Das Problem mit der Verschlüsselung ist unlösbar: Wenn verschlüsselt wird, könnten die Profite wegbrechen, wer will das schon? Ach ja, örR auf keinen Fall!
Da ist schon was Wahres dran.
Es geht aber im Kern um die Frage, inwieweit das Grundrecht auf "Rundfunkfreiheit" (Kollektiv) in die Grundrecht
e der einzelnen Personen eindringen darf.
Mit der Verschlüsselung wäre dieses Problem gelöst, da ja nur derjenige den ÖR nutzt, der es auch möchte.
Es ist also eine politische Frage, wie weit die einzelnen Personen sich vom Kollektiv entfernen dürfen.
Beim Krankenzwangsversicherung ging die Argumentation so, daß die Kommunen zulasten des einzelnen entlastet werden. Dabei spielte die Einschränkung der Gewerbefreiheit keine Rolle. Das Kollektiv der Kommunen wurde höher bewertet als die einzelne Person, was durch die Rechtsfigur des "sozialen" Rechtsstaat gestützt wurde. Ideologisch findet das seinen Ausdruck in der "sozialen Marktwirtschaft".
Die Frage, die sich eigentlich stellt, ist: Was passiert, wenn es den ÖR nicht mehr gäbe? Da wurde Lammert gleich nervös, als er ankündigte, daß dann halt die Gesetze geändert werden. Dem ÖR wird also eine hohe politische Priorität zugeschrieben. Es geht insofern um immaterielle Zusammenhänge, die mit der Krankenzwangsversicherung so nicht vergleichbar sind. Wenn es um immaterielle Zusammenhänge geht, die das Kollektiv betreffen, kommt man schnell auf das Thema von Überzeugungen. DIE ZEIT hat vor einiger Zeit einmal festgestellt, daß weltweit das Ansehen der Politik zurückgeht. Dies ist wohl ein Phänomen, das nicht nur den Ort betrifft, wo man sich gerade befindet, sondern ein grundsätzliches. In den USA beispielsweise gibt es nur eine Zustimmungsquote für den Kongress von 10 Prozent und das, obwohl dieser alle 2 Jahre neugewählt wird. Es kann also nicht an dem einzelnen Politiker liegen, sondern ist wohl eher eine systemische Frage.
Da dieses Absinken des Ansehens der Politik einhergeht mit der Globalisierung, ist darin auch der Grund zu sehen. Gerade diese Globalisierung hat zu der Weltfinanzkrise geführt, die immer noch ungeklärt ist. Und diese Globalisierung hat zu einer selbsteingeleiteten Entmachtung der Politik geführt, die alles Mögliche privatisiert hat und sich damit aus der Verantwortung für die privatisierten Bereiche gezogen hat. Diese Selbstentmachtung hat natürlich zu Lücken in der Wahrnehmung der Bevölkerung geführt, die plötzlich mit Verantwortung - auch mit künstlich neugeschaffener - konfrontiert wird, die ihren Handlungsspielraum einschränkt. Hinzu kommt, daß die Globalisierung diejenigen fördert, die geographisch flexibel sein können. Im Fall von Hoeness wohl nicht. In der Masse jedoch schon, da oft Millionäre zum geographisch zuständigen Finanzminister gehen und sagen, wenn ich nicht das und das bekomme, dann gehe ich halt weg. Also der früher mächtige Finanzminister hat durch die politische Selbstentmachtung seiner Vorgänger heute die Position eines Bittstellers. Das ist die Realität. Ganz krass ist diese Situation bei juristischen Personen wie Konzernen, die weltweit die Kommunen gegeneinander ausspielen, um ein Optimum an Infrastruktur für ihr Unternehmen herauszuholen.
Der Irrsinn besteht darin, daß alle paar Jahre zwar gewählt wird, aber die Zuwählenden immer weniger Macht haben, dafür aber für die Mißstände verantwortlich gemacht werden. Deshalb gibt es ja auch Ersatzthemen, an denen sich die Wähler abarbeiten können.
Und das ist die eigentliche immaterielle Funktion des ÖRs.
Damit steht aber die Frage im Raum, inwieweit die Wähler sich vom Medium des ÖRs bannen lassen, damit dieser seine machtstabilisierende Funktion aufrechterhalten kann. Bei der Jugend sieht es damit mau aus. Diese veröffentlicht ihre Privatheit und stellt sie in den öffentlichen Raum, ohne die bisherigen kulturellen Strukturen zu beachten. Es ist wie eine Parallelwelt in aller Öffentlichkeit, die öffentlich zum Ausdruck bringt, wie unwichtig das Medium des ÖRs ist, weil man selbst seine eigene Öffentlichkeit individuell produziert.
Der eigentliche Kampf findet also nicht zwischen Gegnern des Rundfunksbeitrags und dem ÖR statt, sondern zwischen einer neuen Kultur der öffentlichen Nichtöffentlichkeit und der alten Kultur der strukturierten Öffentlichkeit.
Das ist der Punkt, den man im Kampf mit dem ÖR aufgreifen sollte. Nämlich daß er nicht mehr das halten kann, was er einmal versprach: die machtstabilisierende Funktion. Sie ist obsolet geworden, weil die Finanzmärkte die eigentliche Macht übernommen haben und die Jugend das sehr wohl erkennt, indem sie durch Indifferenz ihre eigene Machtlosigkeit zum Ausdruck bringt. Wählen ist o.k., aber dazu benötigt man nicht den ÖR.
Das ist auch tatsächlich so.
Das Ritual der Berichterstattung über die Meinungsumfragen verliert an Glanzkraft. Es dient dem alten Teil der Bevölkerung, der ja politisch keine Bedrohung darstellt und damit machtpolitisch irrelevant ist.
Wer sich informieren will, schaut ohnehin ins Internet. Und da ist der ÖR nur einer unter vielen.
Daher stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung er eine Vorzugsbehandlung in der Frage der Grundrechte durch die "Rundfunkfreiheit" für sich beansprucht. Immerhin wird ja mit diesem Anspruch das Grundrecht des einzelnen eingeschränkt - also Kollektiv gegen Individuum. Das ist nämlich die wesentliche Veränderung gegenüber der alten Situation, die von einem Nebeneinander geprägt war: Das Kollektiv, das ja auch nur ein Rechtskonstrukt ist, dringt ohne Grund in das individuelle Leben ein.