CSU-Sprecher Hans Michael Strepp soll versucht haben, die Berichterstattung der ZDF-"heute"-Redaktion über den Parteitag der bayerischen SPD am Sonntag in Nürnberg zu beeinflussen. Nun gerät CSU-Parteichef Horst Seehofer zunehmend unter Druck. Seehofer sagte seine Termine für Donnerstag kurzfristig ab - er wolle morgen bei der Debatte um das skandalöse Verhalten seines Parteisprechers im Landtag persönlich anwesend sein und "notfalls auch selber das Wort ergreifen".
Nach übereinstimmenden Schilderungen aus dem Sender habe der CSU-Sprecher deswegen den diensthabenden Redakteur angerufen und verlangt, dass in der Nachrichtensendung um 19 Uhr nicht über den Landesparteitag der SPD berichtet werden soll. Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll Parteisprecher Strepp dem diensthabenden "heute"-Redakteur gedroht haben, es werde "Diskussionen nach sich ziehen", falls über den SPD-Parteitag berichtet werde.
Seehofer geht auf Distanz
Seehofer hatte bereits betont, dass der Versuch einer Einflussnahme auf das ZDF durch die CSU-Zentrale nicht zu tolerieren wäre. "Es widerspräche unserer Grundhaltung. Wir sind eine tolerante Partei." Er habe niemanden angewiesen, sagte der bayerische Ministerpräsident.
Unterdessen wurde bekannt, dass Strepp auch Kontakt mit dem ARD-Hauptstadtstudio in Berlin aufgenommen haben soll. Wie der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete, habe Strepp eine SMS verschickt mit dem Inhalt: "Wissen Sie eigentlich, ob ARD heute was macht zu Ude in Nürnberg? Danke für Info." Die Antwort war abschlägig, stattdessen wurde auf die Kollegen vom BR verwiesen.
"Wir senden - egal, wer anruft"
ZDF-Chefredakteur Peter Frey teilte mit, Strepp müsse die Frage beantworten, warum und mit welcher Intention er direkt in der "heute"-Redaktion angerufen habe. Frey sei mit der Reaktion seiner Kollegen sehr zufrieden. "Wir senden, was wir senden, egal wer anruft." Die "heute"-Redaktion habe ihre Unabhängigkeit bewiesen.
Am Sonntag hatte die Bayern-SPD den Münchner Oberbürgermeister Christian Ude zu ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2013 gewählt. Dies war dann auch planungsgemäß Thema in der "heute"-Sendung.
SPD sieht "versuchte Zensur"
"Was die 'Süddeutsche Zeitung' schildert, ist versuchte Zensur. Die SPD besteht darauf, dass CSU und ZDF diesen Vorgang lückenlos aufklären", erklärte SPD-Landeschef Florian Pronold in München. "Die CSU ist nervös und fällt in alte Verhaltensmuster zurück", kritisierte er. Dass ein Pressesprecher interveniere, um die eigene Partei besser dastehen zu lassen, sei üblich. "Dass er aber verhindern will, dass über andere Parteien berichtet wird, überschreitet das erträgliche Maß." Die vermeintliche "Staatspartei" CSU habe immer noch nicht begriffen, dass sie keinen Einfluss auf öffentlich-rechtliche Sender nehmen dürfe. "Das ist dieselbe Geisteshaltung wie bei Christian Wulff, der mit seinem Drohanruf bei der "Bild"-Zeitung zu Recht Schiffbruch erlitten hat", sagte Pronold.
Der Spitzenkandidat der bayerischen SPD, Christian Ude, hat die versuchte Einflussnahme als "gravierenden Vorgang" verurteilt. Offenbar habe ein Repräsentant einer Regierungspartei versuchen wollen, die Berichterstattung über eine Veranstaltung der Konkurrenz zu verhindern, kritisierte Ude. Sollte sich dies bestätigen, seien damit deutlich Grenzen überschritten worden. Der Vorgang sei so gravierend, dass man dies nicht mit einem "übereifrigen Pressesprecher" entschuldigen könne.
Grünen-Landeschef Dieter Janecek betonte: "Der Zensurversuch der CSU zeigt ihr erbärmliches Verständnis von Pressefreiheit und ihre Angst vor Machtverlust." Einmal mehr stelle die CSU unter Beweis, dass bürgerliche Werte bei ihr schlecht aufgehoben seien. "Wer freie Meinungsäußerung unterbinden will und den Respekt vor Andersdenkenden vermissen lässt, hat kein demokratisches Staatsverständnis. Der CSU geht es nicht um Werte, sondern nur um Macht", erklärte Janecek.
Nahles fordert Konsequenzen
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat Konsequenzen verlangt. "Ein Pressesprecher, der die Pressefreiheit nicht kennt, ist in einer demokratischen Partei nicht haltbar", erklärte Nahles. "Der kläglich gescheiterte Einschüchterungsversuch des CSU-Pressesprechers zeigt: Aus Angst vor dem Machtverlust im eigenen Land werden hier die Grundfesten unserer Demokratie skrupellos mit Füßen getreten", kritisierte sie.
An die Adresse von CSU-Chef Horst Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte Nahles: "Wir brauchen eine lückenlose Aufklärung dieses Skandals, Herr Seehofer! In wessen Auftrag handelte der Pressesprecher der CSU? Wer trägt die Verantwortung, Herr Dobrindt?"
"CSU hält Deutschland für Bananenrepublik"
Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, zeigte sich empört. "Wenn sich das bestätigt, gilt: Die CSU hält Deutschland scheinbar für eine Bananenrepublik und hat wohl Schwierigkeiten mit einer unabhängigen Presse", sagte Beck. Sollten sich die Berichte als zutreffend erweisen, müsse sich "Seehofer für seinen Pressesprecher öffentlich entschuldigen".
Strepp ist abgetaucht
Strepp war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" bestritt Strepp die Vorwürfe. In einer Mail an die Zeitungsredaktion habe er mitgeteilt, die Darstellung entspreche "nicht den Tatsachen". Außerdem habe er einen Brief angefügt, den er dem stellvertretenden ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen geschrieben habe. Darin habe Strepp zwar sein Telefonat mit dem "heute"-Redakteur bestätigt, aber jeden Versuch der Einflussnahme bestritten.
Quelle:
http://nachrichten.t-online.de/hans-michael-strepp-zdf-affaere-der-csu-weitet-sich-aus/id_60592372/index