben wir schon in einer entmündigten Gesellschaft? Haben sich die Menschen in der Mehrzahl schon zu Objekten machen lassen? Ob Politiker und Politikerinnen, ob Richter und Richterinnen,  ob Verwaltungsangestellte, was sie verkünden, klingt nicht nach eigenem Denken und Entscheiden in Freiheit und in dem Bewusstsein der eigenen Würde.

Weil mich der sogenannte Beitragsservice entmündigt und  mich gegen meinen Willen per Zwangsanmeldung  zu einer „Beitragsschuldnerin“ für den Fernsehkonzern erklärt hat, habe ich mich an das Bundesverfassungsgericht wegen der Verletzung meiner im Grundgesetz garantierten Rechte auf Achtung meiner Würde und Handlungsfreiheit gewandt.

Von dort habe ich gehört, dass es auf meinen Willen nicht ankommt und dass es ein individueller Vorteil für mich ist, wenn andere Menschen ihre Lebenszeit vor dem Fernseher verbringen können oder Millionenpensionen und Luxusgehälter beziehen.

Sollen die Menschen eine Gefahr für mich sein, wenn sie nicht vor dem Fernseher sitzen, oder wenn sie „normale“ Pensionen und Gehälter bekommen? Wie kann jemand überhaupt vermuten, ich hätte Angst davor, deshalb sei es von Vorteil für mich?

Also statt mich in meiner Würde und Handlungsfreiheit zu schützen, wurde ich auch von den Richtern und Richterinnen  des BverfG entmündigt und zum Objekt degradiert.

Da kann ich doch allen nur von ganzem Herzen wünschen, dass sie es wieder wagen, als Individuen selbst zu denken und zu entscheiden.

Da kann ich nur wünschen:
Mögen sie alle, ob Politiker und Politikerinnen, Richter und Richterinnen,
sonstige Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen,
ihre Entscheidungen in Freiheit und im Bewusstsein ihrer eigenen Würde treffen,
unter Wahrung der Würde ihrer Mitmenschen!
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: U15000 am 10. September 2019, 10:16
Individuelle Gedanken zum „Individuellen Vorteil“

Da kann ich nur wünschen:
Mögen sie alle, ob Politiker und Politikerinnen, Richter und Richterinnen,
sonstige Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen,
ihre Entscheidungen in Freiheit und im Bewusstsein ihrer eigenen Würde treffen,
unter Wahrung der Würde ihrer Mitmenschen!

Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert!
Politiker und Politikerinnen haben gewöhnlich nichts Gescheites gelernt und bangen um ihre Wiederwahl.
Richter und Richterinnen haben sich ohne Not und gewöhnlich aus niederen Beweggründen der Regelbeurteilung durch die Exekutive unterworfen, sowie akzeptiert, dass sie der Justizminister befördert, wenn sie brauchbar sind.
Sonstige Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen müssen mit Eintritt in die Berufslaufbahn ihre Würde an ihre Auftraggeber abgeben.

Für seine Würde ist jeder Mensch selbst verantwortlich
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 10. September 2019, 11:39
Da das Angebot sich an die Allgemeinheit richtet, ist diese Menge zufällig identisch.
Die Allgemeinheit ist aber nicht bebeitragungsfähig.

->
Zitat
Rn. 102 - 1 BvL 18/93 -
[...] Das Feuerwehrwesen ist eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb - soweit nicht ein Teil der aufgewandten Finanzmittel im konkreten Fall im Wege des Kostenersatzes (vgl. § 36 FwG BW, Art. 28 BayFwG) wieder ausgeglichen werden können - nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, im wesentlichen also durch die Gemeinlast Steuer, finanziert werden darf (vgl. BVerfGE 55, 274 <306>; 82, 159 <180>). Wird in einem solchen Fall nur ein abgegrenzter Personenkreis mit der Abgabe belastet, so verstößt dies auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfGE 9, 291 <301>).  [...]

BVerfG  -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Möglichkeit d. Nutzung = individuelle Vorteil
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31947.msg197190.html#msg197190

Auch interessant:
Zitat
Rn. 83 -  1 BvL 18/93 -
Daß die Feuerwehrabgabe keine Gebühr und kein Beitrag ist, liegt ebenfalls auf der Hand: Eine Gebühr wird für die tatsächliche, ein Beitrag für die potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung erhoben. Bei der Feuerwehrabgabe fehlt es an diesem Merkmal der staatlichen Gegenleistung. Sie wird nicht für die (tatsächliche oder potentielle) Inanspruchnahme von Leistungen der Feuerwehr erhoben (ebenso bereits BVerfGE 9, 291 [297 f.]; BVerwG, KStZ 1959, 148 [149]; BayVerfGH, BayVerfGHE 32, 18 [24]).

Die Inanspruchnahme der staatlichen Leistung muß also möglich sein.

Zur Erinnerung:

Die aktuelle Rundfunkentscheidung des BVerfG bezieht sich in Rn. 81 auch auf die Entscheidungen zur Feuerwehrabgabe.

Wir haben das große Problem, daß der EuGH mit C-337/06 bereits entschieden hatte, daß aus der Leistung der damaligen Rundfunkgebühr weder dem Bürger, noch dem Staat eine Gegenleistung erwächst.

Und nur dann, wenn es das Merkmal der staatlichen Gegenleistung hat, dürfen Gebühren oder Beiträge erhoben werden; siehe Hervorhebung in Blau im obigen Zitat zu Rn. 83  -  1 BvL 18/93 -.

Deshalb auch zur Erinnerung:

Zitat
Rn. 41
[...] und die Gebühr stellt keine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der von den fraglichen Einrichtungen erbrachten Dienstleistungen dar.

Rechtssache C-337/06
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=71713&doclang=DE

Hier erinnern wir uns, daß es zur Erfüllung des Begriffes "Gegenleistung" im europäischen Rahmenrecht eines Vertrages zwischen Dienstleister und Leistungsnehmer benötigt.

Vielleicht sollte in einem anderen Thema geklärt werden, was überhaupt eine "staatliche Leistung" darstellt; "Rundfunk" ist im europäischen Rahmenrecht nämlich keine staatliche Leistung, weil auch die Privatwirtschaft Rundfunk veranstalten darf.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marga am 10. September 2019, 12:12
Und nur dann, wenn es das Merkmal der staatlichen Gegenleistung hat, dürfen Gebühren oder Beiträge erhoben werden; siehe Hervorhebung in Blau im obigen Zitat zu Rn. 83  -  1 BvL 18/93 -.
Klingt gut, ist aber für die Deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit ohne Bedeutung!
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: sky-gucker am 10. September 2019, 14:58
Zitat
Rn. 102 - 1 BvL 18/93 -
[...] Das Feuerwehrwesen ist eine öffentliche Angelegenheit, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb - soweit nicht ein Teil der aufgewandten Finanzmittel im konkreten Fall im Wege des Kostenersatzes (vgl. § 36 FwG BW, Art. 28 BayFwG) wieder ausgeglichen werden können - nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, im wesentlichen also durch die Gemeinlast Steuer, finanziert werden darf (vgl. BVerfGE 55, 274 <306>; 82, 159 <180>). Wird in einem solchen Fall nur ein abgegrenzter Personenkreis mit der Abgabe belastet, so verstößt dies auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfGE 9, 291 <301>).  [...]

BVerfG  -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Möglichkeit d. Nutzung = individuelle Vorteil
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31947.msg197190.html#msg197190
...

aus der grünen Hervorhebung:
Im Fall Rundfunk wird belastet: Aus der Gruppe aller Wohnungsinhaber, ausschließlich der freiwillig angemeldete oder unfreiwillig willkürlich direktangemeldete "Beitragszahler".
Durch die RBStV (plural im Sinne der entspechenden Landesgesetze) wird nur ein abgegrenzter Personenkreis belastet - gesteigert wird dieser Verstoß gg. Art 3 Abs1. GG zusätzlich durch die gängige Verwaltungspraxis, eben keine "Gesamtschuldnerschaftsbescheide" zu erlassen.

