Hallo Nils.
Ich wunder mich wirklich sehr, dass es Leute gibt die dafür sind, dieses abzuschaffen?
Ich persönlich bin nicht dafür, das öffentlich-rechtliche Fernsehen und insbesondere die Radiosender abzuschaffen. Aber ich wäre dafür, die Qualität und vor allem die Vielfalt der angebotenen Sendungen drastisch zu verbessern. Ich finde es absolut unverständlich, dass die Sender, die kaum von den Einschaltquoten abhängig sind, immer mehr versuchen, mit den privaten Sendern zu konkurrieren und deren Sendungen im etwas "seriöser" wirkenden Mantel zu kopieren, was unweigerlich einen Qualitätsverlust zur Folge hat. Beispiele gefällig?
Kochshows. Wer zum Geier braucht Kochshows? Dass diese auf privaten Sendern laufen ist ja in Ordnung, aber auf den Zugpferden des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ARD und ZDF) haben solche Sendungen meines Erachtens nach nichts zu suchen. Sie vermitteln weder Kultur noch Wissen und den Unterhaltungswert würde ich auch in Frage stellen, wobei letzteres natürlich subjektiv wahrgenommen wird.
Tatort. Die vielleicht bekannteste Sendung der ÖR nach den Nachrichten orientiert sich leider ebenfalls immer mehr an "vergleichbaren" Sendungen der Privaten. So wird beispielsweise die Handkamera (wackeliges Bild, was vermitteln soll, man wäre mittendrin dabei) immer häufiger genutzt, was mir persönlich Kopfschmerzen bereitet. Wozu das?
Man könnte solche Entwicklungen als Versuch deuten, das Programm für die jüngere Generation attraktiver zu machen. Allerdings funktioniert das nicht so ganz, da am falschen Punkt angesetzt wird. Gerade auf ARD und ZDF laufen leider viele Sendungen, deren Zielgruppe die "ältere Generation" sein dürfte, beispielsweise die sog. Telenovelas, "Willkommen bei Carmen Nebel" oder der Musikantenstadl. Vergleichbare Sendungen, die auch jüngere Menschen ansprechen, laufen zu unsäglichen Uhrzeiten und meist auf anderen Sendern der ÖR, wie beispielsweise der "Rockpalast", der Sonntags Nachts übertragen wird, wo die meisten, die sich diese Sendung gern ansehen würden, schlafen dürften, weil sie Montags Morgens früh raus müssen. Warum konkurrieren solche Sendungen nicht mit dem Schundprogramm der Privaten zur (zweit)besten Sendezeit, also Abends? Stattdessen laufen Abends von 18 bis 20 Uhr auf ARD (als Beispiel) "Daily Soaps" und Krimiserien, ein 5minütiges Wissensmagazin, Wetter und Börse. Auf dem ZDF laufen weniger Soaps oder Telenovelas, dafür aber meist irgendwelche Serien oder Magazine und zwischendurch immer mal Nachrichten (wobei ich mich da auch frage, warum für das ZDF eine eigene Nachrichtensendung ("heute") produziert werden muss, wenn auf fast allen anderen ÖR-Sendern die Tagesschau ausgestrahlt wird).
Ab 20 Uhr, nach den Nachrichten (die wohl die wertvollste Sendung der ÖR, die qualitativ auch leicht nachlässt) laufen zumeist sog. "Familienfilme" oder Serien, von denen man zuvor meistens noch nie etwas gehört hat, die aber schon durch Titel wie "Verloren auf Borneo" (kommenden Donnerstag, 20:15, ARD), "Wohin der Weg mich führt" (kommenden Freitag, 20:15, ARD), "Mordkommission Istanbul: Blutsbande" (kommenden Samstag, 20:15, ARD), "Das Geheimnis der Wale", "Marie Brand und das Lied von Tod und Liebe" oder "Der Kriminalist" (kommenden Mittwoch, Donnerstag und Freitag, je 20:15 Uhr auf ZDF) beinahe abschreckend wirken. Und ab 21:45 Uhr geht's zumeist weiter mit Politik oder anderen Krimiserien.
Hinzu kommen die Unmengen an Spartensendern, die zwar teilweise gutes Programm liefern, aber unnötig viel Geld verschlingen. Einige davon könnte man durchaus zusammenlegen und damit sogar eine Qualitätssteigerung erreichen. Außerdem - den KiKa gibt es ja, was ich eine gute Sache finde (auch wenn der eigentlich komplett Werbefrei sein sollte), warum gibt es parallel dazu nicht auch einen "Ü50"-Sender, auf dem speziell Sendungen für die ältere Generation laufen, wie der oben genannte Musikantenstadl?
