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Autor Thema: BGH I ZR 144/22 - Nichtigkeit einer Landesnorm wg. Verstoß gegen höheres Recht  (Gelesen 524 mal)

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Es wird die Aussage getroffen, daß eine rangniedere Norm dadurch nichtig werden kann, daß der Normgeber es unterläßt, seine Norm der ranghöheren Norm anzupassen, wenn das Ermessen des Normgebers der rangniederen Norm, seine Norm der ranghöheren Norm anzupassen, bei 0 liegt; es also defaktisch unzulässig ist, daß der Normgeber der rangniederen Norm seine Norm nicht an die Vorgaben der ranghöheren Norm angleicht.

Urteil des I. Zivilsenats vom 27.7.2023 - I ZR 144/22 -
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=134435&pos=14&anz=1107

Leitsätze
Zitat
a) Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet - anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt - keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende geschäftliche Handlung.

b) Die Nichtigkeit einer im Ermessen des Normgebers stehenden, ursprünglich rechtmäßigen Rechtsverordnung kann eintreten, wenn der Normgeber die Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden wegen einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung der maßgeblichen Umstände auf Null reduziert ist

Zitat
15
a) Eine nach den §§ 3, 3a UWG unlautere Zuwiderhandlung gegen eine Marktverhaltensregelung setzt neben der Eignung, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen, allein ein den Tatbestand der das Marktverhalten regelnden Vorschrift vollständig erfüllendes, objektiv rechtswidriges Verhalten voraus (zu § 4 Nr. 11 UWG aF vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265 [juris Rn. 20] - Atemtest I; Urteil vom 20. Oktober 2005 - I ZR 10/03, GRUR 2006, 82 [juris Rn. 21] = WRP 2006, 79 - Betonstahl; Urteil vom 8. November 2007 - I ZR 60/05, GRUR 2008, 530 [juris Rn. 11] = WRP 2008, 777 - Nachlass bei der Selbstbeteiligung; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 3a Rn. 1.84; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 3a Rn. 27; MünchKomm.UWG/Schaffert aaO § 3a Rn. 100).

Zitat
18
Eine rechtswidrige und damit nichtige Rechtsverordnung entfaltet allerdings keine Legitimationswirkung. Grundsätzlich ist eine mit höherrangigem Recht unvereinbare Rechtsverordnung nichtig (vgl. BeckOK.GG/Uhle, 54. Edition [Stand 15. Februar 2023], Art. 80 Rn. 36; Brenner in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82). Die Gerichte haben Rechtsverordnungen darauf zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen (vgl. BVerfGE 48, 40 [juris Rn. 16]; BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 [juris Rn. 50] = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN). Die Nichtigkeit einer Rechtsverordnung können die Fachgerichte selbst feststellen, weil insoweit kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht (st. Rspr.; vgl. BVerfGE 1, 184, 195 [juris Rn. 39 bis 53]; BVerfGE 68, 319 [juris Rn. 18 und 20]; BVerfGE 114, 303 [juris Rn. 35])

Zitat
19
[...]  Weiter ist die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere den Grundrechten, zu prüfen (vgl. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz aaO Art. 80 Rn. 132).

Lassen sich die Aussagen auf die landesrechtlichen Rundfunkverträge übertragen?

Die Kernaussage der obigen Zitate ist doch, daß höhere Rechtsnormen incl. der Grundrechte von der rangniederen Norm einzuhalten sind?

Der 1. Zivilsenat entscheidet ja wie der noch speziellere Kartellsenat zu Angelegenheiten des Wirtschaftsrechts; der ranghöchste Normgeber in Belangen Wirtschaft ist der Normgeber der Union, da alleine die Union die Befugnis hat, die Regeln zur Realisierung des gemeinsamen Binnenmarktes aufzustellen.

Konsolidierter Text: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02016ME%2FTXT-20200301&qid=1642439242963

Zitat
Artikel 3 (AEUV)

(1)  Die Union hat ausschließliche Zuständigkeit in folgenden Bereichen:

b) Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Wettbewerbsregeln,

[...]

Unstreitig wurden die Unionsgrundrechte bei Gestaltung der Rundfunkverträge nicht berücksichtigt, wie auch die Rechtsprechung des EGMR und EuGH keine oder nur unzureichende Berücksichtigung fanden?

