Hi Sebastian,
die Klage gefällt mir sehr gut, insbesondere die Argumentation hinsichtlich der Typisierung. Da sind eine Menge Anregungen für mich dabei - falls ich irgendwann mal einen Widerspruchsbescheid bekomme (ich bin aber nicht scharf drauf).
Folgende Anmerkungen:
Ziffer 5 und 10 sind doppelt (negative Informationsfreiheit), ggf. könnte Ziffer 8 (Allgemeine Handlungsfreiheit) noch mit eingebaut werden - aber das ist Geschmackssache.
Weitere Anregungen - als Textvorschlag aus einer (wie immer hypothetischen
) Widerspruchsformulierung, die Du (soweit es passt) übernehmen kannst oder halt nicht:
- Da Du ein guter Statistiker bist, solltest Du vielleicht die Gerätekonvergenz noch beleuchten - mir viel da folgendes zu ein:
Nach dem Bescheid ist die Grundlage für die Festsetzung der Abgabe vermutlich die „Innehabung“ einer Wohnung und ist unabhängig vom Besitz von Rundfunkgeräten oder die tatsächliche Möglichkeit des Rundfunkempfangs. Mithin handelt es sich gem. § 3 AO um eine Zwecksteuer, da die geforderte Geldleistung keine Gegenleistung für eine bestimmte Leistung darstellt. Auch wird durch die Zahlung eines Beitrages gegenüber der übrigen Bevölkerung kein wirtschaftlicher oder ideeller Vorteil („Vorzugslast“) gegenüber anderen nicht Beitragsbelasteten erzielt. Genau dies ist bei einer Steuerzahlung der Fall, denn ein Betrag setzt zumindest die Möglichkeit eines Rundfunkempfangs für die Beitragspflichtigen voraus, dies ist jedoch nicht der Fall, schon weil die technischen Voraussetzungen fehlen und durch Zahlung eines Beitrages auch nicht erworben werden, z.B. durch Stellung entsprechender Geräte. Eine typisierende Annahme, dass in jeder Wohnung entsprechende Geräte vorhanden seien, ist willkürlich konstruiert. Zudem ist eine solche Interpretation auch nicht durch den Text des RBStV oder RFinStV gedeckt. Die Behauptung, dass in nahezu 100% der Wohnungen entsprechende Gerate vorhanden seien ist ohnehin nicht anhand der KEF-Berichte (hier auch neuartige Rundfunkempfangsgeräte) belegt. Zudem ist die Interpretation, dass ein Rundfunkempfang mit mobilen Geräten (Mobiltelefone und mobile Endgeräte wie Notebooks) typischerweise in einer Immobilie stattfindet bereits in sich widersprüchlich und absurd.
- Ziffer 4 - Informationelle Selbstbestimmung
Verstoß gegen mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die zentrale Speicherung meiner Daten beim Beitragsservice verstößt zudem gegen mein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Eine bundesweite, zentrale Einwohnerdatei ist unzulässig. Die zentrale Speicherung jedes Bundesbürgers (auch derjenigen, die von der Zahlung befreit sind) verstößt gegen dieses Recht, eine lediglich „logische“ oder organisatorische Regelung zur Trennung der Daten nach zuständigen Landesrundfunkanstalten ist nicht ausreichend. Dazu kommt, dass auf Grund der ALG-2 Befreiungen bzw. der Befreiungen von Taubstummen und Blinden auch besonders schützenswerte Sozialdaten gespeichert werden.
Dass meine diesbezüglichen Vorbehalte nicht nur theoretischer Natur sind, belegt der Missbrauch der Daten durch „freischaffende“ Betrüger, die Zahlungsaufforderungen mit tatsächlichen Daten genutzt haben, vgl. FAZ vom 21.11.2013: „Gefälschte Beitragsrechnungen“, Zitat: „Anders als frühere Fälschungen seien die jetzigen an regulär gemeldete Beitragszahler gerichtet, die Betrüger scheinen also über die entsprechenden Daten zu verfügen“. (Fundstelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/ard-und-zdf-gefaelschte-beitragsrechnungen-12675386.html ). Der fahrlässige Umgang mit den unfreiwillig erhobenen Daten zeigt sich auch daraus, dass die Beitragsnummer im Fenster jedes Schreibens ersichtlich ist.
Die Behauptung, dass durch die Umstellung auf die Wohnungsabgabe ein Fortschritt in Sachen Datenschutz erreicht würde, kann nur als Euphemismus bezeichnet werden. Anders als die Rundfunkanstalten glauben machen wollen, hatten die freiberuflich Tätigen sog. „Rundfunkgebührenbeauftragten“ zu keinem Zeitpunkt das Recht, ohne Zustimmung des Wohnungsinhabers Wohnungen zu betreten.
