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Autor Thema: Diskriminierung -> EU-Recht  (Gelesen 10400 mal)

  • Beiträge: 7.376
Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#15: 31. Januar 2018, 00:13
Rein interessehalber fragt sich ein fiktiver Besucher...

...ob das nicht in etwa in die Richtung geht, in die sich Herr Doc Sprißler in einem Punkt seines ja inzwischen bekannten Vorabentscheidungsersuchens an den EuGh gewandt hatte?
Wäre durchaus denkbar, da sein Vorabentscheidungsersuchen in der Ergebnisliste mit aufgeführt wird, wenn in den beim EuGH vorliegenden Rechtsachen nach dem Begriff "Diskriminierung" gesucht wird.

Auf jeden Fall scheint das ein Aspekt, der noch nicht geklärt worden ist.

Übrigens, auch Unternehmen dürfen nicht diskriminiert werden; jetzt wieder mit Bezug zu einem EU-Unternehmen des einen EU-Landes, das in einem anderen EU-Land tätig ist und dort anders behandelt wird, als ein Unternehmen, (damit quasi auch EU-Unternehmen), dieses anderen EU-Landes.


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Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#16: 06. Februar 2018, 15:34
@ pinguin: Ich muss mal schreiben, dass ich deine Feststellungen manchmal ziemlich verharmlosend finde, da deine Argumentationsrichtung ignoriert, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich ganz offensichtlich zu den neuzeitlichen Verfolgern von Witwen und Waisen entwickelt haben.

Es geht bei dem Unrecht aus dem RBStV nämlich nicht nur um den Diskriminierungsaspekt, sondern vielmehr um die konkrete Verfolgung von Minderheiten (Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen) und Opposition (Gegner von Staatsfernsehen). Zu den Minderheiten, die durch §2 RBStV auf strukturspezifische Weise über das Konstrukt des angeblichen Erhebungsdefizits verfolgt werden, gehören nämlich die folgenden beiden Frauengruppen:

Gruppe 1:   
Witwen, die von ihrer Rente nach dem Tode des Mannes das erarbeitet Eigenheim Instandhalten und Unterhalten müssen, sind häufig nicht mehr in der Lage diese Aufgabe finanziell zu bewältigen. Gerade solche Rentnerinnen mit einem großen Haushalt müssen sparen, wo es nur geht, weshalb der Rundfunkbeitrag eine große Belastung darstellt. Da der Beitragsservice nur eine Befreiung gewährt, wenn irgendwelche Sozialleistungsbescheide vorgelegt werden, kann man davon ausgehen, dass diese Gruppe von Frauen auch keinen Anspruch auf Befreiung haben. Vgl. hierzu weiter:   https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=25835.0

Gruppe 2:
Alleinerziehende Mütter, die, selbst wenn sie Unterhaltszahlungen erhalten, immer in finanziellen Schwierigkeiten stecken, dürften ebenfalls ihre Probleme mit der Maxime des Beitragsservices haben, dass es nur bei der Vorlage von Sozialleistungsbescheiden eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag gibt. Es ist nicht unüblich, dass der Lebensunterhalt dieser Frauen und ihrer Kinder sich aus verschiedenen Finanzierungsquellen zusammenstellt, was dazu führt, dass er nicht ausreichend dokumentiert werden kann, um die gewünschten Sozialleistungsbescheide zu erhalten. Ich erinnere mich jedenfalls noch an den Fall, über den hier im Forum berichtet wurde, in dem die Eltern der Frau den Rundfunkbeitrag bezahlt haben, damit ein Haftbefehl gegen die Tochter zurückgezogen wurde. Eine solche Mischfinanzierung ist also nicht kompatibel mit dem Befreiungsanträgen der Rundfunkanstalten, obwohl es eigentlich eine gegebene Realität ist, dass Verwandte einander helfen, wenn es für den Lebensunterhalt nicht reichen sollte. 

Das Landgericht Tübingen stellt daher in seinem Vorabentscheidungsersuchen (Rechtssache C-492/17) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu Recht die Frage:
Zitat
„Ist die Richtlinie 2004/113/EG so auszulegen, dass auch der streitgegenständliche Beitrag erfasst wird und dass eine mittelbare Benachteiligung ausreicht, wenn aufgrund der realen Begebenheiten zu 90 % Frauen höher belastet werden?“