Nicht belastet werden - alle Wohnungslosen, die auch ein Radio besitzen könnten, oder auch ein Smartphone und alle Wohnenden, die weder freiwillig noch diret angemeldet sind. Letztere sind von den RBStV zwar unter dem Begriff Wohnungsinhaber erfasst, eine Zahlungsmöglichkeit/Verbindlichkeit ergibt sich jedoch auf Grund der gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis nicht.

Darüber hinaus ergibt sich aus dem "Brüderurteil" ja auch, dass JEDER, absolut JEDER Mensch, der sich in Deutschland aufhält und sei es nur zur Durchreise, die Leistung des Rundfunks potentiell in Anspruch nehmen könnte (ausgenommen Menschen, denen es aus körperlichen Gründen objektiv unmöglich ist). Und auch das verstößt mit Sicherheit gegen deutsches, wenn nicht sogar europäisches Recht.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 11. September 2019, 00:19
Aus der Gruppe aller Wohnungsinhaber, ausschließlich der freiwillig angemeldete oder unfreiwillig willkürlich direktangemeldete "Beitragszahler"
Die Gruppe der Wohnungsinhaber ist für das Grundprinzip, das dem Beitrag zugrunde liegt, nicht relevant, denn die Wohnung ist keine staatliche Leistung, für die der Beitrag erhoben wird; die Grundverknüpfung ist Rundfunkbeitrag und Rundfunk.

Folglich ist auf Basis dieser Grundverknüpfung auf jene Gruppe abzustellen, die Interesse am Rundfunk hat und ihrerseits damit die "Möglichkeit der Nutzung", und nur dieses ist beitragspflichtig.

Bitte nie übersehen, daß wir uns im Bereich der Medien bewegen, damit im Schutzbereich von Art 5 GG als Bundesgrundrecht wie auch Art 10 EMRK, bzw. Art 11 Charta als jeweiligen Europagrundrecht; weder Europa-, Bundes- noch Landesgesesetzgeber haben zu irgendeinem Zeitpunkt per Gesetz festgelegt, daß sich die Behörden des Landes darüber hinwegsetzen dürfen.

Da zudem der Wesensgehalt eines Grundrechts unangetastet bleiben muß, bleibt nur jene Deutung, bzw., Auslegung, daß nur Rundfunkinteressenten rundfunkbebeitragt werden dürfen; nur bei dieser Gruppe der Rundfunkinteressenten liegt zwecks staatlicher Heranziehung zum Rundfunkbeitrag keine Mißachtung der nationalen wie europäischen Grundrechte vor.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: mullhorst am 11. September 2019, 10:02
Individueller Vorteil heißt doch

individuell = auf das Individuum, auf einzelne Personen oder Sachen, ihre speziellen Verhältnisse o. Ä. zugeschnitten, ihnen entsprechend
Vorteil       = etwas (Umstand, Lage, Eigenschaft o. Ä.), was sich für jemanden gegenüber anderen günstig auswirkt, ihm Nutzen, Gewinn bringt

Mal Beispiel Radio:
Person X hört Heavy Metal, angenommen user @Pinguin ist Techno-Freak und @Marga hört gerne Pop und Schlager
Hier hat @Marga wohl einen INDIVIDUELLEN VORTEIL gegenüber Person X und Pinguin, weil @Marga gern Schlager hört (= individuell ) und diese auch im Radio gesendet werden (= Vorteil). Obwohl so manche Rock und  Metal-Bands ganze Stadien füllen und T-Veranstaltungen ebenfalls meist ausgebucht sind, läuft hiervon nix im ör Radio. Und Person X und Pinguin müssen sozusagen in die Röhre gucken, selbstverständlich gegen Bezahlung.
Lieber ÖRR: Danke für nichts, und für nichts wird auch nichts gezahlt. Die Richter am Verfassungsgericht sind anscheinend in äußerst schlechter Verfassung.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: maikl_nait am 11. September 2019, 20:05
@mullhorst

mMn sehr gut getroffen
Zitat
individuell = auf das Individuum, auf einzelne Personen oder Sachen, ihre speziellen Verhältnisse o. Ä. zugeschnitten, ihnen entsprechend
beim Rf-Beitrag: die Wohnung

hier fehlte mMn die "Möglichkeit"
Zitat
[potentieller] Vorteil = etwas (Umstand, Lage, Eigenschaft o. Ä.), was sich für jemanden gegenüber anderen günstig auswirk[en kann] , ihm Nutzen, Gewinn bringt
beim Rf-Beitrag: die ominöse "Möglichkeit des Empfangs" -- für "gegenüber anderen" und den "Vorteil" kann und hat (lt. BVerfG) der Gesetzgeber einen Ersatzmaßstab angelegt: weder käme es für die Vorzugslast auf die "anderen" an (auch die Allgemeinheit wäre heranzuziehen), noch auf den Willen, die Tatsächlichkeit der Nutzung, oder Art des Vorteils.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 11. September 2019, 21:53
beim Rf-Beitrag: die Wohnung
Die Wohnung darf mit dem Rundfunkbeitrag verbunden werden, die relevante Gruppe jedoch nicht, da der Beitrag mit einer staatlichen Leistung verknüpft bleiben muß und die Wohnung keine staatliche Leistung ist.

Nur die potentielle Inanspruchnahme, also das In-Anspruch-nehmen-Können einer staatlichen Leistung,  ist bebeitragungsfähig!

Zitat
(auch die Allgemeinheit wäre heranzuziehen)
Und genau diese Folgerung ist eben falsch, sonst hätte das BVerfG nicht auf die Enrtscheidungen zur Feuerwehrabgabe verweisen brauchen, was es aber in Rn. 81 mit dem Hinweis auf BVerfGE 9, 291 und BVerfGE 92, 91 getan hat. Denn dort wird ausführlich dargelegt, daß die Allgemeinheit nicht bebeitragt werden darf.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: maikl_nait am 12. September 2019, 10:39
@pinguin
Der RfBeitrag ist nicht mit einer Gruppe von Leuten verknüpft, sondern mit der Wohnung.

-> Wer dann den "Tatbestand" des "Innehabens" erfüllt, ist pflichtig.

-> Es wird nicht die Allgemeinheit bebeitragt, sondern die Wohnungen, daraus darf sich lt. BVerfG die Pflicht Einzelner über die Allgemeinheit erstrecken.

Die Meinung des BVerfG ist fies, aber "real-existierende" Rechtsprechung. Wir liegen sicher nicht weit auseinander, was davon zu halten ist. Zumal sich die Richter ihre eigene(n) Zweitwohnung(en) selber befreit haben.

- Es kommt bei dieser Vorzugslast nicht auf die willentliche Nutzung der Möglichkeit an.

- Die Pflicht entsteht nicht aus einem Tatbestand, sondern aus einem Grundbedürfnis (Atmen, Trinken, Essen, Wohnen), und ist daher auch nicht willentlich herbeizuführen oder zu vermeiden.

-> Hier wird das Wollen und die Mündigkeit des Bürgers abgeschafft. Da nicht jeder damit einverstanden ist, wird mMn auch gegen den Schutz der Minderheit verstossen.

Es ist historisch bedingt mehr als seltsam, daß man im Bereich "Informationsquellen" zu solchen Maßnahmen greift, und das auch noch mit der Verfassung begründet.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 12. September 2019, 17:14
@maikl_nait

Wir mögen inhaltlich vielleicht nicht so weit auseinanderliegen, aber die direkte Verständigung geht offenbar fehl?

Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrages an die Wohnung wurde aus rein grundrechtlich verpflichtendem Sozialstaatsgebot gewählt! Das, was daraus fabriziert wurde, entspricht nicht der Intention des Gesetzgebers, jedenfalls nicht im Land Brandenburg, wo EMRK und Sozialcharta kraft Landesverfassung Landesgrundrecht sind.

Es wird offenbar nicht verstanden, daß nur eine staatliche Leistung bebeitragt werden darf.

Die staatliche Leistung, sofern es diese dank Wettbewerb im europäischen Kontext überhaupt gibt, ist der öffentliche Rundfunk, nicht die Wohnung.

Die Gruppe der Wohnungsinhaber darf nicht als jene beitragspflichtige Gruppe der Rundfunkinteressenten gedeutet werden; beide Gruppen sind nicht zwingenderweise identisch.

