"Beitragsservice" (vormals GEZ) > Berlin
§ 4 Abs. 6 RBStV "besondere Härtefälle"
marga:
--- Zitat von: Totalverweigerer am 09. Juli 2017, 10:01 ---Ich hatte im 06/2012 einen Härtefallantrag zur Befreiung gestellt und mich auf 3 Entscheidungen des BVerfG vom Nov. 2011 (1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10 und 1BvR 665/10) berufen. Der wurde abgelehnt. Dagegen hatte mein Anwalt Widerspruch eingelegt und dann gg. die Ablehnung des Widerspruchs geklagt. In der Klage hat er auch den erst 2013 in Kraft getretenen Rundfunkbeitrag einbezogen. In der Verhandlung im 11/2016 wurde die Klage abgewiesen. In der Urteilsbegründung steht, ich hätte ALG2 beantragen müssen, um mich von der Rundfunkgebühr bzw. vom Rundfunkzwangsbeitrag befreien zu lassen.
--- Ende Zitat ---
Eine fiktive Person kann dazu folgendes Urteil anfügen:
--- Zitat ---(…) Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung durchaus plausibel geschildert, dass ihn die zuständige Sozialbehörde mit Blick auf seine Einkommenssituation auf die Aussichtslosigkeit einer entsprechenden Antragstellung hingewiesen habe. Eine Verweigerung der Entgegennahme und/oder Bescheidung einer Antragstellung ist damit aber noch nicht dargetan. Vor dem Hintergrund der eindeutigen gesetzlichen Entgegennahmepflicht bestehen für eine derartige, mit den dargestellten maßgeblichen Grundsätzen des Sozialverwaltungsverfahrens nicht vereinbare Verwaltungspraxis der zuständigen Sozialbehörde auch keine Anhaltspunkte, zumal dem Kläger ausweislich der beigezogenen Leistungsakte des Kreissozialamts ... von diesem bereits im Rahmen seiner seinerzeitigen Antragstellung ohne weiteres ein entsprechendes Antragsformular zur Verfügung gestellt worden ist. Im Übrigen wäre es selbst im Fall einer Annahme- oder Entscheidungsverweigerung Sache des Klägers, in einem ihm hierfür zur Verfügung stehenden sozialgerichtlichen Verfahren die Entgegennahme eines entsprechenden Antrags durchzusetzen, und würde es jedenfalls nicht dem Beklagten bzw. seinem Beitragsservice obliegen, anstelle der zuständigen Sozialbehörde die maßgeblichen sozialrechtlichen Leistungsvoraussetzungen zu prüfen.
Entgegen der vom Kläger erneut vertretenen Auffassung sind auch die Voraussetzungen des Satzes 1 des § 4 Abs. 6 RBStV nicht gegeben, wonach die Landesrundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV in besonderen Härtefällen auf gesonderten Antrag von der Beitragspflicht zu befreien hat. Zwar trifft es zu, dass Satz 2 der Vorschrift nur einen - nicht abschließenden - Anwendungsfall dieser Härteregelung darstellt, wie sich bereits aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Allein der - wiewohl hier durchaus nachvollziehbare - Hinweis auf die bescheidenen finanziellen Verhältnisse des Klägers vermag indes einen derartigen Befreiungsanspruch nicht zu begründen. Eine vom gesetzlich geregelten Normalfall abweichende Sondersituation ist nämlich im Fall des Klägers trotz des Bezuges zweier niedriger Renten und auch unter Berücksichtigung der von ihm monatlich zu leistenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht gegeben. Der Normgeber des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages hat vielmehr die hier gegebene Fallkonstellation der „bloßen Einkommensschwäche" nicht ungeregelt gelassen, sondern ganz bewusst aus dem Katalog der Befreiungsgründe des § 4 Abs. 1 RBStV und auch aus dem Fall des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV ausgeklammert. Allein die Tatsache, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum möglicherweise lediglich ein Einkommen erzielt haben mag, das dem in § 4 Abs. 1 RBStV benannten Personenkreis der Höhe nach üblicherweise zur Verfügung steht, begründet mithin im vorstehenden Zusammenhang regelmäßig ebenso wenig eine atypische Fallkonstellation im Sinne der Härtefallregelung, wie es bei anderweitigen Empfängern niedriger Einkommen (z.B. Empfängern niedriger ALG I-Leistungen oder von Krankengeld) der Fall ist. Durch § 4 Abs. 1 RBStV sollte für einkommensschwache Personen eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit eröffnet werden, wobei die Befreiungstatbestände abschließend und die Rundfunkanstalten bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden sein sollten. Angesichts dieses Normzwecks, der in § 4 Abs. 1 RBStV klar zum Ausdruck kommt, kann die gewollte Beschränkung der Befreiungstatbestände auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle der Bedürftigkeit regelmäßig nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV benannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen oder diese Leistungen nicht in Anspruch nehmen (wollen), dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zugeordnet werden. Denn andernfalls würde der klar zutage getretene Wille der Staatsvertragsschließenden bzw. des Landesgesetzgebers missachtet, nicht durch konkret benannte Bescheide belegte allgemeine Fälle des Bezuges geringer Einkommen nicht mehr zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund besteht auch keine Veranlassung für eine vom Kläger ausdrücklich angeregte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht in Gestalt einer konkreten Normenkontrolle, Art. 100 Abs. 1 GG. Insbesondere ist die Kammer keineswegs von der Verfassungswidrigkeit der hier maßgeblichen rundfunkbeitragsrechtlichen Bestimmungen überzeugt, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. (…)
--- Ende Zitat ---
Quelle: Datenbank juris
http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&nr=5671
+++
::)
Besucher:
Bei dem ganzen Sermon (des Gerichts natürlich :-))...