EuGH C-234/17 - Mit Unionsgrundrechten unvereinbare Maßnahmen sind unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35193.0

EuGH C-401/19 - Mittel zum Vertrieb der Information durch Grundrecht geschützt
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36779.0

EuGH C-439/19 - DSGVO - Datenübertragung an Wirtschaftsteilnehmer unzulässig
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35594.0

EGMR -> Art 10 EMRK -> Grundrecht schützt alle Mittel z. Vertrieb d. Information
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37238.0

Datenschutzentscheidung - Recht auf Vergessen II
BVerfG -1 BvR 276/17 - Vorrang des Unionsrechts auch beim Unionsgrundrecht
(2019-11-06)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=32844.0

Datenschutzentscheidung - Recht auf Vergessen I
BVerfG 1 BvR 16/13 - GG nur bei unvollst. vereinheitl. Unionsrecht anwendbar
(2019-11-19)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37074.0

BVerfG 2 BvR 470/08 - Öffentliche Unternehmen müssen das Grundrecht einhalten (2016-07-19)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36933.0

BGH KZR 31/14 - Dt. ÖRR = Unternehmen im Sinne des Kartellrechts
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33155.0

Aus der Mißachtung der Unionsvorgaben incl. der Nichtberücksichtigung höherrangiger gerichtlicher Entscheidungen kann ein Schaden zum Nachteil der Verbraucher entstehen? Wenn "ja", so wäre dieses unionsrechtlich verboten:

Konsolidierter Text: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02016ME%2FTXT-20200301&qid=1642439242963

Zitat
Artikel 102 AEUV
(ex-Artikel 82 EGV)

Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:

b)  der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher;

[...]

Sind die Rundfunkstaatsverträge wegen Verstoßes gegen ranghöhere Normen nichtig?

Weitere Querverweise:
Sind ratifizierte Unionsverträge im Rang von Bundesrecht?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37391.0

BFH I B 66/15 - Unionsrechtswidrige Norm entfaltet keine Bindungswirkung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34862.0

Keine hoheitl. Befugnis f. j.P.ö.R in Wettbewerb; gefestigte Rechtspr. des BFH
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=30952.0

BGH 2 StR 371/22 - Unerlaubter Zahlungsdienst ist Straftat
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37328.0

BGH 1 StR 32/13 - Verarbeitung pers.bez. Daten ohne Rechtsgrundlage ist Straftat
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35765.0

Ist die sog. Direktanmeldung eine Straftat?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=37359.0


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 11. August 2023, 02:36 von Bürger«
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)

Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;

- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;

- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;

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Es sei @pinguin gerdankt!
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Diese Rechtsfrage ist gerade Gegenstand eines neuen Musterverfahrens, Start in den nächsten Tagen. Keine näheren Angaben hier, Feind liest mit, wie wollen ja Osterhase spielen mit Überraschungseiern.

Nur so viel: Da gibt es eine Rechtsnormen-Kollision mit Hebelwirkung zwischen Bund / Bundesland.

Mit @pinguins Ausführungen kann nun fein untermauert werden, dass diese Kollison Hebelwirkung für sehr vieles haben könnte.

Es geht also um die Rechte des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts, sofern Bundesländer sich bei einer Kollison berufen könnten auf das Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 20 GG, aber dies nicht dürfen.


Es geht auch um des Verwerfungs-Tripol und die Prioritäten-Situation
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 - dass nämlich bei Verwerfung auf Landesebene von Landesrecht das Bundesverfassungsgericht dieser nichts entgegensetzen kann.


Wir hatten das hier im Forum bereits bei der Unzulässigkeit
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des Bundesverfassungsgerichts, den sogenannten "Beitrag" auf 18.36 Euro zu heben, da die entsprechende Rechtsnorm bundesweit bereits landesrechtlich verworfen worden war. Das war den Juristen des Bundesverfassungsgerichts wohl einfach entgangen,
- weil die Verwerfung zeitlich im Januar
- erst nach Beschwerdeeinreichung und Gutachtenerstellung (Dezember)
- erfolgte, also nicht in der Akte auftauchte.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 11. August 2023, 23:27 von Bürger«
"Glücklich das Land, das Rechtsstaatsverteidiger hat. Traurig das Land, das sie nötig hat."   (Pedro Rosso)
Deine Worte weht der Wind ins Nirwana des ewigen Vergessens. Willst du die Welt wandeln, so musst du handeln. Um Böses abzuschaffen, Paragrafen sind deine Waffen.

 
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