Fernsehsüchtige werden immer weniger - Internet/PC Süchtige immer mehr!
LG
Ja, kann man so sehen. Das Internet/PC ist aber vielseitiger. Es kommt also darauf an, was der "Süchtige" am PC und im Internet macht. Interaktiv ist es auf jeden Fall sozialer, wobei das Wort "Sozial" ja auch durch die sogenannten "sozialen Netzwerke" deformiert - manche können auch sagen: weiterentwickelt - wird. Das "Soziale" findet sowohl interaktiv als auch weiterentwickelt statt. Das "Soziale" reduziert zum einen die Wahrnehmungsmöglichkeit durch die Nichtanwesenheit der teilnehmenden Personen, die sich nur auf das beim sozialen Austausch konzentrieren, was sie wahrnehmen können, zum anderen gelingt Zugang zu Informationen, die so zuvor nicht zugänglich waren - jedenfalls nicht im Wege des Fernsehens oder Radios - zumeist individueller Natur, aber auch um Gruppen zu organisieren und zu motivieren. Es findet eine Entmachtung der Redakteure der Massenmedien statt, da stattdessen jeder Redakteur von Informationen sein kann. Bei dem Thema "Sucht" geht es also nicht nur um Krankheit, sondern auch um Macht über die Deutungshoheit, was "krank" ist.
Guckt man jüngeren Generationen zu, so kann man erkennen, daß sie zusammenklucken und gemeinsam in ihr jeweiliges Smart-Phone starren, dabei spielt aber das Fernsehen mittels Smart-Phone keine Rolle, da sie ununterbrochen irgendetwas reintippen. Das Internet scheint in ihren Alltag integriert zu sein. Damit ist das Internet eine Erweiterung ihrer persönlichen Welt.
Das "Soziale" wird somit von den Inhalten der PC- und Internet-Welt bedingt. Und die Inhalte konstruieren dementsprechend die soziale Wirklichkeit und die sozialen Fähigkeiten der Süchtigen - süchtig weil der Entzug zum Entzug aus dieser entstandenen Wirklichkeit mit entsprechenden Entzugserscheinungen führen würde. Während das Fernsehen einem Massenpublikum eine soziale Wirklichkeit vorgaukelt, die bei Absetzen zu ca. einwöchigen Entzugserscheinungen führt, schätze ich das Suchtpotential der konstruierten sozialen Wirklichkeit im Internet-Alltag für größer ein, weil es interaktiv stattfindet. Die Scheinwelt der Spiele ist natürlich gefährlicher als die erweiterte Welt der sozialen Netzwerke, die sich mehr an der Realität orientieren, die aber einen Zugang zu einer Realität vorgaukeln, die bei Entzug wegfällt. Mit Wegfall dieser Realität fallen natürlich auch die gefundenen sozialen Partner weg, die nicht ohne weiteres ersetzbar sind und daher individuelle Leere aufgrund der verlorengegangenen Bindungen verursachen. Die sozialen Netzwerken begünstigen also eine Situation, in der man sich weniger persönlich zu verantworten hat als im tristen Alltag, was natürlich dazu führt, daß man solche Situationen eher sucht als Situationen des komplizierten Miteinander im Nahbereich.
Man könnte es auch so formulieren: Das Fernsehen schaltet die Masse stumm. Das Internet dagegen fördert die Bedürfnisse nach Nähe, ohne zum Zwang zur Verantwortung aufgrund der Nähe wie im Nahbereich zu führen.
Ist die Frage was "besser" ist....
LG
Diese Frage stellt sich tatsächlich.
Ich für meinen Teil halte das Internet für "besser", da es zumindest soziale Basiskompetenzen nicht verkümmern läßt. Das gilt natürlich nicht für Spiele oder so etwas wie virtuelle Welten wie "Second Life". Es sollten schon reale Personen hinter dem sozialen Austausch im Internet stecken.
Ob dies nun "psychisch" gesund ist, ist eine andere Frage. Es kann sich nur um einen Vergleich mit der Kunstwelt des Fernsehens in diesem Kontext hier handeln. Und dabei ist es ziemlich eindeutig, daß die soziale Stummschaltung der Fernsehkonsumenten bei gleichzeitiger sozialer Höherstellung der medial Produzierenden "sozial" deaktiviert, wie ja auch in zahlreichen Studien (s.o.) nachgewiesen wurde. Fernsehen wäre demnach im Vergleich zur Nutzung des Internets "psychisch" ungesünder. Es wird somit deutlich, daß es bei der Analyse der Verhältnisse nicht nur um die Diagnose von psychischen Abhängigkeitsverhalten einzelner Medienwege, sondern auch um die qualitativen Strukturen der jeweiligen Süchte geht, die psychisch unterschiedlich auf die Betroffenen wirken. Im Falle des Fernsehens wird das psychische Erleben der Betroffenen gelenkt und auf "Wiederholung" geimpft, im Falle des Internets hängt es von den sozialen Partnern ab, wie das Internet sich auf den Alltag der Betroffenen auswirkt.
Interessant dabei: Das sich bedroht fühlende Fernsehen lenkt die Aufmerksamkeit für das Problemverhalten "Sucht" auf das Internet im Allgemeinen, während es selbst zuvor fleißig das Internet propagiert hat. Auch war im Nachtmagazin der ARD immer wieder von sogenannten "Freunden" bei Facebook & Co. die Rede, wobei man sich schon als Normalo fragte, was können das für "Freunde" sein, wenn man 1000 davon hat. Das ist so ungefähr wie mit dem "Lieblingsnachbar" bei DHL. Manager-Speak - mehr nicht. Also: Das Fernsehen behauptet eine Meinungsmacht zum Thema "Mediensucht" - ohne sich selbst unter die Lupe zu nehmen.
Ja - da würde ich mal sagen: Das ist krank!
Hinzu kommt, daß am Arbeitsplatz die Nutzung des Internets eine völlig normale Angelegenheit geworden ist, während es im privaten Bereich eine Sucht sein soll? Da wird ein wenig verquer argumentiert. Man könnte genausogut sagen, die Arbeitswelt produziert haufenweise Internet-Süchtige!
Kommen wir aus dem ganzen Technikschlamassel eigentlich wieder raus?
LG
Das würde ich mal ganz klar verneinen! Es ist ein Dilemma.
Ich würde sogar nicht nur vom Technikschlamassel reden, sondern klipp und klar vom TechnikSCHEISS!
Es kann doch sein, daß man für eine Technik zahlen soll, weil sie da ist. Das ist so ungefähr, wie die Möglichkeit zum Telefonanschluß. Wenn man keinen hat, dann zahlt man auch nicht, aber beim Fernsehen soll man das?