Urteil vom 15. November 2022, VII R 29/21 (VII R 17/18) https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310117/Leitsätze
1. Wurde eine nach Unionsrecht fakultative Steuerbegünstigung (hier: ermäßigter Steuersatz nach § 9 Abs. 3 StromStG a.F.) zu Unrecht nicht gewährt, so dass der Steuerpflichtige Vorauszahlungen geleistet hat, ist ein daraus resultierender Erstattungsanspruch zu verzinsen.
2. Der Verzinsungszeitraum beginnt mit der Leistung der jeweiligen Vorauszahlung und endet mit der Erstattung des unter Verstoß gegen Unionsrecht festgesetzten Steuerbetrags.
3. Die Pflicht zur Verzinsung erstreckt sich auf den gesamten Zeitraum, in dem der Betrag dem Steuerschuldner nicht zur Verfügung stand, nicht nur auf volle Zinsmonate gemäß § 238 Abs. 1 Satz 2 AO.
Die Differenz der zwischen der in Echt geleisteten Abgabe und der Abgabe, die lediglich hätte geleistet werden müssen, stellt eine unionsrechtswidrige Abgabe dar; der Begriff "Abgabe" bezieht sich also nicht nur auf das ganze Konstrukt, sondern auch auf Teile davon.
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1. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Einzelne, wenn ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts Steuern erhoben hat, einen Anspruch auf Erstattung nicht nur der zu Unrecht erhobenen Steuer, sondern auch der Beträge, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Steuer an diesen Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind. Darunter fallen auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer (EuGH-Urteile Littlewoods Retail u.a. vom 19.07.2012 - C-591/10, EU:C:2012:478, Rz 25, m.w.N., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ??HFR?? 2012, 1018; Zuckerfabrik Jülich vom 27.09.2012 - C-113/10 u.a., EU:C:2012:591, Rz 65, m.w.N., ZfZ 2013, 76; Irimie vom 18.04.2013 - C-565/11, EU:C:2013:250, HFR 2013, 659, Rz 21, m.w.N.; Nicula vom 15.10.2014 - C-331/13, EU:C:2014:2285, Rz 28, ABlEU 2014, Nr. C 462, 7; Wortmann vom 18.01.2017 - C-365/15, EU:C:2017:19, Rz 37 ff., ZfZ 2017, 42, und HUMDA vom 13.10.2022 - C-397/21, EU:C:2022:790, Rz 32; vgl. auch Senatsurteil vom 22.09.2015 - VII R 32/14, BFHE 251, 291, BStBl II 2016, 323).
Wäre der Rundfunkbeitrag bei allen Geringverdienern und Rundfunk
nichtinteressenten, (m/w/d), als unionsrechtswidrige Abgabe zu qualifizieren, wäre nicht nur dieser konkrete Betrag zu erstatten, sondern, bspw., auch die Säumniszuschläge und u. U. sogar etwaige Gerichts- bzw. Rechtsanwaltskosten?
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Der EuGH hat diese Rechtsprechung in Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des erkennenden Senats in BFHE 267, 83, ZfZ 2020, 113 mit dem Urteil Hauptzollamt B (EU:C:2021:716, ZfZ 2021, 329) bestätigt und im Hinblick auf fakultative Steuerbegünstigungen weiterentwickelt. Demnach besteht eine Pflicht zur Verzinsung des Betrags der unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Abgaben auch dann, wenn dieser Verstoß aus einer Verkennung der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts resultiert (Rz 28). Insbesondere verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Rz 32, m.w.N.). Hierzu hat der EuGH weiter festgestellt, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts zur Umsetzung der von der EnergieStRL vorgesehenen Möglichkeit einem ermäßigten Satz der Stromsteuer unterliegt, die zu Unrecht erhoben wurde, im Hinblick auf den Betrag der zu Unrecht erhobenen Steuer und die Pflicht zur entsprechenden Rückerstattung in einer vergleichbaren Situation ist wie ein Wirtschaftsteilnehmer, der in Anwendung einer Bestimmung dieser Richtlinie dem Normalsatz dieser Steuer unterliegt, die zu Unrecht erhoben wurde (Rz 33). Daher ist der zu Unrecht erhobene Betrag der Steuer zu verzinsen, weil der Wirtschaftsbeteiligte auch in diesem Fall nicht über die Steuer verfügen konnte und dadurch Einbußen erlitten hat (vgl. Rz 34 f.).
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Mit seinem Urteil Gräfendorfer Geflügel und Tiefkühlfeinkost vom 28.04.2022 C-415/20, C-419/20 und C-427/20 (EU:C:2022:306, BFH/NV 2022, 796) hat der EuGH erneut über den unionsrechtlichen Zinsanspruch entschieden und wiederum bestätigt, dass ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht erhobener Geldbeträge sowie auf die Zahlung von Zinsen besteht, um die Nichtverfügbarkeit des Geldbetrags auszugleichen (Rz 51 f.). Der EuGH hat weiterhin entschieden, dass sich ein Verstoß, der einen Erstattungs- und einen Zinsanspruch begründen kann, auf jede Regel des Unionsrechts beziehen kann (Rz 61) und der Unionsrechtsverstoß sowohl von den Unionsgerichten als auch von einem nationalen Gericht festgestellt worden sein kann (Rz 66). Auch eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs ist nicht zwingend erforderlich (Rz 84).
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jede Regel des Unionsrechts"
-> Art 11 Charta zur Informations- und Meinungsfreiheit mit "ohne Eingriffe durch Behörden" und
EuGH C-401/19 - Mittel zum Vertrieb der Information durch Grundrecht geschützthttps://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36779.0Wenn der Rundfunkbeitrag unter Mißachtung des Art 11 Charta erhoben wird, ist er unionsrechtswidrig und zu erstatten?
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