In dem Urteil VG 27 K 375.13, in welchem das VG Berlin ab Seite 16 auf die Argumentation gegen den Rundfunkbeitrag reagiert, kommt es zu durchaus abenteuerlichen Einlassungen. Auf das Argument, dass abgabenrechtlich beim "Beitrag" gemäß dem Bundesverfassungsgericht ein konkreter Bezug zwischem dem gesetzlich definierten Vorteil und der Abgabepflicht erkennbar bleiben muss, was durch die unsachgemäße Anknüpfung eines "Rundfunkbeitrags" an das Innehaben einer Wohnung oder Betriebsstätte ersichtlich nicht mehr der Fall ist, schreibt das Gericht (Seite 16):
Zwar stellt § 2 Abs. 1 RBStV keinen Zusammenhang zwischem dem Innehaben einer Wohnung und dem mit dem Rundfunkbeitrag finanzierten Vorteil her. Dieser Vorteil ergibt sich aber mit hinreicheder Klarheit aus § 1 RBStV, der ausführt, dass der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie der Aufgabe nach § 40 RStV dient. Aus dieser Vorschrift lässt sich ableiten, welcher Vorteil mit dem Rundfunkbeitrag abgegolten werden soll.
Hiermit wird allenfalls ein Zweck aber sicherlich nicht ein konkreter Bezug zwischen Abgabe und Vorteil benannt, zumal es beim Rundfunkempfang ohnehin an einem
gesetzlich definierten Vorteil schlichtweg fehlt. Weiterhin schreibt das Gericht (Seite 17):
Soweit das Bundesverfassungsgericht in älteren Entscheidungen darauf abgestellt hat, dass aus der Veranstaltung der öffentlichen Hand ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil erwachsen müsse (...), so erweist sich diese Definition als zu eng. Auch andersartige konkrete Vorteile wie die Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nutzen, genügen als Anknüpfungspunkt für eine Vorzugslast, ohne dass sich der Vorteil auf Heller und Pfennig berechnen ließe.
In dieser Umdeutung der Vorzugslast ist die Grenze zur Willkür dann endlich überschritten, denn wie kann an eine Möglichkeit einen konkreten Vorteil darstellen? Möglich ist vieles im Leben, aber es ist von etwas Konkretem eben unterschieden.
Noch abstruser lesen sich die folgenden Einlassungen des VG Berlin (Seite 17):
Soweit sich der Kläger gegen die Anknüpfung an das Innehaben einer Wohnung wendet, weil das Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis sei, ist festzustellen, dass auch die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse sehr wohl Anknüpfungspunkt für Abgaben sein kann und ist. Für die kommunale Wasserversorgung, die ein zentrales existenzielles Bedürfnis abdeckt, werden Gebühren erhoben. Auch für Grundnahrungsmittel wird die Mehrwertsteuer abgeführt. (...) Auch die Ansicht des Klägers, der Beitrag sei verfassungswidrig, weil die Abgabe ohne willentliche Inanspruchnahme des Vorteils und ohne striktes Nutzungsverhalten erhoben werde, geht fehl. (...) Auch ein willentliches Austauschverhältnis ist nicht zwingend erforderlich. (...)
Bereits die vorgetragenen Beispiele lassen die Willkür und Unangemessenheit des Vergleichs erkennen: auf die Unangemessenheit des Vergleichs mit Abwassergebühren wurde bereits hier im Forum hingewiesen:
Unterschied zu Abfallgebühren / Wassergebührenhttp://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,10742.msg100884.html#msg100884Unzutreffend ist auch der Vergleichspunkt mit der Mehrwertsteuer auf Nahrungsmittel. Abgesehen davon, dass es sich eben um eine Mehrwert
steuer handelt, so ist diese eben von der tatsächlichen Inanspruchnahme und der Quantität des Konsums abhängig und nicht von der Möglichkeit der Inanspruchnahme. Gerade um bei diesem unpassenden Beispiel zu bleiben, so stelle man sich einen "Ernährungsbeitrag" vor, welcher den Vorteil eines möglichen Verzehrs von Nahrungsmittel unabhängig von deren tatsächlichem Konsum abgelten solle! Die fadenscheinige Rechtfertigung einer Zwangsabgabe "ohne willentliche Inanspruchnahme des Vorteils" sowie ohne "willentliches Austauschverhältnis" sind unerträglich und einer vernünftigen Rechtsprechung unwürdig. Hat sich das Gericht mit diesen Ausführungen für einen vernünftigen Bürger bereits diskreditiert, so bleiben als kleiner Lichtblick in diesem Urteil doch die Ausführungen auf Seite 18 ff:
Nicht unproblematisch ist der Umstand, dass der Rundfunkbeitrag praktisch jedermann trifft. Das Bundesverfassungsgericht hat zum Straßenbaubeitrag ausgeführt, dass sich aus Gründen der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) der Sondervorteil, dessen Inanspruchnahme durch die Erhebung eines Beitrags ausgeglichen werden soll, nicht in der Weise auflösen darf, dass Beitragspflichtige keinen größeren Vorteil aus der potentiellen Inanspruchnahme der Gegenleistung ziehen können als die nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit (...). Diese Entscheidung setzt als selbstverständlich voraus, dass es eine Gruppe der Beitragspflichtigen gibt, die einen größeren Vorteil erlangt als die davon zu unterscheidende nichtbeitragspflichtige Allgemeinheit (...)
Seite 19-20
Im Ergebnis gibt es eine von den Rundfunkbeitragspflichtigen unterschiedbare Gruppe von Nicht-Beitragspflichtigen jedenfalls dann, wenn man, wie die Kammer in ihrem oben zitierten Urteil vom 22. April 2015 erwogen hat, davon ausgeht, dass diejenigen, die über keinerlei privat genutzte Rundfunkempfangsgeräte verfügen, Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen eines besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV haben.
Nun ist es keineswegs nachvollziehbar, wie ein solcher Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht zur Schaffung einer nichtbeitragspflichtigen Allgemeinheit lediglich über eine Härtefallregelung gewährleistet werden kann und nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der gesamten Rundfunkbeitragsregelung führen soll, aber man darf hinsichtlich dieser Ausführungen auf die weiteren Urteile des VG Berlin gespannt sein.