Jetzt erklärt der Gesetzgeber durch die in der Begründung zum RBStV enthaltenen Aussagen (Stichwort Gerätekonvergenz und Typisierung) zur sozialen Norm, dass in Wohnungen an das Internet angebundene Geräte (neuere Fernseher mit Internetanschluss (IP-TV), PC’s, Mobiltelefone) vorhanden zu seien haben. Auf Grund der Möglichkeiten der verdeckten Überwachung (Raumüberwachung) erinnert die Zielrichtung des Gesetzgebers an Orwellsche Verhältnisse. Auf Grund der intensiven Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz, BND und NSA ist auch dies nicht nur eine abstrakte Gefahr.
- 9 Zweckentfremdung
Zudem erfolgt aus den Rundfunkbeiträgen auch die Finanzierung der Landesmedienanstalten – also eine originär staatliche Aufgabe, z.B. für Aufgaben nach dem JMStV, z.B. bei der Überwachung privater Webseiten. Insoweit dient der Rundfunkbeitrag auch nicht ausschließlich den behaupteten Vorteilen.
Das muss anhand der zuständigen Landesmedienanstalt gegenrecherchiert werden, für Berlin-Brandenburg passt das.
Verstoß gegen Programmgrundsätze des Rundfunkstaatsvertrages
Mit im Wesentlichen seichten Unterhaltungs- und „Infotainment“-programmen (z.B. überteuerte Talkshows wie „Jauch“, „Illner“ oder „Lanz“ oder „Wetten dass ...“) insbesondere im sog. „Vollprogramm“ von ARD und ZDF wird gegen die Programmgrundsätze des § 11 RStV und den Grundversorgungsauftrag verstoßen. Danach haben die Programme der Bildung, Information und Beratung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen. Dies ist nicht der Fall, vielmehr gleichen die Unterhaltungs- und Informationsprogramme denen der privaten Betreiber. Soweit ARD und ZDF sich nicht auf den Grundversorgungsauftrag konzentrieren, ist eine Geräteunabhängige allgemeine Abgabe/Zwecksteuer unzulässig. Auch die Rundfunkfreiheit kann bei einer Zwangsfinanzierung nicht dazu führen, dass die Rechtsgrundlagen, welche die Legitimation der Abgabe begründen sollen, komplett missachtet werden. Ein Programm, welches die behauptete Legitimation einer Zwangsabgabe schon im Ansatz nicht erfüllt, kann auch keine Grundlage für eine Vorzugslast sein. Es mangelt schon insoweit an den theoretischen Vorteilen – im Gegenteil: Der passive Fernsehkonsum sowie die derzeitigen Rundfunkprogramme (insbesondere die „Vollprogramme“ von ARD und ZDF) sind sozial schädlich – schon gar nicht animieren die Programme zum selbstständigen Denken in einer pluralen und demokratischen Gesellschaft, sondern erfüllen die einseitigen Interessen einer Parteiendemokratie.
Die Argumentation mit den überbordenden Rentenversorgungen gefällt mir sehr gut. Bei Angestellten im öffentlichen Dienst (und damit müssen sich die Staatsfunker eigentlich vergleichen lassen) wurde das System erheblich gekürzt und von einer beamtenähnlichen Gesamtversorgung nach dem jeweiligen Endgehalt auf ein beitragsorientiertes Punktemodell umgestellt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Zusatzversorgung_des_%C3%B6ffentlichen_Dienstes Wäre ggf. ein Nebensatz wert.
- Zusätzlich:
Europarechtswidrigkeit:
Nach neuesten Presseartikeln ist die Umstellung der Erhebungsform als Wohnungsabgabe (entgegen der Gesetzesbegründung) nicht aufkommensneutral. Dies macht die Auffassung, dass es sich beihilferechtlich nur um eine Verwaltungsumstellung handelt, obsolet. Ich verweise auf das Gutachten von Herrn Ermano Geuer vom 23.01.2013, Fundstelle:
http://www.vzvnrw.de/fileadmin/user_upload/downloads/2013_01_23_Gutachten_VZVNRW_Rundfunkbeitrag.pdf . Danach ist die Einführung einer Beihilfe erst nach Notifizierung und Prüfung durch die EU-Kommission zulässig.
Neueste Presseartikel kannst Du nunmehr streichen, aber den neuen KEF-Bericht kennst Du besser als ich.
Viele Grüße,
Matze
"Eine Abgabe ist jedenfalls immer dann eine Steuer und kein Beitrag, wenn sie Begünstigte und Nichtbegünstigte zur Finanzierung einer staatlichen Leistung heranzieht" (Paul Kirchhoff)