Nur die wohnungsinnehabende Gruppe der Rundfunkinteressenten darf bebeitragt werden.

Nichts anderes geht aus der letzten Rundfunkentscheidung des BVerfG hervor, wenn man sich die Mühe macht, sich in die darin benannten weiteren Entscheidungen einzulesen.

Das Problem ist nicht das Gesetz, sind nicht die Rundfunkstaatsverträge, sondern die in Teilen weder bundesgrundrechts- noch landesverfassungsgemäße Durchführung dieser Regeln.

Es wird hier nicht verstanden, warum millionenfach darauf hingewiesen werden muß, daß aus einer Vielzahl möglicher Durchführungsakte jener zu wählen ist, der den verfassungsgemäßen Grundsätzen am ehesten genügt.

Bitte verinnerliche auch Du für Dich, daß das Grundrecht in seinem Wesenszug nicht angetastet werden darf!

Die Einschränkung des Art. 5 GG darf gemäß dessem Abs. 2 nur durch allgemeine Gesetze erfolgen, und ein "allgemeines Gesetz" ist jenes, was alles regelt und nicht allein den Rundfunk speziell.

Die Rundfunkverträge sind keine "allgemeinen Gesetze" und nicht geeignet, Einschränkungen des Art. 5 GG vorzunehmen.

Noch ausführlicher hierzu das europäische Grundrecht mit Art. 10 EMRK, was jedem erlaubt, keine Einmischung des Staates dulden zu müssen.

Bitte berücksichtige, daß auch die Bürger der Bundesrepublik Deutschland Bürger der EU sind und sich als solche auch national voll auf die europäischen Grundrechte stützen dürfen, wenn sie den nationalen Grundrechtsschutz erweitern. Art. 10 EMRK wie auch Art. 11 Charta tun dieses; beide erweitern den nationalen Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG und sind nicht nur, aber auch deswegen für alle staatlichen Stellen absolut bindend.

Nur dann, wenn das europäische Grundrecht das nationale Grundrecht vermindern/schwächen würde, wäre es national gegenstandslos.

Es verhält sich hier wie mit BVerfG 2 BvN 1/95 zur Deutung von Art. 31 GG, nur mit umgekehrter Wirkung.

Landesverfassungsrecht bleibt bestehen, wenn es einen höheren Schutz als das Bundesverfassungsrecht vorsieht; der geringere Schutz führt hingegen zur Nichtigkeit selbst des Landesverfassungsrechts.

Das Bundesgrundrecht ist für die Bundesrepublik Deutschland hier das Maß der Dinge; der höhere Grundrechtsschutz geht immer, der niedere nimmer. Diese Aussage gilt auch gegenüber der europäischen Ebene.

Die europäische Ebene hat sich aber wiederum bei allen Verfassungen seiner Mitgliedsländer bedient und einen Grundrechtsschutz konstruiert, der nicht nur die Verfassungen der Länder abbildet, sondern in weiten Teilen darüber hinausgeht. Und genau dieser Umstand des Darüberhinausgehens, also des höheren Grundrechtsschutzlevels, sorgt für die absolute Bindung der nationalen Stellen an das europäische Grundrecht.

Es hat hier keine Grauzone und kein Entkommen aus dem europäischen Grundrecht; auch wenn es eine Frage der Zeit ist, wird es früher oder später jeden abholen, in dessen Verantwortung es liegt, dieses für seinen Verantwortungsbereich einzuhalten.

Die europäischen Mühlen mahlen sicherlich noch langsamer als die deutschen, aber sie zermahlen alles, was zwischen die Mühlsteine gerät.

Unterschätzt Europa nicht!


Edit "Bürger": Aufgrund der bei Antworten überschrittenen Zeichenanzahl im ursprünglichen Betreff "BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Möglichkeit d. Nutzung = individuelle Vorteil" > geändert/ gekürzt auf "BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?".
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Thejo am 20. Oktober 2019, 19:25
Zitat
Rn. 80 [...] durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden [...]

Rn. 81 In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil (vgl. zur Rundfunkgebühr BVerfGE 90, 60 <106>; BVerfGK 20, 37 <41>). [...]

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

(ich konsumiere nicht den örR und seine annektierten "neuen Medien" - kann deswegen den Inhalt nicht aus erster Hand beurteilen)

Die Kurzfassung: Ist es nicht Tatsache (sprich Fakt, als Gegenteil von "Fake-News"), dass der Verbund des örR die in Rn.80 aufgelistenen "Rechtfertigungen zur Erhebung des Beitrages" gar nicht erfüllt!? Und wie @Pinguin schon andeutete, auch eine Teilerfüllung oder eine irgendwann-mal-so-gelegentlich-in-den-tiefen-Nachstunden-wenn-kaum-einer-zusieht Alibi-Erfüllung nicht ausreichend ist.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: drboe am 20. Oktober 2019, 20:31
Die Anknüpfung des Rundfunkbeitrages an die Wohnung wurde aus rein grundrechtlich verpflichtendem Sozialstaatsgebot gewählt!
Nö! Nach eigener Darstellung wurde die Bebeitragung der Wohnung gewählt, weil es eine "zunehmende Flucht aus der (Geräte bezogenen) Rundfunkgebühr" gab.

Tatsächlich wurde in den Anstalten schon Ende der 1990er Jahre überlegt sich von der Anknüpfung an die Geräte zu lösen. In den folgenden Jahren wurden Gutachten verfasst, u. a. 2007 von Prof. Jarrass, die eine Anknüpfung an die Wohnung zum Gegenstand hatten. Nach den Überlegungen musste es allerdings noch die Möglichkeit geben die Voraussetzungen zur Zahlungspflicht widerlegen zu können. Die Gegenleistung wurde als zu gering für einen Beitrag eingeschätzt. Die Widerlegungsoption hätte allerdings der Erhöhung der Zahl der Zahlungspflichtigen und damit der Einnahmesteigerung entgegen gestanden, weshalb man sie fallen liess. In der Erhöhung der Einnahmen liegt der wahre Grund der Änderungen, denn natürlich waren die Pensionslasten schon damals bekannt bzw. deren Steigerung vorhersehbar.

Das, was daraus fabriziert wurde, entspricht nicht der Intention des Gesetzgebers, jedenfalls nicht im Land Brandenburg, wo EMRK und Sozialcharta kraft Landesverfassung Landesgrundrecht sind.
Quatsch! Die Landesregierung von Brandenburg war an der Ausarbeitung des sogn. Rundfunkbeitrags ebenso beteiligt wie die Regierungen der übrigen Bundesländer. Sie hat den Staatsvertrag ja nicht bewusstlos unterschrieben und in den Landtag eingebracht. Auch die Mitglieder des Landtages wussten über was sie abstimmen und waren wohl nicht nur körperlich anwesend bzw. hatten sicher ihre Gehirne nicht zu Haus vergessen. Der rbb ist nicht nur ein Konstrukt Berlins, sondern auch des Landes Brandenburg. Diese habe zusammen mit den übrigen Ländern die volle Verantwortung  dafür, was der sogn. Rundfunkbeitrag bewirkt. Dass dies etwas anderes ist als von Regierung und Parlament des Landes Brandenburg nicht gewollt war und ist, "man" etwas anderes daraus gemacht hätte, diese Behauptung  ist ausgemachter Blödsinn.

Es wird offenbar nicht verstanden, daß nur eine staatliche Leistung bebeitragt werden darf.
Wer ist "es"? Wenn damit Regierung und Parlamentarier in Brandenburg gemeint sind, so wären die unfähig. In dem Fall sollten die Bürger von Brandenburg einfach die Konsequenzen ziehen und andere beauftragen die Gesetze einzuhalten und die Interessen der Bürger zu vertreten.

Die staatliche Leistung, sofern es diese dank Wettbewerb im europäischen Kontext überhaupt gibt, ist der öffentliche Rundfunk, nicht die Wohnung.
Richtig!

Die Gruppe der Wohnungsinhaber darf nicht als jene beitragspflichtige Gruppe der Rundfunkinteressenten gedeutet werden; beide Gruppen sind nicht zwingenderweise identisch.
Richtig!

