Zur Verdeutlichung ein echt älterer Artikel (1970).
Vorab dazu: ich bin kein Zeuge Jehovas, (aber ja auch kein Nazi, obwohl ich gegen den Rundfunkbeitrag bin ;-))
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm
Das beschreibt so das Verhältnis zwischen Gesetz und Gewissen, wie ich es verstehe. Die Teile die sich auf die Zeugen Jehovas beziehen kann man bei Nichtinteresse überspringen.
"Hier vertritt Burski die Ansicht, daß der in der Rechtsprechung angenommene Vorbehalt der allgemeinen Gesetze weder Art. 136 WRV noch dem Demokratieprinzip zu entnehmen sei. " (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Ja, ja, da kommen die Praktiker ins Spiel und die "Literatur" kann dann mal wieder als Öffentlichkeitsarbeit dienen.
"Er widerspreche vielmehr der Grundrechtskonzeption des GG. " (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Damit widerspricht Burski der Rechtsprechung, die einen "Vorbehalt der allgemeinen Gesetze" vor der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes annimmt. Unklar ist, wen er mit "Rechtsprechung" meint, denn er beruft sich ja bei seinem Widerspruch hinsichtlich eines "Vorbehalts der allgemeinen Gesetze" vor der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes gerade auf die Rechtsprechung, wie im folgenden deutlich wird:
"Nach der Definition des Gewissens durch Rechtsprechung und Literatur sei es als verbindliche sittliche Instanz, die den Menschen mit "Geboten unbedingten Sollens" (66) konfrontiert, vielmehr der rationalen Überprüfung entzogen und seinem Charakter nach etwas ganz anderes als eine sachlich-politische Überzeugung." (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Offensichtlich handelt es sich bei letzterer "Rechtsprechung" um eine andere "Rechtsprechung", die einen "Vorbehalt der allgemeinen Gesetze" vor der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes annimmt.
Das "Gewissen" ist somit aus einer "rationalen Überprüfung" ausgelagert. Es ist dem "Gewissen" nicht mit rationalen Argumenten beizukommen, um es quasi zu disziplinieren und in Grenzen zu verweisen. Vielmehr dient das "Gewissen" als "sittliche Instanz", die den Menschen bei seinem Handeln mit "Geboten unbedingten Sollens" einschränkt. Die "sittliche Instanz" strukturiert sich nach einer "objektiven Wertordnung", die trotz ihrer Subjektivität und Personengebundenheit zur Objektivität tendiert. Dies bedeutet, daß die Person "objektiv" in der Sittenstruktur seines Gewissens handelt.
Das Gewissen unterscheidet sich in dieser Weise von einer "sachlich-politischen Überzeugung". (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Deshalb stellt sich die Frage, inwiefern man aus "religiösen" Gründen einen Gewissenskonflikt mit dem ÖRR haben könnte. So wie andere Worte inflationiert für Umschreibungen bestimmter Zusammenhänge verwendet werden, wird auch der Begriff der "Religion" dafür instrumentalisiert. Es ist einfach, das unpragmatische Handeln von jemand mit "religiös" zu umschreiben, damit seine Sturheit in einer bestimmten Sache deutlich wird. Der Begriff der Sektiererei ist dann auch nicht weit weg. Manche nutzen auch den Begriff der "Religion" ganz offensiv, um sich eine Aura der Unnahbarkeit zu verschaffen. Das geht hin bis zur Konstruktion von Gedankengebäuden, um dieser "Religion" genügend Glaubwürdigkeit zu geben.
Nach Auffassung von Burski entsteht durch die Anwendung der "Gebote unbedingten Sollens" kein "anarchistisches Chaos", denn:
" 'Eine echte Gewissensentscheidung' tritt 'nur ganz selten mit einem Gesetz in Konflikt.'(?)" (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Eine "echte Gewissensentscheidung" ist somit eine Ausnahmesituation, die mit den "Gebote unbedingten Sollens" in Konflikt gerät.
