Gemeinnützig =! gemeinnützigDer 5. Senat des BFH hat mit seiner Entscheidung BFH V R 60/17 vom 10.01.2019 das Urteil hinsichtlich der Gemeinnützigkeit von Attac (unter Rückverweisung an das erstinstanzliche Finanzgericht in Kassel) aufgehoben
[1], da das Finanzgericht nicht festgestellt hatte, ob die für die Gemeinnützigkeit unzulässigen Betätigungen dem attac-Trägerverein selbst oder anderen Mitgliedern der attac-Bewegung zuzurechnen sind
[2].
Interessant dabei sind neben dem gesamten Urteil u.a. die Leitsätze desselben
[3], die sich im Wesentlichen aus § 52 AO (hier Absatz 2, Nr. 7
[4]) herleiten.
Und was hat das alles mit dem örR zu tun? Nun, neben Atlantik-Brücke, Bertelsmann Stiftung, Münchener Sicherheitskonferenz e.a. sind ja auch alle Anstalten des örR
gemeinnützig [5]. Bedürfte es - angesichts der Leitsätze des Urteils - eventuell neuerlicher, weiterer Klärung, warum die Anstalten des örR "gemeinnützig" sein sollen? Ist die dafür vorgesehene Rechtsform angemessen?
(Disclaimer: Dieser Beitrag enthält unsichtbare "Frames"...)[1] Vgl. u.a. telepolis, 26. Februar 2019 (auf heise.de)
Bundesfinanzhof entzieht Attac die Gemeinnützigkeitvon Andreas Krebs[...] Viele Jahre war Attac als gemeinnützig anerkannt. 2014 entzog das Finanzamt Frankfurt mit der Behauptung, Attac sei zu politisch, der Organisation die Gemeinnützigkeit. Insbesondere der Einsatz für eine Finanztransaktionssteuer oder eine Vermögensabgabe diene keinem gemeinnützigen Zweck, hieß es zur Begründung. Seit dieser Zeit kann der Verein keine Spendenbescheinigungen mehr ausstellen, wodurch Spenden nicht mehr steuerlich absetzbar sind.
Die Globalisierungsgegner klagten daraufhin vor dem Hessischen Finanzgericht in Kassel gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit, das Attac in erster Instanz Recht gab. Die Arbeit von Attac sei als "Volksbildung" einzustufen, die nach Paragraph 52 Abgabenordnung als gemeinnützig gelte. Trotz des klaren Richterspruchs wies das Bundesfinanzministerium das Finanzamt an, beim Bundesfinanzhof in München Revision zu beantragen. Im Januar 2018 trat das Ministerium dem Revisionsprozess auch offiziell als Verfahrensbeteiligter bei. [...]
Der BFH kam zu dem Schluss, dass zwar die unter Volksbildung zu fassende politische Bildungsarbeit als gemeinnützig gelte, nicht aber deren Einsatz für allgemeinpolitische Forderungen zur Tagespolitik und dazu durchgeführte Kampagnen. Erkennbar setzt der BFH darin den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger als das Finanzgericht in Kassel. [...]
Weiterlesen auf:https://www.heise.de/tp/features/Bundesfinanzhof-entzieht-Attac-die-Gemeinnuetzigkeit-4320740.html[2] Pressemitteilung des BFH vom 26.02.2019
Kein allgemeinpolitisches Mandat für gemeinnützige Körperschaften: Bundesfinanzhof entscheidet gegen attac-TrägervereinQuelle:
https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=39507&linked=pm[3] BFH V R 60/17 vom 10.01.2019, ECLI:DE:BFH:2019:U.100119.VR60.17Leitsätze
1. Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.
2. Bei der Förderung der Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.
3. Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.
4. Bei der Prüfung der Ausschließlichkeit der steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zweckverfolgung und der tatsächlichen Geschäftsführung nach §§ 56, 63 AO kann zwischen der Körperschaft als "Träger" eines "Netzwerks" und den Tätigkeiten des unter dem gleichen Namen auftretenden "Netzwerks" zu unterscheiden sein. Dabei sind alle Umstände einschließlich des Internetauftritts der Körperschaft zu berücksichtigen.
5. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist nicht frei widerrufbar. Auf einen Verzicht des beigetretenen BMF kommt es nicht an.
(Hervorhebungen nicht im Original)Quelle:
https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bfh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=39534&pos=6&anz=53[4] AO, § 52[...] (2) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 sind als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen: [...]
7. die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe;
Quelle:
https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html[5] Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (WD), WD 10 - 005/08, fertig gestellt am 07.02.2008
Meinungsbildung in öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten [...] Die öffentlich rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sind der Rechtsform nach gemeinnützige Anstalten des öffentlichen Rechts (1). [...]
(1) ZDF-Staatsvertrag, HmbGVBl 1991, Medien-/Rundfunkgesetze der Bundesländer
Quelle:
https://www.bundestag.de/resource/blob/414904/a77c5d25e245b85607e35c743afafc87/wd-10-005-08-pdf-data.pdf