Nur die wohnungsinnehabende Gruppe der Rundfunkinteressenten darf bebeitragt werden.
Interesse setzt nicht voraus, dass man tatsächlich Rundfunk konsumiert oder technische Geräte vorhält, die die Nutzung ermöglichen. Ich habe auch Interesse an Raumfahrt, kann mir aber leider den Flug zum Mont nicht leisten.

Nichts anderes geht aus der letzten Rundfunkentscheidung des BVerfG hervor, wenn man sich die Mühe macht, sich in die darin benannten weiteren Entscheidungen einzulesen.
Falsch! Das BVerfG stellt fest, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn alle Wohnungsinhaber (und alle Firmeninhaber) zur Finanzierung des ÖR-Rundfunks herangezogen werden. Das BVerfG sagt auch, dass nichts dagegen spricht, wenn die zur Zahlung eines Beitrags Verpflichteten faktisch die gesamte Bevölkerung umfasst. Wenn du da etwas anderes herausliest, ....

Das Problem ist nicht das Gesetz, sind nicht die Rundfunkstaatsverträge, sondern die in Teilen weder bundesgrundrechts- noch landesverfassungsgemäße Durchführung dieser Regeln.
Unsinn! Das Gesetz, der Rundfunkbeitragsstaatsvertag, sind die Ursache des Problems. Und dahinter stecken die Regierungen und Parlamentarier der Länder. Das ist Fakt! Die Behauptung, man würde die Gesetze und Staatsverträge lediglich falsch verstehen und falsch anwenden ist Nonsense.

Unterschätzt Europa nicht!
Du meinst sicher die "Europäische Union". Bitte verinnerliche auch etwas; nämlich, dass die EU nicht identisch mit Europa ist.  :)

M. Boettcher
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: nichtmitmirunddir am 20. Oktober 2019, 21:21
Möglichkeit d. Nutzung:
Wie sieht es bei einem Mietvertrag aus, der explizit darauf hinweist, dass die ÖRRs nicht eingespeist werden? Technisch ist es kein Problem, dies umzusetzen. Dies müsste doch eine Befreiung zufolge haben  :police:.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: drboe am 20. Oktober 2019, 22:05
Möglichkeit d. Nutzung:
Wie sieht es bei einem Mietvertrag aus, der explizit darauf hinweist, dass die ÖRRs nicht eingespeist werden? Technisch ist es kein Problem, dies umzusetzen. Dies müsste doch eine Befreiung zufolge haben  :police:.

Der Empfang von Rundfunk ist, Empfangsgeräte vorausgesetzt, nicht nur via Kabel sondern auch terristisch, über Satellit oder, jedenfalls nach Vorstellungen der Sender und Gerichte, auch über das Internet möglich. Es dürfte wenige Punkte in der Republik geben, an denen kein einziger dieser Wege zur Verfügung steht. Es wird nun nicht der tatsächliche Empfang, sondern die reine Möglichkeit dazu bebeitragt. Allenfalls das Internet mit 56K-Modem oder ISDN geeignet ist, dürfte man wohl bestreiten können.

M. Boettcher
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: nichtmitmirunddir am 20. Oktober 2019, 22:49
Terrestrisch ist ja kaum noch möglich und als Mieter muss man die Gegebenheiten akzeptieren, die der Vermieter anbietet (SAT, Kabel). Wenn's da nicht die Möglichkeit gibt (nur mal angenommen), kann man jemanden wirklich zwingen, einen DSL-Vertrag abzuschließen, um diesen ÖRR zu schauen?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 20. Oktober 2019, 23:42
Du meinst sicher die "Europäische Union".
Nein; ich meine das, wie es geschrieben steht. Die EMRK, die gerade von mir immer eingebracht wird, ist ein Konstrukt des Europarates, dem 47 europäische Nationalstaaten angehören und nicht nur die noch 28 des Europäischen Rates, der die EU abbildet, und ein völkerrechtlicher Vertrag des Bundes, sowie kraft Beitritt, Recht der EU.

Die Landesregierung von Brandenburg war an der Ausarbeitung des sogn. Rundfunkbeitrags ebenso beteiligt wie die Regierungen der übrigen Bundesländer.
Ja, und? Findest Du an irgendeiner Stelle der Rundfunkverträge die Befugnis für Rundfunk wie Behörde, sich über die Verfassung des Landes oder die internationalen Verpflichtungen des Bundes, (EMRK), hinwegsetzen zu dürfen, wo doch schon aus Rn. 169 der 1. Rundfunkentscheidung des BVerfG hervorgeht, daß weder Kommune noch Länder die Befugnis dazu haben? Oder findest Du in der aktuellen, diesem Thema zugrunde liegenden Entscheidung des BVerfG irgendwo den belastbaren Hinweis, daß die vorhergehenden Rundfunkentscheidungen gegenstandslos geworden sind?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 21. Oktober 2019, 02:43
Die Gruppe der Wohnungsinhaber darf nicht als jene beitragspflichtige Gruppe der Rundfunkinteressenten gedeutet werden; beide Gruppen sind nicht zwingenderweise identisch.
Richtig!

Nur die wohnungsinnehabende Gruppe der Rundfunkinteressenten darf bebeitragt werden.
Interesse setzt nicht voraus, dass man tatsächlich Rundfunk konsumiert oder technische Geräte vorhält, die die Nutzung ermöglichen. Ich habe auch Interesse an Raumfahrt, kann mir aber leider den Flug zum Mond nicht leisten.

Nichts anderes geht aus der letzten Rundfunkentscheidung des BVerfG hervor, wenn man sich die Mühe macht, sich in die darin benannten weiteren Entscheidungen einzulesen.
Falsch! Das BVerfG stellt fest, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn alle Wohnungsinhaber (und alle Firmeninhaber) zur Finanzierung des ÖR-Rundfunks herangezogen werden. Das BVerfG sagt auch, dass nichts dagegen spricht, wenn die zur Zahlung eines Beitrags Verpflichteten faktisch die gesamte Bevölkerung umfasst. Wenn du da etwas anderes herausliest, ....

Dazu wäre wohl zu beachten die kühne Aussage im
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Rn 119
Zitat
[...] Fehlendes Interesse, das Angebot zu nutzen, entlastet im betrieblichen ebenso wenig wie im privaten Bereich von der Beitragspflicht.
Das BVerfG sagt somit leider nicht nur...
[...] dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn alle Wohnungsinhaber (und alle Firmeninhaber) zur Finanzierung des ÖR-Rundfunks herangezogen werden. Das BVerfG sagt auch, dass nichts dagegen spricht, wenn die zur Zahlung eines Beitrags Verpflichteten faktisch die gesamte Bevölkerung umfasst.
...sondern das BVerfG sagt damit zugleich (und somit wohl auch in Widerspruch zu bisherigen Rundfunkentscheidungen), dass es auf eine Gruppe der Rundfunkinteressenten überhaupt nicht ankommt.

Es läuft somit schon auf eine Rundfunkinteressemöglichkeitsabgabe hinaus.

Schlicht obszön.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 21. Oktober 2019, 06:20
dass es auf eine Gruppe der Rundfunkinteressenten überhaupt nicht ankommt.
Was aber zudem erheblich auch den BVerfG-Entscheidungen entgegensteht, siehe zur gekippten Feuerwehrabgabe, die sich mit der Beitragserhebung überhaupt befassen und eben die durchaus klare Aussage treffen, daß nur jene Interessenten bebeitragt werden dürfen, die ein potentielles Interesse an jener Sache haben, für die der Beitrag erhoben wird.

Und wenn sich das BVerfG selber widerspricht, ist es nicht am Bürger, das auszuräumen; zudem, nur das BVerfG selber kann seine eigenen Entscheidungen aufheben, bspw. Dieses aber wiederum würde dem Grundanliegen des §31 BVerfGG, wonach die Entscheidungen des BVerfG für alle Verfassungsorgane bindend sind, zuwider laufen, ist doch das BVerfG selbst ebenfalls ein Verfassungsorgan. Das BVerfG würde sich selbst überhaupt keinen Gefallen tun, würde es Lobby-Entscheidungen treffen; Glaubwürdigkeit hätte es dann jedenfalls keine mehr.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: drboe am 21. Oktober 2019, 09:38
Was aber zudem erheblich auch den BVerfG-Entscheidungen entgegensteht, siehe zur gekippten Feuerwehrabgabe, die sich mit der Beitragserhebung überhaupt befassen und eben die durchaus klare Aussage treffen, daß nur jene Interessenten bebeitragt werden dürfen, die ein potentielles Interesse an jener Sache haben, für die der Beitrag erhoben wird.