Er begründet die Konfliktarmut mit dem Gesetz und die Objektivität von Ausnahmehandeln entsprechend:
"Das liegt daran, daß das Gewissen nicht jeder Eigensinn ist, sondern aus einer objektiven Wertordnung erwächst und deshalb trotz seiner Subjektivität und Personalgültigkeit zur Objektivierung tendiert. " (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Die objektive Wertordnung ist das entscheidende Kriterium für die Beurteilung einer Entscheidung als "echte Gewissensentscheidung". Und Burski zeigt auch, warum eine "echte Gewissensentscheidung" sich von kriminellem Handeln unterscheidet:
"Der größte Teil der Gesetzesverstöße beruht gerade auf Gewissenlosigkeit, so daß der Schutz und die Stärkung des Gewissens die Kriminalität eher vermindern kann." (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htm )
Die
Gewissenlosigkeit
Bestrebungen der Objektivierung des Gewissens erteilt Burski eine Absage. Und er erklärt dies auch sehr logisch: "Das Gewissen kann nämlich "nicht vom Individuum trennen und durch Verknüpfung mit einer abstrakt-objektiven Gerechtigkeit in ein allgemeingültiges Einheitsgewissen umwandeln". Genau dies versucht der ÖRR gerade mit Hilfe des Rundfunkstaatsvertrags
durchzusetzen
.
Burski weiter: "Zudem sei auch die Feststellung dieses Einheitsgewissens menschlichem Irrtum unterlegen. Sie könne daher vor subjektiven Verirrungen nicht schützen, sondern führe zur Gefahr eines staatlichen Gewissensmonopols." (
http://www.gewissensfreiheit.de/82_001.htmn )
Es ist also völlig unklar, wie innerhalb des ÖRR ein solches "Gewissensmonopol" (Political Correctness) entwickelt wird. Es ist völlig intransparent, wer für welche Entscheidungen steht. Als Laie bekommt man mehr oder weniger mit, daß die Funktion des sogenannten "Programmdirektors" eine einflussreiche Position innerhalb der Hierarchie des ÖRR abbildet. Wie die Entscheidungsprozesse zum "Programmdirektor" verlaufen, ist völlig unbekannt. Dies ist insofern von Bedeutung, als daraus natürlich auch wirtschaftliche Entscheidungen fließen. Aber in Hinblick auf die Funktion als Wächter von "Political Correctness" läßt sich feststellen, daß es lediglich postdemokratische Stellvertreterdebatten in der Öffentlichkeit gibt. Es werden also eher Werte über den ÖRR in das Gemeinwesen transportiert, ohne daß die Voraussetzung einer Allgemeingültigkeit durch eine allgemeine und nichtpostdemokratische Debatte geprüft wird. Der Entscheidungsprozess über die Allgemeingültigkeit von Werten ist hierarchisiert, woraus ja in der Umgangssprache der Begriff der "Demokratur" entstanden ist. "Demokratur" beschreibt den Umstand, daß die Mehrheitsherrschaft diktatorisch Entscheidungen umsetzt. Für Grundrechte ist in einer "Demokratur" kein Platz, denn die Wertvorstellungen unterliegen ja in einem solchen System gerade einem "Gewissensmonopol", wobei wir gelernt haben, daß die Entscheidungsprozesse über die Werthaltigkeit eines solchen "Gewissensmonopol" hierarchisiert sind, also eher autoritären als demokratischen Strukturen entsprechen. Das läßt sich beispielsweise daran erkennen, daß Monika Piel erkrankte, als der neue Rundfunkstaatsvertrag wirksam wurde. Der Druck auf die Spitze - also Monika Piel - war einfach zu groß geworden.
Man kann somit zusammenfassen: Der ÖRR ist kein "Offener Kanal", indem Werte frei zum Ausdruck kommen können und damit der Überprüfung durch die Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Auch läßt sich feststellen, daß "Political Correctness" - also quasi das "Gewissensmonopol" - vor "subjektiven Verirrungen" nicht schützen kann. Anpassungsprozesse sind keiner öffentlichen Kontrolle ausgesetzt und trotz des Identitätswirrwarr des ÖRR ist eine "öffentliche Kontrolle" nicht personifiziert, auch wenn innerhalb des ÖRR manche mutmaßlich meinen, sie wären die "öffentliche Kontrolle" in Person.
Gerade dieses "Gewissensmonopol", das als Legitimation für die totalitäre Ausformung des Rundfunkstaatsvertrags herhalten muß, zeigt, daß sich der ÖRR zur "Religion" aufgeschwungen hat. Wenn nämlich dem Individuum ein "individuelles Gewissen" abgesprochen wird, dann folgt daraus ja zwangsläufig, daß es ein "zentralisiertes Gewissen" geben würde. Eben den ÖRR. Er behauptet eine Staatsferne, in dem er als ÖRR über den Staat schwebt, der von oben (wieder Hierarchie) herab, dem Staat das Wertegerüst eintrichtert, nach dem er zu handeln hat. Wie anders kann man so etwas umschreiben als mit "Religion"?