Alles in Allem vermitteln mir die beiden wichtigsten GEZ-finanzierten Sender so gut wie keinerlei Wissen oder Kultur (die Nachrichten mal außen vor gelassen) zu den Zeiten, an denen ich als arbeitender Bürger fernsehe. Aber genau dazu sind diese Sender doch eigentlich da, genau damit begründen sie ihr eigenes Bestehen und die Regelung des Gebühreneinzugs. Nein, wenn ich wirklich Kultur oder Wissen in Form einer Dokumentation oder beispielsweise des Rockpalastes sehen möchte, muss ich unweigerlich auf die Spartensender ausweichen, wo ich solcherlei Sendungen mit viel Glück finde.
Hat jemand von euch schonmal in den USA gelebt, wo das Wirklichkeit ist, was Ihr jetzt fordert?
Wollt Ihr wirklich in Zukunft nur noch Programm mit Werbeunterbrechung alle 15 Minuten haben?
Nein, das will ich nicht. Und ja, ich kenne die amerikanischen Sender und Sendungen. Allerdings gibt es dort auch kaum Haushalte ohne PayTV und sehen dann beispielsweise werbefrei den Discovery Channel, weil sie es
wollen. Dort entscheiden sich die Familien bewusst für Sender, für die sie dann auch bereit sind zu zahlen. In Frankreich läuft das wohl ähnlich.
Die Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten anderer Länder bekommen es ja auch hin, qualitativ hochwertige Sendungen anzubieten. Mein Favorit ist seit Jahren der englische BBC, der sowohl tolle Serien produziert, die Kultur vermitteln (z.B. die Sherlock-Holmes-Reihe) als auch großartige Dokumentationen wie "Unsere Erde". Gelegentlich werden diese Sendungen sogar im ZDF übertragen, die aber kaum nennenswerte Eigenproduktionen ähnlicher Qualität liefern, eine Ausnahme bildet hier "Die Deutschen", die auf ZDFinfo oder ZDFkultur ausgestrahlt wurden. Solcherlei Sender würde ich sogar gern unterstützen, aber den ganzen Rest nicht.
Eine oft geforderte Lösung wäre die Umwandlung der ÖR in PayTV-Sender, um den Zwang der Zahlung zu umgehen. In diesem Zusammenhang muss ich auch einmal abschweifen und loswerden, dass ich die "Werbung" der GEZ äußerst suboptimal finde. Wer kennt ihn nicht, den "Schon GEZahlt?"-Slogan? Solcherlei Werbung wurde gerade bei der Anti-Piraterie-Kampagne der Filmindustrie sehr oft kritisiert (m.M.n. zu Recht), allerdings hat die Filmindustrie mittlerweile gegengesteuert und bedankt sich nun dafür, dass man das Original gekauft hat. Aber zurück zu der Idee mit dem PayTV. Das Problem dabei ist, dass PayTV auch bedeutet, dass die Sendeanstalten ihre Programme verschlüsseln müssten und somit auch kontrollieren, wer welche Sender schaut. Das ist Verfassungsrechtlich nicht möglich, also fällt das weg. Dennoch ist die Situation der Geräte- oder Haushaltsabhängigen Abgabe (die ja ab 2013 kommt) immer noch kontrovers, weil zu viele für eine Leistung zahlen müssen, die sie weder nutzen noch nutzen wollen. Gerne wird hier das Beispiel der türkischen Einwandererfamilie genannt, die praktisch nur ausländisches Fernsehprogramm empfangen, das inländische aber mitfinanzieren müssen.
In Portugal und den Niederlanden wurde dieses Problem damit behoben, dass die ÖR Sender komplett aus der Staatskasse finanziert werden, was ich eigentlich eine gute Idee finde. So zahlt zwar auch am Ende jeder, aber man fühlt sich dabei nicht so auf die Füße getreten und der ganze Verwaltungsaufwand fällt weg. Kritisiert wird dabei, dass die Unabhängigkeit der Sender leiden würde - andererseits stelle ich die politische Unabhängigkeit auch in Frage, wenn in den Gremien der ÖR zu 80% Unionspolitiker sitzen, was bei uns der Fall ist.
Meint Ihr tatsächlich, dass kulturell hochwertiges Programm sich von selbst finanziert?