Die Feuerwehrabgabe gibt es seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr. Es ist völlig allerdings sinnfrei auf alten Entscheidungen des BVerfG herumzureiten, da es wohl unstrittig ist, dass das BVerfG 2018 mit dem Beschluss zum sogn. Rundfunkbeitrag eine Entscheidung zu Beiträgen gefällt hat, die im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung stehen, nach der der Gruppe der mit dem Beitrag Belasteten eine Gruppe gegenüberstehen muss, die von der Abgabe nicht betroffen ist. Mit der Aufgabe dieses Prinzips ermöglicht das BVerfG m. E. den Ländern am GG vorbei faktisch Steuern festzusetzen, die unter falscher Flagge als "Beitrag" segeln.

M. Boettcher
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: mullhorst am 21. Oktober 2019, 17:20
[...] unstrittig ist, dass das BVerfG 2018 mit dem Beschluss zum sogn. Rundfunkbeitrag eine Entscheidung zu Beiträgen gefällt hat, die im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung stehen [...]

Das BVerfG widerspricht sich selbst!  Mal so mal so, wie es eben gerade passt!

Frage:
Was zählt nun? Immer die neueste Entscheidung? Kann ja wohl auch nicht sein.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 21. Oktober 2019, 17:24
Was zählt nun? Immer die neueste Entscheidung? Kann ja wohl auch nicht sein.
Eine neuere Entscheidung, welche von der bisherigen ständigen - und das BVerfG selbst ebenso bindenden - BVerfG-Rechtsprechung maßgeblich (hier geradezu diametral) abweicht, könnte allenfalls dann maßgebend sein, wenn in der neueren Entscheidung auch "substantiiert" begründet würde, weshalb genau von der bisherigen (auch eigenen) ständigen Rechtsprechung abgewichen wird.

Wenn das nicht plausibel oder - wie hier - überhaupt nicht geschieht, dann bleibt es Willkür - und jedenfalls nicht bindend - und kann und sollte als solches wohl auch adressiert werden.

Stattdessen sollte dann die bisherige ständige Rechtsprechung des BVerfG hervorgehoben und als bindend deklariert werden.


Dies sollte hier im Thread jedoch nicht weiter vertieft werden, da dies eine eigenständige Frage ist.
Hier bitte weiter zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Danke für das Verständnis und die Berücksichtigung.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 16. Februar 2020, 14:38
Querverweis zu dem neuen Thema:

BVerfG 1 BvR 1675/16 - Rundfunkbeitrag ist eine Sonderabgabe
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33318.0.html

Da wird nämlich durchaus deutlich, daß nur Nutzer rundfunkbeitragsleistungspflichtig sind, denn das nachstehende Thema ist ebenfalls zu beachten:

Weiterführend dazu:

Zitat
Rn. 124 - BVerfGE 108, 186 - Nichtsteuerliche Abgaben

Zitat
[...] Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht. [...]

BVerfGE 108, 186 - Nichtsteuerliche Abgaben
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29952.msg187547.html#msg187547

Es bedarf für eine Sonderabgabe also einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabeerhebung verfolgten Zweck; der Zweck des Rundfunkbeitrages ist die Finanzierung des öffentlichen Rundfunks, nicht die Finanzierung der Wohnung.

Erst die Nutzung der Möglichkeit des Rundfunkempfanges schafft also die Grundlage zur Beitragsheranziehung; es heißt nämlich:


BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Rn. 60 - BVerfG 1 BvR 1675/16
Zitat
[...] Auch wenn Rundfunk von fast allen Personen empfangen werden kann und die Abgabe deshalb von einer Vielzahl von Abgabepflichtigen entrichtet werden muss, verliert sie nicht den Charakter einer Sonderlast und eines Beitrags und wird damit nicht zur Steuer. Denn sie wird für die jeweils individualisierbare Möglichkeit des Rundfunkempfangs durch die einzelne Person erhoben; in Ausnutzung dieser Möglichkeit individualisiert sich der konkrete Empfang bei jedem einzelnen Nutzer.

Man sehe "Sonderlast" und "Nutzer"
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: HÖRby am 18. Februar 2020, 10:24
@pinguin#17:
DFR - BVerfGE 92, 91 - [zweite] Feuerwehrabgabe 24.01.'95.pdf
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv092091.html

Da hats noch eine 'erste' Feuerwehrabgabe:
DFR - BVerfGE 9, 291 - Feuerwehrabgabe 20.05.'59
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv009291.html

Da gehts um eine(n) "[...] nicht geleistete(n) [...]-dienst/-pflicht [...]" (Rn18, 20, 26)
wegen des " [...] Interesses am 'Brandschutz' als Veranlagungsmaßstab." (Rn28)

Rn30
Zitat
Als Beitrag wird nach der üblichen, auch in § 1 Abs. 1 AO verwendeten Begriffsbestimmung die Beteiligung der Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung ("Veranstaltung") bezeichnet (BVerfGE 7, 244 [254 f.]). Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Gegenleistung: das Gemeinwesen stellt eine besondere Einrichtung zur Verfügung; wer davon besonderen wirtschaftlichen Nutzen hat, soll zu den Kosten ihrer Errichtung und Unterhaltung beitragen.

Hierzu auch nochmal mit den 'Bölck'schen Kreisen':
Zitat
c) Besonders anschaulich hat das BVerfG den Beitrag in seinem Beschluss vom 20. 5. 1959 definiert: Der Kreis der Beitragspflichtigen muss abgegrenzt werden. Abgrenzen bedeutet,  etwas Bestimmtes von etwas Anderem durch eine Grenze abtrennen. Das Bestimmte in diesem Sinne ist der (erste) Kreis der Beitragspflichtigen. Das Andere in diesem Sinne ist der (zweite) Kreis der Nicht-Beitragspflichtigen. Diese beiden Kreise müssen voneinander getrennt werden; zwischen ihnen muss eine Grenze gezogen werden."
(Bölck: Der Rundfunkbeitrag - eine verfassungswidrige Wohnungs- und Betriebsstättenabgabe, NVwZ 2014, 266 [268])

Rn39
Zitat
4. Die Bestimmung des Kreises der Beitragspflichtigen in § 38 Abs. 2 Satz 1 des Feuerwehrgesetzes widerspricht somit bei jeder möglichen Deutung des Feuerwehrbeitrags dem Gleichheitssatz: als abgabenrechtlicher Beitrag müßte er auf die beschränkt bleiben, die einen besonderen Vorteil von der Feuerwehr haben;
(BVerfGE 9, 291 - Feuerwehrabgabe, BvL 1, 7/58, 20.05.1959)
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 18. Februar 2020, 13:09
Zitat
Rn39
Zitat
4. Die Bestimmung des Kreises der Beitragspflichtigen in § 38 Abs. 2 Satz 1 des Feuerwehrgesetzes widerspricht somit bei jeder möglichen Deutung des Feuerwehrbeitrags dem Gleichheitssatz: als abgabenrechtlicher Beitrag müßte er auf die beschränkt bleiben, die einen besonderen Vorteil von der Feuerwehr haben;
(BVerfGE 9, 291 - Feuerwehrabgabe, BvL 1, 7/58, 20.05.1959)
Danke für Deine Ergänzung.

Dann fragen wir uns, was schon oft gefragt wurde, wer denn einen besonderen Vorteil vom Rundfunk hat?
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: drboe am 18. Februar 2020, 17:28
Dann fragen wir uns, was schon oft gefragt wurde, wer denn einen besonderen Vorteil vom Rundfunk hat?