Zu den strukturspezifisch verfolgten Menschen gehören natürlich auch die natürlichen Gegner der Medienwelt, wie die Amisch – People aus dem Verfahren – 1 BvR 2550/12 -  beispielsweise.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/12/rk20121212_1bvr255012.html

https://wohnungsabgabe.de/klagen/1bvr2550_12_beschwerde.pdf

Diese Menschen auf den langen Weg durch die Instanzen der Medienkammern der Verwaltungsgerichte zu schicken, die sich in ihren Sympathiebekundungen zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geradezu überschlagen haben, kann man aus heutiger Sicht durchaus als menschenverachtende Maßnahme bezeichnen. Die vom Bundesverfassungsgericht in Aussicht gestellte Befreiungsmöglichkeit aufgrund eines Härtefalles hat es nie gegeben. Solche Befreiungsanträge wurde bisher sogar dann abgelehnt, wenn vorgeschlagen wurde, den Beitrag alternativ für gute Zwecke zu spenden (Siehe zum Beispiel: VG Saarlouis Urteil vom 23.12.2015, 6 K 43/15).

Da in den vier Leitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf solche Fälle gar nicht eingegangen wird, bleibt also noch viel Arbeit. Die Verwaltungsgerichte verfolgen bisher eine einheitliche Richtlinie jegliche Eingabe zur Diskriminierung durch § 2 RBStV einfach zu ignorieren. Mit Bezug auf die Klagen der Steuerrechtler muss man wohl feststellen, dass sehr viele Klagen erst notwendig waren, damit diesen überhaupt in der Sache „Rundfunkbeitrag“ die Möglichkeit auf rechtliches Gehör vor dem Bundesverfassungsgericht eingeräumt wurde. Hierzu passt übrigens auch meine Erfahrung, dass ich auf Diskriminierung geklagt habe und die Verwaltungsgerichte in ihren Urteilen lediglich auf eine Einschränkung der Handlungsfreiheit Bezug nehmen, die ich gar nicht in der dargestellten Weise gerügt habe. Es stellt sich hier durchaus die Frage, wie man der Ignoranz von vorgetragenen Argumenten entgegenwirken kann. Es bleibt den Menschenrechtlern wahrscheinlich nichts anderes übrig, als auf die Unterschiede zur Argumentation der Leitverfahren hinzuweisen. Dies wird natürlich eine mühevolle Aufgabe sein, wenn die Klagen der Steuerrechtler scheitern sollten, was ich natürlich nicht hoffe. Dennoch sollte man schon jetzt in eine andere Richtung klagen.


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Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#17: 06. Februar 2018, 18:00
@art18GG
Es hat europäische Definitionen dessen, in welchen Bereichen bestimmte Handlungen grundsätzlich als diskriminierend anzusehen sind; die Begriffe "Witwe"/"Witwer" kommen da nicht vor.

Bei den Amishen ist das was anderes, denn die können als religiöse Gruppe verstanden werden, und aus Gründen der Religion darf keine Diskriminierung stattfinden, wie auch nicht aus Gründen der Herkunft, Weltanschauung, sexuellen Orientierung, etc.

Es ist nicht ausgeschlossen, daß es im konkreten Einzelfall noch andere Konstellationen für Diskriminierungen hat, die zu unterlassen sind.

Nehmen wir da mal nur die hier im Osten noch weiterverbreitete Freikörperkultur; im Zweifel ist die nämlich als Form der Weltanschauung genauso vom EU-Recht geschützt, wie es auch die Rundfunknichtnutzung als Weltanschauung ist.


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Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#18: 10. Februar 2018, 22:35
Rn. 28
Zitat
Jeder Unionsbürger kann sich daher in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 AEUV berufen, das in anderen Bestimmungen des Vertrags und in Art. 24 der Richtlinie 2004/38 näher geregelt ist. Zu diesen Situationen gehören u. a. diejenigen, die die Ausübung der insbesondere durch Art. 45 AEUV verliehenen Grundfreiheiten und die Ausübung der Freiheit, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten, betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Mai 1998, Martínez Sala, C-85/96, Slg. 1998, I-2691, Randnr. 63; Grzelczyk, Randnrn. 32 und 33; vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnrn. 32 und 33, sowie vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C-75/11, Randnr. 39).

Rechtssache C-46/12
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=134109&mode=req&pageIndex=1&dir=&occ=first&part=1&text=diskriminierung%2Beu-b%25C3%25BCrger&doclang=DE&cid=1168635#ctx1

sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts

Zitat
(3)   Die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, sind als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts.