Das "kulturell hochwertige Programm" sucht man ja leider oft vergebens, wie oben schon aufgeführt. Eine Sache, die ich bei den ÖR nicht missen möchte und auch nicht auf die privaten Sender verschoben haben will, ist die Übertragung von wichtigen Sportereignissen (wobei davon sehr wenige gezeigt werden), allen voran Olympia und die Fußball-WM/EM. FÜr mich ein weiterer wichtiger Grund für den Erhalt der ÖR Sender. Aber "kulturell hochwertig" ist vom Sendeplan von ARD und ZDF vielleicht 40%, wenn überhaupt. Und davon läuft die Hälfte eben zu unsäglichen Uhrzeiten.
Ich hoffe sehr, dass eure Minderheitenbewegung keinen Einfluss auf das hat, was uns von ARD/ZDF geboten wird. Und ich hoffe sehr, dass Ihr euch auf keinen Fall durchsetzt.
Du magst Recht haben, dass "GEZ-Boykott" eine "Minderheitenbewegung" ist (wobei "Bewegung" m.E.n. nicht zutreffend ist), aber die Kritik an der GEZ zieht sich seit Jahren durch alle Teile unserer Gesellschaft. Auch gilt es zu betonen, dass "GEZ" nicht gleich "Öffentlich-Rechtliche Sender" bedeutet. Die GEZ ist nur der Geldeintreiber und das leider mit oft unangebrachten Mitteln, sehr gierig auftretend und wenig kundenfreundlich.
Zum Thema "kundenfreundlich" noch eine kurze Begründung, die ich so selbst erlebt habe und die mich dazu gebracht hat, mich offen gegen die GEZ zu positionieren: Vor ein paar Jahren habe ich mein (defektes) Fernsehgerät entsorgt. Ein anderes Rundfunkgerät besaß ich nicht, was nicht weiter schlimm war, da ich mich sowieso meist bei Freunden aufhielt. So schaffte ich also auch kein neues Gerät an und meldete mich formgerecht bei der GEZ ab. Nachdem ich einige Wochen nichts mehr von der GEZ gehört hatte, erreichte mich eine Mahnung. Ich solle gefälligst meine Gebühren zahlen. Ich versuchte mehrfach (etwa 30 Mal an verschiedenen Tagen zu verschiedenen Zeiten und sogar verschiedenen Telefonnummern) bei der Zentrale anzurufen, bekam aber nie jemanden ans Telefon. Also einen Brief aufgesetzt und erklärt, dass und aus welchem Grund ich mich abgemeldet habe und nebst einer erneuten Abmeldung zur GEZ gesendet. Wieder keine Antwort, wieder eine Mahnung. Das ging noch etwa 7 Mal so weiter (habe insgesamt 9 Abmeldungen und 8 Briefe dort hin gesendet), bis dann der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand und für die GEZ knapp 3800 Euro eintreiben wollte (wegen Mahngebühren und all so Pipapo). Ich habe dem Gerichtsvollzieher die Schreiben gezeigt und ihm die Situation erklärt um dann mit ihm gemeinsam ein Fax (von seinem Gerät) an die GEZ zu schicken, in dem die Situation erneut erklärt wurde. Der Gerichtsvollzieher hatte soweit Verstand und Verständnis, dass die Sache damit für ihn erledigt war. Und nun rate mal, was passiert ist. Richtig, keine 4 Wochen später bekam ich erneut eine Mahnung über rund 4200 Euro mit Drohung der Pfändung von der GEZ. Seither werfe ich die Briefe dieser Vereinigung ungeöffnet in die Mülltonne. Von dem Gerichtsvollzieher habe ich nie wieder etwas gehört. Übrigens war auch einer dieser "freien Mitarbeiter" der GEZ einmal bei mir und hat festgestellt, dass ich keinerlei Rundfunkgeräte besaß, was die Mahnungen aber auch nicht stoppte. Und ein solch ignorantes und kundenunfreundliches Verhalten kann ich schlichtweg nicht akzeptieren.
Daher boykottiere ich die GEZ und fordere nicht die Abschaffung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, sondern deren Verringerung und programmliche Qualitätssteigerung sowie eine andere Form des Gebühreneinzugs. Das aktuelle System ist viel zu bürokratisch und lange nicht mehr zeitgemäß, auch mit der kommenden Umstrukturierung nicht. Die GEZ ist überflüssig geworden, wie man in den meisten europäischen Ländern sehen kann - dort gibt es nämlich keine "Gebühreneinzugszentrale", die massive Datenschutzverletzungen begeht und nicht umsonst für viel Kritik sorgt (sogar bei der EU-Kommission); dafür gibt es dort aber oft qualitativ wesentlich hochwertigeres Programm auf ebenfalls öffentlich-rechtlichen Sendern.
Beste Grüße.
PS: Dieser Verifizierungskram ist wirklich Mist!