Einmal natürlich die Rundfunkmacher, sie leben auf Kosten derer, die zur Zahlung verpflichtet werden; indirekt gehören auch die dazu, die zum Programm Filme etc. beisteuern. Zum anderen die Politiker, die den Rundfunk als Mittel der Beeinflussung, Meinungsmache, für Manipulation und Lügen, zur Sicherung ihrer Macht und Einnahmesteigerung nutzen können.

M. Boettcher
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: pinguin am 18. Februar 2020, 22:13
@drboe
Schön, daß Du mir indirekt zustimmst, daß die rundfunkfernen Personen keinen Vorteil vom Rundfunk haben.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 28. August 2022, 00:24
Siehe aktuelle Ergänzungen der Querverlinkungen im Einstiegsbeitrag:
Edit "Bürger":
[...]
"rundfunkbeitrags-rechtfertigender individ. Vorteil" gem. BVerfG 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36340.0

Bundesverfassungsgericht hebt Rundfunkbeitrag vorläufig auf 18,36 Euro an (08/2021)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35578.0
Wie lautet die Berechnungsformel der KEF für den monatl. "Rundfunkbeitrag"?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33390.0
Sammlung: Wo wird der Rundfunkbeitrag (rechtswidrig) ausgegeben?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23623.0

Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: seppl am 28. August 2022, 01:18
Da das Thema gerade wieder nach vorne gerutscht ist, hier ein Gedanke, der auf folgender These beruht:

Die Möglichkeit der Nutzung des Rundfunks ist ein individueller Vorteil für alle. Wie z.B. auch die Nutzung des Schulsystems oder die Nutzung von Strassen. Gäbe es keine Schulen oder Strassen, die über hoheitliche Abgaben finanziert werden würden, könnte keiner Vorteile daraus ziehen, selbst wenn Bedarf oder Auto vorhanden ist.

Allerdings ist die " Möglichkeit der Nutzung" das ziemlich genaue Gegenteil von "konkreter Nutzung", für letztere kann natürlich vom Nutzer ein Entgeld gefordert werden, das auch aus dem Privatvermögen zwangseingezogen werden kann.

Möchte jemand Geld für die "Möglichkeit der Nutzung" aus dem Privatvermögen einziehen, so bedarf es entweder einer Zustimmung des von der Zahlung betroffenen ( z.B. die Beiträge an einen Sportverein, die die Möglichkeit der Nutzung der Sportanlagen eröffnet und nicht die konkrete Nutzung abrechnet)

oder es gibt ein Bundesgesetz, wie z.B. die der Sozialabgaben, die auf den Vorgaben des Grundgesetzes aufbauen und daher auch die Möglichkeit des Zugriffs auf Privatvermögen eröffnet. Der Rundfunkbeitrag wird nämlich unabhängig vom Vermögen, den Beitrag zahlen zu können PER GESETZ fällig. Alle hoheitlichen Abgaben stellen VOR Forderung AUS SICH SELBST HERAUS fest, ob das Vermögen zur Abgabe vorhanden ist. Der Rundfunkbeitrag nicht. Im Falle des Rundfunkbeitrags muss man sich gegen die hoheitliche Forderung wehren und erklären, wenn nicht gezahlt werden kann. Einkommenssteuer ist prozentual ans Einkommen gebunden, Grundsteuer an Privateigentum, auch die Pflichtabgaben für Wohnungsbestand ist an den Eigentümer derselben gebunden (Wasserabgabe, Stadtreinigung etc. per Mietvertrag können diese Abgaben auf den Bewohner übergehen, was aber dann durch einen Privatvertrag abgesichert ist.)

Das BVerfG liegt zwar nicht grundsätzlich falsch mit "-> Möglichkeit d. Nutzung = individueller Vorteil" aber der individuelle Vorteil ist nicht unbedingt dazu geeignet auch individuelle Forderungen ohne grundrechtliche Absicherung zu stellen. Der Strassenbau hat z.B. den persönlichen individuellen Vorteil, dass lebensnotwendige Güter zu konkreten Personen oder Rettungsdienste konkret bestimmten Personen Hilfe leisten können, wird jedoch aus allgemeinen hoheitlichen Abgaben finanziert (trotz möglichem individuellen Vorteil!)

Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: marx am 28. August 2022, 10:23
Das Thema verlangt ganz sicher nach sehr differenzierter Betrachtung.

Aber ich möchte folgende Frage stellen. Aus welchem Grunde formuliert das BVerfG im Bruderurteil vom 18.7.18 (Rn. 80) folgenden Satz, bevor es daraufhin darlegt, worin der individuelle Vorteil liegt: "Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt."

Es könnte ja auch schreiben: "Der einzelne Nutzer ist unmündig, weil er konsumiert."

Das BVerfG erkennt hier den unumstößlichen Fakt an, dass nur der Einzelne ermächtigt ist, zu bewerten, ob für ihn tatsächlich ein Vorteil vorliegt. Alles andere wäre Bevormundung. Das wäre so, als würden Dritte darüber bestimmen, welcher Medienkonsum für Dich vorteilhaft ist. Diese Anmaßung wäre absurd und kann nicht rechtmäßig sein.

Was hat das BVerfG bestimmt? Worin liegt der individuelle Vorteil bzgl. der Medienangebote des ÖRR?

Zitat von: Bruderurteil v. 18.7.18 (Rn. 80f)
"Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil."
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: ChrisLPZ am 28. August 2022, 10:43
Der "individuelle Vorteil" wird durch das BVerfG in Rn.80 wie im obigen Posting oder auch in diesem Thread
"rundfunkbeitrags-rechtfertigender individ. Vorteil" gem. BVerfG 18.07.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36340.0
teils wiedergegeben definiert.
Ohne Erfüllung dieser Prämisse/dieses Auftrages fällt der "individuelle Vorteil" weg und somit auch die Legitimation zur Erhebung eines Zwangsbeitrages.
So zumindest meine Interpretation der Randnummern 80 und 81.

Diesbezüglich Querverweis zur Kritik eines bei den Verhandlungen zum Rundfunkbeitrag involvierten ehemaligen Richters am BverwG:

Leserbrief eines bei den Verhandlungen zum Rundfunkbeitrag am BVerwG im März 2016 beteiligten Richters im "Blog der Leser" von Zeit Online:
Zitat von: Leserkommentar Dr. Thomas Heitz, Richter am BVerwG a.D. (bis Mai 2021) zu „Kind mit dem Bade“ von Giovanni di Lorenzo, ZEIT, 11.08.2022
[…]
Der ÖRR beruht auf zwei tragenden Säulen: Zum einen die rundherum gesicherte, weil vom Bundesverfassungsgericht garantierte Finanzierung durch eine Zwangsabgabe (Rundfunkbeitrag), die jeder Inhaber einer Wohnung im Bundesgebiet selbst dann bezahlen muss, wenn er nicht im Besitz eines Empfangsgeräts ist. Zum anderen der Programmgrundsatz der Ausgewogenheit, d.h. alle gesellschaftlich relevanten Meinungen müssen im Programm angemessen berücksichtigt werden. Die Finanzierung durch eine Zwangsabgabe schließt es (verfassungsrechtlich) aus, dass der ÖRR zum Instrument für die Förderung und Verbreitung einer bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Linie gemacht wird.

Nach meiner Einschätzung, gewonnen u.a. als Mitglied des für das Rundfunkrecht zuständigen Senats des Bundesverwaltungsgerichts (bis Mitte 2021), fehlt den Verantwortlichen und vielen Mitarbeitern des ÖRR schlicht das Bewusstsein für die Bedeutung der beiden den ÖRR tragenden Säulen. Dies gilt insbesondere für die zweite Säule: Der ÖRR wird als Einrichtung angesehen, um die für richtig gehaltenen Vorstellungen zu verbreiten (z.B. zum Gendern).