--- Zitat von: marga am 09. Juli 2017, 10:18 ---...
--- Ende Zitat ---
...fällt gewiss jedem sofort wieder das große Zauberwort »Verwaltungsvereinfachung« ein. Mal sehen, wann der erste Richter in diesem Land auf die Idee kommt, auf der Grundlage mal wieder ein Todesurteil zu verhängen :->.
Es gilt unter anderem aber immer noch Art 3 / 1 GG. Auch andere grundgesetzliche Vorschriften wie das der (verletzten) Informationsfreiheit, wenn sich ein am Existenzminimum lebender seine Zeitung nicht mehr leisten kann, weil er den ÖRR-Sch..... bezahlen muss bzw. müssen soll, dürften berührt sein. Und andere werden sich vmtl. noch finden.
Wenn einige Damen und Herrn Richter und die Herrschaften in den Anstalten aus dem Gesetzeskorpus dieses Landes die ihnen nicht passenden Seiten herausreissen oder schwärzen, mag das deren Privatvergnügen sein. Die dürfen auch gern ihr GG wegwerfen, wenn ihnen dessen Lesen zuviel Arbeit ist.
Es sollte aber nicht zugelassen werden, wenn gewisse Herrschaften in diesem Land das zum Massstab für die Allgemeinheit hochsterilisiert wissen wollen..
mikeberlin:
Petitions zum § 4 Abs. 6 RdFunkBeitrStVtr
Hallo,
nach Sichtung der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG, BVerwG, OVG etc. sehe ich kaum eine rechtliche Möglichkeit, um dem Rundfunkbeitrag zu entgehen. Meines Erachtens besteht kaum bzw. besser keine Hoffnung, dass z. B. das BVerfG den Rundfunkbeitrag doch noch in Frage stellen könnte.
Die einzige persönliche bzw. individuelle Möglichkeit, um dem Rundfunkbeitrag doch noch zu entgehen, scheint mir der § 4 Abs. 6 RdFunkBeitrStVtr zu sein.
RiBSG a. D. Dirk H. Dau (Dau, jurisPR-SozR 13/2017 Anm. 4, 06.07.2017) schreibt in diesem Zusammenhang: …
Im Jahr 2015 haben ARD, ZDF und Deutschlandradio 8,1 Mrd. Euro Rundfunkbeiträge eingenommen. Einen großen Teil davon haben zwischen 1,75 und 2,7 Mio. Haushalte „verdeckt“ Armer (IAB-Forschungsbericht 5/2013, S. 11) gezahlt, also Personen, die ihren Anspruch auf Grundsicherung nicht geltend gemacht haben und deshalb von der Beitragspflicht nicht befreit waren. Eine weitere große Gruppe sind Studenten, die keine Leistungen nach dem BAföG (mehr) beziehen. Sie werden auch dann nicht von der Beitragspflicht befreit, wenn ihr Einkommen ihren grundsicherungsrechtlichen Bedarf unterschreitet.
(fett durch M.A.)
Offensichtlich müssen 1,75 und 2,7 Mio. Haushalte den Rundfunkbeitrag leisten, obwohl diese unter Grundsicherungsniveau leben. Viele dieser Haushalte dürften Wohngeld beziehen. Dadurch (nur Wohngeldbescheid) sind diese Haushalte aber nicht vom Rundfunkbeitrag befreit.
Darüber hinaus stellt sich die verfassungsrechtliche Frage, ob es nicht zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips kommt, wenn Haushalte, die durch ESt- Bescheide nachgewiesen unter Grundsicherung leben, trotzdem den Rundfunkbeitrag leisten müssen.
Ich habe deshalb eine Petition an den Deutschen Bundestag verfasst. Diese Schreiben ist ganz bewusst etwas "weinerlich" verfasst.
Noch nicht abgeschickt.
Über Kommentierungen würde ich mich freuen.
Michael
noGez99:
Ich persönlich glaube nicht dass Petitionen etwas verändern, das versandet einfache, aber ich will Dich nicht entmutigen, jede Tat zählt!
Aber kannst Du nicht eine Verfassungsbeschwerde daraus machen? Da sehe ich wesentlich mehr Chancen.
Eine Verfassungsbeschwerde kann man innerhalb eines Monats einreichen wenn man von einem "Akt der hoheitlichen Gewalt" betroffen ist. Da der Rechtsweg erschöpft ist, reicht dazu ein Bescheid/Widerspruchsbescheid aus, ein abweisendes Gerichtsurteil sowiso.
Also zu Beispiel erneut den Antrag auf Befreiung stellen, und auf die Ablehnung die Verfassungsbeschwerde einreichen.
Und, in Verbindung mit der Petition kann das auch Momentum erreichen. Jede Tat zählt!
mikeberlin:
--- Zitat ---"Aber kannst Du nicht eine Verfassungsbeschwerde daraus machen?"
--- Ende Zitat ---
Hallo,
natürlich glaube ich nicht daran, dass meine Petition gelesen werden wird.
Aber ich plane eine (weitere) Verfassungsbeschwerde.
Um Zulässigkeit zu erreichen, muß der Rechtsweg ausgeschöpft sein, dazu gehört ggf. auch eine Petition (+ viele viele weitere informelle Rechtsbehelfe).
Mein VG - Verfahren (§ 4 Abs. 6 ) ist offen und zurzeit Ruhend gestellt.
Das OVG wird natürlich meinen Antrag auf PKH und den Antrag auf Zulassung der Berufung abweisen.
Dann wäre der Rechtsweg (+ materielle Subsidiarität) erschöpft ...
Dann könnte ich die Verfassungsbeschwerde auf den Weg bringen ...
Zulässig, aber nicht begründet wäre schon ein schöner Erfolg ....
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