@ pinguin: Ich muss mal schreiben, dass ich deine Feststellungen manchmal ziemlich verharmlosend finde, da deine Argumentationsrichtung ignoriert, dass
die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich ganz offensichtlich zu den neuzeitlichen Verfolgern von Witwen und Waisen entwickelt haben.
Es geht bei dem Unrecht aus dem RBStV nämlich nicht nur um den Diskriminierungsaspekt, sondern vielmehr um die konkrete Verfolgung von Minderheiten (Nicht-Nutzer von Rundfunk und Fernsehen) und Opposition (Gegner von Staatsfernsehen). Zu den Minderheiten, die durch §2 RBStV auf strukturspezifische Weise über das Konstrukt des angeblichen Erhebungsdefizits verfolgt werden, gehören nämlich die folgenden beiden Frauengruppen:
Gruppe 1:
Witwen, die von ihrer Rente nach dem Tode des Mannes das erarbeitet Eigenheim Instandhalten und Unterhalten müssen, sind häufig nicht mehr in der Lage diese Aufgabe finanziell zu bewältigen. Gerade solche Rentnerinnen mit einem großen Haushalt müssen sparen, wo es nur geht, weshalb der Rundfunkbeitrag eine große Belastung darstellt. Da der Beitragsservice nur eine Befreiung gewährt, wenn irgendwelche Sozialleistungsbescheide vorgelegt werden, kann man davon ausgehen, dass diese Gruppe von Frauen auch keinen Anspruch auf Befreiung haben. Vgl. hierzu weiter:
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=25835.0Gruppe 2:
Alleinerziehende Mütter, die, selbst wenn sie Unterhaltszahlungen erhalten, immer in finanziellen Schwierigkeiten stecken, dürften ebenfalls ihre Probleme mit der Maxime des Beitragsservices haben, dass es nur bei der Vorlage von Sozialleistungsbescheiden eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag gibt. Es ist nicht unüblich, dass der Lebensunterhalt dieser Frauen und ihrer Kinder sich aus verschiedenen Finanzierungsquellen zusammenstellt, was dazu führt, dass er nicht ausreichend dokumentiert werden kann, um die gewünschten Sozialleistungsbescheide zu erhalten. Ich erinnere mich jedenfalls noch an den Fall, über den hier im Forum berichtet wurde, in dem die Eltern der Frau den Rundfunkbeitrag bezahlt haben, damit ein Haftbefehl gegen die Tochter zurückgezogen wurde. Eine solche Mischfinanzierung ist also nicht kompatibel mit dem Befreiungsanträgen der Rundfunkanstalten, obwohl es eigentlich eine gegebene Realität ist, dass Verwandte einander helfen, wenn es für den Lebensunterhalt nicht reichen sollte.
Das Landgericht Tübingen stellt daher in seinem Vorabentscheidungsersuchen (Rechtssache C-492/17) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu Recht die Frage:
„Ist die Richtlinie 2004/113/EG so auszulegen, dass auch der streitgegenständliche Beitrag erfasst wird und dass eine mittelbare Benachteiligung ausreicht, wenn aufgrund der realen Begebenheiten zu 90 % Frauen höher belastet werden?“
Zu den strukturspezifisch verfolgten Menschen gehören natürlich auch die natürlichen Gegner der Medienwelt, wie die Amisch – People aus dem Verfahren – 1 BvR 2550/12 - beispielsweise.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/12/rk20121212_1bvr255012.htmlhttps://wohnungsabgabe.de/klagen/1bvr2550_12_beschwerde.pdfDiese Menschen auf den langen Weg durch die Instanzen der Medienkammern der Verwaltungsgerichte zu schicken, die sich in ihren Sympathiebekundungen zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geradezu überschlagen haben, kann man aus heutiger Sicht durchaus als menschenverachtende Maßnahme bezeichnen. Die vom Bundesverfassungsgericht in Aussicht gestellte Befreiungsmöglichkeit aufgrund eines Härtefalles hat es nie gegeben. Solche Befreiungsanträge wurde bisher sogar dann abgelehnt, wenn vorgeschlagen wurde, den Beitrag alternativ für gute Zwecke zu spenden (Siehe zum Beispiel: VG Saarlouis Urteil vom 23.12.2015, 6 K 43/15).
Da in den vier Leitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf solche Fälle gar nicht eingegangen wird, bleibt also noch viel Arbeit. Die Verwaltungsgerichte verfolgen bisher eine einheitliche Richtlinie jegliche Eingabe zur Diskriminierung durch § 2 RBStV einfach zu ignorieren. Mit Bezug auf die Klagen der Steuerrechtler muss man wohl feststellen, dass sehr viele Klagen erst notwendig waren, damit diesen überhaupt in der Sache „Rundfunkbeitrag“ die Möglichkeit auf rechtliches Gehör vor dem Bundesverfassungsgericht eingeräumt wurde. Hierzu passt übrigens auch meine Erfahrung, dass ich auf Diskriminierung geklagt habe und die Verwaltungsgerichte in ihren Urteilen lediglich auf eine Einschränkung der Handlungsfreiheit Bezug nehmen, die ich gar nicht in der dargestellten Weise gerügt habe. Es stellt sich hier durchaus die Frage, wie man der Ignoranz von vorgetragenen Argumenten entgegenwirken kann. Es bleibt den Menschenrechtlern wahrscheinlich nichts anderes übrig, als auf die Unterschiede zur Argumentation der Leitverfahren hinzuweisen. Dies wird natürlich eine mühevolle Aufgabe sein, wenn die Klagen der Steuerrechtler scheitern sollten, was ich natürlich nicht hoffe. Dennoch sollte man schon jetzt in eine andere Richtung klagen.