Gegenauffassungen kommen in der Gesamtheit des Programms oftmals nicht vor oder werden als irrig, hinterwäldlerisch u.a. abgetan. Als eindrucksvollstes Beispiel sei nochmals an die Berichterstattung des ÖRR während der sog. Flüchtlingskrise 2015/16 erinnert. Der ÖRR war nicht mehr als eine Pressestelle der Bundesregierung. Die ÖRR-Programme verbreiteten eine Einheitsmeinung; Probleme wurden weitestgehend ausgeblendet bzw. abgetan.
[…]
In seiner gegenwärtigen Verfassung ist dieser ÖRR keinesfalls unverzichtbar. Vor allem aber werden die Informations- und Nachrichtensendungen aufgrund ihrer eindeutigen Tendenz dem Aufrag, alle gesellschaftlich relevanten Entwicklungen aufzuzeigen, nicht gerecht.
[…]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,36341
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Spark am 28. August 2022, 13:04
Also nach meinem Ermessen rechtfertigt das Bundesverfassungsgericht den Beitrag und den angeblichen Vorteil, den dieser abgleichen soll, in seiner Randnummer 80 gerade damit, dass er den einzelnen Nutzer schlicht für unfähig, oder zumindest für überfordert hält, überhaupt etwas eigenständig bewerten zu können, (ohne diese ganzen professionellen Filter und so) und dass er deshalb den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dafür brauchen würde. Und die Möglichkeit diesen nutzen zu können ist der Vorteil.

Natürlich würde das Bundesverfassungsgericht so etwas niemals im Klartext zum Ausdruck bringen, daher wurde eben ein Blumenfilter verwendet, allerdings ein sehr dünner, denn es verkennt ja geradezu, dass der einzelne Nutzer sogar das Recht dazu hat. Und der einzelne Nutzer kann natürlich auch (noch) selber entscheiden, ob er diese Orientierungshilfe nun annehmen will oder nicht. Aufzwingen kann man eine Hilfe schließlich nicht.

Allerdings überträgt das Bundesverfassungsgericht seine Ansicht pauschal auf die gesamte Bevölkerung und rechtfertigt damit auch gleichzeitig den Zwangscharakter der Abgabe.
Nach meiner Ansicht ein Unding. Daher hatte ich schon einmal die Frage gestellt, ob nicht die Möglichkeit einer verhältnismäßigen Einflussnahme auf den Abgabentatbestand sogar rechtlich geboten sein müßte.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: NichtzahlerKa am 28. August 2022, 22:43
Wenn ein Straßenbaubeitrag für einen potentiellen Vorteil eingezogen wird, aber statt eine Straße zu bauen, werden vor meiner Tür Bäume gepflanzt, dann habe ich das nicht zu bezahlen, es sei denn ich bin ein Affe und kann die entsprechend nutzen. Punkt. Ende. Aus. So weit ist der ÖR in etwa von seinem Auftrag entfernt! Und es gibt auch keinen Grund darüber auch nur zu streiten. Wenn ich GLAUBE, dass dort Bäume gepflanzt wurden und keine Straße gebaut, dann habe ich auch keinen potentiellen individuellen Vorteil. Einzig der Beweis einer Existenz einer Straße, kann hier zum Beitrag verpflichten, doch diesen scheut der ÖR, denn er kann ihn nicht erbringen, weil es keine Straße ist.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: seppl am 28. August 2022, 23:33
@ NichtzahlerKa: Das trifft den Punkt genau NICHT. Danke aber gerade trotzdem für Deine Äusserung!
Denn: Den Strassenbaubeitrag zahlt der Eigentümer des Grundstücks, der mit einer neuen Strasse oder auch nur Verschönerungen eine GELDWERTE Aufwertung seines Grundstücks erhält. Er könnte es teurer verkaufen oder  vermieten. Mit dem Strassenbaubeitrag SCHENKT der Grundstückseigentümer nichts an "die Allgemeinheit". Er zahlt den Ausgleich für die Wertsteigerung seines Vermögens!
Wäre der Rundfunkbeitrag an die Erlaubnis, in einer Wohnung Rundfunk zu empfangen gebunden und würde vom Eigentümer gefordert werden, könnte auch eine GELDWERTE Aufwertung der Imobilie angenommen werden, denn eine Wohnung ohne Rundfunkempfang vermietet sich wohl schlechter. Da aber der Rundfunkbeitrag an den Bewohner geknüpft ist, ist der "Vorteil" der gezogen werden soll, rein ideeller Natur, für den man sich nichts kaufen kann. Selbst Schulgebühren, die man ähnlich als Erzeuger eines ideellen Vorteil sehen könnte, zielen darauf ab, dass der junge Mensch sich in der Zukunft selber mit einer Tätigkeit GELDWERTEN Wohlstand verschaffen können soll.
Alles, was hoheitlich gefordert wird und über Gebühren oder Beiträge von (juristischen) Personen ausgeglichen wird, beruht auf wertmäßig individuell berechenbaren Faktoren, für alles andere gibt es die Steuern.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: art18GG am 29. August 2022, 14:38
Einen „individuellen Nutzen Vorteil“ kann ich als Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen und Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bis heute für mich nicht erkennen. Das Thema ist jedoch wesentlich komplexer, als dass man es auf den Straßenbau reduzieren könnte. Wenn man die Quellenangaben zu Rn. 80 im Urteil betrachtet, muss man sich vor allem mit dem folgenden Gutachten auseinandersetzen:

Dörr, Dieter/Holznagel, Bernd/Picot, Arnold:
Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud.
https://www.zdf.de/assets/161007-gutachten-doerr-holznagel-picot-100~original

Dies habe ich beispielsweise in dem folgenden Thread bereits getan:

Medienrecht im Rundfunkbeitragsurteil vom 18.07.2018 - 1 BvR 1675/16 u. a
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35930.msg217083.html#msg217083

Die Vorzugslast des Rundfunkbeitrags wird im Gutachten mit einer Art Daseinsvorsorge verglichen, die es im „Gesundheitsmarkt“, im „Bildungsmarkt“, in den Finanzmärkten und im „Markt für Altersvorsorge“ bereits geben soll und deshalb auch für den „Medienmarkt“ notwendig sein soll, weil [ ??? dies müsste mir tatsächlich jemand in einfachen Worten mal erklären ???]. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist einer der Gründe dafür, weshalb ich den Rundfunkbeitrag für einen Mitgliedsbeitrag halte. Siehe hierzu auch:

Sind ARD und ZDF überhaupt Anstalten des öffentlichen Rechts?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35851.msg216676.html#msg216676
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: NichtzahlerKa am 30. August 2022, 10:43
Das mit dem Mitgliedbeitrag ist nicht doof, denn dann wären die Leistung nicht relevant. Allerdings hat dann auch das Mitglied das Recht zum Austritt oder der Rückerstattung der Gebühren. Unsere KiTa zahlt uns für jeden Tag an dem sie nicht offen haben Gebühren zurück. An jedem Tag der Nichtleistung müsste dann der Rundfunk auch die Beiträge zurückzahlen.
Wie dem auch sei: Es spielt keine Rolle, ob es ein vermögenswerter Vorteil ist oder nicht, denn es ist schlicht KEIN Vorteil. Unpassierbare Bäume vor der Ausfahrt dürften wohl kaum den Grundstückswert steigern. Interessant ist also tatsächlich der Fall, wo Bäume gesetzt werden, eine Grundstücksaufwertung behauptet wird, diese aber nicht existiert. Dass es kein ideeller Vorteil, sondern ein materieller ist, der gegeben sein MUSS, sieht man schon daran, dass das BVerfG völlig schräg und bescheuert (aber dennoch) etwas darüber schwadroniert, dass "vergleichbare Angebote etwa genauso teuer wären". Das ist deshalb Schwachsinn, weil Sky als Pflichtabo oder Abo vom Staat kaum 1€ pro Person kosten würde, aber dennoch: Diese "Wertigkeit" muss irgendwie gegeben sein, sonst ist der Beitrag nicht rechtfertigungsfähig.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Markus KA am 31. August 2022, 10:50
Zur Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs.1 ZPO.

Zitat von: Bruderurteil v. 18.7.18 (Rn. 80f)
"Der einzelne Nutzer muss die Verarbeitung und die massenmediale Bewertung übernehmen, die herkömmlich durch den Filter professioneller Selektionen und durch verantwortliches journalistisches Handeln erfolgt. Angesichts dieser Entwicklung wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltssicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. In der Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in dieser Funktion zu nutzen, liegt der die Erhebung des Rundfunkbeitrags rechtfertigende individuelle Vorteil."