Wenn also Nassim Taleb ("Der schwarze Schwan") Deutschland zur Zeit als wichtigste Land der Welt bezeichnet, dann stellt sich schon die Frage, was er an Deutschland als so besonders gegenüber anderen Ländern betrachtet.
Also aufgepasst, was man uns mit diesem Rundfunkstaatsvertrag antut. Er könnte als Vorbild für andere Länder dienen. Im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien, deren Zwangsabgaben einem sinnvollen Ziel zugeführt werden, die man zudem dadurch umgehen kann, das man sich den Strom abstellen läßt (da sonst zwangskontrahiert), ist der Rundfunkzwangsbeitrag von reinen machtpolitischen Überlegungen geprägt, die man als "Allgemeinwohl" verkauft. Und da sollte man keiner Partei trauen, da sie in den ÖRR-Gremien bei Neueinzug entsprechend Einfluß auf die Köpfe gewinnen. Somit ist das von Burski abgelehnte "Gewissensmonopol" die Hauptantriebsfeder der Entfaltung der "Rundfunkfreiheit". Es findet also durch den Rundfunkstaatsvertrag eine Umdeutung des Begriffs "Freiheit" hin zu einer "Freiheit des kollektiven Gewissensmonopols" statt, dem sich das Individuum unterzuordnen hat und damit auch dessen Freiheiten.
Das steht so nicht im Rundfunkstaatsvertrag, hat aber genau diesen Effekt.
Durch die "Kollektivierung" des "Gewissens" wird die Entfaltung der "Rundfunkfreiheit" strukturiert.
In der Diskussion um das "Gewissen" wird deutlich, was auf dem Spiel steht:
"Gegen die Zurückdrängung des Gewissens in den inneren Kernbereich der Person durch Scholler führt Burski an, daß es dem Gewissen gerade um die Verwirklichung nach außen als Freiheit sittlichen Handelns ginge und darum allein im forum internum nicht bestehen bleiben könne."
Indem eine Monopolisierung des "Gewissens" stattfindet, wird das persönliche Gewissen in einen "inneren Kernbereich" konzentriert, das zur
Privatsache verkommt. Da aber das Gewissen als Grundlage "sittlichen Handelns" dient, kann es nicht zur Privatsache werden. Ohne persönliches Gewissen ist kein "sittliches Handeln" möglich, da das "Handeln" ständig in Konflikt mit einem "Gewissensmonopol" kommt. Das "Gewissensmonopol" dient dem Zweck, menschliche Makel zu kreieren, die dann im Alltag ausgebeutet werden können. (Vgl. hierzu: Der menschliche Makel von Philipp Roth,
http://www.dieterwunderlich.de/Roth_makel.htm ) Dies unterscheidet eine Demokratur von einer Demokratie, die eine flexible Mehrheitsherrschaft abbildet. Grundlage einer flexiblen Mehrheitsbildung sind die persönlichen Grundrechte, die dezentral Grundlagen "sittlichen Handelns" möglich machen. Ein "Gewissensmonopol" zentralisiert eine solche Grundlagenbildung. Je nachdem welche politischen Ziele die jeweiligen Spitzen dieser Herrschaftsformen verfolgen, kommt das eine oder das andere zum Zuge.
Mit dem Rundfunkstaatsvertrag soll zumindest ein Potential für eine Struktur eines zentralisierten "Gewissens" gelegt werden. Deshalb muß man so genau auf den Begriff der "Rundfunkfreiheit" schauen, damit dem Abwehrberechtigten kein Schneeballsystem vor die Nase gesetzt wird.
Letztlich geht es eben auch um die Stabilität der gesellschaftlichen Gesamtstruktur, dessen Personifizierung der ÖRR glaubt zu sein, weil sich diese Marktnische für die eigene Existenzberechtigung gerade anbietet und das System derzeit heftig unter Spannung steht.
Wenn man also für die Zahlungsverweigerung Gewissensgründe anführt, sollte man sich mit dem Thema "Gewissen" auseinandersetzen, damit man versteht, was man selbst für eine Struktur des Handelns hat und welche sich der ÖRR anmaßt, einnehmen zu wollen.