KONSOLIDIERTE FASSUNGEN

DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION UND DES VERTRAGS ÜBER DIE ARBEITSWEISE DER EUROPÄISCHEN UNION

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2016.202.01.0001.01.DEU&toc=OJ:C:2016:202:TOC


VERORDNUNG (EU) 2016/679 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 27. April 2016

zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1496571378935&uri=CELEX:32016R0679

RICHTLINIE 2010/13/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

vom 10.März 2010

zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste)

(kodifizierte Fassung)

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1440190481646&uri=CELEX:02010L0013-20100505

Im Zitat der Rn. 28 wird die Richtlinie 2004/38/EG genannt; in dieser Richtlinie geht es um die Rechte der Unionsbürger:

HTML nur in Englisch:

DIRECTIVE 2004/38/EC OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL

of 29 April 2004

on the right of citizens of the Union and their family members to move and reside freely within the territory of the Member States amending Regulation (EEC) No 1612/68 and repealing Directives 64/221/EEC, 68/360/EEC, 72/194/EEC, 73/148/EEC, 75/34/EEC, 75/35/EEC, 90/364/EEC, 90/365/EEC and 93/96/EEC

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1518297658535&uri=CELEX:32004L0038

PDF auch auf deutsch:

RICHTLINIE 2004/38/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 29. April 2004
über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32004L0038&qid=1518297658535&from=DE

Artikel 24 regelt die Gleichbehandlung aller Unionsbürger;
aus Artikel 27 geht hervor, daß Einschränkungen bei der Freizügigkeit nicht aus wirtschaftlichen Gründen erfolgen dürfen;


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Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#19: 13. Februar 2018, 14:15
@ pinguin: Den Anhängern der Freikörperkultur kann man wenigstens nicht vorwerfen, dass sie irgendwelche Multifunktionalgeräte in den Hosentaschen
verstecken würden, um damit heimlich die Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sehen.

Aber auch bei dieser Gruppe, wie bei allen anderen Gruppen, gilt, dass man gegen die unsinnigen Behauptungen der Justitiare der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten argumentieren muss. Eine der Kernpunkte dieser Argumentation ist die Behauptung, dass es angeblich gerecht sei, dass alle Haushalte
mit der gleichen Empfangsmöglichkeit belastet werden, weil niemand den extraterrestrischen Radiowellen der Rundfunksender entgehen könne, da es keine
Funklöscher in Deutschland gäbe.

Warum müssen eigentlich alle Haushalte mit einer Empfangsmöglichkeit der Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten belastet werden?

Ist die Förderung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Schutz der Pressefreiheit im Zeitalter der Informationsüberflutung noch notwendig,
insbesondere wenn man bedenkt, dass diese Rundfunkanstalten unter der politischen Einfluss einer gerade im Amt befindlichen Regierung stehen?

Hat man nicht das Recht auf eine derart gezielte Beeinflussung seiner Meinung durch Verzicht auf diese Medien zu bestehen?

Ist es nicht unsinnig von Menschen, die sich gegen eine solche gezielte Beeinflussung wehren, zwangsweise einen Förderungsbeitrag einzufordern?

Widerspricht ein solches System nicht gerade dem Grundgedanken der Pressefreiheit?

Fragen über Fragen, die das Bundesverfassungsgericht noch gar nicht gestellt hat.

Daher finde ich schon, dass man sich mit dem Thema der Diskriminierung der Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen ernsthafter auseinandersetzen
sollte, auch wenn die Verwaltungsgericht mit Verweis auf ihre Rechtsauffassung meinen, diese Frage einfach ignorieren zu können.


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Re: Diskriminierung -> EU-Recht
#20: 13. Februar 2018, 14:42
die Begriffe "Witwe"/"Witwer" kommen da nicht vor.
Der Hinweis des Landgerichtes Tübingen auf die Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG macht hier schon Sinn, weil der Rundfunkbeitrag als neue Form der Direktabgabe eine erwerbslose Witwe mit dem gleichen Betrag belastet, wie einen Witwer, der auf Grund seiner Erwerbstätigkeit dieselbe Rente wie vorher bekommt. Ich bin jetzt kein Rentenexperte, aber die Witwenrente liegt, wenn ich das richtig sehe, lediglich bei 55 % der vorherigen Gesamtrente, während der vorher erwerbstätige Mann auch nach dem Tode der Frau noch die volle Rente bekommt. Siehe hierzu:

https://de.wikipedia.org/wiki/Rente_wegen_Todes

Eine Direktabgabe mit einem undifferenzierten Beitrag ist in diesem Sinne diskriminierend, weil Frauen hierdurch mehr belastet werden.

Auch ist es immer noch eine Tatsache, dass Frauen bei gleicher Leistung immer noch weniger verdienen als Männer, was sogar durch offizielle Studien belegbar ist. Eine Direktabgabe mit einem undifferenzierten Beitrag belaste auch hier die Frauen mehr als die Männer in vergleichbarer Situation. Eine Frau hatte vorher zumindest die Möglichkeit, die Gebühr durch Abschaffung der Geräte einzusparen, was beim Zwangsbeitrag eben nicht mehr möglich ist.   


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