Hi jedi_ritter,
Haben neutrale Richter dieses Landes (ich hatte langsam die Hoffnung verloren, dass es noch welche gibt) tatsächlich begonnen das perfide Zwangssystem endlich zu durchschauen?
Neutrale Richter? Durchschauen?
Ein Rechtsstaat ist in Wikipedia wie folgt definiert (Quelle:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsstaat):
"Formelle Rechtsstaatlichkeit bedeutet: Um individuelle Freiheiten zu sichern, muss das staatliche Handeln in gesicherten Formen – mit gewährleisteten Rollenverteilungen und nach rechtlichen Spielregeln – ablaufen. Auf diese Weise muss das staatliche Handeln durch Gewaltenteilung und Verfahrensregeln berechenbar und – auch gerichtlich (regelmäßig durch Verfassungs- und Verwaltungsgerichte) – kontrollierbar sein."
Die Gewaltenteilung ist wesentlicher Bestandteil eines Rechtsstaats. Für die Wikipedia-Skeptiker: das wird auch jeder integre Verfassungsrechtler genau so bestätigen. Es ist nämlich die unverzichtbare Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle der Exekutive und Legislative durch wirklich unabhängige Richter.
Jedoch kommt in Deutschland kein Richter (Judikative) in "Amt und Würden" ohne Zustimmung der Exekutive/Legislative. Das kann entweder der Justizminister sein - oder wie bei der Berufung der Bayerischen Verfassungsrichter der Landtag (wohlgemerkt mit einfacher Mehrheit = CSU).
Das heisst, dass wir in Deutschland keine Gewaltenteilung haben. Was wir hier haben, das nennt sich in formvollendeter juristischer Akrobatik dann: Gewaltenverschränkung. In die Sprache des Volkes übersetzt, heisst das schlicht und einfach: Filz. (mein chinesisches Lieblingssprichwort ist: "Weisheit beginnt damit, die Dinge beim Namen zu nennen")
Die Richter kennen dieses System aus meiner Sicht schon lange in und auswendig - und zumindest die meisten wissen meiner Meinung nach ganz genau wie der Hase läuft bzw. wohin er laufen soll.
Die stromlinienförmige Anpassung an die Erwartungen des politisch-wirtschaftlich-juristischen Filzes ist so etwas wie eine Karrieregarantie für Richter und Politiker. So wie ich das inzwischen sehe, sind daher der Politik genehme, stromlinienförmige Richter (und natürlich Intendanten) die Regel. Die Rechtsprechung in Sachen Rundfunkbeitrag bestätigt das für mich seit Jahren mit nicht zu überbietender Deutlichkeit.
Die ÖRR sind (schon lange) einfach „too big to fail“ und das Merkel-Prinzip TINA (there is no alternative) führt dazu, dass der Status Quo bzw. ein „weiter so“ nur noch mit abenteuerlicher juristischer Akrobatik aufrecht erhalten werden kann – in der Hoffnung, dass der Schwindel nicht auffliegt. Die Begründung mit der das Bayerische Verfassungsgericht im Frühjahr 2015 die Wohnungszwangsabgabe für sachgerecht befunden hat, ist aus meiner Sicht dafür ein besonders hervorragendes und unrühmliches Beispiel.
Doch es gibt erfreulicherweise die ein oder andere Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Nebenbei: dass es diese Ausnahmen gibt, ist aus meiner Sicht meist entweder ein "Versehen" oder ein unausweichlicher politischer Kompromiss bei der Berufung (Verf.richter Paulus?) oder ein Richter, der unvorhergesehenerweise seine verlorene Integrität wiederentdeckt und wiederbelebt. Es kann auch sein, dass dem ein und/oder anderen Richter (BverwG?) allmählich klar wird, dass der Schwindel ohnehin bald auffliegt. Und es mag vereinzelt auch welche geben, die es in ihre Position geschafft haben, ohne ihre Integrität dabei (allzusehr) zu verbiegen.
Stellvertretend für diese Ausnahmerichter mag ich die Herren Paulus und Sprißler (Landgericht Tübingen) nennen.
Der Bundesverfassungsrichter Paulus nennt in seiner "Abweichenden Meinung" zu dem sog. ZDF-Urteil 2015 (AZ weiss ich grad nicht) das, was ich oben als juristische Akrobatik bezeichnet habe, als "Volte". Den Begriff "Volte" gibts in verschiedenen Bereichen - beim Reiten, beim Tanzen, beim Fechten und in der Zauberkunst. Gemeint ist damit eine schnelle Drehung oder Kehrtwende bzw. eine schnelle, unsichtbare Bewegung in der Zauberkunst.
Eine „Abweichende Meinung“ hat heutzutage generell Seltenheitswert – siehe TINA. Um so bemerkenswerter finde ich es, wie er darin die juristische „Zauberkunst“ seiner Kollegen entlarvt.
Mein Prädikat: ausgesprochen lesenswert!
Auch den Beschluss von Richter Sprißler am Landgericht Tübingen vom 03.08.2017 (Az. 5 T 246/17 u. a.) finde ich ausgesprochen lesens- und bemerkenswert. Und ich meine das nicht etwa deshalb, weil sein Beschluss endlich das langersehnte Wasser auf unsere Mühlen zur Folge haben kann, sondern vor allem deshalb, weil seine juristische Argumentation klar, sauber und - was im Rechtswesen nach meiner Erfahrung eine ziemliche Seltenheit ist - sogar mit dem gesunden Menschenverstand begreiflich ist.
Ich danke insbesonders diesen beiden Richtern für ihren Mut, sich weit und deutlich aus dem Fenster des juristischen Einheitsbreis zu lehnen. Dafür zolle ich den beiden meinen höchsten Respekt! Und auch allen anderen, die ich hier nicht erwähnt habe und die mutiger entschieden haben als die „Stromliner“ - z.b. bei dem erstinstanzlichen Tübinger Urteil zur Rechtmässigkeit von Mahngebühren. Allen anderen Richtern wünsche ich, dass sie zu diesem Mut und ihrer Integrität finden!
So geht Rechtsstaat und Demokratie!
Gruß staatsfern
Weisheit beginnt damit, die Dinge beim Namen zu nennen (chinesisches Sprichwort)