Was das Gericht hier von sich gibt, könnte wohl eine Idealvorerstellung sein, die es so nie geben kann. So ist bekanntlich der Grat zwischen Dichtung und Wahrheit sehr schmal und die Möglichkeit der Propaganda und Manipulation sehr groß (z.B. Framing Manual). Die realtiätsfernen Anforderungen, die das Gericht hier an Journalisten stellt, kann und wird der ÖRR nie erfüllen können, genauso wenig wird man einen staub- oder luftfreien Raum auf der Erde finden.

Was den geneigten Leser wundern könnte ist, dass in dem Bruderurteil an keiner Stelle der Begriff "Wahrheit" genannt wird.

Erwartet das BVerfG etwa keine Wahrheiten vom ÖRR?
Sollte der Nutzer des ÖRR nicht die vollständige Wahrheit erwarten können?

Das BVerfG verwendet lediglich den eher subjektiven und vagen Begriff "Wirklichkeit", die unverzerrt dargestellt werden soll.

Der Begriff "Wirklichkeit" laut Wikipedia:
Zitat
Mit dem Begriff Wirklichkeit soll das bezeichnet werden, was der Fall ist. In der Wahrnehmung einer Fledermaus oder eines Wurmes gibt es allerdings eine ganz andere „Wirklichkeit“ als in der naturwissenschaftlich geprägten Wahrnehmung des modernen Menschen. Die Frage, was Wirklichkeit sein soll, ob der Mensch also die Wirklichkeit erkennen kann oder ob es nur kulturell bedingte Formen von Wirklichkeitsbewusstsein gibt, beschäftigte die Philosophie seit ihren Anfängen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wirklichkeit (https://de.wikipedia.org/wiki/Wirklichkeit)

Die Darstellung der Wirklichkeit ist wohl allgemein von der jeweiligen Wahrnehmung abhängig, die wohl unterschiedlich sein kann.

In Kurzform hätte das BVerfG einfach auf die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs.1 ZPO eingehen können:
Zitat
Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__138.html (https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__138.html)

Ohne auf das Thema Programmkritik und Bruderurteil weiter eingehen zu wollen; sollte nicht die Wahrheitspflicht, d.h. nicht nur in Bruchstücken (mit Lücken) sondern vollständig über einen Sachverhalt zu berichten, auch bei den Journalisten des ÖRR gelten? Der Zeit- und Arbeitsaufwand im Sinne der Wahrheitspflicht kann aber von einem ÖRR nicht geleistet werden ohne z.B. an der Vielfalt  zu sparen und weiteren Anforderungen einzuschränken.

Somit bleiben die Wunschvorstellungen des BVerfG im Bruderurteil lediglich Wünsche oder Fantasien, die sich eher als realitätsfern und nie zu erreichende Anforderungen darstellen, für die aber die Bevölkerung einen Zwangsbeitrag bezahlt aber nie bekommen wird, was ihnen versprochen wurde - nämlich  die vollständige Wahrheit.

In einer mündlichen Verhandlung zum Rundfunkbeitrag an einem Verwaltungsgericht mit der gesamten Kammer  könnte der vorsitzende Richter den Beitrag mit der Müllgebühr verglichen haben. Der Kläger wies auf den doch treffenden Vergleich zwischen dem Programm des ÖRR und Müll hin (die Reaktion bei den anderen Richtern in der Verhandlung war durchaus erheiternd).

Es bleibt jedoch zu hoffen, dass Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass ihre Mülltonnen nicht vollständig geleert werden (symbolisch), obwohl sie dafür einen Zwangsbeitrag bezahlen.

Ob der ÖRR wahrheitsgemäß berichtet oder nicht, darüber muss sich jeder selbst eine Meinung bilden, das kann in diesem Forum nicht weiter diskutiert werden, weil es sicher viele Nichtnutzer gibt, die sich für Müll (symbolisch) nicht interessieren und das Thema sonst den Rahmen sprengen würde. Dass aber das BVerfG nicht eindeutig die Wahrheit vom ÖRR fordert, was auch in der Umsetzung unrealistisch wäre, kann jeder im BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 -, Rn. 1-157, nachlesen:
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: art18GG am 02. September 2022, 14:33
@ Markus KA
Die Verpflichtung zur Wahrheit ist zumindest in NRW durch das WDR-Gesetz geregelt. Denn in §5 Abs. 4 und  6 dieses Gesetzes steht:
Zitat
(4) Der WDR soll die internationale Verständigung, die europäische Integration, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, ein diskriminierungsfreies Miteinander in Bund und Ländern und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen und der Wahrheit verpflichtet sein.
[…]
(6) Die Nachrichtengebung muß allgemein, unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen. Kommentare sind deutlich von Nachrichten zu trennen und unter Nennung der Verfasserin oder des Verfassers als solche zu kennzeichnen.
Quelle: https://www.land.nrw/medien/wdr-gesetz

Damit ist der WDR sogar per Gesetz zur Wahrheit verpflichtet, wobei es mir als Nicht-Nutzer des ÖRR-Angebotes nicht möglich ist, dies zu überprüfen. Zweifel an dieser Wahrheitspflicht kommen mir jedoch alleine schon deshalb auf, weil sich das ganze ÖRR-System mir als einzigartiges Lügenkonstrukt offenbart.

Aber was soll mit diesem individuellen Vorteil eigentlich genau gemeint sein?

Das Ganze, was dazu in der Rechtsprechung geschrieben wird, erscheint mir jedenfalls sehr widersprüchlich und willkürlich. Denn im Kern wird gesagt, dass der individuelle Vorteil darin bestehen soll, dass man das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ungehindert nutzen kann, wobei man nicht gezwungen sein soll, dieses Programmangebot auch tatsächlich zu nutzen.   

Es ist also genauso, als wenn man für Spam-Nachrichten zahlen müsste, obwohl man diese Nachrichten gar nicht lesen möchte. Damit entsteht aus meiner Sicht jedoch über die wüste Behauptung eines angeblichen individuellen Vorteils, ein Konflikt mit der Selbstbestimmungsfreiheit der Information. Denn die dortigen Behauptungen der Gerichte gehen in die Richtung, dass den Opfern des Rundfunkbeitragszwangs angeblich keine bestimmten Informationen aufgezwungen werden sollen.       
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: PersonX am 02. September 2022, 16:19
Person X wollte wohl so weit gehen und erklären, diese Behauptung es würde keine Information aufgezwungen sei nicht haltbar, schließlich betrüge das Mittelloch einen Beitrag. Bereits diese Information -also sich damit zu beschäftigen- sei für eine Person, welche bereits kein Interesse hat, weil keine Nachteile bei Ihr vorliegen, eine Nötigung zur Befassung. In Analogie zum Spam, der kostet sehr wohl Zeit, Geld und Nerven. Der öffentliche Rundfunk steht dem in nichts nach, besser noch der öffentliche Rundfunk übertrifft diesen durch eben diesen Beitrag. Die Belastung damit ist ungleich größer. Spam kann zum Sparen von Zeit, Geld und Nerven gefiltert werden und belastet nicht zwingend noch das persönliche Umfeld.
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 02. Juli 2023, 18:04
Querverweis aus aktuellem Anlass...
BDZV warnt - ARD/ZDF-Textangebote im Netz bedrohen die Presse existenziell (07/2023)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37327.0
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 17. Oktober 2023, 22:44
Querverweis aus aktuellem Anlass...
Streit um News-App - Südwestverleger verklagen den SWR (10/2023)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37525.0
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 11. November 2023, 00:21
Querverweis aus aktuellem Anlass...
Streit mit ARD: Verleger/ BDZV wenden sich an Brüssel/ EU-Kommission (11/2023)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37561.0
Titel: Re: BVerfG -1 BvR 1675/16 - Rn. 81 -> Mögl. d. Nutzung = individueller Vorteil?
Beitrag von: Bürger am 06. Januar 2024, 17:55
Querverweis aus aktuellem Anlass...
Rechnungshöfe Berlin/ Brandenburg - Abschlussberichte RBB 2023
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37641.0


...alles "gute" Gründe und Anlässe für
SEPA-Mandat/Lastschrift kündigen/rückbuchen, Zahlg. einstellen + Protestnote
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35120.0